Lignin-Anwendungen in der Elektronikindustrie,, Fraunhofer IZM
Nachwachsende Rohstoffe für Technologieanwendungen? Nachwachsende Rohstoffe können insbesondere Kunststoffe in der Elektronik ersetzen in den Bereichen: Verpackungsmaterialien Gehäusematerialien Baugruppen / Substratmaterialien Zusätzliche Möglichkeiten in Produktion und Logistik Projekt e-lignin untersucht Anwendung in Bohrunterlagen (Produktionshilfsmittel) Siebdruckrahmen (Produktionshilfsmittel) Substratmaterialien (Leiterplatten)
Projekt e-lignin Verbundvorhaben: Lignin als nachwachsender Rohstoff für Anwendungen in der Elektronik Laufzeit: Januar 2012 bis Dezember 2014 Projektträger: Projektpartner: FNR für das BMEL
Marktsituation Produktionskapazitäten 2010-2012 und fünf-jahres-prognose 2017 Bis 2017: starker Anstieg für nicht biologisch abbaubare Biokunststoffe prognostiziert wichtig für den Einsatz in Elektronikprodukten Ziel: technisch anspruchsvolle Substitutionen erreichen
Besonderheiten im Projekt e-lignin Industrienahe Tests aller Aufbauten Durchgängige Kette von Materialmodifikation bis Endprodukt bzw. Halbzeug Parallele Verfolgung der alternativen Kernprozesse Pressen / Vakuumpressen / Laminieren Extrudieren Dazu jeweils angepasste Materialmischungen und Vorverarbeitungen
Materialentwicklung bei Tecnaro: Anforderungen Optimierung der Materialien im Hinblick auf die Weiterverarbeitbarkeit der entwickelten Materialien im Pressverfahren und Extrusionsprozess Pressen und Extrusion von Bohr-, Fräs- und Leiterplatten Extrusion von Siebdruckrahmenprofilen Kompatibilität der Materialien für eine gute Bohr- und Fräsqualität der darauf bearbeiteten Werkstücke Optimierung auf eine hohe Wärmeformbeständigkeit der daraus herzustellenden Leiterplatten Flammfestigkeit (Leiterplatten) Hohe Steifigkeit (Siebdruckrahmenprofile) Chemikalien- und Lösungsmittelbeständigkeit (Siebdruckrahmenprofile und Leiterplatten)
Materialentwicklung bei Tecnaro: Rezepturen Rezepturen für die Herstellung von Bohr- und Fräsplatten im Pressverfahren: Lignine Naturfasern Additive ( Bioanteil = 70 100 %) Rezepturen für die Herstellung von Leiterplatten im Pressverfahren: Lignine Naturfasern Additive Flammschutzmittel (halogenfrei) ( Bioanteil = 55 70 %) Rezepturen für die Herstellung von Leiterplatten im Extrusionsverfahren: Lignine Biopolymere Additive ( Glasfasern) ( Bioanteil = 60 70 %) Rezepturen für die Herstellung von Siebdruckrahmenprofilen im Extrusionsverfahren: a.) Lignine PP Naturfasern Additive ( Bioanteil = 69 %) b.) Lignine Biopolymere Additive Glasfasern ( Bioanteil = 55 60 %)
Materialentwicklung am IAP: Ligninmodifizierung Arten der Ligninmodifizierung (ausgehend von einem Lignin L) physikalisch (z.b. Extraktion) niedermolekulare Fraktion gut löslich (L(Ex)) hochmolekulare Fraktion nicht löslich (L(Re)) chemisch Veresterung z.b. Acetatbildung (Ac) Veretherung Urethanbildung Ausgehend von einem Lignin (L): Extraktion und Acetatbildung insgesamt 6 verschiedene Lignine und Ligninderivate möglich: L L(Ex) L(Re) L_Ac L(Ex)_Ac L(Re)_Ac
Ligninmodifizierung mittels Extraktion L(Ex): gute Löslichkeit in biobasierten Epoxidharzen Duromere möglich Lignin enthaltende Harze für Leiterplatten L (Standard): für Leiterplatten für Siebdruckrahmen für Bohrunterleger L(Re): sehr hoher T g (183 C) bessere Wärmeformbeständigkeit für Leiterplatten
Extrusion von Profilen für die Siebdruckrahmenfertigung Untersuchte Rezepturen Nr. Bezeichnung Zusammensetzung Bio- Anteil Hersteller 1 H58 70% Holzfaser-30% PPHaftvermittler 70% Hiendl 2 elignin12 3 elignin16 69% LigninHolzfaser-31% PPHaftvermittler 69% LigninHolzfaser-31% PPHaftvermittler 69% Tecnaro 69% Tecnaro 4 H5810%eLignin12 70% Tecnaro/Hiendl 5 H168 70% Holzfaser-30% PPHaftvermittler 70% Hiendl 6 elignin20 Biopolymer-Lignin-Glasfaser (nicht extrudierbar) 55% Tecnaro 7 elignin20:elignin23 (1:1) Biopolymer-Lignin-Glasfaser : Biopolymer-Additive (1:1) 67% Tecnaro 8 elignin20:elignin23 (2:1) Biopolymer-Lignin-Glasfaser : Biopolymer-Additive (2:1) 63% Tecnaro 9 elignin24 Biopolymer-Lignin-Glasfaser-Additive 60% Tecnaro
Extrusion von Profilen für die Siebdruckrahmenfertigung Ergebnisse der Dreipunktbiegeversuche am Quadratrohr 30x30 elignin24 elignin20/23 2:1 H58 10% elignin12 H168 H58 elignin20/23 1:1 Prozess-Stabilität und Extrudierbarkeit von elignin 24 müssen noch optimiert werden, um die Profile im geforderten Toleranzfenster zu extrudieren elignin16 elignin12 Endgültige Ergebnisse nach Auswertung der Bespannungsversuche bei der Firma Koenen Auflagerabstand: 500 mm / Prüfgeschwindigkeit 10 mm/min Biege-E-Modul Prozeßstabilität Biege-Festigkeit H168 elignin 24 H168 elignin 20/23 (2:1) H168 H58 H58 elignin 20/23 (2:1) elignin 24 elignin 24 H58 elignin 20/23 (1:1) Rezepturen elignin 24 und H168 zeigen unter Berücksichtigung von Biege-E-Modul, Biegefestigkeit und Prozess-Stabilität die beste Kombination von Eigenschaften entscheidende Kriterien: resultierende Siebspannung und zeitliche Abnahme der Siebspannung
Fertigung von Siebdruckrahmen Ergebnisse Untersuchung Spannungsverlust bei unterschiedlichem Gewebekleber Unterschiedliche Gewebekleber wurden auf ihre Langzeitstabilität während der Siebprozessierung untersucht: ZYG 1006 Kbond 1006 Kbond Powergrip R-TOP Herstellprozess für die Siebe sieht wie folgt aus: Prozessschritte Gewebereinigen (Entfetten) Gewebekontrolle Beschichten Fertiggestelltes Sieb aus HX168 Kopieren der Siebdruckmaske Entwickeln Kontrolle
Fertigung von Siebdruckrahmen Ergebnisse Untersuchung Spannungsverlust bei unterschiedlichem Gewebekleber Spannungsverlust an unterschiedlichen Prozesszeitpunkten Erreichte Siebspannungen mit unterschiedlichem Gewebekleber
Bohrunterlage: Optimierte Pressversuche Beste Ergebnisse beim Pressen von e-lignin 19 (20 % Lignin, 80 % Holzfasern) zeigten sich bei Einstellungen von: 135 bar 160 C 10 min Standzeit (Pressvorgang) schneller Entformung aus dem Werkzeug nach Versuchsende sehr präziser Materialverteilung e-lignin 19
Bohrunterlage: Bohrtests Bohrunterlagen aus e-lignin 19 (20 % Lignin / 80 % Holzfasern) erreichen ähnlichen Eigenschaften wie kommerzielle Bohrunterlagen mittlerer Qualität (z.b. Rauheit, Oberflächenhärte). Gegenwärtig noch nicht zufriedenstellende Kenngrößen (Dickentoleranz, Verwindung / Wölbung); durch kommerzielle Herstellungsprozesse evtl. verbesserungsfähig. Polymerrückstände an den Bohrwerkzeugen am kritischsten: zu hohes Risiko durch verschleppte Polymerreste für Leiterplattenhersteller, insbesondere bei Fertigung hochwertiger Mehrlagenschaltungen kommerzielle Bohrunterlage Bohrunterlage e-lignin 19 Bohr-Ø-Bereich: 0,3-1,0mm
Ligninbasierte Leiterplattensubstrate: Herstellungsverfahren Var. 1: Thermische Polykondensation von Lignin-Trockenmischungen Formgebung mit 3 Lagen Glasfasergewebe Vakuumpressen mit 30 MPa bei 200 C beidseitig Auflaminieren von Kupferfolie mit Treatment Var. 2: Folienextrusion bei 245 C, Substratdicke 0,7 mm Var. 3: Polymerisieren von chemisch modifizierten Ligninharzen
Ligninbasierte Leiterplattensubstrate: Materialcharakterisierung Var. 1 Var. 2 Var. 3 Ligninanteil ± - Anteil nachw. Rohstoffe ± thermische Beständigkeit (1) ± - chemische Beständigkeit (2) ± Feuchteaufnahme (3) - Cu-Folienhaftung (4) ± Dimensionsstabilität (5) - - Kostenabschätzung (6) ± - Fazit: Gute Substrateigenschaften für Leiterplattenapplikationen werden nach jetzigem Stand nur bei geringem Ligningehalt (< 10%, in Var. 3) erzielt. Ausreichende Qualitäten scheinen aber auch bei erhöhtem Lignin-/ Bioanteil (> 50%, in Var. 1) machbar zu sein. Kriterien: (1) Bezogen auf: Flammwiderstand nach EN 60 249-1 und Reflowbeständigkeit 238 C / 0,8 Ks -1 / 80 s über 217 C (2) Ermittelt als HV- und Eindringmoduländerung nach Säure-/ Laugenbehandlung (je 1h 50 C) (3) Nach DIN EN 53495 (4) Ermittelt im Peeltest nach IPC-TM-650 (5) Schrumpf, Dickenänderung, Verwindung, Verwölbung im Vgl. zur Anwenderspezifikation (LOEWE) (6) Abschätzung bezogen auf Standard FR4
Ligninbasierte Leiterplatten: Herstellung Bohren Leiterbild-Strukturierung (alkalischer Ätzprozess) Entgraten Trocknen Direktmetallisierung Auftrag Lötstoppmaske Trocknen Aufbringen Endoberfläche Fotodruck Konturbearbeitung Durchkontaktierung und Leiterbild-Aufbau Lignin-Leiterplatten lassen sich mit Standardprozessen strukturieren, vor thermischer Bearbeitung > 100 C sollten die Substrate jedoch vorgetrocknet werden!
Ligninbasierte Leiterplattensubstrate: Testmuster Testplatinen mit LSM, chemisch verzinnt, nach Reflow 240 C Ligninleiterplatten (Var. 3) Referenzplatinen (FR4) Ligninleiterplatten (Var. 1) links: mit Vortrocknung rechts: ohne Vortrocknung markierte Bereiche enthalten Delaminationen! Var. 3 (niedriger Ligningehalt) mit vergleichbarem Eigenschaftsbild zu FR4 Var. 1 (hoher Ligninanteil) nicht ohne Vortrocknung assemblierbar!
Umweltbewertung Ziel: Vergleich der Umweltperformance der ligninbasierten Leiterplatte mit einer konventionellen Leiterplatte (doppelseitig durchkontaktierte FR4) cradle-to-gate Bewertung Rohstoffgewinnung Produktherstellung Nutzung Verwertung Vorgehen: Datenerfassung der eingesetzten Betriebs-, Hilfs- und Zusatzstoffe sowie Energieaufwand und anschließende Bilanzierung der Vorketten mit der Software GaBi 6 Kritischer Punkt nur bedingt Vergleichbarkeit möglich! Labormaßstab gegenüber großtechnischer Produktion Umweltvorteil des Bio-Materials durch starke Modifikation und ggf. verlängerte Fertigungsdurchläufe reduziert
Zielerreichung Die technischen Zielsetzungen als prozesskompatible Slot-In Substitute werden derzeit für alle drei Anwendungen noch nicht erreicht Siebdruckrahmen aus extrudierten Ligninprofilen können bisher nur bei kleinen Rahmengrößen eingesetzt werden Bei Bohrunterlagen wird das mittlere Eigenschaftsprofil erreicht in einer High-End-Fertigung ist das Risiko der Verschleppung von Polymerresten am Bohrwerkzeug zu groß Die Leiterplattenmaterialien können bisher bei höheren Ligningehalten nicht delaminationsfrei in bleifreien SAC-Lötprofilen weiterverarbeitet werden Eine Variante mit modifizierten Lignin-Harzen (und insgesamt geringerem Ligningehalt) hat bereits eine technisch mit FR4 vergleichbare Qualität Weitere Materialmodifikationen sind derzeit noch in Arbeit
Zwischenfazit Nachwachsende Rohstoffe können insbesondere duroplastische Kunststoffe in der Elektronik ersetzen Bei Firmenkontakten in der Elektronikindustrie sind Biopolymere ein gefragtes Zukunftsthema. Für biobasiertes Leiterplattenmaterial ist Lignin weiter der erfolgversprechendste Kandidat scheitert aber an standardkonformen bleifreien Lötprozessen Erweiterung auf Produktionshilfsmittel ist ebenfalls nicht trivial, Prozesskompatibilität ist mit hohen Ligningehalten schwierig Umfassende Umweltbewertung ist weiter offen, allerdings ist die stoffliche Nutzung gegenüber der Energetischen grundsätzlich nachhaltiger Hürden: Prozesskompatibilität, preisliche Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität der Materialeigenschaften
Vielen Dank an BMEL und die FNR für die Projektförderung! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Jana Rückschloss, Fraunhofer IZM und die Ko-Autoren aller Projektpartner: Volker Altstädt, Universität Bayreuth Klaus Birkner, Loewe Technologies GmbH Gergana Dimitrova, Fraunhofer IZM Gunnar Engelmann, Fraunhofer IAP Johannes Ganster, Fraunhofer IAP Klaus-Dieter Lang, Fraunhofer IZM und TU Berlin Nils F. Nissen, Fraunhofer IZM Simone Patermann, Universität Bayreuth Marina Proske, Fraunhofer IZM Dirk Schawaller, TECNARO GmbH Bert Volkert, Fraunhofer IAP Kathrin Weise, KSG Leiterplatten GmbH Erol Weißhaar, KOENEN GmbH Ingo Wolffram, H. Hiendl GmbH & Co. KG