W.A. Mozart - Gedanken zum Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur, KV 595

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Transkript:

Copyright/Autorin: Gabriele Strahl info@buchweltmusik.de www.buchweltmusik.de 1 W.A. Mozart - Gedanken zum Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur, KV 595 Zugrunde liegende Aufnahme: Mozart Die Klavierkonzerte Interpret und Dirigent: Murray Perahia English Chamber Orchestra (Aufnahme von 1980, Sony Classical 1991) Hinweise zur Entstehungsgeschichte KV 595 ist Mozarts letztes Klavierkonzert, jedenfalls nach dem Eintrag in seinem Werkverzeichnis, das er selbst angelegt hat. Danach wurde es im Januar des Jahres 1791 geschrieben oder zumindest beendet. Mozarts damalige Situation wird als prekär beschrieben. Sein Publikum schien ihn vergessen zu haben, es ging ihm finanziell schlecht. Er musste Freunde und Gönner um Geld und Unterstützung bitten. Mozarts Frau Constanze war nicht bei ihm, sondern zu einer Bäder-Kur gereist. Er fühlte sich möglicherweise einsam und allein gelassen in einer schwierigen und als äußerst bedrückend erfahrenen Lage. Diese Gründe führen manche Mozart-Interpreten an, die im Konzert Einflüsse seiner damaligen Lebenssituation sehen. Andererseits sagt man, er habe das Konzert schon drei Jahre zuvor begonnen, evtl. sogar fertig gestellt, nun, im Januar 1791 wieder hervorgeholt, ihm für ein Subskriptionskonzert seine endgültige Fassung gegeben und in sein Heft eingetragen, in das er alle seine Werke eintrug. Mozart spielte bei der Erstaufführung am 4. März 1791 selbst den Klavierpart. Hatte also seine recht prekäre Situation gar nichts mit dem Konzert zu tun? Viele Interpreten sagen, man könne von seinen Werken eigentlich nie auf seine seelische Verfassung schließen, er sei dazu viel zu sehr Komponist, Profi sozusagen, gewesen. Dennoch heißt es dann wieder, das letzte seiner Klavierkonzerte sei sein persönlichstes, in dem nahezu unverhüllt tiefer Schmerz zum Ausdruck kommt. Wer sich einmal alle Mozart-Klavierkonzerte zeitnah anhört, bekommt doch den Eindruck, dass dieses Konzert anders ist als alle anderen. Es klingt viel intimer und ich würde die Einschätzung teilen, es sei sein persönlichstes welche Erfahrungen aus welcher Zeit und Lage auch immer zugrunde liegen. Und abgesehen davon, wie Kenner und

2 Experten das Konzert und seine Einflüsse bewerten mögen, was zutrifft, was nicht: Es ist mein liebstes Klavierkonzert von Mozart. Mich berührt dieses Konzert mehr als alle anderen. Warum, versuche ich, hier zu beschreiben. Ich bin keine Musikerin, sondern eine mehr als interessierte Hörerin. Eine Analyse im strengen Sinne ist also nicht intendiert, kann auch gar nicht geleistet werden. Der erste Satz Allegro Obwohl das Konzert in B-Dur notiert ist, enthält es im ersten Satz viele Moll- Passagen, bzw. es wendet sich von B-Dur nach H-Moll, in das genaue Gegenteil, bleibt unsicher in seiner Richtung der Satz wendet sich hierhin, dorthin, wechselt also ständig von Dur nach Moll bei verschiedenen Tonarten, aber auch innerhalb der gleichen Tonart. Murray Perahia sagt dazu (im Booklet zu einer späteren Aufnahme des Konzertes mit dem Chamber Orchestra of Europe): Das ist so konfliktbeladen man geht tatsächlich von der dunkelsten Tonart zum Licht am Ende eines langen Tunnels. Für mich geht diese Suche durch so viele verschiedene Stimmungen und Tonarten das ist wirklich ungewöhnlich bei Mozart. Der erste Satz beginnt also außerordentlich unruhig, aufgeregt, stürmisch, leidenschaftlich. Im ganzen Satz ist es ein ständiges Hin und Her, ein Zerrissensein zwischen ganz unterschiedlichen Stimmungen. Schon hier spricht aus dem Klavierpart eine große Einsamkeit, ja Verlassenheit. Das Klavier erscheint wie ein Ich, eine Person. Sie ist angegriffen, muss sich rechtfertigen, fühlt sich zumindest teilweise allein gegen die anderen (das Orchester). Mir ist, als erzählte ein Ich, ein Mensch, sein Leben, sein Glück, sein Leid, seine Erfolge, seine Kämpfe, sein Scheitern, seine Angst und Verzweiflung, Trauer und Tränen. Dann wieder blitzt Hoffnung auf und am Ende des ersten Satzes kommt das Ich ein wenig zur Ruhe, kann Atem holen. All seine Emotionen sind zum Ausdruck gekommen, es ist gesagt worden, was gesagt werden musste, mit allem Ernst, mit aller Eindringlichkeit, Leidenschaft und Gefühlstiefe. Der zweite Satz Larghetto Im zweiten Satz beginnt das Klavier. Tastend, fast zögerlich, wie suchend wohin sich wenden, was tun? Ein eindringliches, leises, ruhiges Thema, das mehrfach wiederholt wird. Das Ich ist ganz für sich allein. Kurz nimmt das Orchester das Thema auf, begleitet wie zustimmend das Ich. Dann wieder ist nur das Klavier zu hören, jemand geht vor sich hin, ist unendlich traurig, allein, verzagt und zweifelnd an seinem Weg, aber auch sehr, sehr nachdenklich. Das Orchester antwortet, tröstet. Und dann

3 begleitet es das Klavier sanft, fast zärtlich, mitfühlend. Und immer weiter geht das Ich auf seiner Wanderung, immer mehr Gedanken kommen, immer begleitet das Orchester das Ich, leidet mit ihm. Manchmal hören die Instrumente zu, geben eine kurze Antwort, hören wieder zu, antworten wieder, stimmen zu. Das Klavier fragt, das Orchester antwortet, die Frage wird wiederholt, nun drängender, die Frage kommt noch einmal, intensiver und wieder gibt das Orchester die beruhigende, bestätigende Antwort. Das Klavier, das Ich, sagt: Schaut, so war, so ist mein Leben. Ich sage es euch, wie es ist, ohne Ausflüchte oder Beschönigung, einfach so, ohne vor und nach. So war es, so ist es. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. War das richtig? Falsch? Nicht genug? Aber so war es! Und ich kann es nicht ändern. Wenn es genug war, sagt es mir. War es genug? War es gut? Wirklich? Wahrhaftig? Nehmt mich oder verwerft mich ich kann nichts ändern, denn es ist ja getan. Was getan ist, kann man nicht ändern. Und das Orchester antwortet: Ja, es war genug, es war gut, es war richtig, es war und ist wahrhaftig. Vor allem die Blasinstrumente begleiten wie hilfreiche, liebende Geister das einsame Ich. Und am Ende des Satzes ist das Klavier nicht mehr allein. Die Instrumente sind bei und mit ihm, sie spielen zusammen, ganz zart und ganz, ganz leise. Ich möchte nicht behaupten, das Klavier-Ich in diesem Konzert sei mit Mozart identisch. Das kann ich gar nicht beurteilen und will das auch nicht. Doch manchmal stelle ich mir unwillkürlich vor, wie einige von den Figuren aus seinen Opern hier zu dem einsamen Ich kommen und ihm sagen: Habe keine Angst. Wir lassen dich nicht allein. Du hast uns erschaffen, du hast uns ins Leben gerufen. Du hast uns so wundervolle Stimmen gegeben, wir sind bei dir, jetzt und immer. Und ich sehe und höre dann vor allem die Klangwelt der Zauberflöte heraufkommen, sozusagen im Vorgriff: die zärtliche und traurige Pamina, den treuen Tamino, der immer alles recht machen will und nicht weiß, wohin mit seinem Idealismus und seinem Mitgefühl, den lustigen Papageno, der ganz still und mitleidig geworden ist sie alle sind bei ihm, betroffen stehen sie da und leiden mit ihm. Und zum Schluss des Satzes die Flöte, die Zauberflöte ich meine die wirkliche Flöte aus der Oper - Wie stark ist nicht dein Zauberton, weil, holde Flöte, durch dein Spielen selbst wilde Tiere Freude fühlen... Alle seine Geschöpfe sind bei ihm und um ihn und halten ihn. Und so endet der Satz versöhnlich, leise und sehr zärtlich. Mit wem spricht das Ich da? Mit seiner Kunst, mit einem Freund, mit Gott? Mit wem auch immer, die Antwort ist: Ja, du bist angenommen. Es war nichts vergebens. Murry Perahia spielt in dieser Aufnahme den Klavierpart ohne jede Ornamentierung, das erste Thema wird unverändert wiederholt soweit ich das beurteilen kann. Viele Interpreten, auch er selber, empfinden den Part als etwas mager, nicht richtig

4 ausgeführt, als habe Mozart Platz lassen wollen für einige Ornamentierungen während der Aufführung. Und so fügen sie mehr oder weniger sensibel eigene Ideen zu. Ich mag sie aber überhaupt nicht. Und bin froh, wenn ein Interpret sie weglässt. Anfangs fand ich auch einige, wie Murray Perahia sie selbst in der späteren Aufnahme einfügt, sehr schön. Aber dann kam ich noch einmal auf die frühere Version zurück. Und ab da mochte ich diese Ornamentierungen, so sensibel wie sie immer gespielt sein mögen, nicht mehr. Mir ist das Thema so wichtig. Und nach Nikolaus Harnoncourt gibt es keine Wiederholungen bei gleichen Noten. Ich glaube, er meint, obwohl die Noten gleich sind, verändert sich die Stimmung und damit die Aussage, leicht vielleicht, aber doch. Murray Perahia spielt es auch so. Und deshalb ist mir so wichtig, dass der Interpret hier nicht die Noten verändert. Es ist eine unglaublich einfache Tonfolge, aber gerade in ihrer Einfachheit tief und zu Herzen gehend. Mir ist, als ginge die Hauptsache verloren, wenn man etwas hinzufügt oder wegnimmt. Denn im Thema liegen Endpunkt und Anfang, Abstieg und Aufstieg. Das Ich, der Mensch in dem Stück, in meinem Stück, kommt hier ganz zu sich selbst. Und da gibt es keine Ornamente mehr, kein Zuwerk, keine Ausreden, Ausflüchte mehr. Reines, pures Sein ohne Wenn und Aber. Im Angesicht Gottes, vor dem Gewissen, bei einer Lebensbeichte kann und darf man nur rein und absolut ehrlich dastehen. Ansonsten gibt es gar keinen Stand mehr, dann ist alles verloren. Ganz und gar ehrlich in einer solchen Lage oder gar nicht. Man kann nur alles auf eine Karte setzen, alles riskieren. Dann fällt und fällt man, aber auf dem Grund der allerschwärzesten Schwärze ist nicht das Nichts, sondern weicher Samt, der einen auffängt. Und genau dann war alles richtig. Der dritte Satz Allegro (Kadenz: W.A. Mozart) Und so ist im dritten Satz ein Neuanfang möglich. Die Hoffnung wird ausgedrückt durch das Motiv des Liedes Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün. - Mozarts Sehnsucht nach dem Frühling. Alles ist ein wenig vorsichtig nach der überstandenen Krise, nach all dem Schmerz und Leid, nach allem herzzerreißenden Auf und Ab. Doch die Freude über die neue Hoffnung bricht sich mehr und mehr Bahn. Das Klavier-Ich macht kleine Tanzschritte, übungsweise, und dann wird es freier und spielerischer. Und seine Geschöpfe tanzen noch einmal, jung und grün, und tollen fast unbekümmert miteinander. Fast, denn die Erfahrungen machen behutsamer, vorsichtiger. Aber: Alles wird gut werden, ist wieder neu und jung, nicht auf die gleiche Weise wie früher, sondern wissender. Aber doch jung. Und zuletzt sehr selbstbewusst. Da Mozart die Kadenz selbst komponiert hat, sagt dies vielleicht auch etwas über den dritten Satz aus, über das neu gewonnene Selbstbewusstsein.

5 Warum ich dieses Konzert so liebe Ich liebe dieses Konzert auch und vor allem wegen des zweiten Satzes. Deshalb schreibe ich so ausführlich darüber. Ein Mensch fürchtet, sich und seinen Weg verloren zu haben, verloren zu sein. Und in dem er sich seinen Fragen und Ängsten stellt, kann er zurückfinden zu sich. Der erste Satz ist Vorbereitung, ist Herantasten an das Eigentliche, Hin und Her, Zupacken, Zurückweichen, ist Abrechnen mit seinem bisherigen Leben und seinen Handlungen, ist auch zum Teil Versuch der Rechtfertigung. Dann kommt die dunkle Nacht der Seele. Und am tiefsten Punkt angekommen, am absoluten Nullpunkt, erfährt er den Umschlag und erkennt die Möglichkeit eines neuen Aufstiegs. Er erkennt, dass er nicht allein ist und mit den anderen zusammen neu anfangen kann. Das ganze Konzert ist wie eine Nachtfahrt der Seele, vom Dunkel ins Licht. Und von diesem letzten Klavierkonzert geht der Bogen zurück zu den ersten Versuchen Mozarts. Und dann wandere ich weiter zum nächsten. Und kann mich nicht satt genug hören an all den Wunderwerken. Alles ist immer wieder neu und überraschend. Und ich höre in dem einen das andere, höre im Ende den Anfang und in manchen frühen Stücken das Ende. Und dabei sind es nur die Klavierkonzerte. Bei Mozart kommt man ja nie an ein Ende. Gott sei Dank.