Die Entstehung des Lebens Eine kurze Zusammenfassung des aus heutiger wissenschaftlicher Sicht plausibelsten Szenarios Was ist Leben? 1
Das ist Leben Das ist Leben Das Leben ist vielfältig, robust und an unterschiedlichste Umgebungen angepasst. Der Planet Erde ist vollständig mit Leben überzogen. von 0.1 µm bis 100 m von 50 C bis +120 C von 12 km unter dem Meer bis 9 km über Meer (enorme Unterschiede bezügl. Druck, Licht, Strahlung) Riesige Bandbreite von Salzkonzentrationen, Nährstoffquellen, ph Bereichen 2
Merkmale des Lebens Worin unterscheidet sich tote (abiotische) von lebendiger (biotischer) Materie? Living organisms are self perpetuating patterns of chemical reactions. (J.B.S. Haldane) Leben ist ein sich potentiell selbst erneuerndes offenes System miteinander verbundener organischer Reaktionen. Sie werden schrittweise und nahezu isothermisch durch komplexe und spezifische organische Katalysatoren herbeigeführt, die das System selbst erzeugt. (J. Perrett) Fähigkeit zur Replikation, Informationsspeichersystem (Genom) Abgrenzung gegen Umwelt (Membran), Zelle als Grundeinheit allen Lebens Chemische Reaktionen durch Katalysatoren (Enzyme) kontrolliert. Energie wird benötigt um die Entropie tief zu halten (d.h. um die Ordnung des Systems aufrecht zu erhalten). Gemeinsamer Ursprung Alle heute auf der Erde existierenden Organismen stammen von einer gemeinsamen Ur Zelle ab: LUCA (last universal common ancestor) Evidenz: alle heute bekannten Zellen haben gemeinsame Chemie (sog. organische Chemie) gemeinsames Set von Makromolekülen (Nukleinsäure, Proteine, Fettsäuren) gemeinsame Organisation der Informationsverarbeitung gemeinsame Organisation der Stoffwechselwege 3
Wie und wann entstand LUCA? Wann entstand Leben auf der Erde Entstehung des Lebens Kosmologen halten die Bedingungen auf der jungen Erde während der ersten 5 x 10 8 Jahre für inkompatibel mit der Entstehung von lebender Materie. Die ältesten Fossilien von Cyanobakterien sind 3.5 x 10 9 Jahre alt (Warrawoona Gruppe, NW Australien) Der Übergang von toter zu lebendiger Materie hat vor ca. 4 x 10 9 Jahren stattgefunden. 4
Wie entstand LUCA? 1. Abiotische Synthese von kleinen organischen Molekülen (Aminosäuren, Nukleotiden) 2. Verknüpfung dieser kleinen Moleküle zu Makromolekülen (Proteine, Nukleinsäuren) 3. Verpackung solcher Makromoleküle in membranumhüllte Tröpfchen (Protobionten), die gegenüber der Aussenwelt einen chemischen Zustand höheren Ordnungsgrades aufrechterhalten (= Inseln niedriger Entropie) 4. Entstehung selbstreplizierender Moleküle, die schliesslich eine Vererbung ermöglichen. Wie entstand LUCA? 1. Abiotische Synthese von kleinen organischen Molekülen (Aminosäuren, Nukleotiden) 2. Verknüpfung dieser kleinen Moleküle zu Makromolekülen (Proteine, Nukleinsäuren) 3. Verpackung solcher Makromoleküle in membranumhüllte Tröpfchen (Protobionten), die gegenüber der Aussenwelt einen chemischen Zustand höheren Ordnungsgrades aufrechterhalten (= Inseln niedriger Entropie) 4. Entstehung selbstreplizierender Moleküle, die schliesslich eine Vererbung ermöglichen. 5
Zustand der Erde vor ca. 4x10 9 Jahren Wasserdampf kondensierte, Seen und Meere entstanden (durch Aufnahme von CO 2 angesäuert ph: 4) Atmosphäre reduzierend (kein O 2 ), dafür Wasserstoff (H 2 ), Schwefelwassertoff (H 2 S), Helium (He), Methan (CH 4 ), Ammoniak (NH 3 ), später Kohlendioxid (CO 2 ) und Stickstoff (N 2 ) Erdkruste: Silizium, gebundener Sauerstoff, Pyrit (FeS 2 ) Anhaltende starke Vulkantätigkeit schweres Meteroiten Bombardement (vor 4.1 3.8 x 10 9 Jahren). Viele organische Moleküle kamen so aus dem All auf die Erde. Gewaltige elektrische Entladungen (Blitze) Starke UV und ionisierende Strahlung, keine Ozon Schicht Was geht da chemisch ab unter diesen Bedingungen? Miller Urey Experiment Stanley Miller und Harold Urey simulierten 1953 im berühmten Ursuppenexperiment die Bedingungen vor 4 x 10 9 Jahren und zeigten, dass dabei Cyanwasserstoff (HCN) & Formaldehyd (HCHO) entstanden und daraus wiederum wichtige organische Bausteine wie Aminosäuren, Fettsäuren, Purine & Zucker, und sogar komplexere Verbindungen (Porphyrine, Isoprene). 6
Hydrothermal vents, black smokers Unterwasser Vulkantätigkeit, Austritt von heissen Gasen schufen zudem ideale Bedingungen zur Entstehung vielfältiger organischer Moleküle. Aus Carbonylsulfid (O=C=S) bilden sich verschiedene Aminosäuren, in Anwesenheit von Metallionen daraus sogar di und tri Peptide. (Leman, Orgel & Ghadiri, Science 2004) Wie entstand LUCA? 1. Abiotische Synthese von kleinen organischen Molekülen (Aminosäuren, Nukleotiden) 2. Verknüpfung dieser kleinen Moleküle zu Makromolekülen (Proteine, Nukleinsäuren) 3. Verpackung solcher Makromoleküle in membranumhüllte Tröpfchen (Protobionten), die gegenüber der Aussenwelt einen chemischen Zustand höheren Ordnungsgrades aufrechterhalten (= Inseln niedriger Entropie) 4. Entstehung selbstreplizierender Moleküle, die schliesslich eine Vererbung ermöglichen. 7
Erste Makromoleküle Heutige Zellen bestehen vorwiegend aus vier Sorten von Makromolekülen Erste Makromoleküle Verknüpfung von Aminosäuren zu Peptiden und von Nukleotiden zu Nukleinsäureketten geschah wahrscheinlich an Oberflächen von Tonmineralien (Montmorillonit, Quarz, Calcit, Pyrit, Feldspat, Glimmer) In Laborversuchen konnten mit Montmorillonit aus aktivierten Nukleotiden RNA Ketten von bis zu 50 Nukleotiden polymerisiert werden Elektronenmikroskopische Aufnahme (SEM) von dünnen Montmorillonit Schichten 8
Wie entstand LUCA? 1. Abiotische Synthese von kleinen organischen Molekülen (Aminosäuren, Nukleotiden) 2. Verknüpfung dieser kleinen Moleküle zu Makromolekülen (Proteine, Nukleinsäuren) 3. Verpackung solcher Makromoleküle in membranumhüllte Tröpfchen (Protobionten), die gegenüber der Aussenwelt einen chemischen Zustand höheren Ordnungsgrades aufrechterhalten (= Inseln niedriger Entropie) 4. Entstehung selbstreplizierender Moleküle, die schliesslich eine Vererbung ermöglichen. Protobionten: Abgrenzung gegen aussen Pospholipide und andere amphipathische Moleküle bilden im Wasser spontan Liposomen, von Doppelmembranen abgegrenzte mikroskopisch kleine Tröpfchen. Diese Membranen sind selektiv für gewisse Moleküle durchlässig, für andere nicht > räumliche Anreicherung von Makromolekülen mit schwach katalytischen Eigenschaften führen zu ersten primitiven Stoffwechselreaktionen. Liposomen können wachsen, sich teilen und fusionieren Solche Membranen bilden die Abgrenzung gegen die Umwelt in allen heutigen Zellen. 9
Wie entstand LUCA? 1. Abiotische Synthese von kleinen organischen Molekülen (Aminosäuren, Nukleotiden) 2. Verknüpfung dieser kleinen Moleküle zu Makromolekülen (Proteine, Nukleinsäuren) 3. Verpackung solcher Makromoleküle in membranumhüllte Tröpfchen (Protobionten), die gegenüber der Aussenwelt einen chemischen Zustand höheren Ordnungsgrades aufrechterhalten (= Inseln niedriger Entropie) 4. Entstehung selbstreplizierender Moleküle, die schliesslich eine Vererbung ermöglichen. Die RNA Welt Hypothese Das klassische Huhn Ei Problem: Alle heutigen Zellen steuern ihre chemischen Prozesse hauptsächlich durch Proteinenzyme. Der Bauplan für die Proteine ist in DNA gespeichert. Das Ablesen des Bauplans und die Replikation der DNA braucht Proteine. Die Lösung: Aufgrund chemischer und struktureller Eigenschaften der RNA postulierten in den 60er Jahren Woese, Crick and Orgel, dass RNA sowohl als Informationsträger wie auch als Enzym funktionieren kann und dass daher erste Lebensformen wahrscheinlich RNA basiert waren. 10
Die RNA Welt Hypothese Experimentelle Evidenz für die RNA Welt Hypothese: 1982 entdeckten die Forschungsgruppen von Tom Cech (Univ. Colorado) und Sid Altman (Yale) unabhängig voneinander RNAs mit katalytischer Funktion: Ribozyme Tom Cech Sid Altman Die RNA Welt Hypothese Experimentelle Evidenz für die RNA Welt Hypothese: Natürlich vorkommende Ribozyme sind z.t. sehr lange RNAs, aber in Reagenzglas konnten inzwischen durch in vitro Evolution Ribozyme von nur 50 100 Nukleotiden Länge aus Zufallssequenzen selektioniert werden. Diese Ribozyme katalysieren verschiedenste chemische Reaktionen. Wir wissen inzwischen, dass zentrale biologische Prozesse wie die Translation und das Splicing auch heute noch RNA katalysiert sind, allerdings durch Proteine unterstützt. Gerald Joyce Jack Szostak 11
Ein RNA replizierendes Ribozym Das bis jetzt beste in vitro evolvierte RNA synthetisierende Ribozym bindet eine Primer/ Templat RNA und synthetisiert am 3 Ende des Primers einen zur Templat sequenz komplementären RNA Strang. Mit einer Genauigkeit von 96.7% kann dieses Enzym die Information eines RNA Genoms von maximal 230 Nukleotiden Länge erhalten. Unter optimierten Nukleotidkonzentrationen kann die Genauigkeit auf 99% erhöht werden, was die nachhaltige Replikation eines 760 Nukleotide langen Genoms zulässt. Das Ribozym selber ist 189 Nukleotide lang und könnte somit sich selbst und einige weitere Ribozyme vermehren. Schwachpunkt: sehr langsame, nichtprozessive Polymerase wegen tiefer Affinität zur Primer/Templat RNA (K M ~ 3 mm). Synthetisiert 14 Nukleotide in 24 Stunden. David Bartel Johnston et al. (2001) Science 292:1319 Müller (2006) Cell Mol Life Sci 63:1278 Von der RNA zur RNA Protein Welt Evolution des genetischen Codes Nachteil der RNA Welt: RNA ist mit seinen bloss 4 Grundbausteinen in der Entwicklung von schnellen und vielfältigen enzymatischen Reaktionen limitiert. Bedingungen für die Evolution eines RNA Protein basierten Systems: Proteine (am Anfang nur kurze Peptide) müssen nach der Instruktion der RNA synthetisiert werden. Es braucht also ein Übersetzungssystem (genetischer Code), mit welchem die in RNA vorhandene Information in entsprechende Peptide übersetzt (Translation) wird. Jeder Schritt in der Entwicklung des genetischen Codes musste einen Vorteil für die Zelle bringen (Grundprinzip der Evolution: Veränderungen geschehen zufällig vorteilhafte bestehen) 12
Von der RNA zur RNA Protein Welt Evolution des genetischen Codes Stufenweise Evolution des Codes, zuerst nur mit den präbiotischen Aminosäuren. Aminosäuren binden zuerst kovalent an die RNA. Die Aminosäure wird durch die Affinität and die jeweilige RNA Struktur (= Sequenz) bestimmt. Das Translationssystem ist mit zunehmender Komplexität unter starkem Druck möglichst wenige Fehler zu machen > der Code wird rasch fixiert: dieser universelle genetische Code ist 3 Mia Jahre alt Fehlt noch die DNA... H RNA > DNA RNA als Speicher für die genetische Information ist relativ unstabil (hydrolisiert in basischem Milieu). DNA ist stabiler. RNA Protein Enzyme oder reine Protein Enzyme waren nötig für die Etablierung von DNA als dem neuen und besseren Erbinformationsspeicher 13
Zusammenfassung Die Entstehung des Lebens ist ein gradueller Prozess der in den chemischen und physikalischen Eigenschaften der Atome angelegt ist. Erste Lebensformen auf unserer Erde gab es vor ca. 3.8 Milliarden Jahren Das Grundprinzip der Evolution (Veränderung Selektion) führt zu immer komplexeren Organisationsformen der Materie. Die Entstehung des Lebens ist demnach nicht eine Abfolge höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, sondern unausweichlich unter passenden Umweltbedingungen. Alle heute auf der Erde existierenden Lebensformen sind miteinander verwandt sie lassen sich alle auf den LUCA zurückführen. Quellennachweis Lehrbücher: Alberts et al. Molecular Biology of the Cell. 5th ed, Garland Science, NY Campbell et al. Biologie. 8. Auflage, Pearson, München Lehninger. Principles of Biochemistry. 5th ed, Freeman& Co, NY Wong & Lazcano. Prebiotic evolution and astrobiology. Landes Bioscience, 2009 Fachartikel: Garwood. Soup, spring, vent or what? Lab Times 4 2009, p. 14 19. De Duve. The beginnings of life on earth. American Scientist, Sept Oct 1995. Woese. On the evolution of cells. Proc Natl Acad Sci 99:8742 (2002) Lazcano & Miller. The origin and evolution of life: prebiotic chemistry, the pre RNA world, and time. Cell 85:793 (1996) Müller. Re creating an RNA world. Cell Mol Life Sci 63:1278 (2006) Internet: http://de.wikipedia.org/wiki/chemische_evolution http://www.talkorigins.org/faqs/abioprob/originoflife.html http://www.scq.ubc.ca/the beginning of life and amphiphilic molecules/ 14