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Transkript:

--------------------------------------------------- Italien --------------------------------------------------- Johanna Bosch Referentin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg i.br.

Übersicht Dem italienischen Parlament sind in den Jahren 1984 und 1985 zwei Entwürfe vorgelegt worden, die eine gesetzliche Regelung des auch in Italien zunehmend diskutierten Gebietes der Sterbehilfe vorschlagen. Die Entwürfe haben gezeigt, daß nach Ansicht verschiedener Gruppierungen von Parlamentariern eine Stellungnahme des Gesetzgebers zu den Problemen der Sterbehilfe erwartet wird. Der Entwurf mit dem Titel "Norme sulla tutela della dignità della vita e disciplina della eutanasia passiva" (Vorschriften über den Schutz der Würde des Lebens und Regelung der passiven Euthanasie - Dokument 3.1) zielt darauf ab, den umfassenden Schutz des italienischen Strafrechts gegen jede Form der Abkürzung der Lebensdauer eines anderen Menschen in engen Grenzen zu lockern. Er stellt den Arzt straffrei, der einem im Endstadium befindlichen Kranken eine den sicheren Todeseintritt ausschließlich hinausschiebende Behandlung nicht zukommen läßt oder eine solche abbricht. Der zweite Entwurf mit dem Titel "Norme per la difesa della vita nel suo stadio terminale" (Vorschriften zur Verteidigung des Lebens im Endstadium - Dokument 3.2) faßt den Bereich der Sterbehilfe erheblich weiter, indem er zu grundsätzlichen Fragen des Verhältnisses Arzt-Patient Stellung nimmt. Bisher besteht in der italienischen Strafrechtswissenschaft Einigkeit darüber, daß in allen Fällen, die als "eutanasia" bezeichnet werden, nach geltendem Recht für eine Straffreistellung kein Raum ist. Der Täter verstößt gegen das Fremdtötungsverbot des Strafgesetzes, das auch Mitleid als Motiv der Tötung oder die Einwilligung des Getöteten nur in einem ganz engen Rahmen strafmildernd berücksichtigt, aber in keinem Falle Straffreiheit gewährt (Art. 575-580, 62 Ziff. 1 C.p.; Dokument 1). Wenn der Entwurf Fortuna eine Regelung der - von ihm so genannten - "passiven Euthanasie" vorschlägt, so entspricht diese Bezeichnung nicht einem in Italien anerkannten juristischen Begriff. Der Begriff "eutanasia" hat vielmehr keine festen Konturen. In der Literatur werden Differenzierungen nach unterschiedlichsten Kriterien vorgenommen. Eine einheitliche Abgrenzung von Fallgruppen wird jedoch nirgends erreicht, und auch die Behandlung bzw. Weiterbehandlung von Schwerstkranken wird in verschiedenen Zusammenhängen gesehen. Die einschlägigen Fälle werden in ganz allgemeiner Weise der "uccisione pietosa" im weitesten Sinne zugeordnet, die auch jede aus

394 Italien Mitgefühl begangene Tötungshandlung umfaßt. Im Bereich der ärztlichen Tätigkeit werden bestimmte Verhaltensweisen als erlaubte Maßnahmen von der generell strafbaren "eutanasia" unterschieden. Hierzu gehören anerkanntermaßen die Verabreichung von schmerzlindernden Mitteln, die möglicherweise eine nicht beabsichtigte lebensverkürzende Nebenwirkung haben können, wie weiterhin auch die Unterlassung einer "exzessiven" lebensverlängernden Behandlung. Diese Unterscheidung zwischen verbotener Euthanasie und zulässiger ärztlicher Behandlung lag bereits Art. 40 der standesrechtlichen Regeln der italienischen Ärzteschaft vom Jahr 1978 zugrunde und ist in den Art. 43 und 44 des neuen Standesrechts von 1989 wiederum Richtschnur des ärztlichen Handelns (Dokumente 2.1 und 2.2). 1. Gesetzliche Bestimmungen Für die strafrechtliche Beurteilung der als "eutanasia" bezeichneten Fälle kommen die in Dokument 1 enthaltenen Bestimmungen des italienischen Strafgesetzbuchs (Codice penale italiano) von 1930 in Betracht. Der Grundtatbestand der Tötungsdelikte ist die vorsätzliche Tötung (Art. 575 C.p.), die mit Gefängnis nicht unter 21 Jahren und unter erschwerenden Umständen (Art. 576, 577 C.p.) mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist. Das Motiv des Mitleids kann im Rahmen der Strafzumessung als mildernder Umstand berücksichtigt werden (Art. 62 Ziff. 1 C.p.). Die Tötung mit Einwilligung ist ein selbständiger Tatbestand (Art. 579 C.p.), für den Gefängnis von sechs bis zu 15 Jahren vorgesehen ist. Für die Einwilligung nach Art. 579 C.p. gelten die allgemeinen, zur Auslegung der Einwilligungsvorschrift des Art. 50 C.p. entwickelten Grundsätze. Ein ausdrückliches Verlangen des Opfers der Tötung wird nicht gefordert. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist durch das Gesetz selbst erheblich eingeschränkt. Nach Art. 579 Abs. 3 C.p. werden die allgemeinen Bestimmungen über die vorsätzliche Tötung angewendet, wenn - die Einwilligung wegen Minderjährigkeit des Opfers generell unbeachtlich ist (Ziff. 1); - eine freiverantwortliche Entscheidung nicht anzunehmen ist, weil das Opfer geisteskrank oder infolge einer anderen Krankheit oder durch Mißbrauch von Alkohol oder Rauschgift sich im Zustand geistiger Schwäche befindet (Ziff. 2);

Übersicht 395 - die Einwilligung mit Gewalt, durch Drohung oder Willensbeeinflussung erpreßt oder durch Täuschung erschlichen worden ist (Ziff. 3). Die Tathandlung kann auch durch Unterlassen begangen werden, sofern eine Rechtspflicht zur Verhinderung des Erfolgs besteht (Art. 40 Abs. 2 C.p.). In der Literatur ist anerkannt, daß die Strafbarkeit des Garanten, der seiner Handlungspflicht nicht nachgekommen ist, unter bestimmten Voraussetzungen entfallen kann. Der Unterlassungstäter soll z.b. dann straflos bleiben, wenn der freiverantwortlich handelnde Patient auf die Erfüllung der durch die Garantenstellung begründeten Behandlungspflicht verzichtet. 1 Der Selbstmordversuch ist nach italienischem Recht für den Suizidenten straflos. Die Teilnahme an der Selbsttötung ist dagegen ein selbständiges Deikt und wird als Aufforderung oder Hilfeleistung zum Selbstmord (Art. 580 Abs. 1 C.p.) bestraft. 2 Strafbarkeit und Höhe der Strafe hängen davon ab, ob - der Selbstmord ausgeführt wurde (Gefängnis von fünf bis zu zwölf Jahren) oder ob - der Selbstmordversuch eine schwere oder sehr schwere Körperverletzung zur Folge gehabt hat (Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren). Anderenfalls bleibt auch der Teilnehmer straflos. Ist der Selbstmörder ein Minderjähriger zwischen 14 und 18 Jahren oder ein Geisteskranker oder eine durch eine andere Krankheit oder durch Alkohol bzw. Rauschgift psychisch beeinträchtigte Person, so ist im Hinblick auf die anzunehmende Beeinträchtigung der freien Entscheidung des Selbstmörders eine Erhöhung der Strafe für den Anstifter bzw. den Gehilfen vorgesehen (Art. 580 Abs. 2 Satz 1 i.v.m. Art. 579 Abs. 3 Ziff. 1 und 2, Art. 64 C.p.). Bei Minderjährigen unter 14 Jahren und bei Personen ohne Einsichts- und Willensfähigkeit finden die Bestimmungen über die vorsätzliche Tötung uneingeschränkt Anwendung (Art. 580 Abs. 2 Satz 2 C.p.). 1 Vgl. Art. 32 Abs. 2 der Verfassung von 1948, der festlegt, daß niemand verpflichtet ist, sich ohne gesetzliche Grundlage einer bestimmten ärztlichen Behandlung zu unterziehen. 2 Die italienische Kriminalstatistik weist in den letzten Jahren keine Verurteilungen wegen Tötung mit Einwilligung (Art. 579 C.p.) und auch nicht wegen Teilnahme am Selbstmord (Art. 580 C.p.) aus. Im Jahre 1976 sind zwar Anzeigen wegen Tötung mit Einwilligung vermerkt, jedoch keine Verurteilungen.

396 Italien Die Beihilfe, die dem freiverantwortlich handelnden Suizidenten geleistet wird, kann auch in einem Unterlassen bestehen, sofern dem Täter eine Rechtspflicht zur Verhinderung des Selbstmords obliegt. Eine allgemeine Pflicht zur Verhinderung der Selbsttötung wird jedoch nicht angenommen. Nur der Garant, der untätig bleibt und den freiverantwortlich handelnden Suizidenten sterben läßt, ist nach Art. 580 C.p. zu bestrafen. Aber auch in diesen Fällen wird der Garant durch den entgegenstehenden Willen des Suizidenten von seiner Rettungspflicht befreit. Der Verzicht kann jedoch nur aufgrund einer freien Entscheidung des in jeder Beziehung vom Garanten unabhängigen Suizidenten erklärt werden. Schließlich ist noch auf den Auffangtatbestand der unterlassenen Hilfeleistung hinzuweisen, den das italienische Recht in Art. 593 C.p. regelt. 2. Reformbestrebungen In Anbetracht der hohen Strafen für die vorsätzliche Tötung, die unter erschwerenden Umständen mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft wird, wurde immer wieder eine mildere Bestrafung der Tötung aus Mitleid gefordert. Die Berücksichtigung anerkennenswerter Motive als allgemeiner Strafmilderungsgrund (Art. 62 Ziff. 1 C.p.) wurde als nicht ausreichend angesehen. Erster Ausdruck dieser Tendenz im Rahmen der Gesetzgebung war der Entwurf der Abgeordneten Fortuna u.a. (Dokument 3.1). Nach diesem Entwurf soll der Arzt straffrei bleiben, wenn er unter Einhaltung eines bestimmten Verfahrens einem Patienten, der sich im Endstadium der Erkrankung befindet, keine ausschließlich lebensverlängernde Behandlung zuteil werden läßt bzw. eine solche nicht mehr fortführt, sofern der Patient diese nicht ausdrücklich verlangt. Der Gesetzentwurf definiert die Begriffe des Endstadiums (condizioni terminali) sowie der lebensverlängernden Behandlung (terapia di sostenimento vitale); er bezeichnet weiterhin die Instanzen, denen die Feststellung obliegt, ob ein Endstadium gegeben ist, und die die Benachrichtigung der Angehörigen bzw. der Ersatzpersonen vorzunehmen haben. Dieser Personenkreis erhält ein Widerspruchsrecht, das in einem besonderen Verfahren geltend zu machen ist. Der Entwurf wird im Parlament nicht mehr behandelt werden. Kritische Stimmen in der Presse haben ihm jedoch die Aufgabe zugeschrieben, die Diskussion über die zunehmend auch in Italien erörterten Fragen zu fördern.

Übersicht 397 Der Reformvorschlag wurde nicht als unzeitgemäß angesehen, für eine Änderung der Rechtslage bestand jedoch keine ausreichende Einigkeit in den Grundfragen. Der in kurzem zeitlichen Abstand vorgelegte Entwurf Del Donno (Dokument 3.2) ist nicht auf die Regelung der passiven Sterbehilfe beschränkt. Teilweise wiederholt er Vorschriften aus dem ärztlichen Standesrecht oder gibt diesem eine neue oder genauere Fassung. Er schlägt Regelungen vor für den Bereich der Schmerzbehandlung, für den Behandlungsverzicht, für die Behandlung von Selbstmördern, für die Gültigkeit von Patiententestamenten, bezüglich der lebensverlängernden oder lebensverkürzenden Wirkung von Schmerzbehandlungen und für die Fortführung mechanischer Behandlungsmethoden nach Hirntod. Die aktive Euthanasie an unheilbar Schwerstkranken sowie an Behinderten oder sonst geistig oder körperlich kranken Personen wird uneingeschränkt verboten, aber nur als Tötung mit Einwilligung bestraft (Art. 579 C.p.). Insgesamt erscheint die Regelung vom gesetzestechnischen Gesichtspunkt aus umfassend und sehr ins einzelne gehend. Sie stellt einen bedeutenden Beitrag für die rechtliche Regelung dieser Materie dar, der sich unter besonderer Betonung des Patientenwillens an ethischen Prinzipien orientiert. Auch dieser Entwurf ist nicht Gesetz worden, so daß die Fragen der Regelung des Bereichs "Sterbehilfe" gegenwärtig in Italien wieder ausschließlich von der Wissenschaft behandelt werden.

398 Italien Dokumentation * Seite 1. Gesetzliche Bestimmungen... 398 Codice penale italiano vom 19.10.1930 (Auszug)... 398 2. Ärztliches Standesrecht... 401 2.1 Codice di deontologia medica (1978) - Auszug... 401 2.2 Il nuovo Codice di deontologia medica (1989) - Auszug... 402 3. Reformbestrebungen... 403 3.1 "Norme sulla tutela della dignità della vita e disciplina della eutanasia passiva", Entwurf der Abgeordneten Fortuna u.a. vom 19.12.1984... 403 3.2 "Norme per la difesa della vita nel suo stadio terminale", Entwurf der Abgeordneten Del Donno u.a. vom 15.11.1985... 404 4. Literatur... 407 1. Gesetzliche Bestimmungen Codice penale italiano vom 19.10.1930 (Auszug) 3 Art. 40. Kausalzusammenhang. Niemand kann wegen einer Tat, deren Strafbarkeit vom Gesetz vorgesehen ist, bestraft werden, wenn der schädigende oder gefährliche Erfolg, von dem die Strafbarkeit der Tat abhängt, nicht die Folge seiner Handlung oder Unterlassung ist. Einen Erfolg nicht zu verhindern, obwohl eine Rechtspflicht zur Verhinderung besteht, kommt der Verursachung gleich. Art. 50. Einwilligung des Berechtigten. Straflos bleibt, wer ein Recht mit Einwilligung desjenigen verletzt oder gefährdet, der rechtsgültig darüber verfügen kann. Art. 62. Allgemeine mildernde Umstände. Folgende Umstände, sofern sie nicht Tatbestandsmerkmale oder besondere mildernde Umstände sind, mildern die strafbare Handlung: 1. das Handeln aus Gründen besonderen sittlichen oder sozialen Werts; (...) Art. 64. Erhöhung der Strafe bei nur einem erschwerenden Umstand. Liegt nur ein erschwerender Umstand vor und ist die Straferhöhung nicht gesetzlich bestimmt, * Übersetzungen, soweit nichts anderes vermerkt: Johanna Bosch. 3 Übersetzung: Roland Riz, Das italienische Strafgesetzbuch, Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, Nr. 90, Berlin 1969.

Dokumentation/Gesetzliche Bestimmungen 399 so wird die Strafe, die für die strafbare Handlung verhängt werden müßte, bis um ein Drittel erhöht. Jedoch darf die infolge der Erhöhung zu verhängende Gefängnisstrafe dreißig Jahre nicht überschreiten. Art. 65. Minderung der Strafe bei nur einem mildernden Umstand. Beim Vorliegen eines mildernden Umstandes gelten, wenn die Strafminderung nicht gesetzlich bestimmt ist, folgende Vorschriften: 1. (an die Stelle der Todesstrafe tritt Gefängnisstrafe von vierundzwanzig bis zu dreißig Jahren); 2. an die Stelle des lebenslangen Zuchthauses tritt Gefängnis von zwanzig bis zu vierundzwanzig Jahren; 3. die anderen Strafen werden im Ausmaß von nicht mehr als einem Drittel gemindert. Art. 575. Vorsätzliche Tötung. Wer einen Menschen tötet, wird mit Gefängnis nicht unter einundzwanzig Jahren bestraft. Art. 576. Erschwerende Umstände. Lebenslanges Zuchthaus. Auf lebenslanges Zuchthaus wird erkannt, wenn die im vorhergehenden Artikel umschriebene Tat begangen wird: 1. unter Vorliegen eines der in Artikel 61 Ziffer 2 bezeichneten Umstände; 2. gegen einen Verwandten auf- oder absteigender Linie, sofern einer der in Artikel 61 Ziffer 1 und 4 bezeichneten Umstände vorliegt oder Gift oder ein anderes hinterhältiges Mittel angewendet wird oder aber der Täter mit Vorbedacht gehandelt hat; 3. durch einen Flüchtigen, um sich der Festnahme, einem Haftbefehl oder dem Strafantritt zu entziehen oder sich die Mittel für den Lebensunterhalt während der Flucht zu verschaffen; 4. durch ein Mitglied einer Vereinigung zur Begehung von Verbrechen, um sich der Festnahme, einem Haftbefehl oder dem Strafantritt zu entziehen; 5. im Augenblick der Begehung eines der in den Artikeln 519, 520 und 521 umschriebenen Verbrechen. Im Sinne des Strafgesetzes gilt derjenige als flüchtig, auf den die in Artikel 61 Ziffer 6 bezeichneten Voraussetzungen zutreffen. Art. 577. Weitere erschwerende Umstände. Lebenslanges Zuchthaus. Auf lebenslanges Zuchthaus wird erkannt, wenn die in Artikel 575 umschriebene Tat begangen wird: 1. gegen einen Verwandten auf- oder absteigender Linie; 2. unter Anwendung von Gift oder eines anderen hinterhältigen Mittels; 3. mit Vorbedacht; 4. bei Vorliegen eines der in Artikel 61 Ziffer 1 und 4 bezeichneten Umstände. Die Strafe ist Gefängnis von vierundzwanzig bis zu dreißig Jahren, wenn die Tat gegen den Ehegatten, Bruder oder Schwester, den Adoptivvater oder die Adoptivmutter, ein Adoptivkind oder gegen einen Verschwägerten in gerader Linie begangen wird.

400 Italien Art. 579. Tötung mit Einwilligung. Wer einen Menschen mit dessen Einwilligung tötet, wird mit Gefängnis von sechs bis zu fünfzehn Jahren bestraft. Die in Artikel 61 bezeichneten erschwerenden Umstände werden nicht berücksichtigt. Die Bestimmungen über die vorsätzliche Tötung werden angewendet, wenn die Tat begangen wird: 1. gegen einen Minderjährigen unter achtzehn Jahren; 2. gegen einen Geisteskranken oder gegen eine Person, die sich infolge einer anderen Krankheit oder durch Mißbrauch von Alkohol oder Rauschgift im Zustand geistiger Schwäche befindet; 3. gegen eine Person, deren Einwilligung vom Täter mit Gewalt, durch Drohung oder Willensbeeinflussung erpreßt oder durch Täuschung erschlichen worden ist. Art. 580. Aufforderung oder Hilfeleistung zum Selbstmord. Wer andere zum Selbstmord bestimmt, sie im Entschluß zum Selbstmord bestärkt oder dessen Ausführung auf irgendeine Weise Vorschub leistet, wird, wenn es zum Selbstmord kommt, mit Gefängnis von fünf bis zu zwölf Jahren bestraft. Kommt es nicht zum Selbstmord, so wird der Täter mit Gefängnis von einem bis zu fünf Jahren bestraft, vorausgesetzt, daß der Selbstmordversuch eine schwere oder sehr schwere Körperverletzung zur Folge hat. Die Strafen werden erhöht, wenn bei der Person, die aufgefordert oder aufgereizt oder der Hilfe geleistet wurde, eine der in Ziffer 1 und 2 des vorhergehenden Artikels bezeichneten Bedingungen vorliegt. Ist indessen diese Person ein Minderjähriger unter vierzehn Jahren oder sonst ohne Einsichts- oder Willensfähigkeit, so werden die Bestimmungen über die Tötung angewendet. Art. 593. Unterlassen der Hilfeleistung. Wer ein Kind unter zehn Jahren oder eine andere Person, die infolge geistiger oder körperlicher Krankheit, Alters oder aus einem anderen Grund unfähig ist, für sich selbst zu sorgen, verlassen oder verirrt auffindet und es unterläßt, der Behörde unverzüglich davon Mitteilung zu machen, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu hundertzwanzigtausend Lire 4 bestraft. Derselben Strafe unterliegt, wer einen menschlichen Körper, der leblos ist oder leblos scheint, oder eine verwundete oder sonst in Gefahr befindliche Person auffindet und es unterläßt, ihr den notwendigen Beistand zu leisten oder der Behörde unverzüglich davon Mitteilung zu machen. Hat dieses Verhalten des Täters eine Körperverletzung zur Folge, so wird die Strafe erhöht; hat es den Tod zur Folge, wird die Strafe verdoppelt. 4 Um das Vierzigfache erhöht durch Gesetz Nr. 603 vom 12.7.1961.

Dokumentation/Ärztliches Standesrecht 401 2. Ärztliches Standesrecht 5 2.1 Codice di deontologia medica (Standesgesetz der italienischen Ärzteschaft) von 1978 - Auszug Art. 29. Der Arzt darf den für unheilbar erachteten Kranken nicht im Stich lassen, sondern er muß fortfahren, ihm Beistand zu leisten, auch nur zu dem Zweck, die physischen und psychischen Leiden zu erleichtern, ihm zu helfen und ihn aufzurichten. Art. 30. (...) (2) In jedem Fall muß der frei geäußerte Wille des Patienten für den Arzt ein Umstand sein, an dem er sein Verhalten orientiert. 3. Kapitel - Einwilligung des Patienten Art. 39. Der Arzt darf keine ärztliche Maßnahme ergreifen, die für den Patienten ein Risiko darstellt, ohne daß eine gültige Einwilligung des Kranken oder der Personen vorliegt, die seine Vertretung innehaben, falls er minderjährig oder geschäftsunfähig ist, es sei denn, daß ein Notstand vorliegt und der Patient gar nicht eine gültige Einwilligung abgeben kann. Wird die Einwilligung verweigert, der Eingriff aber für unerläßlich erachtet, kann der Arzt eine Beratung anregen; im Falle der Verweigerung muß er die Ausstellung einer freien Erklärung von seiten des Betroffenen oder seiner Familienangehörigen verlangen. Art. 40. Der Arzt darf in keinem Fall, auch nicht auf Verlangen des Patienten oder seiner Familie, Mittel anwenden, die das Leben eines Kranken abkürzen können. In Fällen von Erkrankungen, die ungeachtet der Heilmaßnahmen in absehbarer Zeit zum Tode führen, kann der Arzt seine Hilfe auf den psychischen Beistand und auf die Anordnung oder Durchführung einer Behandlung zur Vermeidung unnötiger Leiden des Kranken beschränken. Die Entscheidung über die Beendigung von Maßnahmen, die das Leben eines im ständigen Koma befindlichen Kranken künstlich erhalten, trifft der Arzt nach Anhörung der Familie aufgrund des aktuellen ärztlichen Wissensstandes. 5 Bei Dokument 2.1 handelt es sich um die vom obersten Organ der ärztlichen Standesorganisation, dem Consiglio Nazionale dell'ordine dei Medici, am 7.1.1978 angenommene Fassung des ärztlichen Standesrechts. An ihre Stelle ist am 15.7.1989 eine Neuregelung (Dokument 2.2) getreten, deren Bestimmungen über die Behandlung Sterbender (Art. 43 und 44) deutlich das Bemühen um eine eingehende Regelung erkennen lassen. Abgedruckt in: Indice penale 1978, S. 591 bzw. 1990, S. 450 ff.

402 Italien 2.2 Codice di deontologia medica von 1989 - Auszug Art. 32. Gleichlautend wie Art. 29/1978. Art. 39. (...) (4) Gleichlautend wie Art. 30 (2)/1978. Art. 40. Der Arzt darf keine diagnostische oder therapeutische Tätigkeit aufnehmen, ohne daß eine gültige Einwilligung des Patienten vorliegt, die, sofern sie dem Wesen nach Teil des Vertrauensverhältnisses ist, dann bewußt und ausdrücklich erfolgen muß, wenn die ärztliche Maßnahme ein Risiko darstellt oder eine dauernde Beeinträchtigung der Gesundheit mit sich bringt. In jedem Fall muß der Arzt bei Vorliegen einer ausdrücklichen Verweigerung eines einsichts- und willensfähigen Patienten von der diagnostischen oder therapeutischen Maßnahme Abstand nehmen, weil eine Behandlung gegen den Willen des Patienten unzulässig ist. 5. Kapitel - Die Behandlung Sterbender Art. 43. Der Arzt darf in keinem Fall, auch nicht auf Verlangen des Patienten, Behandlungen veranlassen, um die psychische oder physische Gesundheit des Patienten zu beeinträchtigen, und erst recht nicht solche Maßnahmen, die das Leben des Kranken abkürzen können. Jede Maßnahme, die bewußt den Tod des Patienten herbeiführt, verstößt gegen die ärztliche Ethik. Art. 44. In Fällen von mit Sicherheit tödlicher Erkrankung kann der Arzt in der Endphase unter Berücksichtigung des Willens des Patienten seine Hilfe auf den psychischen Beistand und auf eine Behandlung zur Vermeidung unnötiger Schmerzen beschränken, indem er ihn so behandelt, daß möglichst die Qualität des erlöschenden Leben erhalten bleibt. Im Fall des Verlustes des Bewußtseins hat der Arzt nach seinem Gewissen und dem Stand der Wissenschaft zu handeln, indem er die therapeutischen Maßnahmen so lange fortsetzt, wie es vernünftigerweise nützlich ist. Liegt der Patient im Koma, ist das Leben zu erhalten, solange nicht der Tod nach den vom Gesetz festgelegten Umständen und Fristen festgestellt wird. Die Möglichkeit der Erhaltung des Lebens auch über den klinischen Tod hinaus ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zulässig, jedoch nur zu dem Zweck und nur für die äußerste Zeitspanne, um Organe in Tätigkeit zu erhalten, die zur Verpflanzung bestimmt sind.

Dokumentation/Reformbestrebungen 403 3. Reformbestrebungen 3.1 "Norme sulla tutela della dignità della vita e disciplina della eutanasia passiva" (Vorschriften über den Schutz der Würde des Lebens und Regelung der passiven Euthanasie), Gesetzentwurf (Nr. 2405) der Abgeordneten Fortuna u.a. vom 19.12.1984 6 Art. 1. Befreiung von der Leistung lebenserhaltender Behandlungen gegenüber einer im Endstadium befindlichen Person. Die Ärzte sind davon befreit, eine Person, die sich im Endstadium befindet, lebenserhaltenden Behandlungen zu unterziehen, es sei denn, der Betreffende hat persönlich und mit vollem Bewußtsein eingewilligt. Art. 2. Begriff des Endstadiums. Unter Endstadium versteht man den nicht mehr behandlungsfähigen Krankheitszustand, der durch eine Verletzung oder eine Krankheit verursacht wurde und der nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft unvermeidlich zum Tode führt, dessen Eintritt nur verzögert würde, falls lebenserhaltende Behandlungen angewendet würden. Art. 3. Begriff der lebenserhaltenden Behandlung. Unter lebenserhaltender Behandlung versteht man in erster Linie jedes Mittel oder jede ärztliche Maßnahme, bei der lediglich wiederbelebende Techniken zur Anwendung kommen, oder auch mechanische oder künstliche Apparaturen, um die natürliche Lebensfunktion zu unterstützen, zu reaktivieren oder zu ersetzen. Art. 4. Feststellung des Endstadiums. Die Feststellung des Endstadiums wird durch einen von der für den Kranken örtlich zuständigen Gesundheitsstelle unmittelbar oder auf Antrag des behandelnden Arztes benannten, auf dem Gebiet der Wiederbelebungstechnik kompetenten Arzt in Übereinstimmung mit dem ersten Anästhesisten dieser Stelle getroffen. Die Feststellung des Endstadiums befreit den behandelnden Arzt nicht von der Pflicht, dem Kranken beizustehen. Art. 5. Abbruch der Behandlung. Der Arzt, der die Feststellung getroffen hat, teilt, auch mündlich, die Ergebnisse den in Art. 6 Abs. 1 bezeichneten Personen mit, sofern diese leicht zu ermitteln sind. Wird ein Widerspruch nicht erhoben, ordnet er schriftlich den Abbruch der Behandlung ein. Der Abbruch der Behandlung befreit nicht von der Leistung derjenigen Heilbehandlungen, die, ohne unmittelbar auf das natürliche Ende der Krankheit Einfluß zu nehmen, als Erleichterung der Leiden zu verstehen sind. Der Abbruch der Behandlung ist der Unterlassung des Beginns einer Behandlung gleichgestellt. 6 Atti Parlamentari: Camera dei Deputati. IX Legislatura, Disegni di Legge e Relazioni. Documenti.

404 Italien Art. 6. Personen, die zum Widerspruch berechtigt sind. Zum Widerspruch berechtigt sind die mit dem Betroffenen in Wohngemeinschaft lebenden Personen über 16 Jahren oder - falls solche nicht vorhanden sind - ein Religionsdiener derjenigen Religion, der der Kranke, wenn auch nur vermutlich, angehört. Berechtigt sind ferner die Verwandten in direkter aufsteigender und absteigender Linie und in der Seitenlinie bis zum zweiten Grad, soweit sie nicht unter 16 Jahre alt sind. Art. 7. Widerspruchsverfahren. Der Widerspruch, der, wenn auch nur mündlich, bei dem Arzt der in Art. 4 Abs. 1 genannten örtlichen Gesundheitsstelle eingelegt worden ist, wird formlos und spätestens zwölf Stunden nach der Mitteilung bei dem Präsidenten des Tribunals des Gerichtsbezirks des Wohnorts des Kranken vorgelegt. Liegen mehrere Mitteilungen vor, beginnt die Frist mit der ersten Mitteilung. Der Präsident des Tribunals bestätigt nach Anhörung der Beschwerdeführer und eines aus den in Art. 5 Abs. 1 des Gesetzes vom 2.12.1975 Nr. 644 bezeichneten Personen zusammengesetzten ärztlichen Kollegiums gegebenenfalls die Feststellung und ermächtigt den Arzt, der sie getroffen hat, zum Abbruch der Behandlung. Der Arzt der örtlichen Gesundheitsstelle stellt nach Ablauf von zwölf Stunden seit der Mitteilung nach Abs. 1 fest, ob ein Widerspruch erhoben worden ist. Ist dies nicht der Fall, ordnet er den Abbruch der Behandlung an. Art. 8. Gesundheitliche Koordination. Überwachung. Der nach Art. 8 des Dekrets vom 20. Dezember 1979 Nr. 761 für die gesundheitliche Koordinierung Beauftragte wacht über die Anwendung des vorliegenden Gesetzes und meldet eventuelle Verletzungen den zuständigen Organen. 3.2 "Norme per la difesa della vita nel suo stadio terminale" (Vorschriften zur Verteidigung des Lebens im Endstadium), Gesetzentwurf (Nr. 3286) der Abgeordneten Del Donno u.a. vom 15.11.1985 7 Art. 1. Die ärztliche Behandlung hat stets die Würde des Patienten zu berücksichtigen. Art. 2. Die aktive Euthanasie zur Beseitigung von unheilbar Kranken, Schwerbehinderten, geistig oder körperlich erblich Belasteten durch vorsätzliche Tötung aus Mitleid ist untersagt und wird mit dem Verbot der Berufsausübung für die Dauer von zwei Jahren bestraft. Wer einen Menschen, auch wenn dieser sich im Endstadium des Lebens befindet, tötet, wird nach der geltenden Gesetzgebung bestraft. Es findet Art. 579 des Strafgesetzbuchs Anwendung. Als Endstadium des Lebens wir der krankhafte Zustand infolge einer Verletzung, einer Ansteckung oder einer Krankheit verstanden, der nach vernünftiger ärztlicher Beurteilung unheilbar ist. 7 Indice penale 1986, S. 137.

Dokumentation/Reformbestrebungen 405 Art. 3. Für Behandlungen und chirurgische Eingriffe von besonderem Gewicht bedarf der Arzt der Einwilligung des Kranken oder seiner dazu berechtigten Vertreter, es sei denn, daß der Entschluß des Patienten zu sterben nicht beachtet werden darf, wie dies bei der Behandlung der Folgen eines versuchten Selbstmords der Fall ist. Art. 4. Die Vollmacht zu einem Eingriff der aktiven Euthanasie ist gegenüber jedermann ohne Wirkung. Es ist untersagt, leidenden und unheilbar Kranken den Tod durch Verabreichung von Narkotika zu erleichtern. Der Patient kann aus eigenem Willen und im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten Anweisungen geben, daß lebenserhaltende Behandlungen nicht angewendet werden oder ihre Anwendung abgebrochen wird. Unter lebenserhaltenden Behandlungen wird jedes Mittel und jede ärztliche Maßnahme verstanden, die mechanische Apparate oder medikamentöse Substanzen verwendet, um die natürlichen Lebensfunktionen zu erhalten oder zu reaktivieren, indem der Todeseintritt in künstlicher Weise hinausgeschoben wird. Art. 5. Die Vorschriften dieses Gesetzes kommen nicht zur Anwendung, wenn der Patient oder seine Vertreter die Anwendung außergewöhnlicher ärztlicher Mittel zurückweisen, die zwar im Gebrauch, aber nicht frei von Risiken sind oder die sich finanziell als zu belastend erweisen. Art. 6. Der Arzt darf keine Form von Euthanasie gegen das Leben oder die psychische Gesundheit des Menschen anwenden. Art. 7. Der Patient muß vor risikobehafteten Eingriffen, Amputationen oder Entfernungen ausreichend unterrichtet werden. Ist die Zustimmung ohne ausreichende Kenntnis der Art der Behandlung, der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs und der möglichen Folgen aufgrund ungenügender Information von seiten des Arztes erteilt worden, so kann dieser auf Antrag des Patienten oder seiner Angehörigen vor das Standesgericht gezogen und zivilrechtlich für die Schäden verantwortlich gemacht werden, vorbehaltlich einer eventuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Art. 8. Die ausdrückliche Einwilligung in bestimmte therapeutische Behandlungen ist in Begriffen und Gesten zu erklären, die unzweifelhaft die Zustimmung erkennen lassen und, soweit möglich, schriftlich abzufassen oder außer dem Arzt von mindestens zwei Zeugen entgegenzunehmen. Die Einwilligung wird als mutmaßliche verstanden, wenn der Patient sich freiwillig bestimmten therapeutischen Behandlungen unterzieht, die notwendigerweise andere therapeutische Maßnahmen zur Folge haben, auch wenn diese nicht ausdrücklich genehmigt worden sind. Eine stillschweigende Einwilligung liegt vor, wenn der Patient entweder nicht widerspricht, sofern er dieses kann, oder, wenn er nicht imstande ist, dies auszudrücken, vernünftigerweise unterstellt werden kann, daß er die Einwilligung gäbe.

406 Italien In allen Fällen gilt der Grundsatz, daß der Kranke, der einer Behandlung zustimmt, in die notwendigen Behandlungsmaßnahmen einwilligt. Der Arzt muß aus Respekt vor dem Willen des Patienten immer versuchen, die ausdrückliche Einwilligung des Patienten oder seiner rechtmäßigen Vertreter in die therapeutischen Maßnahmen zu erhalten. Art. 9. In Fällen, in denen andere Mittel fehlen, kann mit Einwilligung des Kranken zu den fortschrittlichsten Mitteln gegriffen werden, auch wenn sie sich noch in der Erprobungsphase befinden und nicht frei von Risiken sind. Es ist geboten, die Anwendung dieser Mittel zu unterbrechen, wenn die Ergebnisse enttäuschend sind und ohne Wirkung bleiben. Der Kranke oder seine Angehörigen haben immer das Recht, die Unterbrechung der in Absatz 1 genannten therapeutischen Maßnahme zu verlangen, wenn das Ergebnis in keinem Verhältnis zu den voraussehbaren Erfolgen steht, wenn die verwendeten Techniken dem Patienten Leiden zufügen und größere Nachteile als die angewendeten Heilmaßnahmen bringen und wenn sie bemerkenswerte Kosten verursachen. Art. 10. Der Verzicht des Patienten auf lebenserhaltende Behandlungen im Endstadium muß von ihm selbst, sofern er die Möglichkeit dazu hat, in Gegenwart von zwei Zeugen, die weder mit ihm in einer verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehung stehen noch Empfänger seines Vermögens oder von Teilen davon oder von anderen Vorteilen sind, selbst unterschrieben werden. Diese Bestimmung kann widerrufen werden, und zwar jederzeit und in jeder Weise, die die Absicht des Widerrufs erkennen läßt. Der behandelnde Arzt vermerkt Tag und Stunde des Widerrufs im Krankenblatt. Unter Unterbrechung von Intensivmaßnahmen wird auch die Unterlassung ihres Beginns verstanden in den Fällen, in denen offensichtlich erscheint, daß die Wiedererlangung des Bewußtseins ausgeschlossen und der Tod innerhalb kurzer Zeit unvermeidbar ist. Art. 11. Die therapeutischen Behandlungen, die als unmittelbare Wirkung die Linderung der körperlichen Schmerzen und damit verbunden den Tod des Patienten herbeiführen, sind untersagt. Der Gebrauch von technischen oder medikamentösen Behandlungen wie Drogen, deren vornehmliche und unmittelbare Wirkung aufgrund ihrer Art und der Dosierung eine Verkürzung der Lebenszeit des Kranken mit sich bringt, ist untersagt. Um akute Schmerzen zu lindern, ist es erlaubt, Dosen zu verabreichen, die geeignet sind, den Schmerz zu mildern, auch wenn die Arznei die körperliche Widerstandskraft des Kranken herabsetzt.

Dokumentation/Literatur 407 Art. 12. Das medizinisch-technische Personal ist verpflichtet, im Rahmen einer standesrechtlichen objektiven Prüfung, die sich an die in diesem Gesetz festgelegten Grundsätze hält, im Falle von therapeutischen Maßnahmen gegenüber im Endstadium befindlichen Patienten in Übereinstimmung mit dem ärztlichen Leiter nach den Geboten der Wissenschaft und des Gewissens zu handeln. In den Krankenhäusern und in den Heilanstalten wird eine ständige Ethikkommission für Entscheidungen in den entsprechenden Fällen gebildet, die verpflichtet ist, den Kranken und seine Familie aufzuklären. Art. 13. Es ist untersagt, den Todeskampf durch Techniken zu beeinflussen, die das biologische Leben bei einem Zustand vollständiger Bewußtlosigkeit oder schwerer Beeinträchtigung manipulieren. Gibt es berechtigte Hoffnung oder mindestens Vermutungen, daß der Kranke die Gesundheit, wenn auch nur für kurze Dauer, wiedererlangen kann, darf jede mögliche ärztliche Behandlung angewendet werden. In jedem Fall ist es untersagt, die Verabreichung der Ernährung oder gewöhnliche Heilmaßnahmen, die den Kranken unterstützen, zu unterbrechen. Art. 14. Nach dem Hirntod, der als irreversibler Vorgang des Todes angesehen wird, hat der Arzt die Verpflichtung, alle künstlichen Methoden, die das biologische Leben verlängern können, zu beenden. Um einzelne Organe zum Zweck der Spende für Dritte zu erhalten, ist es zulässig, die geeigneten ärztlichen Techniken vorzunehmen. In jedem Stadium der Krankheit sind therapeutische Behandlungsmaßnahmen untersagt, die die Merkmale des menschlichen Lebens angreifen und die die Persönlichkeit verändern. 4. Literatur Antolisei, Francesco, Manuale di diritto penale. Parte speciale - I. 8. Aufl. Torino 1982. Eusebi, Luciano, Omissione dell'intervento terapeutico ed eutanasia. Archivio penale 1985, S. 508 ff. Eutanasia. Atti del XII Congresso Nazionale dei Teologi moralisti italiani, Firenze, 1-4 aprile 1986. Bologna 1987. Giusti, Giusto, L'eutanasia. Diritto di vivere, diritto di morire. Padova 1982. Grasso, Giovanni, Il reato omissivo improprio. Milano 1983. - Riflessioni in tema di eutanasia. Quaderni della Giustizia 1986, S. 69.Û Jadecola, Gianfranco, Eutanasia e sue problematiche giuridiche. La Giustizia penale 1985/I, S. 186 ff.

408 Italien Manna, Adelmo, Profili penalistici del trattamento medico-chirurgico. Milano 1984. Mantovani, Ferrando, Aspetti giuridici dell'eutanasia. Rivista italiana di diritto e procedura penale 1988, S. 448 ff. Manzini, Vincenzo, Trattato di diritto penale italiano, Bd. VIII. 4. Aufl. Torino 1964. Norelli, Gian Aristide/Dell'Osso, Guiseppe, Codice deontologico e deontologia medica. Milano 1980. Pannain, Bruno/Correra, Michele u.a., L'omicidio del consenziente. Napoli 1982. Pannain. Bruno/Sclafani, Francesco u.a., L'omicidio del consenziente e la questione "eutanasia". Napoli 1988. Patalano, Vincenzo, I delitti contro la vita. Napoli 1984. - Omicidio. In: Enciclopedia del diritto, Bd. XXIX. 1979, S. 916 ff. Porzio, Mario, Eutanasia. In: Enciclopedia del diritto, Bd. XVI. 1967, S. 103 ff. Riz, Roland, Il consenso dell'avente diritto. Padova 1979. Stella, Federico, Il problema giuridico dell'eutanasia. In: Il valore della vita. Atti del 54 corso di aggiornamento culturale dell'università Cattolica. Milano 1985, S. 170. Suicidio e tentato suicidio in Italia. Rapporto della Commissione del Centro Nazionale di Prevenzione e Difesa Sociale. Milano 1967.