PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 1A SEITE 1B Predigt Offb. 3,7-13 2. Advent, 7.12.2014 St. Andreas Hildesheim Dialogpredigt mit Stefan Hatz Offb3,7-13.docx Detlef Albrecht Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Der Predigttext steht im 3. Kapitel der Offenbarung des Johannes: 7»Schreibe an den Engel der Gemeinde in Philadelphia: So spricht Er, der heilig ist und Treue hält, Er, der den Schlüssel Davids hat wo Er öffnet, kann niemand zuschließen, und wo Er zuschließt, kann niemand öffnen, Er lässt euch sagen: 8 Ich kenne euer Tun. Ich habe euch eine Tür geöffnet, die niemand zuschließen kann. Eure Kraft ist nur klein. Trotzdem habt ihr euch nach meinem Wort gerichtet und das Bekenntnis zu mir nicht widerrufen. 9 Hört zu! Ich werde Menschen zu euch schicken, die zur Synagoge des Satans gehören. Sie behaupten, dass sie zum Volk Gottes zählen; das stimmt aber nicht, sie lügen. Ich werde dafür sorgen, dass sie sich vor euch niederwerfen und anerkennen, dass ich euch erwählt habe und liebe. 10 Ihr habt mein Wort beherzigt, mit dem ich euch zum Durchhalten aufrief. Darum werde ich euch in der Zeit der Versuchung bewahren, die demnächst über die ganze Erde kommen und alle Menschen auf die Probe stellen wird. 11 Ich komme bald! Haltet fest, was ihr habt, damit euch niemand den Siegeskranz streitig macht! 12 Alle, die durchhalten und den Sieg erringen, werde ich zu einer Säule5 im Tempel meines Gottes machen, und sie werden immer darin bleiben. Ich werde den Namen meines Gottes auf sie schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes. Diese Stadt ist das neue Jerusalem, das von meinem Gott aus dem Himmel herabkommen wird. Ich werde auch meinen eigenen neuen Namen auf sie schreiben. 13 Wer Ohren hat, soll hören, was der Geist den Gemeinden sagt!«liebe Gemeinde! In meinem Beruf, ich arbeite für die Universität in Greifswald, kommt es öfter vor, daß ich durch Schulen tingele, um Schülern etwas vom Studium an einer Hochschule zu erzählen. Ich komme dann in die Schule, der Lehrer weist mir den Weg
PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 2A SEITE 2B zum Klassenraum, und wenn ich dann am Raum ankomme, stehn die Schüler davor. Warum sind Sie denn noch nicht in der Klasse. Die Tür ist zu. Haben Sie denn schon mal die Klinke gedrückt? frage ich und drücke die Klinke, weil ich weiß, daß die Lehrer schon aufgeschlossen haben, weil ich ja keinen Schlüssel habe. Und siehe da, die Tür öffnet sich. Die Schüler haben gedacht. Ist zu. Ich sage immer: Keine Tür ist so verschlossen, wie die Tür, von der ich denke, daß sie verschlossen ist. Wie oft denke ich, denken wir das: Hier geht es nicht weiter. Ich habe immer wieder mit Studenten zu tun, die eine Prüfung endgültig nicht bestanden haben. Endgültig heißt, viele Studenten verstehen das gar nicht: end-gültig, zu Ende, hier geht das Studium nicht mehr weiter. Und wenn dann diese Erkenntnis sich endlich Bahn gebrochen hat, dann ist das natürlich eine Katastrophe. Aber dann denken die jungen Leute gleich: Jetzt ist das Leben zu Ende. Jetzt sind alle Türen zugeschlagen. Und dann ist es ein mühsamer Prozeß, sich aus diesem Scheitern wieder einen Weg zu bahnen, Türen aufzumachen, Perspektiven zu gewinnen, die Krise so ironisch das auch klingen mag, die Krise auch als Chance wahrzunehmen: Die Chance, etwas anderes machen zu können, etwas anderes kennenzulernen, neue Wege zu beschreiten. Von diesen für mich alltäglichen Erfahrungen gewinne ich ein Verständnis für die Bilder des Johannes, der ja auch von offenen Türen spricht, und kleiner Kraft, mit der man doch einiges bewegen kann. Wobei manche Türen sind ja wirklich verschlossen, auch wenn man sie zu öffnen versucht. Wie viele Menschen müssen in diesen Tagen ihre Heimat verlassen, weil der Krieg sie aus ihren Dörfern vertrieben hat. Andere treibt die Armut nach Europa. Wer nichts mehr zum Lebensunterhalt findet, für den ist das ja auch wie eine verschlossene Tür. Leider kann man diese Tür nicht so einfach wieder aufmachen. Die Flüchtlinge suchen die offene Tür dann bei uns! Wir hatten im Kreis der Innenstadtpastoren ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Stadt, der uns genau erklärt hat, wie das abläuft, wenn Menschen als Flüchtlinge nach Hildesheim kommen. Erst Gemeinschaftsunterkünfte, Deutschunterricht, Hilfen beim Verstehen des Landes. Dann die Suche nach einer geeigneten Wohnung, die die Stadt bezahlt. Nach einem zeitlichen Abstand dann auch die Möglichkeit, eine Arbeit anzunehmen. Die Kinder gehen sofort in die Schule und müssen natürlich
PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 3A SEITE 3B auch so schnell wie möglich Deutsch lernen. Diese Menschen hoffen darauf, dass bei uns Türen aufgehen. Wir als Andreasgemeinde bieten Raum an für Deutschunterricht der kann für Menschen eben auch wie eine Tür sein. Was bedeutet das denn für uns als Christen? Türen, die aufgehen? Ja, mehr noch: Türen, die Gott für uns aufmacht? Türen, die Gott für uns aufgemacht hat! Der Seher Johannes schreibt ja:»siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen«[apk 38]. Das bedeutet für mich ein ganz tiefes Vertrauen, daß Gott es gut mit mir meint. Daß meine Wege nicht an ein Ende kommen, sondern, daß sich mir immer wieder Türen in die Zukunft auftun. Das mag immer wieder auch schwierig sein, denn hinter jeder Biegung des Lebensweges mag eine Trauer, eine Einsamkeit, eine Krankheit, ein Tod liegen aber trotz alledem dann auch auf Gott zu vertrauen, das ist ein Fundament, das durchs Leben trägt. Und wenn man dieses Vertrauen erfahren hat, dann kann man davon auch weitergeben, wie es ja hier in der Andreasgemeinde auch geschieht. Und dann kommt das andere für mich noch dazu: Ihr hier in Hildesheim könnt die Probleme der Welt nicht alle lösen, falls sie überhaupt lösbar sind. Und das ist ja auch eine denkbare Reaktion: Sich zurückziehen. Die Welt ist böse aber wir bauen uns hier unsere kleine heile Welt auf. Mögen sich die Menschen draußen die Schädel einschlagen das sollen die dort ruhig machen, geht uns nix an. Hinter sich die Türe zuschließen. Und genau das eben nicht zu tun, im Gegenteil: die Türe offen halten, ein Ohr für die Nöte zu haben, mit der kleinen Kraft einer gar nicht mal so kleinen Gemeinde das bewältigen, was man bewältigen kann. Das ist für mich dann auch ein Zeichen des Vertrauens und der Hoffnung, weil wir Christen den Himmel für uns schon offen stehen sehen. Der Seher Johannes sieht Menschen vor sich, die gerade das nicht mehr sehen konnten: Dass der Himmel über ihnen offen stand. Sie hatten erhebliche Probleme, ihren Glauben zu leben, weil sie massiv angefeindet wurden. Ja, es ging um Verfolgung in diesen Gemeinden in Kleinasien, dem Gebiet der heutigen Türkei. Man ist mittendrin in den Auseinandersetzungen zwischen den Kulturen und Religionen. Und Johannes macht ihnen Mut und sagt: Gebt jetzt nicht auf! Und er sagt einen Satz über die, die sich als Feinde der jungen christlichen Gemeinde verhalten:
PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 4A SEITE 4B Siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. Was für ein Satz! Keine Rache, keine Vergeltung für die Feinde, sondern nur der Wunsch, dass sie die Liebe Gottes zu seinen Menschen erkennen mögen. Wie anders sähe es in der Welt aus, wenn man das beherzigen würde. Aber ich muss natürlich dazu sagen: Auch die Christen haben anderthalb Jahrtausende gebraucht, bis sie verstanden haben, dass Kreuzzüge und Liebe Gottes einfach nicht zusammen passen. Und ob sie s bis heute eigentlich verstanden haben, kann ich gar nicht mal sagen. Da hast Du recht in der Vergangenheit bis in die jüngste Gegenwart haben sich Christen nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging, anderen Menschen vorzuleben, wie es ist, wenn man den Himmel offen stehen sieht. Das hatte und manchmal hat! auch oftmals viel mehr mit Zwang, denn mit Freiheit zu tun. Aber die Freiheit, die wir hier in Europa genießen, läßt uns oftmals auch aus dem Blick geraten, daß das Christentum an vielen Stellen der Welt inzwischen in die Defensive geraten ist. Der Seher Johannes schreibt ja in der Tat für Christen, die zwar noch nicht systematisch verfolgt werden das kam erst später in der Geschichte, aber eben doch für Christen, die um ihres Glaubens willen etliche Nachteile im Alltag hinnehmen mußten. Und wie es der Zufall will, war der Papst gerade in der Gegend des damaligen Philadelphia, an das unser Sendschreiben adressiert ist, in Kleinasien, in der heutigen Türkei. Und ich befürchte, Christen in der Türkei können vieles, was sie da in der Offenbarung des Johannes lesen, unmittelbar auf sich beziehen: Da sind auch viele Türen geschlossen, da komme ich beruflich nicht mehr weiter, da bin ich de facto von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen, da haben meine Kinder in der Schule Schwierigkeiten. Bei aller berechtigter Scham über das, was Christen Andersgläubigen angetan haben darf aber auch dieses nicht verschwiegen werden. Ja, wir sind ganz neu in der Auseinandersetzung. An vielen Stellen macht sich bemerkbar, dass das Christentum eben nicht mehr selbstverständlich zu uns gehört. Die Atheisten werden frecher, machen Plakatwerbung gegen die Kirchensteuer und bezahlen Werbung an Bussen, auf denen in großen Buchstaben steht: Es gibt keinen Gott!
PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 5A SEITE 5B Und was für mich geradezu ein Gottesbeweis ist: In kleinen Buchstaben haben sie dazwischengeschrieben: Es gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keinen Gott. Hallo? Wenn sich nicht mal die Atheisten sicher sind, dass es Gott NICHT gibt, dann ist das doch ein klarer Beweis dafür, dass es ihn gibt. Da würde ich mit einem Atheisten gern mal drüber sprechen. Aber auch sonst sind wir in Diskussionen drin, die vor 10, 20 Jahren noch nicht denkbar gewesen wären: Soll Karfreitag eigentlich als ein Tag erhalten werden, an dem keine Tanzveranstaltungen erlaubt sind? Soll der Staat eigentlich noch seiner Verpflichtung vom Anfang des 19. Jahrhunderts nachkommen und den Kirchen jedes Jahr Millionensummen als Entschädigung für die damalige Enteignung zahlen? Solche und noch weitere Fragen zeigen an, dass wir eben nicht mehr auf einer Insel der Seligen leben, sondern dass wir mitten drin sind in den Auseinandersetzungen unserer Zeit. Vielleicht ganz ähnlich wie die Gemeinden damals in Kleinasien. Ja, Du da oben, Du auf Deiner Kanzel, das ist Dein Meisterstück: Den Atheisten auch noch Gott andichten. Aber ich hier unten, ich bin hier eher ratlos, vielleicht auch wehrlos. Ich habe da neulich auch so einen jungen Mann mit ziemlich provokantem Atheisten-T-Shirt im Café gesehen, und dachte nur: Daß du Bürschlein hier in Frieden sitzt, verdankst du nur dem Vertrauen darauf, daß dir ein anständiger Christ schon nicht anständig einen auf die Schnauze hauen wird. Ich weiß ja, daß das keine Lösung ist, aber manchmal möchte ich mich schon gerne auf dieses Stammtischniveau hinab begeben. Aber ich bin mir sicher, Du da oben hast eine bessere Antwort. Ja, wir Christen sind einfach zu friedlich! Wenn s gut läuft. Wenn s wirklich gut läuft, dann nehme ich diesen Gedanken zwar in mir auch mal wahr, der da lautet: Warum kann man nicht einfach auch mal was ohne Worte klären? Eben mit Gewalt? Aber nein, kann man nicht, denn wenn es wirklich gut läuft, dann weiß ich: Gott liebt auch diesen Menschen, der so ein T-Shirt trägt, das gegen Gott ist. Ich weiß, dass das manchmal schwer zu ertragen ist. Aber wenn ich weiß, dass Gott das erträgt, dann geht es mir schon besser. Das, was der Seher Johannes den Gemeinden in Kleinasien schreibt, das gilt ja auch für uns heute: Die Tür ist geöffnet, und niemand kann sie zuschlagen. Wenn Gott eine Tür auftut, dann kann kein Atheist sie wieder verschließen. Lasst uns diesen Mut bewahren: Dass wir daran glauben, dass Gott in dieser Welt wirkt. Wir leben immer in der Erwartung,
PREDIGT ZU OFFB. 3,7-13 SEITE 6A SEITE 6B dass Gott kommt. Nicht nur im Advent, sondern jeden Tag. Aber in diesen Wochen besonders. Gott kommt! Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan und niemand kann sie zuschließen. Das ist Advent: Der Schritt durch die geöffnete Tür. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.