Niederländische Übersetzungen deutscher Nominalkomposita: Ähnlichkeiten und Unterschiede



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Transkript:

Faculteit Letteren & Wijsbegeerte Elien De Bock Niederländische Übersetzungen deutscher Nominalkomposita: Ähnlichkeiten und Unterschiede Masterproef voorgedragen tot het behalen van de graad van Master in het Vertalen 215 Promotor: Mevr. Hinde De Metsenaere & mevr. Els Snick Vakgroep Vertalen Tolken Communicatie

VORWORT Eine Masterarbeit schreibt man nicht allein. Ich möchte mich deshalb bei allen Personen bedanken, die mich in diesem Prozess unterstützt haben. Zunächst danke ich Frau De Metsenaere für das interessante Thema und für Ihre Begleitung und Verfügbarkeit. Anschließend möchte ich mich bei Frau Snick bedanken für Ihre Ratschläge und Revision. Nicht zuletzt danke ich meiner Mutter und meinen Freunden, insbesondere Koen Van De Velde, für die Ermutigung und mentale Unterstützung, die ich manchmal brauchte.

5 INHALTSVERZEICHNIS 1 Einführung... 7 2 Forschungsfrage und Teilfragen... 7 3 Komposita... 8 4 Nominalkomposita... 9 5 Methode, Auswahlkriterien und Doppelmotivation... 11 6 Übersetzungstypen... 15 7 Formale und semantische Unterschiede... 18 7.1 Formale Unterschiede... 19 7.2 Semantische Unterschiede... 19 8 Explizierungshypothese und Asymmetriehypothese... 21 9 Quantitative Analyse... 23 9.1 Arten von Nominalkomposita... 24 9.2 Übersetzungstypen... 26 9.3 Identische und nicht-identische Konstruktionen... 32 9.4 Komposita und andere Konstruktionen... 33 9.5 Feste und Ad-hoc-Komposita... 34 9.6 Häufig und nicht-häufig vorkommene Komposita... 37 9.7 Formale Unterschiede... 39 9.8 Semantische Unterschiede... 4 9.9 Verhältnis formal-semantisch... 42 9.1 Explizierungs- und Asymmetriehypothese... 43 9.11 Vergleich mit Boogmans (215)... 44 1 Qualitative Analyse... 47 11 Weitere Studien... 53 12 Schlussfolgerung... 53 13 Literaturverzeichnis... 56

6

7 1 EINFÜHRUNG In dieser Masterarbeit wird die Übersetzung von Nominalkomposita, ein Teilgebiet der Übersetzungswissenschaft, erforscht. Dazu werden einige Übersetzungsuniversalien, d.h. the universal characteristics of translated texts independent of language pair and direction of translation (Klaudy & Károly, 25: 14), untersucht. In dieser Studie beschränken wir uns auf das Übersetzungspaar Deutsch-Niederländisch, weil diese Sprachen bis jetzt eher selten in der Übersetzungswissenschaft an die Reihe kamen: meistens ist Englisch nämlich eine der beiden analysierten Sprachen (De Metsenaere, 214: 22). Anhand einer Korpusstudie wird in vorliegender Forschungsarbeit die Übersetzung von deutschen Nominalkomposita ins Niederländische unter die Lupe genommen. Sowohl das Kompositum, die Übersetzung, die Art von Kompositum, die Art von Übersetzung, die Wörterbuchübersetzung als die formalen und semantischen Aspekte werden erforscht. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut. Zuerst schauen wir uns die Forschungsfrage und die Teilfragen an. Dann werden einige wesentliche Informationen über Komposita und Nominalkomposita zusammengefasst und werden Methode, Auswahlkriterien und Doppelmotivation erklärt. Danach wird näher auf die unterschiedlichen Übersetzungstypen, auf die formalen und semantischen Unterschiede zwischen den Komposita und ihren Übersetzungen und auf die Explizierungs- und Asymmetriehypothese eingegangen. Anschließend wird die quantitative und qualitative Analyse besprochen. Und zum Schluss werden Forschungsvorschläge gemacht und eine Schlussfolgerung gezogen. Alle Beispiele in dieser Masterarbeit stammen aus dem alignierten Parallelkorpus Deutsch- Niederländisch, das in dieser Forschung benutzt wurde (siehe Methode: Kapitel 5). Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, wenn ein Beispiel aus einer anderen Quelle stammt. 2 FORSCHUNGSFRAGE UND TEILFRAGEN In dieser Masterarbeit wird untersucht, wie vierhundert verschiedene deutsche Nominalkomposita ins Niederländische übersetzt werden und welche Ähnlichkeiten und Unterschiede es gibt zwischen diesen Komposita und ihren Übersetzungen. Die

8 Forschungsfrage wird in zwölf verschiedene Teilfragen eingeteilt, die in nachstehender Folge behandelt werden. Alle Teilfragen werden anhand der Daten in unserer Kompositaliste (siehe Kapitel 5) untersucht. 1) Welches Verhältnis gibt es zwischen den verschiedenen Arten von Nominalkomposita? 2) Welche Übersetzungstypen gibt es und was ist das Verhältnis zwischen diesen Typen? 3) Was ist das Verhältnis zwischen den identischen und nicht-identischen Übersetzungen? 4) Wie viele Komposita werden anhand eines Kompositums bzw. anhand einer anderen Konstruktion übersetzt? 5) Werden die festen Komposita anders übersetzt als die Ad-hoc-Komposita? 6) Werden Komposita die häufig vorkommen anders übersetzt als Komposita die nur einoder zweimal vorkommen? 7) Welches Verhältnis gibt es zwischen den formalen Unterschieden? 8) Welches Verhältnis gibt es zwischen den semantischen Unterschieden? 9) Vergrößert die Anwesenheit eines formalen Unterschiedes die Chance auf einen semantischen Unterschied? 1) Können die Explizierungs- und Asymmetriehypothese bestätigt werden? 11) Welche Unterschiede und Ähnlichkeiten gibt es mit den Ergebnissen von Liza Boogmans (215)? 12) Gibt es bestimmte Faktoren, die die Wahl für einen bestimmten Übersetzungstyp beeinflussen? 3 KOMPOSITA Die Wortbildung [wurde bzw. wird] sowohl in früheren Sprachperioden als auch gegenwärtig am stärksten für die Wortschatzerweiterung genutzt ( ) (Fleischer & Barz, 212: 2). Wortbildung ist also für den Fortbestand jeder Sprache wichtig. Donalies (25: 51) nennt in ihrer Arbeit vier Wortbildungsverfahren, die Komposition und Derivation als Hauptverfahren haben. Wir beschränken uns auf das Kompositionsverfahren. Donalies (25: 51-52) umschreibt Komposita, auch Zusammensetzungen genannt, als die Kombination von mindestens zwei Wörtern oder Konfixen. Sie teilt die Komposita in zwei Kategorien ein: die semantisch untergeordneten Determinativkomposita (z.b. Pferdedecke) und die semantisch

9 gleichgeordneten Kopulativkomposita (z.b. Rabbi-Vater, Beispiel aus De Metsenaere et al. (214)). In unserer Analyse wird dieser Unterschied nicht gemacht, weil wir Booij (1992: 5) in seiner Meinung, dass das Kopulativkompositum eigentlich keine Kategorie an sich ist, beipflichten. Die Kopulativkomposita ähneln den Determinativkomposita nämlich dadurch, dass das Zweitglied semantisch näher vom Erstglied bestimmt wird und fast immer eine andere formale Funktion ausübt als das Erstglied (es bestimmt zum Beispiel das Genus und die Pluralform). Zwischen dem Deutschen und dem Niederländischen gibt es auch Unterschiede, was der Gebrauch von Komposita angeht: die Tendenz ist laut Hüning & Schlücker (21: 9), dass deutsche Komposita im Niederländischen oft durch komplexe Phrasen ersetzt werden (z.b. Beinverletzung verwonding aan het been). Komposita kommen also im Deutschen häufiger vor als im Niederländischen, aber im Vergleich zu vielen anderen Sprachen, kommen im Niederländischen trotzdem viele Komposita vor. Donalies (25: 52-84) macht einen weiteren Unterschied zwischen nominalen Determinativkomposita, adjektivischen Determinativkomposita, verbalen Determinativkomposita, konfixalen Determinativkomposita und Determinativkomposita anderer Wortarten. Wir beschränken uns auf die erste Kategorie: die nominalen Determinativkomposita, die ab jetzt Nominalkomposita genannt werden. 4 NOMINALKOMPOSITA Die Nominalkomposita, Zusammensetzungen mit einem Nomen als Zweitglied, sind laut Hüning & Schlücker (21: 9) sowohl im Niederländischen als im Deutschen der produktivste Kompositionsprozess. Der Grund dafür ist, dass die Bildung von Nominalkomposita sowohl im Deutschen als im Niederländischen unbeschränkt ist, weil das Erstglied aus allen Wortarten inklusiv Buchstaben, Phrasen und Sätzen aufgebaut sein kann (De Metsenaere et al., 214: 65). Im Deutschen und im Niederländischen sind sogar Nominalkomposita aus drei Komponenten (z.b. Orangenblütenessenz bzw. buksboomhout) nicht unüblich. Aber es geht noch viel weiter: das längste Kompositum im Dudenkorpus, einer Sammlung von mehr als zwei Milliarden Wortformen, ist Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung und das längste

1 Kompositum im großen Van Dale Wörterbuch der niederländischen Sprache ist meervoudigepersoonlijkheidsstoornissen. Derartige extremlange Wörter sind, wie es beim Lesen festzustellen ist, dem Lesekomfort nicht förderlich, obwohl laut August (21: 21-238) dieses Problem relativiert werden soll: ihm zufolge werden solche Komposita nicht im Übermaß benutzt und kommt das Phänomen nicht häufiger vor als früher. Die Mehrheit der deutschen Nominalkomposita ist intern unverzweigt, d.h. besteht aus nur zwei Gliedern, z.b. Blumenfeldern. Es gibt aber auch intern verzweigte Nominalkomposita, d.h. Komposita die aus mehr als zwei Gliedern aufgebaut sind, weil das Erst- oder Zweitglied selbst auch ein Kompositum ist (Donalies, 25: 52-54), z.b. Fingerspitzengefühl. Donalies (25: 54) unterscheidet drei verschiedene Strukturen bei den intern verzweigten Komposita: linksverzweigte Komposita (z.b. Erd-gas verseuchung), bei denen das linke Glied aufgeteilt wird, rechtsverzweigte Komposita (z.b. Spitzen taschen-tuch), bei denen das rechte Glied aufgeteilt wird, und beidseitig verzweigte Komposita (z.b. Hand-schuh macher-meister), bei denen beide Glieder weiter aufgeteilt werden. Diese drei Strukturen werden in Donalies Arbeit (25: 53-54) anhand von Baumdiagrammen dargestellt. Nominalkomposita sind immer binär strukturiert, d.h. sie können, ungeachtet ob sie verzweigt oder unverzweigt sind, immer in zwei Einheiten, unmittelbare Konstituenten (Donalies, 25: 52) genannt, zergliedert werden, z.b. Berg ketten und Fingernagel pulver. Komposita die mittels eines Fugenelementes verbunden sind, bilden keine Ausnahme von dieser Binaritätsregel (Donalies, 25: 54), weil das Fugenelement bedeutungslos ist, z.b. Arbeit (s) zimmer. Bei unverzweigten Komposita liegt die Segmentierung des Kompositums immer auf der Hand, während es bei interner Verzweigung laut Donalies (25: 52-53) manchmal zwei mögliche Segmentierungen gibt. In diesen Fällen entsteht Zweifel (z.b. Kindergeburtstagsfeier: Kinder geburtstagsfeier oder Kindergeburtstags feier, Beispiel aus Donalies (25: 53)) und muss man den Satz analysieren, um herauszufinden, welche Bedeutung sich im Kontext am sinnvollsten ergibt. Wie gesagt, können alle Wortarten als Erstglied des Nominalkompositums vorkommen, und Donalies zufolge (25: 67) kommen die Nominalkomposita mit Nomen oder Verb als Erstglied sowohl im Deutschen als im Niederländischen am häufigsten vor, wobei wiederum

11 Komposita mit einem substantivischen Erstglied die produktivste Subklasse bilden (Hüning & Schlücker, 21: 9). Trotzdem wurde in dieser Arbeit bewusst dafür gewählt, nicht nur die NN- und VN-Komposita, sondern auch alle anderen Arten von Nominalkomposita, die gefunden wurden, in Betracht zu nehmen. Nachstehende Liste gibt uns eine Übersicht der verschiedenen Arten von Nominalkomposita und der verwendeten Abkürzungen. Das Nomen-Nomen-Kompositum (NN), z.b. Stadtmauer. Das Verb-Nomen-Kompositum (VN), z.b. Zeigefinger. Das Adjektiv-Nomen-Kompositum (AN), z.b. Florentinerflasche. Das Präposition-Nomen-Kompositum (PräpN), z.b. Hinterkopf. Das Adverb-Nomen-Kompositum (AdvN), z.b. Innenseite. Das Präfix-Nomen-Kompositum (PräfixN), z.b. Auseinandersetzung. Das Numeral-Nomen-Kompositum (NumN), z.b. Drittelfüllung. 5 METHODE, AUSWAHLKRITERIEN UND DOPPELMOTIVATION In dieser Masterarbeit wurde eine Korpusstudie durchgeführt, die auf De Metsenaere et al. (214) gestützt ist. Es wird mit einem satzalignierten zweisprachigen literarischen Parallelkorpus gearbeitet, wobei wir uns beschränken auf die Übersetzungsrichtung Deutsch- Niederländisch. Das verwendete Korpus ist im Rahmen Hinde De Metsenaeres Forschungsarbeiten zustande gekommen und umfasst zwei Romane: den deutschsprachigen Roman Das Parfum, die Geschichte eines Mörders von Patrick Süskind aus 1985 und dessen Übersetzung ins Niederländische Het parfum: de geschiedenis van een moordenaar von Ronald Jonkers aus demselben Jahr. Mithilfe des Programms AntConc (212) wurde eine Word Frequency List der deutschen Fassung erstellt. Diese Liste enthält alle verschiedenen Wörter aus dem Roman, nach Häufigkeit sortiert. Danach wurden die vierhundert verschiedenen Nominalkomposita, die am häufigsten vorkommen, manuell selektiert und in eine Kompositaliste in Excel aufgenommen. Die Excel-Datei befindet sich im Anhang. Es wurden vierhundert verschiedene Komposita, vierhundert Typen also, analysiert. Charles Sanders Peirce (196: 55-56) hat die Begriffe Token und Type (auf Deutsch auch Vorkommnis und Typ genannt) 196 in seinem Artikel Prolegomena to an Apology for

12 Pragmaticism introduziert. Er definiert Tokens als die einzelnen vorkommenden Äußerungen und Typen als die Menge der vorkommenden Äußerungen die zu einem Wort gehören (Peirce, 196: 55-56). Ein Beispielsatz ist Er schreit nicht, er schläft gut, und er ist getauft, in dem es 1 Tokens und 8 Typen gibt. Wie gesagt, wurden nicht alle deutschen Nominalkomposita aus dem Roman in unsere Analyse aufgenommen, sondern nur die vierhundert Typen, die im Roman am häufigsten vorkommen. Aber um die Kategorie deutlich abgrenzen zu können, müssen noch andere Auswahlkriterien berücksichtigt werden. Die Festlegung dieser Kriterien ist auf De Metsenaere et al. (214) gestützt. De Metsenaere et al. (214) haben in einem alignierten Parallelkorpus Deutsch-Niederländisch aus drei Romanen und ihren Übersetzungen jeweils die ersten vierhundert NN- und VN-Komposita und ihre Übersetzungen analysiert. Mögliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Schriftstellern wurden in ihrer Studie nicht berücksichtigt. Im unterstehenden Textfeld, gestützt auf De Metsenaere et al. (214: 67-68), wird eine kurze Übersicht verschafft über die deutschen Nominalkomposita, die in unserer Forschung aus der Analyse ausgeschlossen und in eine Restkategorie aufgenommen werden. Unter dem Textfeld werden diese Auswahlkriterien erklärt. Komposita die in der Analyse nicht berücksichtigt werden Intern verzweigte Komposita Lehnwörter die als Ganzes entlehnt sind Komposita die Teil eines festen Ausdrucks sind Komposita die als Ganzes den Wert eines Eigennamens haben Undurchsichtige Komposita Komposita die eine unikale Einheit enthalten Idiomatische Komposita Komposita bei denen Zweifel zwischen zwei Kategorien entsteht Komposita die keiner Unterkategorie zugerechnet werden können Die verzweigten Komposita wurden in der Analyse nicht berücksichtigt, weil unsere Daten auf diese Weise besser mit den Ergebnissen von De Metsenaere et al. (214) verglichen

13 werden können. Deutsche unverzweigte Komposita die ins Niederländische mittels eines intern verzweigten Kompositums übersetzt werden, z.b. Buchsbaum buksboomhout, werden jedoch berücksichtigt. Die Lehnwörter, die als Ganzes entlehnt sind, z.b. Major domus, werden auch aus der Analyse ausgeschlossen, weil sie laut Donalies (25: 16) die Sprache durch Entlehnung statt durch Wortbildung bereichern und weil sie sich grammatikalisch und im Gebrauch von nichtentlehnten Komposita unterscheiden. Deutsche Komposita, die Teil eines festen Ausdrucks sind und Übersetzungen ins Niederländische, die Teil eines festen Ausdrucks sind, werden auch außer Betracht gelassen, z.b. aus allen Himmelsrichtungen - van heinde en verre. Auch die Komposita, die als Ganzes den Wert eines Eigennamens haben, wurden nicht analysiert. Komposita, die einen Eigennamen enthalten, aber als Ganzes kein Eigenname sind, wie z.b. Andreaskreuz, werden jedoch in die Analyse aufgenommen. Deutsche undurchsichtige Komposita und niederländische undurchsichtige Übersetzungen werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Undurchsichtige Komposita können laut De Metsenaere et al. (214: 67) zwei Erscheinungsformen aufweisen: Komposita die eine unikale Einheit, d.h. eine Einheit die als selbstständige Einheit veraltet ist, enthalten, z.b. Friedhof. Idiomatische Komposita, d.h. Komposita mit einer Bedeutung, die sich nicht aus dem Inhalt der beiden Glieder ableiten lässt (z.b. Handschuhe). Komposita, von denen eine der beiden Komponenten ein idiomatisches Kompositum ist (z.b. Freimaurerloge), werden jedoch in die Analyse aufgenommen. Auch die Komposita, bei denen Zweifel zwischen zwei Kategorien entsteht, werden außer Betracht gelassen. Normalerweise ist es einfach zu bestimmen, welche Kategorie einem Kompositum angehört. Dann spricht Kienpointner (1985) von Einfachmotivation (S. 3) oder eindeutige Motivation (S. 3), z.b. Briefpapier. Aber es kommt auch vor, dass es schwierig zu bestimmen ist, ob das Erstglied des Kompositums ein Nomen oder ein Verb ist. Dann tritt Doppelmotivation (Kienpointner, 1985: 3) auf, z.b. Arbeitszimmer: NN oder

14 VN. Kienpointner (1985: 3-4) introduziert drei Regeln bezüglich der Segmentierung von Komposita: 1) Wenn das Erstglied in Berücksichtigung der Gesamtbedeutung des Kompositums nicht nominal interpretiert werden kann, wird das Kompositum verbal interpretiert (z.b. Schlachthaus = VN). In diesem Fall gibt es Einfachmotivation. 2) Wenn das Erstglied in Berücksichtigung der Gesamtbedeutung des Kompositums nicht verbal interpretiert werden kann, wird das Kompositum nominal interpretiert (z.b. Anhaltspunkte = NN). Im diesem Fall gibt es auch Einfachmotivation. 3) Wenn sowohl die nominale als die verbale Interpretation das Wort eine sinnvolle Bedeutung geben, gibt es Doppelmotivation (z.b. Duftkleid: NN oder VN). In den ersten beiden Fällen sorgen diese Regeln für Klarheit. Im dritten Fall brauchen wir weitere Regeln. Bei Zweifel zwischen NN- und VN-Komposita stellt Kienpointner (1985: 4) fest, dass die verbale Interpretierung oft bevorzugt wird, weil sie im Sprachgefühl als eine tiefere Auffassung empfunden wird. Da diese Regel eher subjektiv ist, vermitteln Fleischer & Barz (212) drei objektive formale Kriterien, die im Falle von Doppelmotivation verwendet werden können: 1) Erstglieder in der Form des Infinitivs sind in der Regel als Substantive aufzufassen ( ) (Fleischer & Barz, 212: 137), z.b. Entsetzensschrei = NN. 2) Kommt ein Präterital- oder Partizipialstamm als Substantiv vor ( ), betrachten wir das entsprechende Erstglied als Substantiv- und nicht als Verbstamm (Fleischer & Barz, 212: 159), z.b. Zwangsadoption = NN (Beispiel aus De Metsenaere et al. (214: 73) und Angestelltentarif = NN (Beispiel aus Fleischer & Barz (212: 159). 3) Während bei den NN-Komposita die Fugenelemente -e-, -s-, -es-, -n-, -en-, -er-, -ensund -ns- zwischen beiden Gliedern möglich sind, z.b. Ziegenleder = NN, ist bei den VN-Komposita nur das Fugenelement -e- möglich, z.b. Zeigefinger = VN (Fleischer & Barz, 212: 186). Zum Schluss werden auch die Komposita, die nicht eindeutig einer Unterkategorie der Nominalkomposita zugerechnet werden können, aus der Analyse ausgeschlossen. Die Komposita die keiner Kategorie angehören, werden in eine Restkategorie aufgenommen, die in der Analyse außer Betracht gelassen wird. Auch wenn das deutsche Kompositum einer

15 Kategorie angehört, aber die Kategorie der niederländischen Übersetzung undeutlich ist, wird das Kompositum in dieser Restgruppe untergebracht. Nach dieser Selektion der vierhundert Typen, ist eine Excel-Datei, auch Kompositaliste genannt, zustande gekommen, in der die niederländische Übersetzung, die Seite, die Art von Nominalkompositum, die Art von Übersetzung, die Wörterbuchübersetzung und das diesbezügliche Fragment im Ausgangs- und Zieltext aufgenommen wurde. Danach sind zur Datei auch noch die formalen und semantischen Unterschiede zwischen den Komposita und ihren Übersetzungen, d.h. die Unterschiede bezüglich der Konstruktion und des Inhalts, hinzugefügt worden. 6 ÜBERSETZUNGSTYPEN Die Übersetzungstypen sind die verschiedenen Erscheinungsformen, in denen die Übersetzungen von Komposita vorkommen können. In unserer Forschung wurde ein eigenes Klassifizierungssystem von Übersetzungstypen ausgearbeitet, gestützt auf Campe (28) und De Metsenaere et al. (214). Campe (28) hat die Übersetzung von NN-Komposita in einem Korpus Deutsch- Niederländisch untersucht. Ihr Korpus hat sie selber zusammengestellt und umfasst vier deutsche Romane und ihre Übersetzungen, um den Einfluss von einem bestimmten Schriftsteller oder Übersetzer zu minimalisieren. Campe (28: 3-4) teilt die niederländischen Übersetzungen von deutschen Komposita in zwei verschiedene Kategorien ein: 1) Identische Übersetzungen Eine identische Übersetzung kommt laut Campe (28: 3) einerseits vor, wenn das Kompositum und die Übersetzung dieselbe etymologische Herkunft haben (z.b. Zeigefinger wijsvinger) und andererseits, wenn mindestens eines der beiden Glieder kein niederländisches Pendant mit derselben etymologischen Herkunft hat (z.b. Ansaugekamin aanzuigschoorsteen). 2) Nicht-identische Übersetzungen Campe (28: 3) unterscheidet zwei Arten von nicht-identischen Übersetzungen.

16 a. Nicht-identische Komposita Die Übersetzung ist nicht-identisch, aber hat trotzdem die Form eines Kompositums, z.b. Handwerker ambachtsman. b. Andere Konstruktionen Die Übersetzung ist nicht-identisch und hat auch nicht die Form eines Kompositums. Campe (28: 4) unterscheidet neun mögliche Konstruktionen: Adjektivkonstruktion, z.b. Dauergesängen onafgebroken gezang. Nomen mit genitivischem van, z.b. Brandungsgeräusch geluid van de branding. Apposition, z.b. Blutströpfchen drupje bloed. Präpositionale Konstruktion, z.b. Englandgeschäfts handel met Engeland. Simplex, z.b. Atemzug teug. Verbale Konstruktion, z.b. Blütenwechsels bloemen te verwisselen. Adverbiale Konstruktion, z.b. Hinterhof binnenplaats. Konstruktion mit Relativsatz, z.b. Ausgangsstoffen stoffen waar hij van uitging. Weglassung, z.b. mit der Rückseite über Tisch und Stühle - over tafel en stoelen. Campe (28) zufolge, ist in mehr als der Hälfte der nicht-identischen Übersetzungen eine identische Übersetzung auch möglich, z.b. Atemzug teug (ademteug ist auch möglich). Campe (28: 5-6) erwähnt drei mögliche Gründe, warum eine nichtidentische Übersetzung einer identischen Übersetzung bevorzugt wird: - In der Hälfte der Übersetzungen kommt die nicht-identische Form im Niederländischen einfach häufiger vor als die identische Form, z.b. Innenseite binnenkant (häufiger als binnenzijde). - In einem Viertel der Fälle ist die Übersetzung ein Hyperonym, einerseits weil das Hyperonym geläufiger ist, z.b. Henkelkorb mand (geläufiger als hengselmand), und andererseits weil das deutsche Kompositum ein typisch deutsches Konzept ist, z.b. Volkspolizei politie (Beispiel aus Campe (28)). Hyperonyme kommen oft vor, wenn das Wort ein zweites Mal übersetzt wird, während es das erste Mal mit einer identischen Übersetzung übersetzt worden ist, z.b. Toreinfahrt: zuerst toegangspoort und später poort.

17 - In den übrigen 25% der Fälle gibt es keine deutliche Erklärung. Wahrscheinlich spielen stilistische Gründe, persönliche Intuition, Polysemie und Desambiguierung eine Rolle. De Metsenaere et al. (214) erwähnen großenteils die gleichen Übersetzungstypen, aber die Klassifizierung ist trotzdem anders. Sie unterscheiden vier Hauptübersetzungstypen: 1) Identifizierung, d.h. das Kompositum wird mittels eines einzigen Wortes übersetzt. Bei dieser Kategorie unterscheiden De Metsenaere et al. (214): o Simplex/Derivat, wenn die Übersetzung aus einem freien Morphem aufgebaut ist, z.b. Atemzug - teug. o Unverzweigtes Kompositum, wenn die Übersetzung aus zwei freien Morphemen zusammengestellt ist, z.b. Atemzug - ademteug. o Verzweigtes Kompositum, wenn die Übersetzung mehr als zwei freie Morpheme umfasst, z.b. Buchsbaum - buksboomhout. 2) Paraphrasierung, d.h. das Kompositum wird mittels einer Konstruktion umschrieben. De Metsenaere et al. (214) unterscheiden folgende Übersetzungstypen: o Nomen mit Adjektiv o Nomen mit Präposition o Nomen mit genitivischem van o Nomen mit einer anderen Präposition o Apposition o Konstruktion mit Relativsatz o Konstruktion mit Verb 3) Nominalisierung, d.h. das Kompositum wird mittels eines Pronomens übersetzt, um Wiederholung zu vermeiden, z.b. die Wattebäusche die (Beispiel aus De Metsenaere et al. (214)). 4) Weglassung, d.h. das Kompositum ist in der Übersetzung verschwunden, z.b. mit der Rückseite über Tisch und Stühle - over tafel en stoelen. Es gibt viele Parallele zwischen den beiden Klassifizierungssystemen, aber auch einige Unterschiede. Campe (28) erwähnt zum Beispiel keine Nominalisierungen und De Metsenaere et al. (214) nehmen die Kategorie der adverbialen Konstruktionen nicht auf.

18 Anhand dieser beiden Klassifizierungssysteme wurde eine neue Klassifizierung ausgearbeitet, die in unserer Analyse verwendet wird: Klassifizierungssystem Übersetzungstypen Identifizierung Unverzweigtes Kompositum Simplex/Derivat Verzweigtes Kompositum Paraphrasierung Adjektivkonstruktion Nomen mit genitivischem van Nomen mit einer anderen Präposition Konstruktion mit Verb Apposition Genitivkonstruktion Konstruktion mit Relativsatz Pronominalisierung Weglassung Komposita die keiner dieser Unterkategorien angehören, werden in der Restkategorie untergebracht und aus der Analyse ausgeschlossen. 7 FORMALE UND SEMANTISCHE UNTERSCHIEDE Wie bei der Methode (Kapitel 5) schon erwähnte wurde, sind in der Excel-Datei auch die formalen und semantischen Unterschiede zwischen dem Kompositum und ihrer Übersetzung aufgelistet worden. In diesem Abschnitt wird besprochen, welche Unterschiede dabei gefunden wurden und wie die Analyse zustande kam.

19 7.1 Formale Unterschiede Um herauszufinden, ob es einen formalen Unterschied gibt zwischen dem Kompositum und der Übersetzung, wurden beide Label in der Kompositaliste verglichen. Fünf verschiedene Möglichkeiten wurden dabei entdeckt: 1) Kein formaler Unterschied In diesen Fällen stimmen beide Label überein, d.h. die Komposita werden als Komposita desselben Typs übersetzt, z.b. Mischflasche (VN) mengfles (VN). Die Übersetzungen die einen anderen Numerus haben als das deutsche Kompositum, z.b. Veilchenwurzeln viooltjeswortel, werden auch zu dieser Kategorie gerechnet, weil beide Komposita dieselbe Struktur haben. 2) Explizierung Bei einer formalen Explizierung kommen in der Übersetzung mehr Einzelheiten der Konstruktion des Kompositums ans Licht. Alle Paraphrasen werden deshalb als formale Explizierungen betrachtet, z.b. Florentinerflasche (AN) Florentijnse fles (Paraphrasierung: Adjektivkonstruktion). 3) Implizierung Formale Implizierungen kommen vor in den Fällen, in denen ein Simplex oder Derivat als Übersetzung des Kompositums auftritt, z.b. Springbrunnen (VN) fonteinen (Identifizierung: Simplex/Derivat). 4) Andere Wortart im Erstglied des Kompositums Diese Kategorie bilden die Komposita, die zwar als Kompositum ins Niederländische übersetzt werden, aber dessen Erstglied einer anderen Wortart angehört, z.b. Richtplatz (VN) executieveld (NN). 5) Weglassung Dieser Kategorie gehören in der Analyse nur die Komposita an, die ins Niederländische gar nicht übersetzt werden, z.b. mit der Rückseite über Tisch und Stühle - over tafel en stoelen. 7.2 Semantische Unterschiede In der Kompositaliste wurden auch die semantischen Unterschiede zwischen dem Kompositum und ihrer Übersetzung analysiert. Die Hauptregel die hantiert wurde, ist: wenn

2 der Leser denselben Referent vor Augen hat im deutschen als im niederländischen Text, gibt es keinen semantischen Unterschied. Wenn dem Leser aber ein anderes Bild vorgeführt wird, gibt es einen semantischen Unterschied zwischen den Begriffen. Es gibt sechs Möglichkeiten: 1) Kein semantischer Unterschied In diesen Fällen rufen der deutsche und der niederländische Begriff dieselbe mentale Vorstellung auf. 2) Substitution Substitution tritt auf, wenn die Übersetzung eine andere Bedeutung bekommen hat als das deutsche Kompositum, z.b. Hinterhof - binnenplaats. Wenn das Kompositum in der Übersetzung ein anderes Geschlecht bekommen hat, sprechen wir auch von Substitution, z.b. Schwägerinnen schoonbroers (Beispiel aus Boogmans (215). 3) Implizierung Implizierung ist laut Becher (211) the non-verbalization of information that the addressee might be able to infer (S. 18), d.h. dass eine Information ausgelassen wird, aber trotzdem noch vom Leser aus dem Kontext erschlossen werden kann. Dieser Kontext ist in unserer Analyse der gesamte Roman. Wenn der Leser die Bedeutung also herausfinden kann dank seiner Interpretationsfähigkeit, gibt es Implizierung, z.b. Sonnenlicht - zon. 4) Weglassung Wenn eine Information ausgelassen wird, die nicht vom Leser aus dem Kontext erschlossen werden kann, z.b. Eichentisches tafel, gibt es Weglassung. Ein Kompositum im Plural, das anhand einer Konstruktion im Singular übersetzt wird, ist auch Weglassung, z.b. Degengriffe handvat van hun degen. 5) Hinzufügung Hinzufüging ist das Gegenteil von Weglassung. Es kommt vor, wenn eine Information hinzugefügt wird, ohne dass sie im deutschen Kontext anwesend war, z.b. Richtplatz executieveld. 6) Explizierung Explizierung ist das Gegenteil von Implizierung. Baker (1996) beschreibt Explizierung als an overall tendency to spell things out rather than leave them implicit in translation. (S. 18) Becher (211) definiert Explizierung als the verbalization of information that the addressee might be able to infer if it were not verbalized (S. 18). Explizierung kommt also vor, wenn eine redundante Information, die aus dem Kontext erschließbar ist, zur Übersetzung hinzugefügt wird, z.b.

21 Leichengeruch - lijkenstank. Auch diesmal muss erwähnt werden, dass der gesamte Roman als Kontext betrachtet wird. Nur zu Ihrer Information erwähnen wir, dass Blum-Kulka (1986: 19) zwei Unterkategorien von Explizierung unterscheidet. Einerseits gibt es die Explizierung die obligatorisch ist, weil der Zieltext sonst ungrammatikalisch ist, as a result of language and register bound stylistic preferences (Blum-Kulka: 1986: 8). Andererseits gibt es die optionale Explizierung, as a result of a process of explicitation inherent in translation per se (Blum-Kulka: 1986: 8). Dieser Unterschied wurde in unserer Analyse nicht gemacht. Wir stellen fest, dass der Unterschied zwischen Implizierung und Weglassung und zwischen Explizierung und Hinzufügung oft undeutlich ist. In verschiedenen Fällen gibt es Weglassung (bzw. Hinzufügung) auf Wortebene und Implizierung (bzw. Explizierung) auf Textebene. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass wir in der Analyse den gesamten Roman als Kontext betrachten. 8 EXPLIZIERUNGSHYPOTHESE UND ASYMMETRIEHYPOTHESE Schon im Jahre 1986 wurde das Phänomen Explizierung erforschst, mit der Einführung der Explizierungshypothese (explicitation hypothesis) durch Blum-Kulka (1986). Diese Hypothese enthält, dass der Zieltext explizieter ist als der Ausgangstext. Blum-Kulka (1986) drückt die Hypothese folgendermaßen aus: The process of interpretation performed by the translator on the source text might lead to a TL text which is more redundant than the SL text. This redundancy can be expressed by a rise in the level of cohesive explicitness in the TL text. (S. 19) Die Explizierungshypothese bezieht sich nur auf die optionalen Explizierungen (siehe 7.2). Das heißt, dass Blum-Kulka (1986) der Meinung ist, dass Explizierung dem Übersetzungsprozess inhärent ist. Im Jahre 1993 schlägt Baker (S. 242-243) vor, Explizierung anhand von Korpora im großen Maßstab zu erforschen, sodass die Forschungen betreffende Explizierung einen quantitativen Impuls bekommen. Auch Klaudy & Károly (25) verteidigen die Explizierungshypothese von Blum-Kulka (1986), indem sie schreiben, dass it may be concluded that translators prefer the more extended, more explicit forms to the more

22 reduced, more implicit forms, and often fail to perform implicitation (S. 27), obwohl sie auch erwähnen, dass weitere Forschungen notwendig sind. Van de Velde (211) lehnt Blum-Kulkas (1986) Explizierungshypothese ab, sich stützend auf die Daten in Tabelle 1. Er hat das Verhältnis zwischen Implizierung und Explizierung untersucht in einem Korpus, das zusammengesetzt ist aus vier literarischen Büchern, zwei in jeder Übersetzungsrichtung (Deutsch-Niederländisch und Niederländisch-Deutsch). Dabei hat er sich auf die literarischen Phänomene Pronominalisierung und Substitution konzentriert. Die Daten zeigen uns, dass es in der Richtung Niederländisch-Deutsch mehr Explizierungen als Implizierungen gibt, während in der umgekehrten Übersetzungsrichtung mehr Implizierungen als Explizierungen vorkommen. Er konkludiert, dass die Explizierungshypothese in seinem Korpus für die Richtung Niederländisch-Deutsch zutrifft, aber nicht für die Richtung Deutsch-Niederländisch. Die Explizitierungshypothese ist für das Übersetzungspaar Deutsch- Niederländisch also nicht allgemeingültig. Explizierung und Implizierung N D D N Explizierung 236 8 Implizierung 112 143 Tabelle 1: Implizierung und Explizierung in beiden Übersetzungsrichtungen (Quelle: Van de Velde (211)) Im selben Jahr lehnt auch Becher (211) die Explizierungsthese ab, weil sie ihm zufolge drei Probleme enthält: the hypothesis is unmotivated, unparsimonious and vaguely formulated. (S. 27) Er empfehlt, die Explizierungshypothese von Blum-Kulka (1986) nicht mehr zu verwenden, aus Mangel an Beweisen in Bezug auf die dem Übersetzungsprozess inhärenten Explizierungen. Die Implizierungen werden erst viel später erforscht. Klaudy & Károly (25) bemerken mit Recht, dass Implicitation is treated as a stepbrother of explicitation: it is generally mentioned merely incidentally. (S. 13) Klaudy (21) lanciert im Jahre 21 in ihrem Paper die Asymmetriehypothese, according to which explicitations in the L1 L2 direction are not always counterbalanced by implicitations in the L2 L1 direction (Klaudy & Károly: 25: 14). Bei dieser Hypothese wird kein Unterschied gemacht zwischen obligatorischer und optionaler Explizierung/Implizierung. Becher (211) ist schon mehr mit dieser Hypothese als

23 mit der Explizierungshypothese einverstanden, aber schlägt trotzdem eine modifizierte Version der Asymmetriehypothese vor: Obligatory, optional and pragmatic explicitations in one translation direction tend to be more frequent than (i.e. not counterbalanced by) the corresponding implicitations in the other translation direction, regardless of the source/target language constellation at hand. (Becher, 211: 59) Diese Asymmetriehypothese von Becher (211) wurde der Deutlichkeit halber in eine Formel gefasst. Asymmetriehypothese nach Becher (211) Expl L1 L2 > Impl L2 L1 en Expl L2 L1 > Impl L1 L2 Van de Velde (211) hat im selben Jahr das Verhältnis zwischen Implizierung und Explizierung untersucht in seinem Korpus. Er hat sich dabei basiert auf die Asymmetriehypothese von Becher (211). In Tabelle 1 sind seine Ergebnisse dargestellt. Er stellt fest, dass die Asymmetriehypothese von Becher (211) zutrifft für die Richtung N D, aber nicht für die Richtung D N. Van de Velde (211: 871) konkludiert daraus, dass die Asymmetriehypothese nicht allgemeingültig ist für das Übersetzungspaar Niederländisch- Deutsch. Er stellt außerdem fest, dass das Verhältnis zwischen Explizierung und Implizierung nicht nur von der Übersetzungsrichtung abhängt, sondern auch von der betreffenden Sprache, von den Autoren in diesen Sprachen, vom betreffenden sprachlichen Phänomen und vom Übersetzer (S. 882). De Metsenaere arbeitet auch an einem Promotionsstudium, in dem unter anderem die Asymmetriehypothese in der Richtung Niederländisch-Deutsch getestet wird. In ihrer Forschung liegt der Fokus auf dem Phänomen Nominalkonstituente mit einem Kompositum als Kern. Drei Variablen werden von De Metsenaere untersucht: die Übersetzungsrichtung (Niederländisch-Deutsch und Deutsch-Niederländisch), die Textsorte (literarische Texte und Sachliteratur) und der Einfluss des einzelnen Übersetzers. Die Ergebnisse werden im September 218 erwartet. 9 QUANTITATIVE ANALYSE Die Kompositaliste wird zuerst mithilfe einer quantitativen und anschließend mithilfe einer qualitativen Analyse erforscht, weil die qualitative Analyse auf diese Weise auf die

24 quantitative Analyse gestützt werden kann. Angefangen wird mit der quantitativen Analyse, in der die Kompositaliste aus statistischer Hinsicht betrachtet wird und elf Teilfragen beantwortet werden. 9.1 Welches Verhältnis gibt es zwischen den verschiedenen Arten von Nominalkomposita? Anhand dieser Teilfrage wollen wir eine Übersicht über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Arten von Nominalkomposita, die in Kapitel 4 erklärt wurden, bekommen. Tabelle 2 verschafft uns eine Übersicht dieses Verhältnis in unserer Kompositaliste. Wie erwähnt in Kapitel 5, wurden insgesamt vierhundert verschiedene deutsche Komposita analysiert; deshalb ist die Gesamtsumme der Tabelle vierhundert. In der ersten Spalte findet man die Arten von Nominalkomposita, in der zweiten Spalte die absoluten Zahlen und in der dritten Spalte die Prozentsätze. Verhältnis zwischen den verschiedenen Nominalkomposita Nominalkompositum Absolute Zahl Prozentsatz Mit Nomen als Erstglied (NN) 337 84,25% Mit Verb als Erstglied (VN) 29 7,25% Mit Adjektiv als Erstglied (AN) 21 5,25% Mit Präposition als Erstglied (PräpN) 5 1,25% Mit Adverb als Erstglied (AdvN) 4 1% Mit Präfix als Erstglied (PräfixN) 3,75% Mit Numeral als Erstglied (NumN) 1,25% Insgesamt 4 1% Tabelle 2: Verhältnis zwischen den verschiedenen Nominalkomposita Die Zahlen bestätigen die Hypothese von Donalies (25: 67), dass die NN- und VN- Komposita die produktivste Unterkategorie sind. Außerdem wird die Annahme von Hüning & Schlücker (21: 9), dass die NN-Komposita die allerhäufigste Unterkategorie sind, bekräftigt: in unserer Kompositaliste kommen die NN-Komposita sogar in 84,25% der Komposita vor. Am Zweithäufigsten sind die VN-Komposita mit 7,25%, gefolgt von den AN- Komposita mit 5,25%, den PräpN-Komposita mit 1,25%, den AdvN-Komposita mit 1%, den

25 PräfixN-Komposita mit,75% und den NumN-Komposita mit,25%. Diagramm 1 verschafft uns eine bessere Übersicht über die gegenseitigen Verhältnisse. 7,25% Verhältnis der Arten von Nominalkomposita 1,25% 1%,75%,25% 5,25% 84,25% NN VN AN PräpN AdvN PräfixN NumN Diagramm 1: Verhältnis der Arten von Nominalkomposita In Diagramm 2 wurde nur das Verhältnis zwischen den NN- und VN-Komposita in Betracht genommen, damit die Zahlen mit den Ergebnissen von De Metsenaere et al. (214) verglichen werden können. Verhältnis NN- und VN-Komposita De Metsenaere et al. (214) De Bock (215) 7,17% 7,92% 92,83% 92,8% NN VN Diagramm 2: Verhältnis NN- und VN-Komposita

26 Obwohl De Metsenaere et al. (214) nur die NN- und VN-Komposita analysiert haben, entsprechen unsere Zahlen ihren Ergebnissen. Der Unterschied zwischen den beiden Diagrammen ist minimal und deshalb zu vernachlässigen. 9.2 Welche Übersetzungstypen gibt es und was ist das Verhältnis zwischen diesen Typen? Anhand dieser Teilfrage verschaffen wir uns eine Übersicht über das Verhältnis zwischen den verschiedenen Übersetzungstypen, die in Kapitel 6 erläutert wurden, in der Kompositaliste. Zuerst beschränken wir uns auf das Verhältnis zwischen den vier Hauptübersetzungstypen, nämlich Identifizierung, Paraphrasierung, Pronominalisierung und Weglassung. Diagramm 3 stellt dieses Verhältnis dar. Verhältnis der Hauptübersetzungstypen,14% % 16,88% 82,98% Identifizierung Paraphrasierung Weglassung Pronominalisierung Diagramm 3: Verhältnis der Hauptübersetzungstypen Diagramm 3 zeigt, dass Identifizierung mit 82,98% der am häufigsten verwendete Übersetzungstyp in unserer Kompositaliste ist. Paraphrasierung ist mit 16,88% die zweithäufigste Übersetzungsform; dies bestätigt die Annahme von Hüning & Schlücker (21: 9), dass deutsche Nominalkomposita im Niederländischen oft durch komplexe Phrasen ersetzt werden. Weglassung treffen wir nur in,14% der Übersetzungen an, und Pronominalisierung sogar kein einziges Mal.

27 Im nachstehenden Säulendiagramm werden die Hauptübersetzungstypen für jede Art von Nominalkompositum vorgestellt. Die absoluten Zahlen stehen in den Säulen, während die Prozentsätze von der vertikalen Achse abzulesen sind. 1% 9% 8% 7% 6% 5% 4% 3% 2% 1% % Verhältnis der Hauptübersetzungstypen pro Art von Nominalkompositum 91 487 4 64 22 14 1 1 13 NN VN AN PräpN AdvN PräfixN NumN Diagramm 4: Verhältnis der Hauptübersetzungstypen pro Art von Nominalkompositum 9 2 2 1 Weglassung Pronominalisierung Paraphrasierung Identifizierung Aus Diagramm 4 leiten wir ab, dass das Verhältnis zwischen den Hauptübersetzungstypen für jede Art von Nominalkompositum verschieden ist. Außerdem stellt sich heraus, dass Identifizierung der Übersetzungstyp ist, der bei allen Arten von Nominalkomposita, außer bei den AN- und PräfixN-Komposita, am häufigsten benutzt wird. Tabelle 3 enthält nicht nur die Daten von den vier Hauptübersetzungstypen, sondern auch die von allen Unterkategorien der Übersetzungstypen. Für jede Art von Nominalkompositum sind jeweils die absoluten Zahlen und die Prozentsätze abzulesen in Tabelle 3. Die Summe der analysierten Komposita ist nicht 4, sondern 711, wegen des Unterschiedes zwischen Typen und Tokens (siehe Kapitel 5).

Identifizierung -Unverzweigtes Kompositum -Simplex / Derivat - Verzweigtes Kompositum Paraphrasierung -Adjektivkonstruktion -Nomen mit genitivischem van -Nomen mit einer anderen Präposition -Konstruktion mit Verb -Apposition -Genitivkonstruktion NN VN AN PräpN AdvN PräfixN NumN Insgesamt Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % 487 44 46 1 91 36 29 12 6 4 3 1 84,26 64 56 8 15,74 4 2 1 1 94,12 14 13 1 5,88 22 21 1 38,89 13 11 2 61,11 1 1 86,66 9 7 2 1 2 2 5 1 1 1 59 527 62 1 -Konstruktion mit Relativsatz Pronominalisierung Weglassung 1 6,67 1,14 Insgesamt 578 1 68 1 36 1 15 1 26 1 4 1 1 1 711 1 Tabelle 3: Frequenz der Übersetzungstypen mit ihren Unterkategorien 6,67 2 2 5 12 61 3 14 7 4 3 1 82,98 16,88 28

29 Wir weisen darauf hin, dass bei den NN-Komposita fast alle Übersetzungstypen vertreten sind, während bei den anderen Arten von Nominalkomposita nur ein paar Übersetzungstypen vorkommen. Das stimmt überein mit der Annahme von De Metsenaere et al. (214: 71-72), dass bei den NN-Komposita alle Übersetzungstypen vertreten sind, während bei den VN- Komposita nur wenige Übersetzungstypen vorkommen. Einer der Gründe dieser Tendenz ist, dass die häufigsten Nominalkomposita in der Kompositaliste nun einmal die NN-Komposita sind (siehe 9.1). De Metsenaere et al. (214: 72) zufolge, kann dieser Variationsunterschied noch andere Gründe haben: so spielen die Eigenschaften des Erstglieds möglicherweise eine Rolle. Weitere Studien müssen für Klarheit sorgen. Die Annahme von Hüning & Schlücker (21: 9), dass interne Verzweigung häufiger vorkommt im Deutschen als im Niederländischen, wird in unserer Kompositaliste ebenfalls bestätigt. Wir fanden nämlich 19 intern verzweigte deutsche Nominalkomposita, die, wie erwähnt, in der Restkategorie untergebracht wurden. Nur 5 dieser 19 intern verzweigten Nominalkomposita wurden ins Niederländische auch anhand eines intern verzweigten Kompositums übersetzt. Anschließend wollen wir herausfinden, was das Verhältnis der verschiedenen Übersetzungstypen innerhalb der Hauptübersetzungstypen ist. In den beiden nachstehenden Diagrammen wird dieses Verhältnis für die Hauptübersetzungstypen Identifizierung bzw. Paraphrasierung dargestellt. Unterkategorien von Identifizierung,17% 1,51% Unverzweigtes Kompositum Simplex / Derivat 89,32% Verzweigtes Kompositum Diagramm 5: Unterkategorien von Identifizierung

3 Die Unterkategorie die am häufigsten bei den Identifizierungen vorkommt, ist das unverzweigte Kompositum (89,32%). Am Zweithäufigsten sind die Simplexe/Derivate mit 1,51%. Das verzweigte Kompositum (,17%) kommt nur ein einziges Mal in der Übersetzung vor. 3,33% 5,83% Unterkategorien von Paraphrasierung 2,5%,83% 11,67% 5,83% 25% Adjektivkonstruktion Nomen mit genitivischem van Nomen mit einer anderen Präposition Konstruktion mit Verb Apposition Genitivkonstruktion Konstruktion mit Relativsatz Diagramm 6: Unterkategorien von Paraphrasierung Die Unterkategorie die am häufigsten bei den Paraphrasierungen auftritt, ist die Adjektivkonstruktion mit 5,83%, gefolgt von den Nomina mit genivischem van (25%), den Nomina mit einer anderen Präposition (11,67%), den Konstruktionen mit Verb (5,83%), den Appositionen (3,33%), den Genitivkonstruktionen (2,5%) und den Konstruktionen mit Relativsatz (,83%). Zum Schluss vergleichen wir unsere Daten mit den Ergebnissen von De Metsenaere et al. (214). Da in dieser Studie aus 214 nur die NN- und VN-Komposita analysiert wurden, haben wir für den Vergleich auch nur diese Daten aus unserer Kompositaliste in Betracht genommen. In Tabelle 4 wird der Vergleich gemacht, wobei DM für De Metsenaere et al. (214) und DB für De Bock (215) steht.

Identifizierung -Unverzweigtes Kompositum -Simplex / Derivat - Verzweigtes Kompositum Paraphrasierung -Adjektivkonstruktion -Nomen mit genitivischem van -Nomen mit einer anderen Präposition -Konstruktion mit Verb -Apposition -Genitivkonstruktion -Konstruktion mit Relativsatz NN VN Insgesamt DM DB DM DB DM DB Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % Zahl % 866 745 93 28 229 63 62 41 35 22 6 78,51 487 44 46 1 2,76 91 36 29 12 6 4 3 1 84,26 77 54 23 15,74 9 4 5 89,53 64 56 8 1,47 4 2 1 1 94,12 943 799 116 28 5,88 238 67 62 41 4 22 6 79,31 551 496 54 1 2,2 95 38 29 13 Pronominalisierung 1,9 1,8 Weglassung 7,64 7,59 Insgesamt 113 1 578 1 86 1 68 1 1189 1 646 1 Tabelle 4: Frequenz der Übersetzungstypen 7 4 3 1 85,29 14,71 31

32 Obwohl die Unterschiede zwischen beiden Studien ziemlich gering sind, gibt es, sowohl bei den NN- als bei den VN-Komposita, prozentual weniger Identifizierungen und mehr Paraphrasierungen in den Übersetzungen von De Metsenaere et al. (214). Diese Unterschiede können einem Unterschied in Textgenre zwischen den analysierten Romanen zugeschrieben werden. 9.3 Was ist das Verhältnis zwischen den identischen und nicht-identischen Übersetzungen? Wie erwähnt in Kapitel 6, teilt Campe (28) die Übersetzungstypen in zwei große Kategorien ein: die identischen und die nicht-identischen Übersetzungen. Die nichtidentischen Übersetzungen werden weiter in nicht-identische Komposita und andere Konstruktionen unterteilt. Mit obiger Teilfrage wollen wir uns eine Übersicht über das Verhältnis zwischen den identischen und nicht-identischen Übersetzungen verschaffen. Die Ergebnisse von Campe (28) auf diese Teilfrage wurden verglichen mit den Daten aus unserer Kompositaliste und dieser Vergleich resultiert in Diagramm 7. Identische nicht-identische Übersetzungen Campe (28) De Bock (215) 45,45% 43,34% 45% 55% 54,57% 54,55% 45,43% 56,66% Identische Übersetzung Nicht-identische Übersetzung Nicht-identisches Kompositum Andere Konstruktion Diagramm 7: Identische nicht-identische Übersetzungen (Quelle: Campe (28)) Es gibt verschiedene Unterschiede zwischen beiden Diagrammen. Im Korpus von Campe (28) wird mehr nicht-identisch als identisch übersetzt, während dieses Verhältnis in unserer Kompositaliste umgekehrt ist. Eine der möglichen Erklärungen dafür ist, dass Campe nur die

33 Übersetzungen von NN-Komposita betrachtet hat, und wir die Übersetzungen von allen Arten von Nominalkomposita. Das Verhältnis zwischen den nicht-identischen Komposita und den anderen Konstruktionen hingegen, ist sich in den beiden Korpora sehr ähnlich. 9.4 Wie viele Komposita werden anhand eines Kompositums bzw. anhand einer anderen Konstruktion übersetzt? Oft werden die Nominalkomposita als (identische oder nicht-identische) Komposita übersetzt, aber manchmal anhand anderer Konstruktionen. Campe (28) hat dieses Verhältnis zwischen beiden Übersetzungstypen in ihrem Korpus untersucht. Sie hat berechnet, wie viele Übersetzung die Form eines Kompositums bzw. die Form einer anderen Konstruktion haben. Um die Zahl der Komposita herauszufinden, müssen wir die identischen Übersetzungen und die nicht-identischen Komposita (siehe 9.3) addieren. Die restliche Zahl sind dann die Komposita, die anhand einer anderen Konstruktion übersetzt werden. Dieses Verhältnis wurde schon für andere Übersetzungspaare mit Deutsch als Ausgangssprache berechnet. Bossong (1981) und Ermlich (24) haben in ihrem deutschfranzösischen bzw. deutsch-englischen Korpus dieses Verhältnis erforscht. Laut Bossong (1981) wird aus dem Deutschen ins Französische, eine romanische Sprache, nur 5% der Komposita als Kompositum und 95% anhand einer anderen Konstruktion übersetzt: der Übersetzungstyp, der in dieser Übersetzungsrichtung (D F) am häufigsten vorkommt, ist laut dieser Studie die Paraphrasierung mit genitivischem van. Im Korpus von Ermlich (24) in der Übersetzungsrichtung Deutsch-Englisch, wird 5% der Komposita als Kompositum und 5% anhand einer anderen Konstruktion übersetzt. Campe (28) traf in ihrem Korpus Deutsch-Niederländisch 7% Komposita an die anhand eines Kompositums übersetzt wurden und 3% Übersetzungen in der Form einer anderen Konstruktion. Diese hohe Zahl der Übersetzungen in der Form eines Kompositums war zu erwarten, da das Niederländische, genauso wie das Englische, eine germanische Sprache ist. Wir haben dieses Verhältnis auch in unserer Kompositaliste (ebenfalls Deutsch-Niederländisch, wie Campe (28)) untersucht. 528 der 711 Komposita (74,26%) schienen anhand eines Kompositums und 183 der 711 (25,74%) anhand einer anderen Konstruktion übersetzt zu werden. Tabelle 5 verschafft uns eine Übersicht der oben genannten Zahlen.

34 Deutsch-Französisch (Quelle: Bossong (1981)) Deutsch-Englisch (Quelle: Ermlich (24)) Deutsch-Niederländisch (Quelle: Campe (28)) Deutsch-Niederländisch (De Bock (215)) Verhältnis Komposita andere Konstruktionen Übersetzung mittels eines Kompositums (%) Übersetzung mittels einer anderen Konstruktion (%) 5% 95% 5% 5% 7% 3% 74,26% 25,74% Tabelle 5: Verhältnis Komposita andere Konstruktionen (Quellen: Bossong (1981), Ermlich (24) und Campe (28)) Unsere Ergebnisse ähneln den Ergebnissen von Campe (28), obwohl Campe nur die Übersetzungen der NN-Komposita analysiert hat und wir alle Arten von Nominalkomposita. Der Grund dieser Übereinstimmung ist wahrscheinlich, dass es sich in beiden Studien um dieselbe Übersetzungsrichtung und dasselbe Übersetzungspaar handelt. 9.5 Werden die festen Komposita anders übersetzt als die Ad-hoc-Komposita? Campe (28) hat in ihrer Studie untersucht, ob Komposita die im Wörterbuch vorkommen, feste Komposita genannt, anders übersetzt werden als Komposita, die nicht im Wörterbuch vorkommen, Ad-hoc-Komposita oder Neologismen genannt. Wir nehmen an, dass Wörter mit einer Übersetzung im Wörterbuch Van Dale Deutsch-Niederländisch, feste Komposita in der deutschen Standardsprache sind. Es hat sich herausgestellt, dass 55% der Komposita im Korpus von Campe (28) im Van Dale Wörterbuch vorkam und die übrigen 45% nicht. Anschließend hat sie kalkuliert, wie groß die Chance ist, dass, wenn es eine Wörterbuchübersetzung gibt, sich der Übersetzer auch tatsächlich für diesen Vorschlag entscheidet. Sie konkludiert, dass der Übersetzer in 72,72% der Fälle diese Wörterbuchübersetzung wählt, und in den übrigen 27,27% eine andere Konstruktion. Diese Prozentsätze wurden auch auf unsere Kompositaliste berechnet. 213 der 4 Komposita (53,25%) in unserer Kompositaliste kommen im Van Dale Wörterbuch Deutsch- Niederländisch vor. Die übrigen 187 Komposita, oder 46,75%, stehen nicht in diesem Wörterbuch. Diese Zahlen sind fast identisch mit den Ergebnissen von Campe (28). Es