Forum 03/2012 Nachhaltig Wirtschaften Das Entscheider-Magazin EUR 7,50 (D) EUR 8,- (A) CHF 12,50 www.forum-csr.net ISSN 1865-4266 Ethisch investieren & Green Money Alternative Banken & Fonds Ganzheitliche Finanzberatung Wirtschaft der Zukunft Zukunft der Wirtschaft Special: Green IT Investorenverantwortung Grüne Software Genossenschaften Social Business Startups Energiemanagement Gemeinwohlökonomie Nachhaltigkeitskommunikation Umweltstiftungen
Themen Food Produziert für die Tonne? Ursachen der Lebensmittelverschwendung und Lösungsansätze Von Christine Göbel Jeder hat schon einmal etwas aus dem Kühlschrank genommen und direkt in den Müll geworfen. Doch die Verschwendung beim Verbraucher macht nur einen Teil des Kuchens aus. In Deutschland werden jährlich vom Landwirt über den Hersteller und Handel bis hin zum Verbraucher mindestens 11,5 Millionen Tonnen genießbare Lebensmittel entsorgt und u. a. für Futtermittel und zur Energieerzeugung verwendet. Wie diese Verschwendung an jeder einzelnen Stelle in der Kette reduziert werden kann, stellt die Studie des Instituts für nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (isun) der Fachhochschule Münster dar. Für das Wochenende war schönes Wetter angesagt und zum Grillen sind sämtliche Leckereien eingekauft worden. Leider war die Wettervorhersage unzutreffend und es wurde regnerisch und kalt. Nun liegen Fleisch, Wurst, Kräuterbaguette, Tomaten und Mozzarella im Kühlschrank und warten darauf, gegessen zu werden. Doch im Job ist so viel zu tun, dass in der Woche keine Zeit zum Kochen bleibt, somit landet einiges schließlich unverzehrt im Müll. Und auch der Supermarkt konnte aufgrund des schlechten Wetters seine Grillvorräte nicht abverkaufen. Die bevorrateten Mengen laufen ab und die Bestellung für Mozzarella, Kräuterbaguette und Co. fällt in der nächsten Woche kleiner aus, wodurch die Hersteller auf ihren bereits produzierten Waren sitzenbleiben. In der Lebensmittelkette zeigen sich die typischen Verhaltensweisen einer Überflussgesellschaft. In Deutschland kommen jährlich mindestens 11,5 Millionen Tonnen Lebensmittel nicht im Magen des Endverbrauchers an. Das isun-institut sieht die geringe Wertschätzung für Lebensmittel als Hauptursache für die Verschwendung an. Überangebot, Preisverfall und die permanente Verfügbarkeit von Waren führen zu einem sorglosen Umgang und zur Verschwendung von Lebensmitteln auf dem Weg vom Acker bis zum Teller, sagt Prof. Petra Teitscheid, die die Studie zur Identifikation von Ursachen für Lebensmittelabfälle und Entwicklung von Gegenmaßnahmen im isun-institut leitete. Auftraggeber war das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. 2.089.000 t/a 18 % 4.526.000 t/a 40 % Landwirtscha Handwerk / Industrie Handel Endverbraucher Gesamtmenge an Lebensmittelabfall: 11.429.000 t/a 310.000 t/a 3 % 4.504.000 t/a 39 % Aufteilung der Lebensmittelabfälle anhand der vier Wertschöpfungsstufen für Deutschland 2009 132 forum Nachhaltig Wirtschaften
Food Themen Vielfalt, Frische und Verfügbarkeit Gründe für diese Verschwendung sind auf allen Stufen der Lebensmittelkette zu finden, die Ursachen sind in den einzelnen Produktgruppen verschieden. Es lässt sich aber zusammenfassen, dass niemand den gesamten Herstellungs- und Verbrauchsprozess im Blick hat und Kommunikation in der Regel nur über zwei Stufen stattfindet, wobei Lebensmittelabfälle kein Thema sind. Produzenten und Handel kommunizieren über Preise und Qualitäten, ob die Anforderungen des Abnehmers nach schneller Lieferbereitschaft und hoher Warenverfügbarkeit für alle Produktvarianten beim Lieferanten zu Abfällen führt, wird nicht beachtet. Gleiches gilt für die Schnittstelle Handel und Verbraucher. Die Verbraucher erwarten davon gehen zumindest Produzenten und Handel aus permanente Vielfalt, Frische und Verfügbarkeit des kompletten Sortiments. All diese Ansprüche wirken sich nicht nur auf die Herstellungsstufe aus, in der sie gestellt werden: Je nach Macht und Stärke der Unternehmen kann das Risiko der Lagerhaltung und des Verderbs in die vorgelagerte Stufe verschoben werden, wie das eingangs genannte Beispiel zum Grillen zeigt. Festzuhalten bleibt: Die Ursachen für Lebensmittelabfälle sind systemisch bedingt. Ein nicht nachhaltiger Lebensstil, geringere Wertschätzung und gesättigte Märkte sind die wichtigsten Ursachen. Weder Verbraucher noch Hersteller oder Landwirtschaft noch Handel sind allein verantwortlich. Alle Handelnden in der Nahrungswertschöpfungskette können durch Verhaltensänderung zur Verringerung von Lebensmittelabfällen beitragen. Allein durch Effizienzgewinne wird sich das Problem nicht lösen lassen. Gelingt es, die ökologischen, ökonomischen und sozialen Kosten der Lebensmittelverschwendung zu internalisieren und sie zumindest teilweise für die individuellen Nutzenkalküle der Akteure relevant zu machen, kann das normative Ziel einer Veränderung des Handelns der Akteure erreicht werden. Was ist zu tun? Welche Schritte sind also notwendig für einen Wandel des bestehenden Verschwendungssystems hin zu einer neuen Wertschätzung für Lebensmittel? hohe Lieferbereitscha der Produk onsbetriebe und des GHs für den LEH Absatzschwankungen im LEH Anforderungen an Frische, Op k, Vielfäl gkeit, Verfügbarkeit Warenpräsenta on - Konsumanreize Verschiebung der Entstehungsorte für Lebensmittelabfall in der Herstellungskette durch Gepflogenheiten des Marktes: Vielfalt, Frische, Verfügbarkeit Dass diese Anforderungen automatisch zur Vernichtung großer Warenmengen führen müssen, wird aus Marketingund Wettbewerbsgründen als nicht vermeidbare Tatsache in Kauf genommen. Lebensmittelabfälle werden als Kollateralschäden eines hocheffizienten, auf Masse, Überangebot, Verfügbarkeit und Niedrigstpreise getrimmten Ernährungssystems akzeptiert. Dazu wurden in der beschriebenen Studie mögliche Maßnahmen in vier zentrale Handlungsfelder gebündelt. Insgesamt schlägt die Studie folgende Umsetzungsansätze vor: Die Diskussion um Lebensmittelabfälle wird eng mit der Debatte um nachhaltige Lebensstile verbunden. www.forum-csr.net 133
Themen Food Im Rahmen angewandter wissenschaftlicher Forschung werden branchen- und produktbezogen konkrete Ansätze zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen entwickelt und erprobt. Bei der Bewertung der Ressourcenverbräuche von Lebensmittelabfällen ist die gesamte Wertschöpfungskette (inklusive der Vorketten der Lebensmittel) zu beachten. Prozessoptimierung und Schnittstellen stärken: Hersteller und Handel analysieren und optimieren ihre Wertschöpfungsketten unter dem Aspekt des Lebensmittelabfalls. Sie arbeiten in Wertschöpfungsnetzwerken eng zusammen. Strukturen und Regeln: Die Diskussion um die Abschaffung von Normen für Obst- und Gemüseprodukte ist sinnvoll, wird jedoch alleine keine Lösung für das Problem bringen. Verwerten statt entwerten: Nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle sollten optimal genutzt werden. Hierzu ist die stoffliche und technische Verwertung, z. B. als Futtermittel, der abfalltechnischen Behandlung, z. B. Vergärung und anschließender Kompostierung vorzuziehen. Wertschätzen und aufwerten: Konsumenten gestalten ihren Lebensstil und ihre Ernährungsgewohnheiten neu. Der moderne Speiseplan verändert sich in Richtung einer gesunden und ressourcenleichten Ernährung. Genuss und Geschmack sind dafür die Schlüssel. Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen ist ein Thema der Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Auf Verbraucherebene empfiehlt die Studie durch Informationsvermittlung und Bildung die Kompetenzen der Verbraucher zum Thema Lebensmittelabfälle zu stärken und parallel Innovationen und Dienstleistungen voranzutreiben, die Konsumenten in ihrem komplexen Alltag entlasten und ihnen auf diese Weise helfen, Einkauf, Zubereitung und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen. Außerdem muss der Nutzen der Abfallreduzierung deutlich und für Verbraucher attraktiv gestaltet werden. Chancen und Herausforderungen für die Bio-Branche Um wie von der EU-Kommission gefordert bis 2020 eine Halbierung der vermeidbaren Lebensmittelabfälle zu erreichen, bestärkt Prof. Guido Ritter vom isun-institut, ist es notwendig im Discounterland Deutschland die Einführung einer Quote von mindestens 15 Prozent Bio- und Transfair- Neue Wertschätzung für Lebensmittel 4 zentrale Handlungsfelder Vermeiden und weiter entwickeln: Die wichtigsten Handlungsfelder im Rahmen einer neuen Wertschätzung für Lebensmittel 134 forum Nachhaltig Wirtschaften
Food Themen Lebensmitteln im Handel und der Außer-Haus-Verpflegung als harte Maßnahme einzuführen. Damit würde der Preis gehoben, aber auch der Blick auf die Qualität der Produkte geschärft und die Produktion in Richtung einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft verstärkt. Der Kunde ist beim Kauf von Bio-Produkten weniger entfremdet von der Urproduktion und akzeptiert Naturprodukte eher so, wie sie sind. Eine höhere Wertschätzung der Lebensmittel durch den Kunden lässt auch eine höhere Toleranz für natürliche Abweichungen in der Qualität zu und strikte, normenorientierte Qualitätsstandards der industriellen Fertigung können im Bio-Bereich durch Qualitätsfenster ersetzt werden. Die Bio-Branche kann positive Geschichten zum Thema platzieren und damit das Themenfeld der Lebensmittelverschwendung gepaart mit Ehrlichkeit und Transparenz für sich besetzen. Ein kundennaher, gut ausgebildeter Fachhandel kann, z. B. optische Qualitätsabweichungen erklären. Das Bio-Angebot beim Discounter ist hingegen anonymisiert, entfremdet und seine konventionellen, neuen Bio-Kunden wollen beim Kauf von Bio-Ware nicht auf die gewohnte Optik verzichten. So bedingt die Annäherung an den konventionellen Markt oft den Übergang in die Massenproduktion und aus Manufakturen werden industrielle Unternehmen mit strikten Qualitätssystemen. Neue Wertschätzung in der gesamten Wertschöpfungskette Nur eine neue Wertschätzung unserer Lebensmittel im gesamten Produktlebenszyklus kann eine Wende in der Verschwendung bringen. Die Bio-Branche muss hier vorangehen! Dazu müssen alle Beteiligten der Lebensmittelkette etwas beitragen und nicht nur der Verbraucher ist in der Pflicht etwas zu unternehmen. Eine Schuldzuweisung auf einzelne Kettenglieder hat keinen Sinn. Im Profil MSc. oec. troph. Christine Göbel, Prof. Dr. Petra Teitscheid, Prof. Dr. Guido Ritter sind an der Fachhochschule Münster im Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (isun) tätig. christine.goebel@fh-muenster.de Telefon +49 (0)251 / 8 36 55 75 Empfehlen Sie Werben Sie jetzt einen neuen Leser und Sie erhalten als Dankeschön eine der folgenden Prämien... Gleich online bestellen: www.forum-csr.net/abo abo@forum-csr.net Oder Coupon einsenden an: ALTOP Verlag, Leserservice Gotzinger Str. 48, 81371 München Ich habe den Abonnenten geworben Bitte senden Sie mir die Prämie O 1 O 2 O 3 1 Verwöhnung pur! Verwöhnen Sie sich mit einem Natur kosmetik- Set aus 6 farfalla Aroma-Schaumbädern. B.A.U.M. e.v. Jahrbuch 2011 B.A.U.M. e. V. Jahrbuch 2012 2 Mit einem Gutschein im Wert von 25,- Feuerwear kennenlernen! Taschen und Accessoires aus gebrauchten Feuerwehrschläuchen Mit Ihrem Gutschein - code direkt auf www.feuerwear.de bestellen. Vorname Name Straße, Nr. PLZ Ort E-Mailadresse Ich bin der neue Abonnent Vorname Name Ressourcenmanagement Resource Management Die Gesellschaft auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Wirtschaft und Transformation 3 Doppelpack B.A.U.M.-Jahrbuch Erhalten Sie das B.A.U.M.-Jahrbuch 2011 zum Thema Ressourcenmanagement und 2012 Gesellschaft auf dem Weg zur Nachhaltigkeit im Wert von 19,90. Straße, Nr. PLZ Ort E-Mailadresse Mein Zahlungswunsch O Bankeinzug O Rechnung Hinweis: Die Prämie senden wir Ihnen zu, sobald der geworbene Leser die Aborechnung beglichen hat. Dieses Angebot gilt nur innerhalb der EU und nur solange der Vorrat reicht. Das Jahresabo kostet 30,-, www.forum-csr.net inkl. Versandkosten innerhalb von Deutschland. Kontoinhaber BLZ Datum, Unterschrift Konto.Nr 135
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