An den VERFASSUNGSGERICHTSHOF Freyung 8 1010 Wien



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Transkript:

An den VERFASSUNGSGERICHTSHOF Freyung 8 1010 Wien durch ERV Beschwerdeführerin: Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Johannes Kepler Universität Linz, vertreten durch den Vorsitzenden O, Altenbergerstraße 69, 4040 Linz vertreten durch: Rechtsanwältin Regina R, X-Straße 1, 4020 Linz, Anschriftcode Beschwerdegegner: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz; Bescheid vom 14.02.2014 (GZ Vers-14/3) Beschwerdegegenstand:Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28.02.2014 (Gz Vers-14/3-B), zugestellt am 04.03.2014, 6, 17 Versammlungsgesetz 1953 1 Beilage angefochtenes Erkenntnis Eingabengebühr 240,- Vollmacht erteilt Erkenntnisbeschwerde gemäß Art 144 Abs 1 erste Alternative B-VG und den 82 ff VfGG wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG); Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG 1867); Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG 1867, Art 7 Abs 1 B-VG); Fall IV: unmittelbare Erkenntnisbeschwerde/1

I. Sachverhalt Wir sind eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ab dem 20.01 2014 informierten wir via Facebook über eine geplante Kundgebung gegen Studienbeiträge am 03.03.2014. Zum geplanten Ablauf der Veranstaltung veröffentlichten wir folgende Informationen: Ab 08.00 Uhr sollten Teilnehmer vom Linzer Hauptbahnhof aus mit Plakaten und einem Transparent durch die Innenstadt Richtung Hauptplatz ziehen, wo das Vorsitzendenteam öffentliche Reden halten wollte. Eine vorherige Anzeige der Kundgebung bei der Versammlungsbehörde erfolgte nicht. Mit Untersagungsbescheid vom 14.02.2014 (GZ Vers-14/3) untersagte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz die Durchführung der Kundgebung gemäß 6 und 17 Versammlungsgesetz 1953 wegen dringender Gefahr, da eine Störung des Straßenbahnverkehrs zu befürchten sei. Der Bescheid wurde dabei einzig auf die via Facebook verfügbaren Informationen gestützt, ein Ermittlungsverfahren wurde nicht durchgeführt. Gegen den Untersagungsbescheid erhoben wir fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, welches die Beschwerde mit Erkenntnis vom 28.02.2014, zugestellt am 04.03.2014, ohne Begründung und ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens abwies. II. Da uns das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich in den genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, erheben wir in offener Frist durch unsere bevollmächtigte Vertreterin gemäß Art 144 Abs 1 erste Alternative B-VG und den 82ff VfGG Beschwerde und stellen die A n t r ä g e, der Verfassungsgerichtshof möge 1. gemäß 87 Abs 1 VfGG das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts (LVwG) Oberösterreich aufheben; 2. gemäß 27 und 88 VfGG erkennen, der Bund ist schuldig, die uns durch das verfassungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zuhanden unserer bevollmächtigten Vertreterin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. III. Unsere Anträge begründen wir im Einzelnen wie folgt: 1. Zulässigkeit der Beschwerde: Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß 82 Abs 1 VfGG ist gewahrt. Eine Verletzung in den geltend gemachten Grundrechten ist nicht durch unsere Eigenschaft als inländische juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeschlossen, da sämtliche hier geltend gemachten Grundrechte wesensmäßig auf uns anwendbar sind. Fall IV: unmittelbare Erkenntnisbeschwerde/2

2. Begründetheit der Beschwerde: a. Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B-VG) Gemäß Art 83 Abs 2 B-VG darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Richter in diesem Sinne ist jede staatliche Behörde, die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, also auch eine Verwaltungsbehörde. Art 83 Abs 2 B-VG gewährleistet damit eine grundsätzlich umfassende Garantie der gesetzlichen Behörden- und Gerichtszuständigkeit. Ein erstinstanzliches Erkenntnis verletzt dieses Grundrecht unter anderem dann, wenn ein Gericht eine ihm gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt, wenn also ein unzuständiges Gericht entscheidet. Zwar ist das LVwG Oberösterreich gemäß 18 Versammlungsgesetz 1953 zur Entscheidung über unsere Beschwerde gegen den Untersagungsbescheid des Bürgermeisters von Linz sachlich zuständig gewesen. Allerdings hat es die fehlende sachliche Zuständigkeit des Bürgermeisters zum Erlass des Untersagungsbescheids nicht aufgegriffen, wozu es gemäß 27 VwGVG von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre. Es hätte daher den Untersagungsbescheid bereits aus diesem Grunde aufheben müssen. Die fehlende sachliche Zuständigkeit des Bürgermeisters ergibt sich im vorliegenden Fall aus folgenden Erwägungen: Bei der untersagten Kundgebung handelt es sich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes 1953. Versammlungsangelegenheiten zählen zur Sicherheitsverwaltung, die von den Sicherheitsbehörden des Bundes wahrgenommen wird ( 2 Abs 2 SPG). Wer zuständige Versammlungsbehörde ist, regelt 16 Versammlungsgesetz 1953. Nach 16 lit a Versammlungsgesetz 1953 ist an Orten, die zum Gebiet einer Gemeinde gehören, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, die Landespolizeidirektion die Versammlungsbehörde. Örtlicher Anknüpfungspunkt ist Linz, im Bereich der Landeshauptstadt Linz ist die Landespolizeidirektion Oberösterreich nach 8 SPG die Sicherheitsbehörde erster Instanz, nicht der Bürgermeister. Auch eine Eilzuständigkeit gemäß 17 Versammlungsgesetz 1953 konnte der Bürgermeister nicht für sich in Anspruch nehmen, da jedenfalls keine dringende Gefahr im Sinne des Gesetzes vorlag. Eine dringende Gefahr ist durch einen gesteigerten Handlungsbedarf gekennzeichnet, zum Beispiel dergestalt, dass aufgrund der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit ein Einschreiten der regulär zuständigen Behörde nicht mehr rechtzeitig möglich wäre. Vorliegend hatte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz jedoch bereits zwei Wochen vor der geplanten Versammlung Kenntnis von der geplanten Kundgebung, so dass eine Information der zuständigen Landespolizeidirektion Oberösterreich sowie deren Einschreiten ohne weiteres möglich gewesen wäre. Da der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz somit als unzuständige Behörde eingeschritten ist, hätte das LVwG Oberösterreich den Untersagungsbescheid wegen sachlicher Unzuständigkeit des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz aufheben müssen. b. Versammlungsfreiheit (Art 12 StGG 1867) Das angefochtene Erkenntnis verletzt uns in unserem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit gemäß Art 12 StGG 1867. Fall IV: unmittelbare Erkenntnisbeschwerde/3

aa. [Schutzbereich] Art 12 StGG 1867 schützt die Zusammenkunft mehrerer Menschen in der Absicht, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw) zu bringen, sodass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Bei unserer Kundgebung war von Anfang an geplant, dass wir vom Linzer Hauptbahnhof aus friedlich zum Hauptplatz ziehen und dabei unserer Ablehnung der Studienbeiträge mit Plakaten und einem Transparent Ausdruck verleihen. Auf dem Hauptplatz sollten öffentliche Reden unseres Vorsitzenden-Teams gehalten werden. Damit handelt es sich um eine Zusammenkunft mehrerer Menschen, die eine gemeinsame Meinung zum Ausdruck bringen wollten, so dass die erforderliche Assoziation der Zusammengekommenen gegeben ist. bb. [Grundrechtsverletzung] (1) Die Versammlungsfreiheit gemäß Art 12 StGG 1867 steht unter einem Ausgestaltungsvorbehalt. [Prüfungsformel] Ein erstinstanzliches verwaltungsgerichtliches Erkenntnis verletzt damit das Grundrecht, wenn es gegen Vorschriften des Versammlungsgesetzes 1953 verstößt, die unmittelbar die Ausübung des Versammlungsrechts betreffen und damit in die Versammlungsfreiheit eingreifen. (2) Das angefochtene Erkenntnis des LVwG Oberösterreich verletzt die Versammlungsfreiheit gemäß Art 12 StGG 1867, weil es verkannt hat, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Untersagung der Versammlung nicht vorlagen. Gemäß 6 Versammlungsgesetz 1953 sind Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, zu untersagen. (a) Der Zweck der Kundgebung lief keinem Strafgesetz zuwider. Zwar sind Strafgesetze in diesem Sinne nicht nur gerichtliche Strafnormen, sondern auch Verwaltungsstraftatbestände und das Unterlassen einer fristgerechten Anzeige nach 2 Versammlungsgesetz 1953 mag einen Verwaltungsstraftatbestand gemäß 19 Versammlungsgesetz 1953 darstellen; das Unterlassen der Anzeige führt jedoch nicht dazu, dass der Zweck der Versammlung in Widerspruch zu den Strafgesetzen steht. Darüber hinaus war die Anzeigefrist im Zeitpunkt der Bescheiderlassung sowie im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Erkenntnisse noch offen. (b) Eine Untersagung wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Wohls kam ebenfalls nicht in Betracht. Ob eine solche Gefährdung zu befürchten ist, ist jeweils prognostisch zu beurteilen, wobei die Prognose aufgrund konkret festgestellter, objektiv erfassbarer Umstände zu erfolgen hat. Öffentliche Sicherheit meint die Sicherheit des Staats, der Person (Leben, Gesundheit, körperliche Integrität, Freiheit) und des Eigentums. Es gibt jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Versammlung zu einer Beeinträchtigung der Staatssicherheit oder von Individualrechtsgütern hätte führen können. Auch eine Gefährdung des öffentlichen Wohls ist nicht zu befürchten gewesen: Zwar mag die Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums durch die Kundgebungsteilnehmer aus prognostischer Sicht geeignet gewesen sein, die Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs, insbesondere des Straßenbahnverkehrs, zu beeinträchtigen; dies allein begründet aber keine Gefährdung des öffentlichen Wohls. Anhaltspunkte etwa für ein zu erwartendes Verkehrschaos, das eine Untersagung rechtfertigen könnte, lagen nicht vor. Auch sonst lassen sich keine Fall IV: unmittelbare Erkenntnisbeschwerde/4

konkreten, objektiv erfassbaren Umstände nennen, die eine Gefährdung des öffentlichen Wohls begründen könnten. Eine andere Auslegung des 6 Versammlungsgesetz 1953 (etwa dahingehend, dass Verkehrsbehinderungen stets eine Untersagung rechtfertigen) wäre konventions- und damit verfassungswidrig; gemäß Art 11 Abs 2 EMRK ist eine Untersagung einer Versammlung nur gerechtfertigt, soweit dies zum Schutz eines der dort genannten Güter erforderlich ist. Dies bedingt eine hier unterbliebene Abwägung der Interessen des Veranstalters an der Durchführung des Versammlung einerseits gegen die öffentlichen Interessen am Unterbleiben der Versammlung andererseits. Den Interessen des Straßenverkehrs kann daher nicht per se Vorrang eingeräumt werden. c. Gleichheit vor dem Gesetz (Art 2 StGG 1867, Art 7 Abs 1 B-VG) Das angefochtene Erkenntnis verletzt uns außerdem in unserem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Ein erstinstanzliches Erkenntnis verletzt den Gleichheitssatz unter anderem dann, wenn das Gericht beim Erlass des Erkenntnisses Willkür übt. Willkür liegt unter anderem dann vor, wenn dem Gericht beim Erlass des Erkenntnisses gravierende Verfahrensfehler unterlaufen. Ein gravierender Verfahrensfehler liegt unter anderem bei Unterlassen jeglicher behördlicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder bei Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt vor. Vorliegend hat der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz lediglich aufgrund der Facebook-Informationen entschieden, ohne darüber hinausgehende Ermittlungen anzustellen. Dementsprechend kann von einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren nicht die Rede sein. Das Verwaltungsgericht selber ist zwar nur unter den Voraussetzungen von 28 Abs 2 Z 2 VwGVG zu eigenständigen Ermittlungen verpflichtet. Es darf aber keinesfalls seiner Entscheidung einen unzureichend ermittelten Sachverhalt zugrunde legen. Es hätte somit den Bescheid des Bürgermeisters aufheben und zur weiteren Sachverhaltsermittlung zurückverweisen müssen ( 28 Abs 3 S 2 VwGVG). Indem es dies unterlassen hat, hat es seinerseits einen gravierenden Verfahrensfehler begangen, der das angefochtene Erkenntnis objektiv willkürlich und damit gleichheitswidrig macht. Darüber hinaus führt das Fehlen jeglicher Begründung des Erkenntnisses zu einer weiteren Gleichheitswidrigkeit, da es sich auch hierbei um einen gravierenden Verfahrensfehler handelt, der ebenfalls zur objektiven Willkür führt. Linz, 05.03.2014 Die Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft an der Johannes Kepler Universität Linz Fall IV: unmittelbare Erkenntnisbeschwerde/5