Gesellschaft im Reformprozess

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Transkript:

Friedrich-Ebert-Stiftung Gesellschaft im Reformprozess Rita Müller-Hilmer 1

FES Zentrale Ergebnisse Dominante gesellschaftliche Grundstimmung: Verunsicherung 63 Prozent machen die gesellschaftlichen Veränderungen Angst 46 Prozent empfinden ihr Leben als ständigen Kampf 44 Prozent fühlen sich vom Staat allein gelassen 15 Prozent fühlen sich generell verunsichert Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 4

FES Zentrale Ergebnisse Verschlechterung der Finanziellen Situation schafft Zukunftssorgen 59 Prozent geben an, sich derzeit finanziell einschränken zu müssen 49 Prozent befürchten, ihren Lebensstandard nicht halten zu können Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 5

FES Zentrale Ergebnisse Private Situation gibt meist stabilen Halt Familie bleibt wichtiger sozialer und psychischer Rückhalt: 87 Prozent sind mit ihrer familiären Situation zufrieden 78 Prozent haben gute Freunde, an die sie sich mit ihren Sorgen wenden können 72 Prozent vertrauen auf eigene Flexibilität, sich auf schwierige Situation einstellen zu können Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 6

FES Zentrale Ergebnisse Wahrnehmung zunehmender gesellschaftlicher Ungleichheiten 61 Prozent meinen, es gibt keine Mitte mehr, nur noch ein Oben und Unten. Dem entsprechen unterschiedliche Lebenschancen: - 13 Prozent erwarten ein Erbe, das sie finanziell unabhängig macht 37 Prozent gehen davon aus, in finanziellen Notlagen durch die Familie abgesichert zu sein - 39 Prozent befürchten, im Alter auf Sozialhilfe angewiesen zu sein - 14 Prozent sehen sich in jeder Hinsicht als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung und gesellschaftlich ins Abseits abgeschoben Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 7

FES Zentrale Ergebnisse Akzeptanz von Politik und Parteien erodiert Parteibindung nimmt weiter ab Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 8

FES Zentrale Ergebnisse Parteibindung im Zeitverlauf 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 85 75 64 67 53 1976 1980 1986 1996 2006 Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 9

FES Politische Typen Selbstgenügsame Traditionalisten 11% Autoritätsorientierte Geringqualifizierte 7% Abgehängtes Prekariat 8% Leistungsindividualisten 11% Etablierte Leistungsträger 15% 9% Kritische Bildungseliten Bedrohte 16% Arbeitnehmermitte 13% Zufriedene Aufsteiger 10% Engagiertes Bürgertum Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 20

FES Politische Typen West Ost Autoritätsorientierte Geringqualifizierte Selbstgenügsame Traditionalisten 12 15 7 Abgehängtes Prekariat 14 4 Zufriedene Aufsteiger 10 11 Engagiertes Bürgertum 17 Etablierte Leistungsträger 9 Kritische Bildungseliten Autoritätsor. Geringqual. 5 10 25 Selbstgenügsame Traditionalisten Abgehängtes Prekariat 18 Bedrohte Arbeitnehmermitte Leistungsindividualisten Bedrohte Arbeitnehmermitte Leistungsindividualisten 15 8 Etablierte Leistungsträger 7 6 Zufriedene Aufsteiger Kritische Bildungseliten 8 Engagiertes Bürgertum Angaben in Prozent Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 21

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Demographische Schwerpunkte Gesellschaftlicher Status / Herkunft Bildung niedrig (49 % Unter- bzw. untere Mittelschicht) viele erleben gesellschaftlichen Abstieg Überwiegend Personen mit einfacher bzw. mittlerer Bildung Tätigkeit Alter Geschlecht Höchster Arbeitslosenanteil Höchster Anteil an Arbeitern, darunter viele Facharbeiter viele einfache Angestellte häufiger im berufsaktiven Alter sehr hoher Männeranteil Region Stärkster Osttyp häufiger im ländlichen Raum 81

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Berufliche Situation und berufliche Orientierung eher einfache und mittlere Tätigkeiten, eher traditionelle Arbeitsverhältnisse Können sich wenig mit ihrer Arbeit identifizieren, fühlen sich in der Arbeit starken Druck ausgesetzt geringe berufliche Mobilität und Aufstiegsorientierung haben von allen Gruppen die geringste berufliche Sicherheit: Zwei Drittel der Berufstätigen war bereits arbeitslos, aktueller Arbeitsplatz gilt häufig als nicht sicher starke Unzufriedenheit mit beruflicher Situation 82

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Finanzielle Situation und finanzielle Orientierung haben von allen Gruppen die mit Abstand größte finanzielle Unsicherheit: sehr niedriges monatliches Haushaltsnettoeinkommen, kaum Wohneigentum oder finanzielle Rücklagen, Schulden, wenig familialer Rückhalt Empfinden gesamte Lebenssituation als ausgesprochen prekär haben besonders starke Zukunftssorgen: befürchten, selbst diesen niedrigen Lebensstandard in Zukunft nicht halten zu können 83

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Lebensbewältigung zeigen ausgesprochene Verunsicherung, fühlen sich gesellschaftlich im Abseits und auf der Verliererseite In ihrem Leben gibt es wenig, was ihnen Orientierung gibt (auch höchster Anteil Konfessionsloser) zeigen starke gesellschaftliche Desorientierung, fühlen sich vom Staat alleine gelassen empfinden die Gesellschaft als extrem undurchlässig Rückzug ins Private ist nur vermeintlicher Ausweg, auch hier kaum Gefühl, Leben weitgehend selbst bestimmen zu können 84

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Einstellung zu Staat und Gesellschaft Ihr Gesellschaftsideal ist eine gemeinwohlorientierte Gesellschaft Setzen stark auf regulierenden Staat, der soziale Absicherung der Bürger garantiert und Chancengleichheit herstellt Sehen in der Abschottung gegenüber Ausländern mögliche Lösung ihrer Probleme und reagieren auf Verunsicherung und Verlierergefühle mit ausgeprägtem Ethnozentrismus 85

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Politik und Parteien Politikinteresse, politisches Kommunikations- und Teilhabeverhalten unterdurchschnittlich, mit einer Ausnahme: ihr gewerkschaftlicher Organisationsgrad ist überdurchschnittlich hoch Große Distanz zu Parteien und Politikern Als vorrangige politische Aufgaben sehen sie vor allem die Angleichung der Lebensbedingungen in Ost und West 86

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Politik und Parteien stehen Idee des Sozialismus prinzipiell eher positiv gegenüber, bezeichnen Demokratie seltener als beste Regierungsform Sind besonders unzufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition Haben große Skepsis gegenüber Reformen und sorgen sich um den Verlust der sozialen Sicherheit in Deutschland Fühlen sich von den bislang umgesetzten Reformen am stärksten benachteiligt und fordern häufiger eine Reformpause 87

FES Abgehängtes Prekariat (8%) Wahlverhalten Höchster Nichtwähleranteil bei der letzten Bundestagswahl Ausgeprägtes Protestwahlverhalten: Linke.PDS (26 Prozent), rechtsradikale Parteien (6 Prozent!). SPD erzielt höchsten Stimmenanteil (32 Prozent). Vorbehalte gegenüber CDU/CSU (26 Prozent). Unter der großen Koalition Verluste für SPD und Union, sprunghafter Anstieg für Linke.PDS sowie für rechtsradikale Parteien (größtes Rechtswählerpotenzial) Unterdurchschnittliche Parteineigung, eher zu Gunsten von SPD, vor allem aber von Linke.PDS 88

FES Politische Typen und deren Position I niedrig. Schicht hoch Kritische Bildungseliten Engagiertes Bürgertum Bedrohte Arbeitnehmermitte Abgehängtes Prekariat Leistungsindividualisten Etablierte Leistungsträger Zufriedene Aufsteiger Selbstgenügsame Traditionalisten Autoritätsorientierte Geringqualifizierte jung alt Grundgesamtheit: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland 89