Auflösung der Leistungsformen: ambulant, teilstationär und stationär



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Transkript:

Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. Sozialrechtliche Dimensionen von Kooperationsmodellen einer innovativen Wohnungslosenhilfe Passen wir die Menschen an das Gesetz oder das Gesetz an die Bedarfe an? Auflösung der Leistungsformen: ambulant, teilstationär und stationär Antje Welke, Leiterin des Arbeitsfeldes Alter, Pflege, Rehabilitation und Gesundheit Gliederung: 1. Diskussion in der Eingliederungshilfe 3. Übertragbarkeit auf andere Rechtsgebiete 4. Wirkungen eines Systemwechsels Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 2 1

1. Diskussion in der Eingliederungshilfe Ausgangspunkte der Diskussion um die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe: 1. Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe - Teilhabe und Selbstbestimmung statt Fürsorge - SGB IX, BRK 2. Kostendruck in der Eingliederungshilfe - Ziel: Ressourcennutzung so effektiv wie möglich - passgenaue, zielgerichtete Hilfen Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 3 Die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Weiterentwicklung zentraler Strukturen in der Eingliederungshilfe wurden am 13. Juni 2007 vom Präsidium des DV verabschiedet. Sie richten sich an Bund, Länder, Sozialleistungsträger, Sozialleistungserbringer, Menschen mit Behinderungen und ihre Verbände (gemeinsam in der Verantwortung) Sie sollen dazu beitragen, dass die Grenzen der Leistungsformen aufgelöst werden und bis dahin der Grundsatz ambulant vor stationär besser umgesetzt wird. Das Ungleichgewicht zwischen ambulanten und stationären Leistungen, das unter anderem durch fehlende Angebote im ambulanten Bereich besteht, soll behoben werden. Die Vorschläge sollen sich sowohl positiv auf ein zielgerichteteres und effizienteres Leistungsangebot als auch auf die Kostenentwicklung in der Eingliederungshilfe auswirken sowie durch eine konsequente Personenzentrierung mehr Teilhabe und Selbstbestimmung ermöglichen Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 4 2

a) Ziel ambulanter Leistungen b) Begriffe ambulant und stationär c) Einrichtungsbegriff d) Auflösung der Leistungsformen e) Infrastruktur / inklusiver Sozialraum f) Persönliches Budget Auflösung der Leistungsformen h) Fazit Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 5 a) Ziel ambulanter Leistungen Vorrang ambulanter Leistungen orientiert sich an den Zielen des SGB IX (Selbstbestimmung und Teilhabe). Im Mittelpunkt steht der behinderte Mensch und sein individueller Bedarf. Ambulante Leistungen tragen erheblich dazu bei, die Lebenssituation behinderter Menschen zu normalisieren und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Infrastruktur soll es ermöglichen, wohnortnah unter mehreren Angeboten zu wählen. ambulant vor stationär in der Eingliederungshilfe hat vor allem Bedeutung im Wohnbereich. Derzeit werden nur etwa 1/3 der Leistungen der Eingliederungshilfe ambulant erbracht. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 6 3

b) Begriffe ambulant und stationär Die Begriffe ambulant und stationär werden unterschiedlich verwendet. Grund dafür sind die verschiedenen Funktionen, die den Begriffen zukommen. (leistungsrechtlich, vergütungsrechtlich, heimrechtlich) Nach 13 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind ambulante Leistungen solche, die außerhalb von Einrichtungen erbracht werden. Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen ( 13 Abs. 2 SGB XII). Definition sehr unpräzise! Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 7 c) Einrichtungsbegriff Merkmale der Rspr.: Vollunterbringung Gesamtverantwortung für die Betreuung, Unterbringung, Versorgung & Beaufsichtigung der hilfebedürftigen Personen Tag & Nacht (BVerwGE) Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln auf eine gewisse Dauer angelegt größerer, wechselnder Personenkreis Verwendung der Begriffe im Gesetz (1): In 9, 13 SGB XII dient der Begriff stationäre Einrichtung der Realisierung des Grundsatzes ambulant vor stationär. Im Leistungsrecht des SGB XII dient der Begriff der groben Beschreibung einer bestimmten Form der Leistung. Es werden auch die Begriffe teilstationär und vollstationär verwendet. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 8 4

c) Einrichtungsbegriff Verwendung der Begriffe im Gesetz (2): Die Regelungen zum Einsatz des Einkommens unterscheiden nach Form bzw. Ort der Leistung ( 85 III, 88 II, 92, 92a SGB XII). Im Leistungserbringungsrecht werden die Begriffe Einrichtung und Dienst verwandt, aber gleichgestellt. Bei den Zuständigkeiten und der Kostenerstattungen zwischen den Trägern der Sozialhilfe wird zw. ambulanten & stationären Leistungen unterschieden 97, 98, 106 SGB XII. 43 a SGB XI knüpft die Kostentragungspflicht der Pflege-kassen für einen pauschalen Erstattungsanspruch des SozialhilfeTr. an den Begriff der vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. In 7 IV SGB II dient der Einrichtungsbegriff der Abgrenzung zum SGB XII (BSG v. 6.9.2007 erwerbsbezogener, funktionaler Begriff) Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 9 d) Auflösung der Leistungsformen Die Begriffe ambulant und stationär können durch die Beschreibung der Leistung bzw. einer Kombination verschiedener Leistungen ersetzt werden. Auch die Begriffe Einrichtung und Dienst würden damit obsolet und könnten durch den Begriff des Leistungsanbieters, der verschiedene Leistungen erbringt, ersetzt werden. Der Leistungsanspruch richtet sich nach wie vor nach dem ermittelten Bedarf. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 10 5

e) Infrastruktur / inklusiver Sozialraum Die Ausgangssituation muss sich verändern: Obwohl nach 19 Abs. 1 Satz 1 SGB IX die Rehabilitationsträger darauf hin wirken, dass die fachlichen und regional erforderlichen Rehabilitationsdienste & -einrichtungen in ausreichender Zahl und Qualität zur Verfügung stehen. Fehlen bislang ausreichende ambulante, wohnortnahe Strukturen. Das Angebot ist regional sehr unterschiedlich, was darauf hinweist, dass insgesamt mehr MmB ambulant unterstützt werden könnten. Gründe hierfür sind: historisch gewachsene stationäre Strukturen, eine gezielte Umsteuerung wurde bislang wenig oder nicht wahrgenommen (wg. getrennter Zuständigkeiten) Der Aufbau ambulanter Angebote erfordert Investitionen, z.b. durch kooperative Vereinbarungen. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 11 e) Infrastruktur / inklusiver Sozialraum Notwendige Rahmenbedingungen für eine bedarfsgerechte ambulante Unterstützung behinderter Menschen sind: wohnortintegrierte Leistungsangebote niedrigschwellige Unterstützungsleistungen, wie Beratungs- und Begegnungsmöglichkeiten sowie Krisendienste wohnprojektgebundene Hilfen, wie mobile Hausmeisterdienste und Haushaltshilfen die Herstellung von Barrierefreiheit in Bezug auf öffentliche Wege, öffentliche Verkehrsmittel, öffentliche wie privat-gewerblich genutzte Gebäude bezahlbarer und barrierefreier Wohnraum Nutzbarkeit vorhandener gemeindlicher Infrastruktur für MmB (z.b. Schwimmbäder und Sportstätten, Freizeiteinrichtungen, Kulturangebote) Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 12 6

f) Persönliches Budget Das PB zielt bereits jetzt darauf ab, die Grenzen zwischen ambulanten, stationären, teilstationären Leistungen aufzuheben. Der BNer kann selbst Leistungen oder eine Kombination aus Leistungen unabhängig von ihrer Identifikation als ambulant oder stationär einkaufen. Durch die mit dem PB verbundene Stärkung der Selbstbestimmung behinderter Menschen ist zu erwarten, dass mehr ambulante als stationäre Angebote nachgefragt werden. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 13 Auflösung der Leistungsformen (1/8) 1. Keine geteilten Zuständigkeiten für ambulant und stationär 2. Mehrkostenvorbehalt Ambulante Leistungen sind grundsätzlich vorrangig vor stationären. Dies gilt nicht ( 13 I 3 SGB XII), wenn eine stationäre Leistung zumutbar ist und die ambulante unverhältnismäßig teuer wäre. Im Wege einer Überwindung der Abgrenzung nach Leistungsformen kann die derzeitige Rangfolge der Leistungsformen entbehrlich werden. Eine Regelung zur individuellen Bedarfsdeckung unter Berücksichtigung des Prinzips der Wirtschaftlichkeit sollte bestehen bleiben. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 14 7

Auflösung der Leistungsformen (3/8) 3. Notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen Bei einer Gleichstellung von ambulant und stationär wäre eine Sonderregelung im Sinne von 35 SGB XII für den notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen überflüssig. Vielmehr müsste bei entsprechender Bedürftigkeit unabhängig von ambulanter oder stationärer Leistung der angepasste notwendige Lebensunterhalt neben den Vergütungen, die mit den Einrichtungen oder Diensten vereinbart werden, erbracht werden. Allerdings ist zu beachten, dass in zur Zeit noch als stationär bezeichneten Einrichtungen eine andere Infrastruktur als im ambulanten Bereich vorgehalten wird. Diese müsste bei der transparent gemacht werden, damit eine Angleichung für alle Wohnformen bei der Auszahlung des notwendigen Lebensunterhaltes besteht. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 15 Auflösung der Leistungsformen (4/8) Langfristig, wenn sich nicht nur die Leistungen, sondern auch die Rahmenbedingungen, die Finanzierungen und die Infrastruktur der unterschiedlichen Leistungsformen angeglichen haben, wird es einen Barbetrag in dieser Form nicht mehr brauchen. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 16 8

Auflösung der Leistungsformen (5/8) 4. Leistungserbringungsrecht Der DV hat die Einführung einer Experimentierklausel in das Leistungserbringungsrecht empfohlen, um neue Wege zur Weiterentwicklung der Leistungsstrukturen erproben zu können. (Fachleistungsstunden, Pauschalen, Modularisierungen, andere Anreizsysteme) Durch die Neuregelung im 76 Abs. 2 Satz 3 SGB XII Die Maßnahmepauschale kann nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden. ist hier schon eine größere Flexibilität erreicht worden. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 17 Auflösung der Leistungsformen (6/8) 5. Brutto/Netto-Prinzip Bei einer Aufhebung der Betrachtung verschiedener Leistungsformen ist das Bruttoprinzip ( 92 Abs. 1 SGB XII), welches nur auf Leistungen in stationären Einrichtungen Anwendung findet, entweder aufzuheben oder auf alle Leistungen anzuwenden. Bei der von den Ländern favorisierten Lösung komplette Trennung der Fachleistung von der HLU hat das Bruttosystem keine Anknüpfung mehr. Die Vorleistungspflicht der Sozialhilfeträger soll dennoch erhalten bleiben. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 18 9

Auflösung der Leistungsformen (7/8) 6. Leistungen der Pflege in vollstationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen Im Hinblick auf die hier empfohlene Aufhebung der Trennung zwischen ambulanten und stationären Leistungen wird 43 a SGB XI keine Rolle mehr spielen und wäre folgerichtig anzupassen. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 19 Auflösung der Leistungsformen (8/8) 7. Ausbau der häuslichen Krankenpflege nach 37 SGB V Zur Erlangung der geforderten Durchlässigkeit der Leistungsstrukturen zwischen stationär, teilstationär und ambulant sollte insgesamt auf das Tatbestandsmerkmal eigene Häuslichkeit verzichtet und medizinische Behandlungspflege unabhängig vom Leistungsort erbracht werden. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 20 10

h) Fazit DV ist überzeugt, dass die gewünschten Effekte ambulant vor stationär, Förderung der Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderungen sowie eine Umkehr von der zu lange erfolgten Fehlsteuerung in stationäre Strukturen nur eintreten werden, wenn die Trennung zwischen ambulanten und stationären Leistungen, zwischen Einrichtungen, Diensten und Anbietern und die Differenzierung nach Leistungsorten aufgehoben wird. Hierfür ist die Kooperation aller am Leistungsgeschehen Beteiligter erforderlich. DV fordert den Gesetzgeber auf, die Leistungsstrukturen der Eingliederungshilfe weiterzuentwickeln. Die Länder haben in ihren Eckpunkten die Empfehlungen des V weitestgehend aufgenommen und weiterentwickelt Es bleiben dennoch eine Reihe von Fragen ungeklärt Angesichts der Zurückhaltung im KoalitionsV darf man gespannt sein. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 21 3. Übertragbarkeit auf andere Rechtsgebiete Aktuelle Diskussion in der Pflege ist vergleichbar Die Entwicklungen in der Pflege (PBB / NBA) sind noch nicht absehbar. Diskutiert werden derzeit ähnliche Überlegungen wie in der Eingliederungshilfe, zumindest eine Annäherung der ambulanten und der stationären Leistungen. In der Wohnungslosenhilfe ist die Situation anders: Zielrichtung ist nicht vergleichbar, da wenige Großeinrichtungen (Ziel: Deinstitutionalisierung weniger im Vordergrund) Viele Personen im SGB-II-Bezug, BSG-Urteil vom 6.9.2007 zum funktionalen, erwerbsbezogenen Einrichtungsbegriff (Demnach können Personen in 67er Einrichtungen wohnen und Leistungen nach SGB II beziehen). Insofern wird die in der Eingliederungshilfe gänzlich neue Trennung von Grundpauschale und Maßnahme in der Wohnungslosenhilfe bereits praktisch vollzogen. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 22 11

4. Wirkungen eines Systemwechsels a) Die beschriebenen Veränderungen durch die Auflösung der Leistungsformen schaffen mehr Flexibilität, stellen den Leistungsberechtigten aber auch mehr auf sich selbst. In einem gänzlich ambulanten System besteht die Gefahr, dass ein stärkerer Kostendruck bei den Einrichtungen aufkommt, der an die Mitarbeiter und letztlich an die Betroffenen weitergereicht wird (Bsp. Fachleistungsstunden) b) Ein inklusiver Sozialraum ist Voraussetzung. Wie und ob ein solcher entsteht, ist jedoch schwer steuerbar. c) Inwiefern ein System bedarfsdeckend ist hängt entscheidend von der Qualität der Bedarfermittlung ab. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 23 Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit! Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 24 12

Kontakt Antje Welke Leiterin des Arbeitsfeldes IV Alter, Pflege, Rehabilitation und Gesundheit Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v. Michaelkirchstr. 17/18 D - 10179 Berlin Tel.: 030-6 29 80 309 Fax: 030-6 29 80 350 welke@deutscher-verein.de www.deutscher-verein.de Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.v., Berlin 25 13