Handänderungssteuer bei Zweitwohnung. Entscheid des Steuergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 11. September 2009



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Transkript:

Handänderungssteuer bei Zweitwohnung Entscheid des Steuergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 11. September 2009 Die Befreiung von der Handänderungssteuer beim Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum gilt nur für den tatsächlichen Wohnsitz. Der Hinzukauf einer zwar räumlich entfernten, aber innerhalb der gleichen Wohngemeinde liegenden 2-Zimmer-Wohnung zu einer bereits bestehenden 3-Zimmer-Wohnung zur Steigerung des Wohnkomforts kann deshalb nicht von der Steuer befreit werden. Sachverhalt: 1. Per 1. November 2002 erwarb die Pflichtige an A. in C. eine 3-Zimmer- Wohnung, welche sie bis heute gemäss Wohnsitzbestätigung der Gemeindeverwaltung C. vom 24. August 2009 bewohnt. Mit öffentlicher Urkunde über einen Kaufvertrag vom 26. Oktober 2005 erwarb die Pflichtige zusätzlich das Stockwerkeigentum Nr. S001 an B., Liegenschaftsparzelle Nr. 000 in C. Auf die Erhebung der Handänderungssteuer wurde aufgrund der von der Pflichtigen unterzeichneten Selbstnutzungserklärung vom 26. Oktober 2005 verzichtet, wobei jedoch bei der Handänderungssteuer-Rechnung Nr. vom 1. November 2005, eröffnet am 3. April 2006, unter der Bemerkung festgehalten wurde, dass bei nicht gesetzkonformer Selbstnutzung eine Nachbesteuerung gemäss 146 StG erfolgen könne. 2. Mit Handänderungssteuer-Rechnung Nr. vom 14. Oktober 2008, eröffnet am 22. Oktober 2008, wurde eine Nachbesteuerung der Handänderungssteuer in der Höhe von Fr. 3 750. vorgenommen. 3. Dagegen erhob die Pflichtige mit Schreiben vom 20. November 2008 Einsprache mit dem Begehren, die Steuern seien zu erlassen. Als Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass sie bereits seit dreieinhalb Jahren an A. wohnhaft sei, als sie per 1. April 2006 ihre Wohnung an B. übernommen habe. Die Liegenschaft an B. würde sie seit dem Kauf selber nutzen. Da sie an A. nicht alle Postsendungen erhalte, habe sie bei den meisten Postsendungen nach und nach auch ihre Adresse auf B. ändern lassen. 4. Die Steuerverwaltung wies mit Einsprache-Entscheid vom 19. März 2009 die Einsprache ab mit der Begründung, dass sich der gesetzliche Wohnsitz der Pflichtigen an A. und nicht an B. in C. befinden würde. Bei einer dauernden Selbstnutzung des B. wäre eine Adressänderung möglich gewesen. Wenn jedoch zwei Wohnsitze vorhanden seien, könne die Befreiung der Handänderungssteuer nur auf einer dauernd selbstbewohnten Liegenschaft gewährt werden. BStPra 1/2010 19

5. Mit Schreiben vom 16. April 2009 erhob die Pflichtige gegen den Einsprache- Entscheid der Steuerverwaltung Einsprache (recte Rekurs) mit dem sinngemässen Begehren, es sei infolge ausschliesslich und dauernd selbstgenutztem Wohneigentums an B. in C. von einer Handänderungssteuer abzusehen. Als Begründung machte die Pflichtige insbesondere geltend, dass sie sich per 1. November 2002 eine 3-Zimmer-Wohnung gekauft habe, sie jedoch gerne eine 4-Zimmer-Wohnung erworben hätte. Leider seien damals schon alle vergeben gewesen. Weil ihr der Wohnblock und die Gegend gefallen und die Bank die Finanzierung sofort zugesichert habe, habe sie sich für die letzte verfügbare 3-Zimmer-Wohnung entschieden. Sie habe zuvor 16 Jahre lang in einer grossen 4,5-Zimmer-Wohnung mit Reduit gelebt und schnell festgestellt, dass ihre neue Wohnung zu klein sei. Da sie das Objekt alleine finanziere, habe sie nicht riskieren wollen, ein grösseres zu kaufen. Deshalb habe sie sich entschieden, noch eine 2-Zimmer-Wohnung dazuzukaufen. Diese Variante sei ihr sicherer erschienen, denn sollte sie in einen finanziellen Engpass geraten, so könnte sie sie wieder verkaufen und stünde nicht gleich auf der Strasse. Beide Wohnungen würden sich in der gleichen Gemeinde befinden und lägen nur ein Steinwurf voneinander entfernt. Sie lebe in beiden Wohnungen und laufe zwischen den beiden hin und her. Ab dem 1. April 2006 habe die Pflichtige die meiste Zeit in ihrer Wohnung an B. verbracht. Die Wohnung sei komplett eingerichtet und verfüge über ein Schlafzimmer, in welchem sie auch schlafen würde. Sie besitze im übertragenen Sinn eine 5-Zimmer-Wohnung mit einem langen Gang. Sie sei Ende 2006 und Ende 2007 jeweils von einer anderen Sachbearbeiterin der Steuerabteilung der Gemeinde C. angefragt worden, ob sie zwei Wohnungen besässe, da die Steuererklärungen dies ausweisen würde und ob sie in beiden Wohnungen leben würde. Sie habe dies beide Male bestätigt. Bei der Einkommenssteuer werde seit 2006 der Eigenmietwert in BL selbst genutzt zweimal berechnet. Sie nutze ihre Liegenschaft in B. seit dem Kaufantritt am 1. Juni 2006 dauernd und selbst. Die Selbstnutzung sei der einzige und alleinige Grund gewesen die Liegenschaft zu kaufen. Die Steuerverwaltung habe ihr erklärt, dass sie lediglich auf der Gemeinde eine Adressänderung von A. auf B. hätte vornehmen müssen. 6. Mit Vernehmlassung vom 18. Juni 2009 beantragte die Steuerverwaltung die Abweisung des Rekurses mit der Begründung, da die Rekurrentin grundsätzlich in ihrer angestammten 3-Zimmer-Wohnung wohnen geblieben sei und die 2-Zimmer- Wohnung deshalb nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung anzusehen sei, es sich nicht um dauernd selbstgenutztes Wohneigentum handeln würde, da die zweite Wohnung jeder Zeit an Dritte vermietet oder wieder veräussert werden könne, ohne dass die Rekurrentin ihren Wohnsitz wechseln müsste. Dagegen spreche auch die räumliche Distanz, auch wenn diese nur wenige 100 Meter betreffe. Anders könnte wohl entschieden werden, wenn die zweite Wohnung direkt an der ersten angrenzen würde und durch einen baulichen Durchbruch mit der ersten verbunden worden wäre. Eine Person könne grundsätzlich nur an einem Ort Wohnsitz haben. Die Rekurrentin gebe als Wohnadresse A. in C. an, wobei die Steuerverwaltung auf den Absender des Rekurses vom 16. April 2009 verwies. Damit bringe sie selber zum Ausdruck, dass sich ihr Wohnsitz dort und nicht an B. befinde. Die 2-Zimmer- Wohnung müsse daher als eigenständige Liegenschaft betrachtet werden, welche 20 BStPra 1/2010

zwar ergänzend zur 3-Zimmer-Wohnung genutzt werde, aber nicht als dauernd selbstgenutztes Wohneigentum im Sinne des effektiven Wohnsitzes von 82 Abs. 2 StG zu gelten habe. 7. Anlässlich der heutigen Verhandlung hielten die Parteien an ihren Anträgen fest. Erwägungen: 1. Das Steuergericht ist gemäss 124 des Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern (Steuergesetz) vom 7. Februar 1974 (StG) zur Beurteilung des vorliegenden Rekurses zuständig. Gemäss 129 Abs. 2 StG werden Rekurse, deren umstrittener Steuerbetrag wie im vorliegenden Fall Fr. 8 000. pro Steuerjahr nicht übersteigt, vom Präsidenten und zwei Richterinnen und Richtern des Steuergerichts beurteilt. Da die in formeller Hinsicht an einen Rekurs zu stellenden Anforderungen erfüllt sind, ist ohne weitere Ausführungen darauf einzutreten. 2. Im vorliegenden Fall unterliegt der Beurteilung, ob ein Eigentümer auch dann in den Genuss einer Steuerbefreiung bei der Handänderung kommt, wenn er zu einer bereits in seinem Eigentum stehenden und dauernd von ihm selbstbewohnten Liegenschaft eine weitere hinzukauft. 3. Gemäss 81 Abs. 1 StG wird die Handänderungssteuer auf Handänderungen von Grundstücken oder Anteilen von solchen erhoben. Die Handänderungssteuer wird beim Erwerber nicht erhoben, wenn dieser eine Liegenschaft als ausschliesslich und dauernd selbstgenutztes Wohneigentum erwirbt ( 82 Abs. 2 StG). Ob die Privilegierung der Steuerbefreiung bei der Handänderungssteuer auch bei einem Kauf einer Zweitliegenschaft zu gewähren ist, bedarf daher der Auslegung von 82 Abs. 2 StG. 4. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, d.h. nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen. Insbesondere bei verhältnismässig jungen Gesetzen darf der Wille des historischen Gesetzgebers nicht übergangen werden. Hat dieser Wille jedoch im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden, so ist er für die Auslegung nicht entscheidend (vgl. Bundesgerichtsentscheid [BGE] 134 V 170 vom 12. März 2008, E. 4.1). BStPra 1/2010 21

a) Stützt man sich auf den Wortlaut der Gesetzesbestimmung, so bedeutet Selbstnutzung, dass die Liegenschaft durch den Steuerpflichtigen selbst zu Wohnzwecken an seinem Wohnsitz genutzt wird. Diese Voraussetzung ist beispielsweise bei Zweitoder Ferienwohnungen nicht erfüllt. Ausschliesslich ist die Selbstnutzung, wenn das Wohnhaus oder die Wohnung zu keinem anderen Zweck als zu Wohnzwecken dient. Dauernd ist die Selbstnutzung, wenn sie grundsätzlich ohne Unterbruch erfolgt. Immerhin wird ein bloss vorübergehender Unterbruch der Selbstnutzung und Fremdnutzung (Vermietung) oder nicht Nutzung (leer stehend) anerkannt, wenn der Unterbruch durch äussere, vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Umstände bedingt ist (vgl. SteuerRevue Nr. 1/2005, S. 78; Entscheid des Steuergerichts [StGE] Nr. 070/2007 vom 17. August 2007, E. 5a, www.bl.ch/steuergericht). b) Für die historische und teleologische Auslegung von 82 Abs. 2 StG ist auf die Materialien zurückzugreifen. Die Verfassung des Kantons Basel-Landschaft (KV) vom 17. Mai 1984 beauftragt den Gesetzgeber in 133 Abs. 2 lit. c «selbstgenutztes Wohneigentum steuerlich zu begünstigen». Die Gesetzesnovelle des 82 Abs. 2 StG geht auf eine Motion vom 29. Oktober 1981 (81/148) zur Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums u.a. durch Erlass oder Aufschub der Handänderungssteuer für den «Erwerber eines geeigneten Grundstückes oder eines Wohneigentums, sofern und solange dieser das Eigentum zu Wohnzwecken selbst nutzt» zurück. Mit dieser Massnahme sollte die im Vergleich zum Ausland sehr niedrige Wohneigentumsquote in der Schweiz gesteigert werden. In der Vorlage an den Landrat betreffend Teilrevision des Steuer- und Finanzgesetzes vom 11. April 1989 wurde der Vorschlag, welcher am 9. Januar 1989 als Postulat überwiesen wurde, angenommen. Der Regierungsrat schlug eine Senkung des Handänderungssteuersatzes auf 2 % für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums vor, da «im Sinne echter Wohneigentumsförderung weniger der Wohneigentümer als der Neuerwerber von Wohnungen» steuerlich zu begünstigen sei. In der parlamentarischen Beratung (vgl. dazu Protokoll der 13. Sitzung der Spezialkommission betreffend Teilrevision des Steuer- und Finanzgesetzes vom 31. Januar 1991) wurde 82 Abs. 2 StG derart modifiziert, dass die Handänderungssteuer nicht nur zu reduzieren, sondern gänzlich zu erlassen sei und dass diese Steuerbefreiung nicht nur für Neuerwerber von Wohneigentum, sondern auch bei einer Ersatzbeschaffung gelten solle, da nicht einzusehen sei, weshalb nur die Schaffung, nicht aber die Erhaltung von selbstgenutztem Wohneigentum zu fördern sei. Wer sein selbstbewohntes Wohneigentum veräussert, um sich Neues zu erwerben, soll von der Steuer befreit werden (vgl. Entscheid des Steuergerichts [StGE] Nr. 73/2002 vom 13. September 2002, E. 6, www.bl.ch/steuergericht). Mit der Teilrevision des Steuer- und Finanzgesetzes von 1991 sollte somit u.a. das Wohneigentum gefördert werden, ohne die Mobilität der Wohnungseigentümer einzuschränken. Gedacht wurde dabei insbesondere an Personen, die ihr Wohneigentum aufgrund eines berufsbedingten Wohnortwechsels veräussern und anderenorts wieder neu erwerben müssen. 5. Im vorliegenden Fall ist die Pflichtige Eigentümerin der 3-Zimmer-Wohnung an A. und der 2-Zimmer-Wohnung an B., welche sich beide in C. befinden. Diese beiden Wohnungen liegen ca. 400 Meter voneinander entfernt, weshalb entgegen 22 BStPra 1/2010

der Meinung der Pflichtigen nicht von einer 5-Zimmer-Wohnung mit einem langen Gang die Rede sein kann, sondern es sich bei der Wohnung an B. um eine zusätzliche Wohnung resp. Zweitwohnung handelt. Gemäss 82 Abs. 2 StG setzt die Selbstnutzung des Wohneigentums voraus, dass diese ausschliesslich und dauernd sein muss. Dauernd ist die Selbstnutzung allerdings nur, wenn sie grundsätzlich ohne Unterbruch erfolgt. Die Pflichtige macht geltend, dass sie die Wohnung an B. ausschliesslich zur Selbstnutzung erworben habe. Eine Person kann indes nur an einem Ort resp. in einer Wohnung dauernd wohnen, d.h. die Pflichtige kann demnach nicht gleichzeitig dauernd in beiden Wohnungen leben. Ebenso kann eine Person in der Schweiz nur einen Wohnsitz haben (vgl. Bauer-Balmelli/Nyffenegger in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht 1/1, Art. 3 StHG N 3 i.v.m. BSK ZGB I-Staehelin, Art. 23 N 2). Auch wurde mit der Wohnung an B. kein erstmaliger Erwerb von Wohneigentum erworben, noch handelt es sich dabei um eine Ersatzbeschaffung, weshalb die Steuerverwaltung zu Recht die Nachbesteuerung der Handänderungssteuer bei der Liegenschaft B. in C. vorgenommen hat. Die Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn der Kauf der zusätzlichen Wohnung neben der bereits bewohnten Liegenschaft an A. erfolgt wäre, bildet nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und kann daher offenbleiben. Der Rekurs erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen. 6. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind der Rekurrentin die Verfahrenskosten in Höhe von Fr. 600. aufzuerlegen ( 130 StG i.v.m. 20 Abs. 1 und 3 des Gesetzes vom 16. Dezember 1993 über die Verfassungs- und Verwaltungsprozessordnung [VPO]). Demgemäss wird erkannt: 1. Der Rekurs wird abgewiesen. 2. 3. BStPra 1/2010 23