BVSK-RECHT AKTUELL 2014 / KW 04 Gutscheine für Folgereparaturen als Nachlass auf die Selbstbeteiligung beim Glasschaden sind wettbewerbswidrig OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2013, AZ: 4 U 31/13 Die Klägerin hatte zwei Testkunden eingesetzt, die bei der beklagten Reparaturwerkstatt vorgeben sollten, Glasschäden als Kaskoschaden reparieren zu lassen. Die Testkunden kamen mit der Werkstatt überein, dass diese einen Nachlass auf die Selbstbeteiligung in Form eines Gutscheins für eine Folgereparatur gewährt. Die Klägerin hat die beklagte Reparaturwerkstatt abgemahnt.... (weiter auf Seite 2) Erstattungsfähigkeit einer kostengünstigen Reparaturkalkulation im Bagatellschadenfall AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 30.12.2013, AZ: 18 C 329/13 Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung der Vergütung für eine Reparaturkalkulation in Höhe von 76,76 aus abgetretenem Recht. Der Geschädigte hatte den Unfallschaden an seinem Fahrzeug durch die Klägerin feststellen lassen. Da der Schaden unterhalb der Bagatellschadengrenze lag, wurde er nicht im Rahmen eines Sachverständigengutachtens, sondern in Form eines Kostenvoranschlages festgestellt. (weiter auf Seite 4) Zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten bei fiktiver Abrechnung, Sachverständigenhonorar nach BVSK, Auskunftsanspruch des Geschädigten bzgl. der über ihn und sein Fahrzeug gespeicherten Daten AG Bremen, Urteil vom 12.03.2013, AZ: 18 C 156/12 Die Parteien streiten über die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten sowie der erforderlichen Nettoreparaturkosten. Die Beklagten zahlten unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht der Dekra lediglich einen Teil der Reparaturkosten und kürzten die Sachverständigenkosten. (weiter auf Seite 5) Keine Wartefrist bei Restwertverkauf AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 05.12.2013, AZ: 915 C 397/13 Das Fahrzeug des Unfallgeschädigten hatte einen Totalschaden erlitten. Der Gutachter hatte den Restwert durch Einholung von drei Geboten am allgemeinen, regionalen Markt mit 1.850,00 ermittelt. (weiter auf Seite 7) Erforderliche Mietwagenkosten Schätzung nach Schwacke AG Lübeck, Urteil vom 25.10.2013, AZ: 30 C 2973/12 Der Geschädigte trat seine Schadenersatzansprüche an den Kläger ab. Da die Beklagte (Kfz- Haftpflichtversicherung auf Unfallgegnerseite) vorgerichtlich lediglich Mietwagenkosten in Höhe von 540,78 bezahlte und hierbei auf die sogenannte Fraunhofer-Studie verwies, machte der Kläger die Differenz aus abgetretenem Recht vor dem AG Lübeck geltend und gewann vollumfänglich. (weiter auf Seite 9)
Gutscheine für Folgereparaturen als Nachlass auf die Selbstbeteiligung beim Glasschaden sind wettbewerbswidrig OLG Hamm, Urteil vom 12.11.2013, AZ: 4 U 31/13 Hintergrund Die Klägerin hatte zwei Testkunden eingesetzt, die bei der beklagten Reparaturwerkstatt vorgeben sollten, Glasschäden als Kaskoschaden reparieren zu lassen. Die Testkunden kamen mit der Werkstatt überein, dass diese einen Nachlass auf die Selbstbeteiligung in Form eines Gutscheins für eine Folgereparatur gewährt. Die Klägerin hat die beklagte Reparaturwerkstatt abgemahnt. Die Beklagte wehrt sich gegen die Vorwürfe zum einen damit, dass keine wettbewerbswidrigen Beeinflussungen erfolgt seien, da es sich bei den Kunden nur um Testpersonen handelte. Weiterhin seien solche Rabatte in der Branche üblich und schließlich wäre die Gutscheingewährung in der Anlockwirkung stark gemindert, da ein weiterer Vertragsschluss erforderlich wäre und schließlich hätten die Testpersonen damit rechnen müssen, dass der Gutscheinwert auf der Rechnung ausgewiesen worden und dann in der Abrechnung der Kaskoversicherung berücksichtigt worden wäre. Das OLG Hamm wies die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Essen zurück und erkannte damit ebenfalls einen Wettbewerbsverstoß. Aussage Das OLG Hamm sah zunächst keinen begründeten Einwand darin, dass es sich bei den Kunden lediglich um Testpersonen handelte, da es ausreicht, dass die Handlungen des Wettbewerbers objektiv geeignet sind, einen Kunden zu beeinflussen. Weiterhin hatten die Mitarbeiter der Beklagten die Kunden darauf hingewiesen, dass die Versicherung von dem gewährten Vorteil nichts erfahre, sodass die Gutscheingewährung eben nicht auf der Rechnung der Beklagten erscheinen würde. Nach dem Versicherungsvertrag hat der Kunde Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten. Dabei hat er die Interessen des Versicherers insoweit zu berücksichtigen, als er die Kosten der Reparatur gering zu halten und zutreffende Angaben zu den Kosten der Reparatur zu machen hat. Die Wahl der Reparaturwerkstatt wird durch die Gutscheingewährung beeinflusst. Daran ändert sich auch nichts, dass zur Realisierung des Vorteils der Abschluss eines weiteren Vertrages notwendig ist. Insoweit verweist es auf die Rechtsprechung des BGH zu den Tankgutscheinen. Zwar ist grundsätzlich das Werben mit Preisnachlässen zulässig. Im Fall der Kaskoabrechnung stellt sich jedoch folgende Besonderheit dar: Entsprechende Angebote unterliegen jedoch einer Missbrauchskontrolle, wenn der angesprochene Verkehr bei Entscheidungen, die er zu treffen hat, auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat. Soweit ein Versicherungsnehmer die Interessen des Versicherers wahrzunehmen hat, verstößt das Versprechen eines Vorteils zu seinen Gunsten gemäß 3 Abs. 2 S. 1 UWG gegen die geltende fachliche Sorgfalt, wenn der Versicherungsnehmer dadurch veranlasst werden kann, auf das Angebot einzugehen, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten (vgl. insoweit noch zu 4 Nr. 1 UWG BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06, BeckRS 2008, 08816). Die von der Klägerin beanstandeten Angebote sprechen die Halter von Kraftfahrzeugen an, für die eine Kaskoversicherung besteht. Diese erhalten einen Gutschein für den Abschluss eines Vertrags, für dessen Kosten sie selbst nur in Höhe des Selbstbehalts 2 / 10
und im Übrigen die Versicherer aufkommen müssen. Nach 7 Abs. 2 Satz 2 AKB sind sie gehalten, alles zu tun, was der Minderung des Schadens dienen kann. Dies schließt neben der Verpflichtung, die Kosten für die Reparatur niedrigzuhalten, auch ein, dass dem Versicherer gegenüber zutreffende Angaben zu den Kosten der Reparatur gemacht werden. Die nach dem Versicherungsvertrag gebotene objektive Entscheidung wird durch die von der Beklagten versprochene Gewährung eines Gutscheins beeinträchtigt. Der Kunde hat in der Regel durch die Beauftragung einer günstigeren Werkstatt keine wirtschaftlichen Vorteile. Demgegenüber profitiert er unmittelbar von den von der Beklagten versprochenen Vergünstigungen, wenn er bereit ist, diesen Vorteil seinem Versicherer zu verschweigen (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06, BeckRS 2008, 08816). Das Angebot der Beklagten kann den angesprochenen Verbraucher veranlassen, die Beklagte unter Verletzung seiner Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag und gegebenenfalls insbesondere unter Ausschlagung eines gleichwertigen oder günstigeren Angebots eines Mitbewerbers allein deshalb zu beauftragen, weil er die von der Beklagten versprochenen Vorteile erlangen möchte. Von diesen Vorteilen geht auch, da es sich dabei um nicht gänzlich unerhebliche Beträge handelt, ein hinreichendes Maß an Einflussnahme aus. Zwar wird ein Teil der Marktteilnehmer bei der Schadensabwicklung seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag beachten und daher den ihm in Aussicht gestellten Vorteil an den Versicherer weiterleiten. Nach der Lebenserfahrung besteht jedoch bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung die Bereitschaft, die Interessen der Versicherer im Blick auf den eigenen Vorteil nicht hinreichend zu wahren (BGH, Versäumnisurteil vom 08.11.2007 - I ZR 121/06, BeckRS 2008, 08816). Praxis Entscheidend war in dieser Entscheidung, dass durch die Rabattgewährung des Reparaturbetriebes in das Verhältnis zwischen dem Kaskoversicherer und den Versicherungsnehmer eingegriffen wurde, die den Versicherungsnehmer dahingehend beeinflussen sollte, die ihm obliegenden Wahrung der Interessen des Versicherers durch finanzielle Anreize zu vernachlässigen. Das OLG Hamm hat in dieser Entscheidung auch klar herausgearbeitet, dass es ausreicht, wenn die Handlungen des Wettbewerbers objektiv geeignet sind, einen Wettbewerbsverstoß darzustellen, sodass der Einsatz von Testpersonen damit legitimiert wird. 3 / 10
Erstattungsfähigkeit einer kostengünstigen Reparaturkalkulation im Bagatellschadenfall AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 30.12.2013, AZ: 18 C 329/13 Hintergrund Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung der Vergütung für eine Reparaturkalkulation in Höhe von 76,76 aus abgetretenem Recht. Der Geschädigte hatte den Unfallschaden an seinem Fahrzeug durch die Klägerin feststellen lassen. Da der Schaden unterhalb der Bagatellschadengrenze lag, wurde er nicht im Rahmen eines Sachverständigengutachtens, sondern in Form eines Kostenvoranschlages festgestellt. Die Kalkulation fiel im Vergleich zu einem Sachverständigengutachten in ihrem Umfang und Inhalt deutlich geringer aus. Daher war auch die von der Klägerin geforderte Vergütung wesentlich geringer als die üblicherweise für ein Sachverständigengutachten anfallende Vergütung. Das AG Bad Oeynhausen gab der Klage vollumfänglich mit ausführlicher Begründung statt: Aussage Das AG Bad Oeynhausen führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass die Kosten für die Reparatur-Kalkulation zu den ersatzfähigen Schäden zählen. Aufgrund der Unterschreitung der Bagatellgrenze in Höhe von 700,00 war der Unfallgeschädigte nicht berechtigt, zur Feststellung der Schäden ein Sachverständigengutachten einzuholen. Vorliegend hatte sich der Geschädigte daher für ein kostengünstigeres Minus gegenüber der Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden und damit die Grundsätze der Schadenminderungspflicht gewahrt. Die Beklagte legte auch nicht dar, dass durch die Einholung eines Kostenvoranschlags in einer Kfz-Werkstatt keine oder geringere Kosten angefallen wären. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Werkstätten in der Praxis für den Fall einer anschließenden Reparatur die Kosten des Kostenvoranschlags voll auf ihre Werklohnforderung anrechnen und somit die Kosten nachträglich entfallen würden. Dem Geschädigten ist es grundsätzlich erlaubt, seinen Schaden auf fiktiver Basis abzurechnen. Würde man die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Kostenvoranschlages ablehnen, würde dies dazu führen, dass der Unfallgeschädigte bei einem Schaden unterhalb der Bagatellgrenze entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens, nämlich die für den Kostenvoranschlag verauslagten Kosten, nicht ersetzt bekäme. Ein solches Ergebnis liefe dem Sinn und Zweck des Schadenersatzrechts zuwider, wonach dem Geschädigten aus dem schädigenden Ereignis kein wirtschaftlicher Nachteil verbleiben soll. Praxis Das AG Bad Oeynhausen hält die Kosten eines Kurzgutachtens für erstattungsfähig, da der Geschädigte im Fall eines Bagatellschadens sonst entweder nicht auf fiktiver Basis abrechnen könnte oder bei Abrechnung auf fiktiver Basis einen Teil seines Schadens nämlich die Kosten des Kostenvoranschlags nicht ersetzt bekäme. 4 / 10
Zur Höhe der erstattungsfähigen Kosten bei fiktiver Abrechnung, Sachverständigenhonorar nach BVSK, Auskunftsanspruch des Geschädigten bzgl. der über ihn und sein Fahrzeug gespeicherten Daten AG Bremen, Urteil vom 12.03.2013, AZ: 18 C 156/12 Hintergrund Die Parteien streiten über die Höhe der zu erstattenden Sachverständigenkosten sowie der erforderlichen Nettoreparaturkosten. Die Beklagten zahlten unter Bezugnahme auf einen Prüfbericht der Dekra lediglich einen Teil der Reparaturkosten und kürzten die Sachverständigenkosten. Der Kläger wendet sich gegen diese Kürzungen mit dem Argument, die von der Beklagten benannten Referenzbetriebe seien nicht ausreichend qualifiziert und verfügten nicht über eine eigene Lackiererei, so dass auch dort Verbringungskosten anfielen. Zudem begehrt der Kläger Auskunft darüber, welche Daten über ihn und das verunfallte Fahrzeug bei der Beklagten gespeichert und an andere Firmen oder Personen weitergegeben wurden. Das AG Bremen gab der Klage vollumfänglich statt. Aussage Das Gericht bejahte den Anspruch des Klägers auf Erstattung der gesamten Netto- Reparaturkosten in der Höhe, wie sie vorgerichtlich im Sachverständigengutachten festgestellt worden waren. Zwar handelte es sich bei dem benannten Reparaturbetrieb um eine freie Fachwerkstatt, welche eine technisch gleichwertige Reparatur anbietet, allerdings konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden, dass es sich bei den angegebenen Preisen mit Blick auf Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten und UPE-Aufschläge um Sonderpreise für eine Versicherung oder um allgemein zugängliche Preise gehandelt hat. Im Ergebnis stand daher für das Gericht nicht fest, dass eine kostengünstigere Reparatur bei dem Referenzbetrieb tatsächlich möglich wäre. Das Gericht hält UPE-Aufschläge und Verbringungskosten im Falle fiktiver Abrechnung stets für erstattungsfähig. Da sich das Grundhonorar und die Nebenkosten überwiegend im HB V Korridor der BVSK- Honorarbefragung bewegten, hielt das Gericht die Sachverständigenkosten insgesamt für voll erstattungsfähig. Das Gesprächsergebnis BVSK HUK-Coburg 2009 stelle keine geeignete Schätzgrundlage für erforderliche Sachverständigenkosten dar, da darin eher Sonderkonditionen als marktübliche Preise enthalten sind. Das AG Bremen bejahte schließlich auch den Auskunftsanspruch des Klägers aus 34 I BDSG bezüglich der über ihn und das verunfallte Fahrzeug bei der Beklagten gespeicherten und an Dritte weitergegebenen Daten. Gemäß 34 I 1 Nr. 1 BDSG hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft zu erteilen, über die zu seiner Person gespeicherten Daten und gemäß 34 I 1 Nr. 2 BDSG über den Empfänger oder die Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden. Gemäß 34 I 2 BDSB soll der Betroffene die Art der personenbezogenen Daten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnen. Personenbezogene Daten sind im Sinne des BDSG dabei auch Einzelangaben über sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person ( 3 BDSG). Damit sind auch die über das im Eigentum des Klägers stehende Fahrzeug gespeicherte Daten erfasst. 5 / 10
Da eingereichte Sachverständigengutachten über Kfz-Schäden bei der Beklagten üblicherweise eingescannt und gespeichert werden, hat diese über die abgespeicherten Daten Auskunft zu erteilen. Diese Daten wurden an die Dekra weitergegeben, weshalb auch hierüber Auskunft durch die Beklagte zu erteilen war. Praxis Das AG Bremen stellt sich auf den Standpunkt, dass eine Verweisung bei Sonderkonditionen des benannten Referenzbetriebes unzulässig ist und dass UPE-Aufschläge sowie Verbringungskosten bei fiktiver Abrechnung stets zu erstatten sind. Weiter gibt das AG Bremen der BVSK-Honorarbefragung aufgrund ihrer Marktnähe gegenüber dem Gesprächsergebnis BVSK HUK-Coburg 2009 den Vorzug zur Ermittlung angemessener Sachverständigenkosten. Schließlich wird der aus dem Bundesdatenschutzgesetz resultierende Auskunftsanspruch bezüglich gespeicherter und weitergegebener Daten anschaulich dargestellt. 6 / 10
Keine Wartefrist bei Restwertverkauf AG Hamburg-St. Georg, Urteil vom 05.12.2013, AZ: 915 C 397/13 Hintergrund Das Fahrzeug des Unfallgeschädigten/ Klägers hatte einen Totalschaden erlitten, der Wiederbeschaffungswert lag bei 9.800,00. Der Gutachter hatte den Restwert durch Einholung von drei Geboten am allgemeinen, regionalen Markt mit 1.850,00 ermittelt. Der Geschädigte übermittelte das Gutachten vom 11.07.2013 am 15.07.2013 der Versicherung/ Beklagten und verkaufte an demselben Tag das Fahrzeug an den Höchstbietenden aus dem Gutachten für 1.850,00. Die Versicherung teilte mit Schreiben vom 18.07.2013 dem Geschädigten mit, dass ihr ein über eine Internet-Restwertbörse ermitteltes verbindliches Angebot für den Wagen in Höhe von 4.530,00 vorliege. Die Versicherung zahlte unter Zugrundelegung dieses höheren Restwertes daraufhin lediglich einen Betrag in Höhe von 5.270,00 an den Geschädigten aus. Der Geschädigte klagte auf die Differenz in Höhe von 2.680,00. Der Rechtsstreit drehte sich um die Frage, ob der Geschädigte verpflichtet ist, abzuwarten, ob die Versicherung innerhalb einer bestimmten Frist ein höheres Restwertgebot abgibt, und den Wagen dann zu diesem höheren Preis zu verkaufen. Nach der BGH-Rechtsprechung ist dies eindeutig nicht der Fall, der Geschädigte ist danach lediglich verpflichtet, auf ein höheres Gebot einzugehen, das ihm zum Zeitpunkt des Verkaufes bereits vorliegt, nicht aber auf ein solches höheres Gebot zu warten. Das OLG Köln hatte dies aber in einer Entscheidung vom 16.07.2012 (AZ: 13 U 80/12) anders gesehen. Aussage Das AG Hamburg-St. Georg hatte sich mit dieser abweichenden Auffassung des OLG Köln auseinanderzusetzen und begründet in überzeugender Weise, warum sie falsch sein dürfte: Der Geschädigte ist nur unter besonderen Umständen gehalten, eine sich bietende günstigere Verwertungsmöglichkeit wahrzunehmen, statt sein Fahrzeug in der grundsätzlich zulässigen Weise zum im Gutachten ermittelten Restwert zu veräußern. Derartige Ausnahmen müssen jedoch in engen Grenzen gehalten werden und dürften insbesondere nicht dazu führen, dass dem Geschädigten die von dem Schädiger gewünschte Verwertungsmethode aufgezwungen wird (vgl. u. a. BGH, U. v. 01.06.2010, VI ZR 316/09: zit. n. juris). Insoweit ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist (vgl. BGH a. a. O.). Ihm aufzuerlegen, (stets) abzuwarten, bis der Schädiger bzw. dessen Versicherung den Restwert geprüft und weitere Angebote eingeholt hat, würde diesen Umstand nach Ansicht des Gerichts weitgehend unberücksichtigt fassen. Die vom Sachverständigen ermittelten Angebote dürften nicht zeitlich unbegrenzt gültig sein. Dem Geschädigten würde durch die Pflicht abzuwarten, das Risiko aufgebürdet, durch den Zeitablauf, der durch die Prüfung seitens des Schädigers bzw. der Versicherung entsteht, die Möglichkeit der Realisierung des Restwertes zu den vom Sachverständigen ermittelten Bedingungen zu verlieren. Es kann nicht angenommen werden, dass der Schädiger bzw. seine Versicherung in jedem Fall ein günstigeres Angebot einholen kann, dessen Annahme dem Geschädigten auch zumutbar ist. Demnach würde man die Zulässigkeit der Verwertung entsprechend des eingeholten Sachverständigen und die Darlegungsund Beweislast des Schädigers bzw. seiner Versicherung für eine zumutbare günstigere Verwertungsmöglichkeit in einer Art und Weise zulasten des Geschädigten verschieben, die nach Ansicht des Gerichts nicht mehr von den vom BGH insoweit gezogenen Grenzen umfasst ist. Eine Pflicht zur Annahme des günstigeren und zumutbaren Verwertungsangebots, das der Schädiger bzw. seine Versicherung eingeholt hat, kann daher nach Ansieht des Gerichts grundsätzlich nur bestehen, wenn dieses dem 7 / 10
Geschädigten aus welchen Gründen auch immer bereits vor der Veräußerung vorliegt, wie es in der zitierten Entscheidung des BGH der Fall war. Das Gericht folgt daher nicht der in der Entscheidung des OLG K6ln vom 16.07.2012 (13 U 80/12; zit. n. juris) vertretenen anderen Ansicht. Das OLG Köln weitet nach Ansicht des Gerichts die Schadensminderungspflichten des Geschädigten dahingehend aus, dass es dem Schädiger bzw. dessen Versicherung ein Recht einräumt, dem Geschädigten Schadensminimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Schadensminderungspflicht des Geschädigten korrespondiert nach Ansicht des Gerichts aber nicht mit einem solchen Recht des Schädigers bzw. dessen Versicherung. Die dem Geschädigten ansonsten zustehenden Freiheiten bei der Schadensabwicklung würden dadurch zu sehr eingeschränkt. Nach Ansicht des Gerichts ist der Geschädigte nur verpflichtet, ihm bereits bekannte Schadensminderungsmöglichkeiten unter Umständen bei seiner Schadensabwicklung zu berücksichtigen. Ihm Aufzubürden, dem Schädiger bzw. der Versicherung immer erst noch die Möglichkeit einräumen zu müssen, eine solche überhaupt aufzeigen zu können, führte demgegenüber zu weit. Die Interessen des Schädigers und seiner Versicherung sind insoweit nach Ansicht des Gerichts bereits dadurch ausreichend gewahrt, dass die Ermittlung des Restwerts durch den Sachverständigen bestimmten Anforderungen unterliegt. Praxis Laut BGH-Rechtsprechung ist es dem Geschädigten erlaubt, sein Fahrzeug zu dem durch einen Sachverständigen am allgemeinen, regionalen Markt ermittelten Restwert sofort zu verkaufen, wenn ihm zu diesem Zeitpunkt kein höheres Gebot vorliegt, das er ohne Mühe realisieren könnte. Dies sieht das AG Hamburg-St- Georg genauso. 8 / 10
Erforderliche Mietwagenkosten Schätzung nach Schwacke AG Lübeck, Urteil vom 25.10.2013, AZ: 30 C 2973/12 Hintergrund Am 11.06.2012 erlitt die Ehefrau des Geschädigten gegen 11:00 Uhr in Reinfeld einen Verkehrsunfall, welchen der Unfallgegner unstreitig alleinig verursachte. Die Fahrerin fuhr nach dem Unfall gegen 15:30 Uhr zum Kläger (Autohaus) und verlangte ohne Vorreservierung gegen 17:00 Uhr ein Ersatzfahrzeug, da sie an einem Familientreffen anlässlich des Todestages der Mutter teilnehmen wollte. Zum Zeitpunkt der Anmietung war für die Fahrerin nicht abschätzbar, wie lange sie den Mietwagen benötigen würde und wie viele Kilometer sie mit diesem zurücklegen werde. Ansonsten nutzte der Geschädigte den beschädigten Fiat Punto selber aus beruflichen Gründen. Aufgrund des unmittelbar bevorstehenden Termins war die Fahrerin nicht in der Lage sich telefonisch nach anderen Vermietern zu erkundigen. Angemietet wurde für elf Tage, wofür Kosten in Höhe von 1.154,63 berechnet wurden. Der angemietete Pkw war der Fahrzeuggruppe 3 zuzuordnen. Die Abrechnung der Mietwagenkosten erfolgte anhand der Mietpreisempfehlung der Fiat-Autovermietung Fidis- Rent (Stand 01.10.2010), wobei diese wiederum auf der Grundlage der Schwacke-Liste 2009 basiert. Der Geschädigte trat seine Schadenersatzansprüche an den Kläger ab. Da die Beklagte (Kfz- Haftpflichtversicherung auf Unfallgegnerseite) vorgerichtlich lediglich 540,78 bezahlte und hierbei auf die sogenannte Fraunhofer-Studie verwies, machte der Kläger die Differenz aus abgetretenem Recht vor dem AG Lübeck geltend und gewann vollumfänglich. Aussage In der Abtretung der Mietwagenkosten seitens des Geschädigten an das Autohaus sah das AG Lübeck kein Problem. Die Abtretung sei gemäß 5 Abs. 1 RDG wirksam, da sich die Parteien lediglich über die Höhe der Mietwagenkosten stritten. Einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz sah das AG Lübeck mithin nicht. Sodann stellte das AG Lübeck fest, dass der Geschädigte als Ersatz den erforderlichen Herstellungsaufwand verlangen könne, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Zu der regelmäßigen Situation des Geschädigten bei der Anmietung nach einem Verkehrsunfall machte das AG Lübeck ausführliche Erläuterungen: Der Geschädigte wird durch den Unfall als unvorhergesehenes Ereignis von dem Schädiger in eine plötzliche und geänderte Situation, den Unfallschaden, geworfen, mit der er sich dann neu, und losgelöst von der regulären Planung seines Alltags auseinanderzusetzen hat. Deshalb ist es als Maßstab des verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen nachvollziehbar und konsequent, wenn ein in Zarpen bei Lübeck wohnender Geschädigter [ ] in Reinfeld einen Unfall erleidet und er für seine Beweglichkeit auf ein Fahrzeug angewiesen ist, vor Ort bei der Reinfeld am nächsten gelegenen Fiat- Reparaturwerkstatt, dem Kläger, einen Mietwagen anmietet, um etwa zurück nach Hause zu kommen oder weiter seiner eigentlichen Alltagsplanung folgen zu können." 9 / 10
Das AG Lübeck zog dann zur Ermittlung des erforderlichen Selbstzahlernormaltarifs im Rahmen einer Schadenschätzung gemäß 287 ZPO den Schwacke-Automietpreisspiegel heran. Diese Schätzgrundlage sah es gegenüber dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel als deutlich überlegen an. Sie gehe auf die Örtlichkeiten durch eine genauere Differenzierung der Postleitzahlen besser ein. Damit werde sie der Situation des Unfallgeschädigten, welcher unversehens mit einem beschädigten Auto zur nächstgelegenen Reparaturwerkstätte abgeschleppt wird, eher gerecht. Realistischer und damit überlegen sieht das AG Lübeck den Schwacke-Automietpreisspiegel auch im Hinblick auf die Art der Datenerhebung an. Diese komme der Situation eines Unfallgeschädigten näher, der unter Zeitdruck bestehende Preislisten vergleichen kann, nicht aber bei verschiedenen Mietwagenanbietern Telefonauskünfte erhält, die dann hinsichtlich des einen oder anderen Betreffs etwa der möglichen Mietdauer dann doch nicht zutreffend seien (so auch LG Lübeck, Urteil vom 25.06.2009, AZ: 14 S 111/08). Das Gericht schätzte dann die erforderlichen Mietwagenkosten anhand der zeitlich zutreffenderen Liste, dem Schwacke-Automietpreisspiegel 2011, da der Schwacke- Automietpreisspiegel 2012 erst im Oktober zur Verfügung stand. Die Kosten der Haftungsreduzierung wurden aufgrund des Umstandes, dass diese erst bei der Schwacke- Liste 2012 mit eingepreist waren, gesondert berücksichtigt. Die zusätzlichen Kosten der Haftungsreduzierung seien zu berücksichtigen, weil die Vereinbarung des Geschädigten mit dem Autovermieter über eine Haftungsreduzierung zur Abdeckung seines eigenen Haftungsrisikos gegenüber dem Autovermieter für eventuelle Schäden an dem Mietwagen lebensnah und adäquat kausal sei. Die Vergleichsberechnung ergab einen Tarif, welcher im Wesentlichen mit dem konkret berechneten Betrag übereinstimmte, sodass das AG Lübeck die ausstehenden Mietwagenkosten vollumfänglich zusprach. Praxis Das AG Lübeck stützt sich bei seiner Schadenschätzung zu Recht auf den Schwacke- Automietpreisspiegel und gibt dieser Schätzgrundlage gegenüber dem Fraunhofer- Marktpreisspiegel wohlbegründet den Vorzug. Besonders zu begrüßen sind die lebensnahen und praxisrelevanten Aussagen des AG Lübeck zur regelmäßigen Situation des Geschädigten, welche in der Datenerhebung des Schwacke-Verlages am besten berücksichtigt werden: Der Geschädigte kann doch in seiner Situation, in der er meist nach dem Unfall unter Zeitund Geldnot leidet und auch noch gar nicht exakt sagen kann, wie lange er anmietet, nicht auf irgendwelche Telefon- oder Werbeangebote überregional tätiger Internetanbieter zurückgreifen, welche ihm häufig gar nicht zur Verfügung stehen würden. Genau diese Tarife ermittelte das Fraunhofer-IAO allerdings schwerpunktmäßig. Fraunhofer ermittelte damit an der konkreten Situation des Geschädigten vorbei. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers drückte dies in seinen Schriftsätzen zutreffend und sinngemäß damit aus, dass es sich bei dem Fraunhofer-Marktpreisspiegel letztendlich lediglich um ein Parteigutachten der Versicherungswirtschaft handele, welches zur Schadenschätzung gar keine Verwendung finden könne. 10 / 10