TECHNIK, STRATEGIE, PROZEDUR, METHODE. TERMINOLOGISCH-KONZEPTUELLE PROBLEME DER TRANSLATIONSDIDAKTIK UND FORSCHUNG



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Transkript:

Polilog. Studia Neofilologiczne nr 1 2011 Roman Lewicki Uniwersytet Wrocławski Wrocław TECHNIK, STRATEGIE, PROZEDUR, METHODE. TERMINOLOGISCH-KONZEPTUELLE PROBLEME DER TRANSLATIONSDIDAKTIK UND FORSCHUNG Schlüsselwörter: Translationsdidaktik und forschung, Technik, Strategie, Prozedur, Methode Die sehr oft zu beobachtenden Nichtübereinstimmungen einzelner Fachbegriffe im Bereich der Übersetzungsvor- und nachbereitung stellen für die Ausbilder von Sprachmittlern eine besondere Herausforderung dar. Diese Herausforderung kann aber im Zuge einer engagierten Diskussion zur Optimierung des didaktischen Prozesses, und dann im Einzelnen vor allem durch eine Vereinheitlichung der translatorischen Terminologie bewältigt werden. Die in diesem Beitrag zur Illustration verwendeten Beispiele aus der übersetzerischen Forschung und Praxis mögen diese Problemlage deutlich machen. Sie zeigen überdies, dass der angehende Sprachmittler nicht nur vor der Aufgabe steht, zwei Sprachen samt ihrem kulturellen Hintergrund hinreichend zu beherrschen, er muss zudem eine terminologische Sensibilität entwickeln. Dieser Beitrag soll die Aufmerksamkeit auf diejenigen Probleme der prozessorientierten Translatologie lehnen, die sich in ihrer Terminologie am deutlichsten manifestieren. Dabei geht es nicht um die Schaffung neuer Termini, sondern vielmehr um eine klare Unterscheidung der in der Fachliteratur zum Translationsprozess häufig ungenau oder falsch verwendeten Begriffe wie Technik, Strategie, Prozedur, Methode und Verfahren. Es wird davon ausgegangen, dass man sich im Diskursbereich der Translatologie mehr um die Verfügbarmachung dieser Begriffe für eine möglichst präzise Beschreibung der Translationsprozesse bemühen sollte, damit die spezifische sprachliche Kommunikation auf diesem Fachgebiet gelingen kann. Bei der hier intendierten Verfügbarmachung der oben erwähnten Begriffe handelt es sich insofern um eine Reflexion über die Möglichkeit ihrer eindeutigen Kodifizierung, die auf der Schließung von Bezeichnungs- und Bedeutungslücken in Bezug auf den fachspezifischen Kontext beruht. Die Kodifizierung ist schlechthin der Grundsatz der Terminologiearbeit, die zwar Begriffen ausgeht, sie aber nicht einzeln sondern in einem Begriffssystem systematisch 219

geordnet untersucht 1. So werden Begriffe eines Sachgebiets im Zusammenhang als Teile eines Begriffssystems mit besonderer Berücksichtigung der Relationen zwischen Gegenstand, Begriff und Benennung analysiert. Die Begriffe umfassen die mehr oder weniger spezifischen Merkmale einzelner, bestimmter Gegenstände (Individualbegriffe; Bsp.: Silberpfeil) oder ganzer Klassen von Gegenständen (Allgemeinbegriffe, Bsp.: Rennwagen). Diese Begriffsmerkmale spielen für die Terminologiearbeit eine wichtige Rolle; sie dienen der Begriffsbestimmung oder der Begriffsabgrenzung [...] und bestimmen die Position des Begriffs in einem Begriffssystem 2. Ein Begriff ist nur aus dem System heraus zu verstehen, in das er eingebettet ist 3. Die Begriffsbestimmung ist eine logische Operation, in deren Verlauf die Begriffssysteme 4 aufgedeckt werden. Sie erfolgt in mehreren Schritten 5, in denen zunächst die Merkmalskonfigurationen und relationen jedes einzelnen Begriffs im Begriffssystem ermittelt und analysiert werden und ferner die semantisch-kognitiven Relationen zwischen den Begriffen jedes Begriffssystems erstellt werden. Aufgrund dieser Relationen können die Bedeutung und die Zugehörigkeit der einzelnen Begriffe zu den sie beschreibenden Benennungen eindeutig festgelegt werden 6. Zugleich können sie von anderen Begriffen und deren Benennungen eindeutig abgegrenzt werden. Inwieweit diese Überlegungen zur Begriffsbestimmung ihre Anwendung in der translatorischen Praxis finden, und dazu beitragen können, die uns interessierenden Begriffe ausreichend voneinander abzugrenzen, lässt sich Beispiel eines korpusgestützten Online-Wörterbuches 7 beobachten. Mit dem Lingue-Wörterbuch kann man fast 100 Millionen zweisprachige Texte auf Englisch und Deutsch nach Wörtern und Ausdrücken im vollständigen Satzzusammenhang durchsuchen und leicht herausfinden, wie andere Fachleute Sätze mit den jeweils gesuchten Wörtern übersetzt haben. Anhand von übersetzten Satzbeispielen kann man darüber hinaus erkennen, in welchen Kontexten das jeweilige Wort häufig benutzt wird. In den Wortartikeln der unten zusammengestellten Wortliste werden also die uns interessierenden Begriffe als Stichwörter mit sinnverwandten Wörtern (in Klammern) aus verschiedenen authentischen translatorischen Verwendungskontexten angegeben. 1 E. Wüster, Einführung in die Allgemeine Terminologielehre und Terminologische Lexikographie, Bonn 1991, S. 5. 2 G. Budin, Theorie und Praxis der übersetzungsbezogenen Terminologiearbeit, Wien 1998, S. 2. 3 R. Arntz, H. Picht, F. Mayer, Einführung in die Terminologiearbeit, Hildesheim 2004, S. 151. 4 Ein Begriffssystem ist eine Menge von Begriffen, zwischen denen Beziehungen bestehen oder hergestellt worden sind und die derart ein zusammenhängendes Ganzes darstellen (DIN 2331 1980, S. 2). 5 H.-H. Drößiger, Zum Problem der terminologisch-konzeptuellen Äquivalenz zwischen zwei Sprachund Kulturgemeinschaften: Die sogenannten Differenzen zwischen den Sachen, Kalbotyra 2007, 57/3, S. 82-92, hier: 86. 6 Eine exakte Zuordnung von Begriff und Benennung ist nur dann möglich, wenn man die jeweiligen Begriffe als Teile eines Begriffssystems betrachtet. 7 Lingue. Das Web als Wörterbuch (http://www.linguee.de/deutsch-englisch/). 220

Deutsch Methode (auch: Verfahrensweise, Prozedur, Weg, Art, Weise) Methode (auch: Weg, Weise, Art, Verfahren, Richtung) Methode (auch: Technik, Verfahren, Arbeitstechnik, Sachkenntnis) Methode (auch: Ansatz, Vorgehensweise) Methode (auch: Prozedur, Vorgang, Prozess, Ablauf, Vorgehensweise, Verfahrensweise) Methode (auch: Art, Weise, Modus, Form, Verfahren, Betriebsweise) Methode (auch: Verhalten, Art und Weise, Manier, Manie, Betragen) Methode (auch: Politik, Richtlinie, Police, Strategie, Grundsatz, Regelwerk) Prozedur (auch: Verfahren, Vorgang, Vorgehensweise, Ablauf, Methode, Prozess) Prozedur (auch: Methode, Vorgang, Vorgehensweise, Ablauf, Verfahren/sweise, Prozess) Strategie (auch: Vorgehensweise, Plan, Kriegskunst, Marschroute) Strategie (auch: Politik, Richtlinie, Police, Grundsatz, Vorgehensweise, Verfahrensweise, Regelwerk, Methode) Strategie (auch: Spielplan) Technik (auch: Verfahren, Methode, Arbeitstechnik) Technik (auch: Prozedur, Vorgang, Vorgehensweise, Ablauf, Methode, Verfahrensweise) Technik (auch: Technologie, Verfahrenstechnik, Methode) Verfahren (auch: Prozedur, Vorgang, Vorgehensweise, Ablauf, Methode, Verfahrensweise, Prozess, Technik) Verfahren (auch: Methode, Weg, Art und Weise, Verfahrensweise, Maßnahme) Verfahren (auch: Prozess, Ablauf, Verlauf, Arbeitsvorgang) Verfahren (auch: Technik, Methode, Arbeitstechnik) Verfahren (auch: Weg, Weise, Art, Methode, Gang) Englisch method way technique approach mode manner policy method strategy policy game plan technique technology method process technique way Die aus verschiedenen Online-Übersetzungsversuchen extrahierte Wortliste mit deutsch- -englischen Äquivalenten macht deutlich, dass sich hier die Bedeutungen der analysierten Begriffe oft überschneiden. Sie sind in vieler Hinsicht mehrdeutig 8 und daher potenti- 8 Polyseme bzw. homonyme Bedeutungen wurden jeweils in Klammern angegeben. Sowohl Polysemie als auch Homonymie als Formen lexikalischer Mehrdeutigkeit haben ähnliche Auswirkungen auf die Inhaltsrelationen der sprachlichen Zeichen. 221

ell austauschbar. Manchmal bezeichnen dieselben Begriffe sehr unterschiedliche Prozesse, manchmal auch Prozesse, die eng miteinander verknüpft sind. Begriffe und Ausdrücke werden also selten eindeutig gebraucht, denn ihre Bedeutung kann abhängig vom Kontext durch eine Reihe von Faktoren variieren. Daher hat der Sprachmittler in der Regel verschiedene Möglichkeiten den Ausgangstext zu verstehen und zu interpretieren. Ebenso hat er wie aus der angeführten Wortliste deutlich wird verschiedene Alternativen den Gegenstand dessen, was er im Zieltext beschreiben will, zu benennen. Duchácek (1967) geht in seiner Studie zur Polysemie von der Annahme aus, dass die Mehrheit der Wörter eine polyseme bzw. homonyme Struktur aufweist, und ihre verschiedenen Bedeutungen durch kontextuelle Kontiguitäts- und Ähnlichkeitsrelationen miteinander verbunden sind. Für die Notwendigkeit der Existenz von Polysemie im Wortschatz hat er eine orginelle Erklärung: La principale raison de la naissence de sens nouveaux réside dans le fait que personne ne pourrait retenir autant de mots qu il y a de choses, êtres, actions, sentiments, qualités, etc. 9. Um zu verstehen, wie sich eine Bedeutung in mehrere Bedeutungsvarianten ausdifferenziert, muss man nach Ullmann 10 von der Annahme ausgehen, dass der sprachliche Kontext, in dem ein Begriff benutzt wird, grundlegend für die gemeinte Bedeutung dieses Begriffs ist. Abhängig von der jeweiligen sprachlichen Umgebung, in der ein Begriff verwendet wird, erhält seine Bedeutung unterschiedliche Nuancen. Aus diesen Erkenntnissen geht hervor, dass der vielfältige Gebrauch der uns interessierenden Begriffe, mit deren Hilfe spezifische Vorgänge und Prozesse beschrieben und erklärt werden, konsequenterweise zu inhaltlichen Missverständnissen führen kann, besonders dann, wenn für ihre genaue Definition nicht gesorgt wird. Diese Missverständnisse entstehen insbesondere dann, wenn sich, wie auf vielen Fachgebieten, bei näherer Nachfrage herausstellt, dass die für die Beschreibung bestimmter spezifischer Prozesse gewählten Begriffe miteinander vermischt werden, auch dort, wo sie sehr genau auseinander gehalten werden müssten. Aus diesem Grunde sollten die Begriffe nicht beliebig austauschbar sein. Zur Zeit besteht auf allen möglichen Fachgebieten eine immense Begriffsvielfalt, die aus konzeptioneller Vieldeutigkeit und fehlenden Standards resultiert. Polyseme und homonyme Ausdrücke können in Fachsprachen aber ein erhebliches Störpotential für die Verständigung darstellen, denn der Empfänger einer Nachricht kann bei lexikalischer Mehrdeutigkeit bzw. Formengleichheit sich nie sicher sein, welche konkreten Bedeutungen vom Sender intendiert werden. Wenn man nun die Vorkommenskontexte der diskutierten Begriffe im translationswissenschaftlichen und translationsdidaktischen Fachbereich näher betrachtet, kann man feststellen, dass diese Begriffe oft nicht trennscharf genug sowie auch wechselweise füreinander verwendet werden. Daher entsteht die Notwendigkeit, die Begriffe zu klären und zu definieren. Voraussetzung hierfür ist die Entwicklung eines gemein- 9 O. Ducháceck, Précis de sémantique française, Brno 1967, S. 74. 10 S. Ullmann, Précis de sémantique française, Bern 1969, S. 200. 222

samen Verständnisses davon, was im konkreten translatorischen Kontext Technik, Strategie, Prozedur, Methode und Verfahren bedeuten sollen. Auch im Kontext des Translationsprozesses ist es enorm wichtig zwischen diesen Begriffen zu unterscheiden, denn sie bieten u.a. Werkzeuge und Verfahren zur Analyse des translatorischen Handelns im Sinne der Evaluierung der übersetzten Produkte und der Bewertung der übersetzerischen Kompetenzen. In seinem Bemühen um eine äquivalente Übersetzung muss nun der Sprachmittler bei jeder Translationsaufgabe eine ganze Reihe unterschiedlicher Entscheidungen treffen und zwischen geeigneten Übersetzungstechniken, Übersetzungsstrategien, Übersetzungsprozeduren, Übersetzungsmethoden und Übersetzungsverfahren wählen, deren Funktionen er aus der einschlägigen Fachliteratur kennen sollte. Leider stößt er bei seinen Recherchen auf viele Inkonsequenzen, weil die Regeln der Begriffsbildung in der fachinternen Diskussion nicht immer beachtet werden. Einer der vielen Versuche, in denen man die Inkonsequenzen bei der definitorischen Bestimmung der Fachbergriffe findet, ist das zur Zeit erarbeitete mehrsprachige translatorische Online-Glossar MonAKO Glossary von Chesterman et al. (2010) 11. In diesem Glossar werden solche Begriffe definiert, deren genaue inhaltliche Abgrenzung besonders notwendig erscheint. An drei ausgewählten Begriffen wird gezeigt, wie sie im fachspezifischen Kontext beschrieben und definiert, und zugleich in andere Sprachen übersetzt werden. 1 technique, translation technique Definition: a specific textual for translating a particular structure or item. DE: Übersetzungsverfahren FR: technique, procédé 2 strategy, translation strategy Definition 1: general principle adopted by a translator to guide some aspect of the translation of a given text. Definition 2: specific translation method (solution type) for translating some feature of the source text. Note: some scholars use the term local strategy in this sense, or technique or shift or tactic. DE: Übersetzungsstrategie FR: procédé de traduction, stratégie de traduction 3, translation Definition: an alternative term for a technique or strategy; either generally or with reference to a specific language pair. DE: Übersetzungsverfahren, Übersetzungsstrategie FR: procédé de traduction 11 A. Chesterman et al. (2010), MonAKO Glossary. Definitions of central concepts in Translation Studies, and possible translations in Finnish, Swedish, German and French. Online: http://www.ling.helsinki.fi/monako/atk/glossary.shtml 223

Aus dieser kurzen Zusammenstellung kann man schließen, dass die zitierten Begriffe keine genaue inhaltliche Abgrenzung erfahren, und dass sie abwechselnd die gleichen Sachverhalte dokumentieren können. Daher ist eine Standardisierung von Begriffen dringend notwendig, die voraussetzt, dass adäquate Bezeichnungen benutzt werden, die den Begriff genau und unmissverständlich in seiner Bedeutung treffen. Die Translationswissenschaft hat bislang keine annehmbare Definition der hier behandelten Begriffe erarbeitet. Am Beispiel der Übersetzungstrategie ist deutlich zu sehen, dass es zu ihrer Konzeption in der Translationswissenschaft verschiedene Ansätze gibt. Ähnlich ist es im Prinzip mit jedem theoretischen Begriff. Er kann nicht voraussetzungsfrei definiert werden, sondern gehört in den Rahmen eines theoretischen Gefüges. Trotz des Erkenntnisgewinns durch die kognitiv-pragmatische Wende gestaltet sich eine einheitliche Definition der Übersetzungstrategie jedoch als schwierig. Das Problem beginnt bereits bei ihrer Bennenung. Für Faerch und Kasper 12 ist Übersetzungsstrategie a potentially conscious, während Krings 13 diesen Terminus als translator s potentially conscious plans bezeichnet. Polnische Translationsforscher bezeichen sie als ein Komplex koordinierter interlingualer Aktivitäten 14, als bewusstes Vorgehen 15 oder als bevorzugte Vorgehensweise 16 beim Übersetzen eines Textes. Die Analyse von weiteren möglichen Benennungen zeigt auf, dass eine eindeutige, von allen akzeptierte Definition dessen, was man unter Übersetzungsstrategie versteht, nicht vorhanden ist. Macht man sich mit diversen Definitionsversuchen vertraut, so unterliegt man bald einer vollständigen Verwirrung aufgrund der durchgängigen Benutzung unterschiedlicher Konnotationen bei den verschiedenen Autoren. Die Übersetzungsstrategie kann offensichtlich nicht ausschließlich für sich alleine betrachtet werden, sie schließt notwendigerweise andere Begriffe zur Beschreibung des translatorischen Handelns mit ein, wie z.b. Übersetzungstechniken, Übersetzungsprozeduren, Übersetzungsmethoden und Übersetzungsverfahren, die ebenfalls definitionsbedürftig sind. Viele Forscher 17 haben bereits in der Diskussion um die translatorische Terminologie lohnende Versuche unternommen, einzelne Begriffe definitorisch voneinander abzugrenzen. Sie sollten zunächst zwecks ihrer genaueren Bestimmung in eine Hierarchie eingeordnet werden, da sie niemals alle in gleichen Kontexten verwendet werden können. Verschiedene Translationstheorien unterscheiden sich besonders häufig und besonders deutlich im Hinblich darauf, inwieweit diese Hierarchie bei Erhaltung möglichst vieler Aspekte und möglichst guter Funktionalität festgelegt werden kann, und 12 C. Faerch, G. Kasper, Processes and strategies in foreign language learning and communication, Interlanguage Studies Bulletin 1980, S. 47-118, hier: S. 60. 13 H.P. Krings, Translation problems and translation strategies of advanced German learners of French, [in:] Interlingual and intercultural communication, J. House, S. Blum-Kulka (Hg.), Tübingen 1986, S. 263-275, hier: S. 264. 14 I. Lukszyn, Tezaurus terminologii translatorycznej, Warszawa 1998. 15 E. Balcerzan, Literatura z literatury (Strategie tłumaczy), Katowice 1998. 16 K. Lipiński, Vademecum tłumacza, Kraków 2000; K. Hejwowski, Kognitywno-komunikacyjna teoria przekładu, Warszawa 2004. 17 J. Albrecht, Grundlagen der Übersetzungsforschung. Bd. 2: Übersetzung und Linguistik, Tübingen 2005; H. Gerzymisch-Arbogast, Übersetzungswissenschaftliches Propädeutikum, Tübingen 1994; H.G. Hönig, P. Kußmaul, Strategie der Übersetzung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch, Tübingen 1996; W. Koller, Einführung in die Übersetzungswissenschaft, Wiebelsheim 2004. 224

darin, inwieweit die Bedeutungen dieser Begriffe voneinander abweichen sollen, und nicht zuletzt, wie ihre Definitionen zu fassen sind. In den gegenwärtigen translatorischen Ansätzen, die nicht nur sprachwissenschaftlich sondern auch psycho- und soziolinguistisch orientiert sind, wird immer wieder über die Notwendigkeit der Erarbeitung von präskriptiven Translationsstrategien diskutiert, mit deren Hilfe einzelne Vorgänge und deren Abhängigkeiten im Translationsprozess eindeutig beschrieben werden können. Zum Zweck der terminologischen Abgrenzung der hier behandelten Begriffe schlagen die Forscher u.a. eine hierarchische Perspektive der Textbetrachtung vor: Auf der Makroebene werden die Relationen zwischen AS-Text und ZS-Text in Bezug auf den pragmatisch orientierten kommunikativen und kulturellen Kontext festgelegt, ohne dass dabei der unmittelbare Sprachbezug in Betracht gezogen wird. Die Entscheidungen, die vom Übersetzer auf dieser Ebene getroffen werden, gehören zu der Übersetzungsstrategie. Auf der Mikroebene wird dagegen sprachbezogen gearbeitet. Es geht um semantische, syntaktische Äquivalenz zwischen Texsegmenten zweier Sprachen. Die Entscheidungen, die auf dieser Texebene getroffen werden, gehören zu der Übersetzungstechnik. In dem Maße, wie die Definition der im Titel dieses Beitrages genannten Begriffe in der Translationstheorie vage bleibt, so vielfältig gestalten sich ihre Bezeichnungen für die Translationspraxis. Die Terminologie zur Bezeichnung translatorischer Kategorien variiert abhängig vom jeweiligen Autor, sodass keine einheitliche Beschreibung der translatorischen Prozesse möglich ist. In Anbetracht der dargelegten Tatsachen ist festzustellen, dass die Translationswissenschaft in erster Linie den empirischen Bezug und explizite Kriterien zur Gewinnung und Abgrenzung einzelner Typologiekonstrukte erarbeiten sollte, was im Ergebnis zum besseren Verstehen der Translationsprozesse beitragen wird. Summary Technique, strategy,, method. On some terminological-conceptual problems of teaching and researching translation The article discusses issues concerning terminological adequacy of the concepts technique, strategy, and method in the context of teaching and researching translation. Based on several analyses some of the general questions of terminology work can be pointed out that are connected to the problem of the so called terminological gap and need to be reassessed. The examples presented in this article should demonstrate how these terminological gaps can be dealt with so that it can be useful in the work of an interpreter or a translator who is trying to develop suitable translation strategies. Key words: translation strategy, teaching and researching translation, technique, strategy, 225

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