BMAS-Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Referentenentwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes A. Problem und Ziel Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) ist am 5. Dezember 2008 in Kraft getreten. Die Leiharbeitsrichtlinie ist von der Bundesrepublik Deutschland bis spätestens 5. Dezember 2011 in deutsches Recht umzusetzen. Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie. B. Lösung Anpassung der Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) an die Vorgaben der Leiharbeitsrichtlinie. Hierzu werden die Entleiher verpflichtet, den in ihrem Betrieb tätigen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten im Unternehmen zu gewähren und die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze im Einsatzbetrieb, die besetzt werden sollen, zu unterrichten. Klargestellt wird, dass die Vereinbarung einer von den Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmern zu zahlenden Vermittlungsprovision für den Fall, dass die Leiharbeitnehmerin oder der Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher eingeht, unwirksam ist. Die Möglichkeit, zuvor arbeitslose Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer für längstens sechs Wochen abweichend vom Grundsatz der Gleichstellung mit den vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Betrieb des Entleihers zu einem Nettoarbeitsentgelt zu beschäftigen, das dem zuletzt gezahlten Arbeitslosengeld entspricht, wird gestrichen. C. Alternativen Keine. D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand Keine. 2. Vollzugsaufwand Die Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie bewirkt keinen zusätzlichen Vollzugsaufwand für die Bundesagentur für Arbeit, die das AÜG durchführt. E. Sonstige Kosten Unmittelbare Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten. Für die Unternehmen, die Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmer einsetzen, können Mehrkosten entstehen durch die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten seitens der Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmer sowie durch die Information von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern über offene Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen.
F. Bürokratiekosten 2 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Es wird eine Informationspflicht für Unternehmen eingeführt. Diese Informationspflicht trifft alle Unternehmen, die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer einsetzen, wenn sie gleichzeitig freie Arbeitsplätze besetzen wollen. Die den Unternehmen entstehenden Mehrkosten sind nicht bezifferbar. Die Möglichkeit, der Informationspflicht durch allgemeine Bekanntgabe nachzukommen, leistet einen erheblichen Beitrag, etwaige Mehrkosten zu begrenzen. Sofern die Informationspflicht über offene Stellen, die besetzt werden sollen, schon nach geltender Rechtslage gegenüber anderen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer besteht, entstehen keine Mehrkosten.
3 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Referentenentwurf für ein Erstes Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz0F * Vom [Datum der Ausfertigung] Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. 3 Absatz 1 wird wie folgt geändert: a) Nummer 3 wird wie folgt geändert: aa) Die Wörter ", es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat" werden gestrichen. bb) Nach dem Wort "vereinbaren" wird der Punkt durch ein Semikolon ersetzt. b) Nach Nummer 3 wird folgende Nummer 3a eingefügt: "3a. die Entleiher nicht verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher gemäß 13b Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen des Entleihers zu gewähren." 2. 9 wird wie folgt geändert: a) In Nummer 2 werden die Wörter ", es sei denn, der Verleiher gewährt dem zuvor arbeitslosen Leiharbeitnehmer für die Überlassung an einen Entleiher für die Dauer von insgesamt höchstens sechs Wochen mindestens ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat; Letzteres gilt nicht, wenn mit demselben Verleiher bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat" gestrichen. b) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 2a eingefügt: "2a. Vereinbarungen, die den Zugang des Leiharbeitnehmers zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten im Unternehmen des Entleihers entgegen 13b beschränken," c) In Nummer 4 werden nach dem Wort "einzugehen" die Wörter "; dies schließt auch die Vereinbarung einer von dem Leiharbeitnehmer zu zahlenden Vermittlungsvergütung ein" eingefügt. 3. Nach 13 wird folgender 13a eingefügt: " 13a * Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327 vom 5.12.2008 S. 9)
4 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Information des Leiharbeitnehmers über freie Arbeitsplätze Der Entleiher hat den Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze im Betrieb des Entleihers, die besetzt werden sollen, zu informieren. Die Information kann durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, dem Leiharbeitnehmer zugänglicher Stelle im Betrieb erfolgen. 4. Nach 13a wird folgender 13b eingefügt: " 13b Zugang des Leiharbeitnehmers zu Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten Der Entleiher hat dem Leiharbeitnehmer Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten im Unternehmen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Arbeitnehmern in dem Betrieb, in dem der Leiharbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringt, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne des Satz 1 sind insbesondere Kindesbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel." Artikel 2 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2010 in Kraft. Die verfassungsgemäßen Rechte des Bundesrats sind gewahrt. Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt. Es ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden.
5 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Begründung A. Allgemeiner Teil I. Wesentlicher Inhalt Die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) ist am 5. Dezember 2008 in Kraft getreten; sie ist bis spätestens 5. Dezember 2011 in deutsches Recht umzusetzen. Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie in deutsches Recht. II. Gesetzgebungskompetenz Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt für das Arbeitsrecht und die Arbeitsvermittlung aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes und für das Recht der Wirtschaft, einschließlich des Gewerberechts, aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 11 des Grundgesetzes. Dem Bund steht die Gesetzgebungskompetenz zu, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht (Artikel 72 Abs. 2 GG). Die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dient der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie. Die Umsetzung durch eine bundesgesetzliche Regelung, ist zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sowie zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. III. Gleichstellungspolitische Relevanzprüfung Im Zuge der gemäß 2 GGO vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Frauen und Männern keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen. Im ersten Halbjahr 2008 waren nach der aktuellen Arbeitnehmerüberlassungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit rund dreiviertel aller Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer in Deutschland männlich. B. Besonderer Teil Zu Artikel 1 Artikel 1 enthält die Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), die der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie dienen. Zu Nummer 1 Zu Buchstabe a Das AÜG sieht den Grundsatz der Gleichstellung von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern mit den vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Betrieb des Entleihers in Hinblick auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vor. Von dem Gleichstellungsgrundsatz kann dauerhaft ausschließlich bei Anwendung eines Tarifvertrags abgewichen werden. Um Verleihern einen Anreiz für die Einstellung von arbeitslosen Arbeitnehmern zu geben und arbeitslosen Arbeitnehmern den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, hat der Gesetzgeber bei der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 für diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine auf längstens sechs Wochen begrenzte Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz vorgesehen. Als Mindestnettoentgelt wurde die Höhe des zuletzt an die Arbeitslose oder den Arbeitslosen gezahlten Arbeitslosengeldes festgelegt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird die Aufrechterhaltung dieser Regelung teilweise für nicht mit der Leiharbeitsrichtlinie vereinbar halten. Zudem ist diese Ausnahme von der Praxis nicht angenommen worden, da tarifvertragliche Lösungen bevorzugt wurden, die Regelungen vom ersten Tag des Verleihs vorsehen und beim Arbeitsentgelt nicht auf den Status des Arbeitnehmers vor der Einstellung abstellen.
Zu Buchstabe b 6 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Der Verleiher hat den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten in seinem Unternehmen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren wie seinen vergleichbaren Stammarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern im Einsatzbetrieb. Diese Verpflichtung hat schriftlich zu erfolgen (vgl. 12 Abs. 1 AÜG). Kommt der Verleiher dieser Verpflichtung nicht nach, ist ihm die Erteilung oder Verlängerung der Verleiherlaubnis zu versagen. Der Verleiher soll darauf hinwirken, dass seinen Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern im Unternehmen des Entleihers entsprechend 13b AÜG Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten gewährt wird. Zu Nummer 2 Zu Buchstaben a und b Die Regelungen sind Folgeänderungen zu Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 4. Zu Buchstabe c Mit der Regelung wird Art. 6 Abs. 2 und 3 der Leiharbeitsrichtlinie umgesetzt. Entsprechend seinem Schutzzweck ist 9 Nr. 4 weit auszulegen. Insoweit stellt die Ergänzung klar, dass auch die Vereinbarung einer von den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern zu zahlenden Vermittlungsvergütung unwirksam ist. Zu Nummer 3 Die Regelung dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 der Leiharbeitsrichtlinie. Satz 1 der Regelung verpflichtet den Entleiher, die Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmer, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen sind, über freie Arbeitsplätze in dem Einsatzbetrieb zu informieren. Mit dieser Regelung soll die Übernahme von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern in die Stammbelegschaft des Entleihers (sog. Klebeeffekt) unterstützt werden. Satz 2 ermöglicht es dem Entleiher, die Information durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter, den Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmern zugänglicher Stelle im Betrieb zu bewirken. In Betracht kommt insbesondere ein Aushang an einem schwarzen Brett. Eine vergleichbare Regelung enthält 18 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Zu Nummer 4 Die Regelung dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 4 der Leiharbeitsrichtlinie. Satz 1 verpflichtet den Entleiher, den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern, die ihm zur Arbeitsleistung überlassen sind, Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten im Unternehmen zu gewähren. Der Zugang ist den Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern unter den gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise zu gewähren, wie vergleichbaren Stammarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern in dem Betrieb, in dem die Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmer ihre Arbeitsleistung erbringt. Etwas anderes gilt nur, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung von Leiharbeitnehmerinnen oder Leiharbeitnehmern und vergleichbaren Stammarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern im Einsatzbetrieb des Entleihers rechtfertigen. Ein sachlicher Grund kann in der sehr kurzen Einsatzzeit der Leiharbeitnehmerin oder des Leiharbeitnehmers liegen. Liegt ein sachlicher Grund vor, ist zu prüfen, inwieweit die Bedingungen für den Zugang von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern so ausgestaltet werden können, dass ihnen der Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder diensten ermöglicht wird. Das Recht der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer auf Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen und diensten im Unternehmen des Entleihers besteht unbeschadet etwaiger tarifvertraglicher Regelungen im Sinne des 3 Abs. 1 Nr. 3 und 9 Nr. 2 AÜG.
7 Bearbeitungsstand: 24.03.2009 13:54 Uhr Satz 2 nennt in Anlehnung an die Leiharbeitsrichtlinie als Beispiele für Gemeinschaftseinrichtungen oder dienste Kindesbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel. Zu Artikel 2 Der Artikel regelt das Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2010. Die Inkrafttretensregelung gibt den Verleihern und Entleihern ausreichend Zeit, ihre vertraglichen Vereinbarungen an die neue Rechtslage anzupassen.