DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE



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DIE RADIODOKTOR-INFOMAPPE Ein Service von: ORF A-1040 Wien, Argentinierstraße 30a Tel.: (01) 50101/18381 Fax: (01) 50101/18806 Homepage: http://oe1.orf.at Österreichische Apothekerkammer A-1091 Wien, Spitalgasse 31 Tel.: (01) 404 14-600 Fax: (01) 408 84 40 Homepage: www.apotheker.or.at Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit A-1030 Wien, Radetzkystr. 2 Tel.: (01) 71100-4505 Fax: (01) 71100-14304 Homepage: www.bmg.gv.at/ RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 1

RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT Die Sendung Die Sendereihe Der Radiodoktor ist seit 1990 das Flaggschiff der Gesundheitsberichterstattung von Ö1. Jeden Montag von 14.05 bis 14.40 Uhr werden interessante medizinische Themen in klarer informativer Form aufgearbeitet und Ö1- Hörerinnen und -Hörer haben die Möglichkeit, telefonisch Fragen an das hochrangige Expertenteam im Studio zu stellen. Wir über uns Seit September 2004 moderieren Univ.-Prof. Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und Dr. Christoph Leprich die Sendung. Das Redaktionsteam besteht aus Mag. Nora Kirchschlager, Martin Rümmele, Dr. Michaela Steiner, Mag. Dominique Stiefsohn, Dr. Ronny Tekal und Dr. Christoph Leprich. Das Service Seit dem 3. Oktober 1994 gibt es das, die Sendereihe flankierende, Hörerservice, das auf größtes Interesse gestoßen ist. Die zu jeder Sendung gestaltete Infomappe mit ausführlichen Hintergrundinformationen, Buchtipps und Anlaufstellen wird kostenlos zur Verfügung gestellt und ist bereits am Sendungstag auf der Ö1-Homepage zu finden. Diese Unterlagen stellen in der Fülle der behandelten Themen ein Medizin- Lexikon für den Laien dar. Die Partner Ermöglicht wird die Radiodoktor-Serviceleiste durch unsere Partner: die Österreichische Apothekerkammer und das Österreichische Bundesministerium für Gesundheit. An dieser Stelle wollen wir uns ganz herzlich bei unseren Partnern für die gute Zusammenarbeit bedanken! Wir bitten um Verständnis, dass wir aus Gründen der besseren Lesbarkeit in dieser Infomappe zumeist auf die weiblichen Endungen, wie z.b. PatientInnen, ÄrztInnen etc. verzichtet haben. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 2

SCHLECHTE BLUTFETTE GUTES GESCHÄFT MIT STATINEN? Mit Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger 16. Dezember 2013, 14.05 Uhr, Ö1 Sendungs- und Infomappengestaltung: Dr. Michaela Steiner und Dr. Christoph Leprich Redaktion: Dr. Christoph Leprich RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 3

INHALTSVERZEICHNIS INHALTSVERZEICHNIS SCHLECHTE BLUTFETTE GUTES GESCHÄFT MIT STATINEN? 5 DER FETTSTOFFWECHSEL 6 Triglyzeride 6 Phospholipide 7 Cholesterin 7 Lipoproteine 7 Cholesterin und Genetik 8 FETTSTOFFWECHSELSTÖRUNGEN 8 ERKRANKUNGSRISIKO DURCH FETTSTOFFWECHSELSTÖRUNGEN 9 Individuelle Risikoabschätzung 9 LEBENSSTILMODIFIKATION 10 MEDIKAMENTÖSE THERAPIE 11 Statine 11 Ezetimib 12 Ionenaustauscher 12 Fibrate 13 Nikotinsäure 13 PCSK-9-Hemmer 13 CETP-Modulatoren und CETP-Hemmer 13 PFLANZENSTERINE 14 WAS LEITLINIEN EMPFEHLEN 15 Die europäischen Leitlinien 15 Der österreichische Lipid-Konsensus 15 Die US-amerikanischen Leitlinien 16 WER VON STATINEN WIRKLICH PROFITIERT 17 Number needed to treat 17 Primär- und Sekundärprävention 17 Kritik an den amerikanischen Leitlinien 18 GUTE AUFKLÄRUNG ESSENTIELL 18 ANLAUFSTELLEN 20 INFOLINKS 21 BUCHTIPPS 22 SENDUNGSGÄSTE 23 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 4

SCHLECHTE BLUTFETTE GUTES GESCHÄFT MIT STATINEN? Mit nahezu 43 Prozent stehen Herz-Kreislauferkrankungen in Österreich nach wie vor an der Spitze der Todesursachen. Daher wird intensiv nach den Ursachen für diese Erkrankungen gesucht. Bekannte, jedoch unbeeinflussbare Risikofaktoren für Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sind Alter, Geschlecht und genetische Veranlagung. Beeinflussbare Risikofaktoren stellen Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel dar, ebenso wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und eine schlechte Konstellation der Blutfette. Diese ungünstige Konstellation besteht in erster Linie in einer Erhöhung des bösen LDL-Cholesterins und der Triglyzeride, in geringerem Ausmaß in erniedrigtem gutem HDL-Cholesterin (siehe unten). Die Wirksamkeit von Statinen zur Senkung des LDL-Cholesterins ist seit Jahren belegt. Diese Substanzen senken die körpereigene Produktion von Cholesterin in der Leber. Außerdem geht man davon aus, dass die Statine auch weitere indirekte Wirkungen (sog. pleiotrope Effekte) haben: Sie sollen den Prozess der Gefäßverkalkung verlangsamen und bereits bestehende Verkalkungsherde in den Gefäßwänden stabilisieren. Einen Schutz vor Herz-Kreislauferkrankungen bieten diese Substanzen aber nachgewiesenermaßen nur jenen Patienten, die ein hohes Risiko für eine solche Erkrankung haben. Nach den Empfehlungen der neuen US-amerikanischen Leitlinien zur Behandlung des Cholesterins zwecks Reduktion des kardiovaskulären Risikos sollten nun aber auch Menschen mit nur geringem Risiko Statine einnehmen. Dies ruft selbst unter den Experten Kritiker auf den Plan, die den Autoren der Leitlinien vorwerfen, den Pharmafirmen zuzuarbeiten. Wir wollen Ihnen mir dieser Informationsmappe wissenschaftlich gesicherte Fakten und den aktuellen Diskussionsstand rund um Lipide und Statine näherbringen. Quelle: Statistik Austria: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/gesundheit/todesursachen/todesursache n_ausgewaehlte/. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 5

DER FETTSTOFFWECHSEL Unsere Nahrung setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen (Nährstoffen) zusammen. Zu den drei Hauptnährstoffen zählen Eiweiße, Kohlenhydrate und Lipide (Fette). Weitere wichtige Nahrungskomponenten sind: Vitamine, Wasser und Mineralstoffe, Spurenelemente und Ballaststoffe. Die Hauptnährstoffe (Eiweiß, Kohlenhydrate, Fette) dienen nicht nur als Energielieferanten, sondern sind gleichzeitig für den Aufbau und für die Erneuerung körpereigener Strukturen zuständig. Während Eiweiße vor allem dem Aufbau der Muskulatur, des Blutplasmas und der Enzyme dienen, fungieren Kohlenhydrate und Lipide als Energielieferanten und Speicherstoffe zugleich. Eine besondere Bedeutung kommt den Lipiden zu. Sie dienen zum einen als so genanntes Depotfett zur langfristigen Energiereserve, worauf der Körper im Bedarfsfall zurückgreifen kann. Zum anderen erfüllen sie als Organfett, das manche Organe (wie z.b. die Niere) in ihrer natürlichen Lage fixiert und durch einen Fettpolster schützt, eine lebensnotwendige Aufgabe. Zudem sind Fette Bestandteil von Körperstrukturen wie zum Beispiel Zellmembranen und das Gehirn besteht zu einem großen Teil aus Cholesterin. Lipide werden mit der Nahrung aufgenommen oder auch teilweise im Körper selbst produziert. Sie sind wasserunlöslich und benötigen ein Vehikel, so genannte Lipoproteine, die einen Transport der Fette im Blut überhaupt erst möglich machen. Diese Transportmittel binden z.b. Cholesterin, welches auf diese Weise vom Verdauungstrakt zur Leber und den Zellen transportiert werden kann. Lipide werden in drei große Gruppen eingeteilt: die Triglyzeride, die Phospholipide und das allseits bekannte Cholesterin. Triglyzeride Triglyzeride sind so genannte Neutralfette, die aus der Nahrung zugeführt werden und vom Blut mit Hilfe von Lipoproteinen sehr geringer Dichte (VLDL) in die Körperfettdepots transportiert werden. Zucker zum Beispiel wird sofern er nicht zur Energiegewinnung dient in Triglyzeride umgewandelt und anschließend im Fettgewebe gespeichert. Normalerweise wird der Anteil der Triglyzeride immer kleiner, je länger die Lipoproteine im Blut zirkulieren, denn Muskel- und Fettzellen nehmen einen großen Teil der Triglyzeride sofort auf. Werden Triglyzeride aber nicht richtig verwertet, führt dies zu einer Veränderung der Zusammensetzung der RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 6

Transportproteine und macht sie damit gefährlicher für arteriosklerotische Veränderungen der Gefäßwände. Hohe Triglyzeridspiegel kommen etwa durch Bewegungsmangel, Übergewicht und erhöhtem Alkoholkonsum zustande. Die Bedeutung eines erhöhten Triglyzeridspiegels für Herz-Kreislauferkrankungen wurde lange Zeit unterschätzt. Die so genannte Hypertriglyzeridämie (Triglyzeridspiegel höher als 200 mg/dl) in Kombination mit einem niedrigen Wert des guten HDL-Cholesterins erhöht das Arteriosklerose-Risiko deutlich. Phospholipide Phospholipide, auch Lecithine genannt, zählen zu den wichtigsten Bausteinen jeder Körperzelle und sind am Aufbau und der Funktion wichtiger Organe, wie z.b. Herz, Leber und Nieren, aber auch des Hirn- und Nervengewebes beteiligt. Cholesterin Beim Cholesterin handelt es sich um eine fettähnliche, wasserunlösliche Substanz, die in allen Zellen des menschlichen Körpers vorkommt. Unsere Leber bildet täglich eigenständig etwa 700 mg Cholesterin und nimmt weitere rund 300 mg über die Nahrung auf. Cholesterin hat im Körper mannigfaltige Aufgaben. Es ist u.a. die Ausgangssubstanz zur Produktion weiblicher und männlicher Hormone (Östrogene, Gestagene und Androgene) und stellt den Ausgangsstoff für die Bildung von Gallensäuren dar. Des Weiteren ist es Bestandteil der Zellmembranen, wichtig für die Produktion von Vitamin D und es schützt die Nerven. Außerdem besteht unser Gehirn zu zehn Prozent aus reinem Cholesterin. Die Begriffe gutes und böses Cholesterin sind gemeinhin bekannt. Allerdings ist damit nicht das Cholesterin selbst gemeint. Vielmehr hängt seine Auswirkung im Organismus vor allem davon ab, mit welchem Lipoprotein es transportiert wird. Lipoproteine Auch das wasserunlösliche Cholesterin benötigt wie die Triglyzeride Lipoproteine als Vehikel, um überhaupt über den Blutweg transportiert werden zu können. Lipoproteine werden eingeteilt in solche mit geringer Dichte und solche mit hoher Dichte. Dabei steht LDL für low density lipoprotein und HDL für high density lipoprotein. Ein hoher LDL-Wert zeigt an, dass viel Cholesterin im Körper zirkuliert, welches sich an den Gefäßwänden ablagern kann, wo es auf lange Sicht Arteriosklerose (Arterienverkalkung) verursachen kann. Daher wird das LDL auch als böses Cholesterin bezeichnet. Dieser Wert sollte möglichst niedrig sein. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 7

Hingegen nehmen die HDL-Partikel überschüssiges Cholesterin auf und transportieren es von den Geweben zurück zur Leber. Dabei kann es sogar Cholesterin aus arteriosklerotischen Ablagerungen lösen und über die Blutbahn zur Leber zurückführen, wo dieses dann abgebaut und schließlich ausgeschieden wird. Frauen haben ein etwas höheres HDL-Cholesterin als Männer, daher gelten für Frauen auch höhere Normwerte als für Männer. Ursache für diesen Unterschied dürften Östrogene sein, die den HDL-Spiegel erhöhen. HDL-Cholesterin ist medikamentös kaum beeinflussbar, kann jedoch durch körperliche Aktivität erhöht werden. Der Serumspiegel für HDL-Cholesterin sollte möglichst hoch sein. Der Einfachheit halber spricht man vom guten HDL- und vom bösen LDL- Cholesterin. Cholesterin und Genetik Der Cholesterinanteil aus der Nahrung wird im Dünndarm aufgenommen und in der Leber weiterverarbeitet. Genetische Faktoren sind ausschlaggebend, wie die Leber mit dem anfallenden Cholesterin fertig wird. Bei manchen Menschen erhöht sich der Serumcholesterinspiegel nicht, obwohl sie viel zu viel Cholesterin zu sich nehmen. Bei anderen steigt er trotz ausgewogener Ernährung in ungeahnte Höhen. In dieser Gruppe von Personen werden auch diätetische Maßnahmen kaum zu einer Senkung des Cholesterinspiegels führen eine medikamentöse Behandlung ist hier notwendig. Quellen: Radiodoktor Informationsmappe Cholesterin neue Richtwerte 2007 Interview Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager FETTSTOFFWECHSELSTÖRUNGEN Erhöhte Cholesterinspiegel (Hypercholesterinämie) sind also zumindest zum Teil eine Frage der Genetik. Die häufigste Form die so genannte polygene Hypercholesterinämie zeichnet sich dadurch aus, dass man keine bestimmte Ursache für die Cholesterinerhöhung findet. Man nimmt an, dass es sich um eine über viele Erbmerkmale bedingte (also polygene) Störung des Fettstoffwechsels handelt. Die polygene Hypercholesterinämie kann durch Ausschluss anderer Ursachen diagnostiziert werden. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 8

Die Erhöhung der Cholesterinwerte kann jedoch auch Folge anderer Krankheiten (Schilddrüsenunterfunktion und andere Hormonstörungen, Zuckerkrankheit, Fettsucht, Nierenerkrankungen, Leber- und Gallenwegserkrankungen etc.) oder einer Medikamenteneinnahme (Kortison, bestimmte Herzmedikamente, usw.) sein. Seltenere Ursachen einer Cholesterinerhöhung sind meist rein erblich bedingte familiäre Hyperlipidämien (Erhöhung der Blutfette) mit zum Teil enorm hohen Blutfettwerten, die kaum durch Lebensstiländerungen beeinflusst werden können. Bei manchen Betroffenen ist das Cholesterin alleine enorm erhöht (familiäre Hypercholesterinämie), bei anderen handelt es sich auch um kombinierte Hyperlipidämien mit zusätzlich erhöhten Triglyzeridwerten (familiäre kombinierte Hyperlipidämie). Quelle: Radiodoktor Informationsmappe Cholesterin neue Richtwerte 2007 ERKRANKUNGSRISIKO DURCH FETTSTOFFWECHSELSTÖRUNGEN Erhöhte LDL-Cholesterin-Werte sind ein wesentlicher Risikofaktor für Komplikationen an den großen Gefäßen. Die wesentlichen Erkrankungen dabei stellen Herzinfarkt oder Schlaganfall und der daraus resultierende Tod sowie die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pavk) dar. In vielen Untersuchungen konnte belegt werden, dass bei Hochrisikopatienten durch die Senkung des LDL-Cholesterins sowohl die Krankheitshäufigkeit als auch die Sterblichkeit reduziert werden kann. Es gibt in der internen Medizin kaum etwas besser Belegtes als diesen Zusammenhang, sagt dazu Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager, Vorstand der 3. Med. Abteilung mit Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie, Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel, Wien. Gesichert ist auch die Assoziation eines hohen HDL-Cholesterinspiegels mit einem niedrigen kardiovaskulären Risiko. Ein hohes Risiko für Gefäßerkrankungen haben übergewichtige Patienten mit Bluthochdruck und Diabetes, aber auch Patienten, die bereits ein Gefäßereignis gehabt haben. Diese sollten ihr Cholesterin regelmäßig kontrollieren, und wenn das LDL-Cholesterin hoch ist, eine medikamentöse Behandlung erhalten. Individuelle Risikoabschätzung In Europa werden in der Regel die genannten Risikofaktoren und bereits stattgehabte Herz-Kreislauferkrankungen zunächst genau erhoben. Das schließt RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 9

Zusatzuntersuchungen auf Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht mit ein. Die Messung der Blutfette umfasst das Gesamtcholesterin, das LDL-Cholesterin, das HDL-Cholesterin und die Triglyzeride. Zusätzlich kann das so genannte Non- HDL-Cholesterin berechnet werden. Dies erfolgt dann, wenn der Triglyzeridspiegel stark erhöht ist (d.h. auf mehr als 200 mg/dl). Um diesen Wert zu erhalten, subtrahiert man das HDL-Cholesterin vom Gesamt-Cholesterin und bekommt damit die Menge aller Cholesterinarten, die schädlich sein können. Dieser Non-HDL- Spiegel sollte den LDL-Spiegel um nicht mehr als 30 mg/dl übersteigen. Alle diese Faktoren zusammen ergeben das absolute kardiovaskuläre Risiko. Dieses kann anhand der einzelnen Risikofaktoren mithilfe von Risikokalkulatoren berechnet werden. Anhand dieses Risikos wird entschieden, ob das Cholesterin medikamentös gesenkt werden muss. Nach den europäischen Leitlinien (siehe unten) soll in der Regel bei Patienten, die bereits ein kardiovaskuläres Ereignis hatten und die als Patienten mit sehr hohem Risiko gelten, das LDL-Cholesterin unter 70 mg/dl gesenkt werden, bei Patienten mit hohem Risiko unter 100 mg/dl. Quellen: Interview Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger: http://www.hauptverband.at/portal27/portal/hvbportal/channel_content/cmswindow?action=2&p_menuid=72756&p_tabid=5 LEBENSSTILMODIFIKATION Der Cholesterin-Stoffwechsel wird vorwiegend durch Erbfaktoren moduliert und kann daher durch den Lebensstil relativ wenig beeinflusst werden. Anders die Neutralfette (Triglyzeride). Hier gibt es einen engen Zusammenhang mit dem sogenannten metabolischen Syndrom und mit Diabetes und der Triglyzerid- Spiegel kann sehr gut durch Lebensstilmodifikation beeinflusst werden. Das kardiovaskuläre Risiko kann durch eine entsprechende Anpassung des Lebensstils gesenkt werden. Die Eckpfeiler dafür sind der Rauchstopp, Ernährung, körperliche Aktivität und Stressreduktion. Für die Ernährung bedeutet dies eine Reduktion der Fettzufuhr, und hier vor allem der gesättigten Fettsäuren sowie eine Reduktion der schnell resorbierbaren RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 10

Kohlenhydrate. Denn die Kombination von viel gesättigtem Fett und schnell resorbierbarem Zucker ist in erster Linie für eine Störung des Triglyzeridstoffwechsels verantwortlich. In den USA spricht man von der Cafeteria-Diet, und versteht darunter die klassische Cola-McDonalds- Ernährung. Die übermäßige Zufuhr von fruktosehältigen Getränken und das Übergewicht führen zu einer Verfettung der Leber, die eine zentrale Stelle in der Regulation der Blutfette darstellt. Eine allgemeine ausgeglichene Kalorienreduktion wirkt sich jedenfalls positiv auf die Blutfette aus. Durch regelmäßige Bewegung kommt es zu einer Zunahme des HDL-Cholesterins und zu einer Reduktion der ungünstigen Fette, sowohl der Triglyzeride als auch des LDL-Cholesterins. Quellen: Interview Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager Interview Prof. Dr. Andreas Sönnichsen MEDIKAMENTÖSE THERAPIE Obwohl für die medikamentöse Therapie einer Fettstoffwechselstörung grundsätzlich mehrere Substanzen zur Verfügung stehen, haben sich die Statine weitgehend durchgesetzt. Statine führen erwiesenermaßen zur Reduktion von Schlaganfällen, von Herzinfarkten und von Todesfällen. Die in den letzten 20 Jahren beobachtete rund 20 bis 30-prozentige Abnahme von Herzinfarkten und Schlaganfällen dürfte zum Teil auf den Einsatz von Statinen zurückzuführen sein. Weitere medikamentöse Optionen sind Cholesterin-Resorptionshemmer, Ionenaustauscher, Fibrate und Nikotinsäure. Die Medikamente, die zum Einsatz kommen, senken in erster Linie das LDL- Cholesterin und wirken weniger auf die Triglyzeride. Statine Eine entscheidende Rolle bei der Herstellung des Cholesterins in der Leber spielt das Enzym HMG-CoA-Reduktase. Dieses Enzym wird durch Statine gehemmt. Die Folge davon ist eine Drosselung der Cholesterinherstellung, und damit sinkt auch der Gehalt von Cholesterin in den Körperzellen. Diese und auch die Leberzellen selbst ziehen daraufhin mehr LDL- und VLDL-Cholesterin aus dem Blut ab. Dadurch sinkt der Spiegel dieser Cholesterinfraktionen im Blut, während das HDL eher ansteigt. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 11

Statine sind in der Regel gut verträgliche Medikamente. Wie bei allen Medikamenten können jedoch auch bei Statinen Nebenwirkungen auftreten. Statine können unter anderem Muskelschmerzen verursachen, sie setzen die Leistungsfähigkeit der Muskeln etwas herab (auch wenn keine Schmerzen auftreten), sie können Schlafstörungen oder Impotenz verursachen. In sehr seltenen Fällen kann es zu einer so genannten Rhabdomyolyse kommen. Dabei kann die Muskelschädigung durch Statine so ausgeprägt sein, dass durch den rapiden Muskelabbau ein akutes Nierenversagen entsteht. Selten können Statine auch eine Zuckerkrankheit induzieren. In Österreich kommen derzeit folgende Statine zur Anwendung: Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Rusovastatin und Simvastatin. Atorvastatin, Rusovastatin und Simvastatin sind in zwei unterschiedlichen Dosierungen erhältlich. Ezetimib Ezetimib, ein so genanntes 2-Azetidinon, ist seit 2003 in Österreich zugelassen. Es lagert sich im Bürstensaum des Dünndarms an und behindert den Transport von Cholesterin in die Zellen der Darmwand. Es verringert also die Cholesterinaufnahme aus der Nahrung, ohne die Resorption von fettlöslichen Vitaminen oder anderen Arzneistoffen relevant zu beeinträchtigen. Ezetimib senkt auf diese Weise das Gesamtcholesterin, das LDL-Cholesterin und die Triglyzeride und erhöht zusätzlich das HDL-Cholesterin im Blut. Eine Kombination mit einem Statin ist sinnvoll, da Statine ja die körpereigene Produktion von Cholesterin in der Leber verringern. Die Wirkweise dieser beiden Wirkstoffe ergänzt sich also. Obwohl Ezetimib relativ häufig eingesetzt wird, konnte bis jetzt der Nachweis einer Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen durch diesen Wirkstoff nicht erbracht werden. In den neuen US-amerikanischen Leitlinien beispielsweise wird Ezetimib nicht mehr empfohlen. Ionenaustauscher Die Ionenaustauscherharze können die Gallensäure im Darm binden, so dass mehr Gallensäure ausgeschieden wird. Da Gallensäure hauptsächlich aus Cholesterin hergestellt wird, benötigt die Neuproduktion mehr Cholesterin. Als Folge davon sinkt die LDL-Konzentration ab. Ionenaustauscher gehören in die Hände erfahrener Behandler. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 12

Fibrate Fibrate senken insbesondere die Triglyzerid-Werte, indem sie die Produktion von Triglyzeriden in der Leber reduzieren. Zusätzlich kommt es zur Erhöhung eines niedrigen HDL-Cholesterins. Fibrate wirken nicht so stark wie Statine und weisen nach Studiendaten eine geringere Evidenz im Hinblick auf eine Reduktion des kardiovaskulären Risikos im Vergleich zu Statinen auf. In der Regel werden sie daher als Ersatzmedikament eingesetzt. Nikotinsäure Niacin (Synonym: Nicotinsäure) ist ein Vitamin der B-Gruppe. Nicotinsäure kommt reichlich in Hefe, Nüssen, Leber, Eigelb und Milch vor. Dieses Vitamin wird ebenfalls bei der Therapie von Hyperlipidämien eingesetzt. Niacin hebt den HDL-Spiegel deutlich und senkt den Triglyzerid- und den LDL- Spiegel etwas. PCSK-9-Hemmer Die vielversprechendsten neuen Substanzen, die sich derzeit noch im Stadium von klinischen Untersuchungen befinden, sind die so genannten PCSK-9-Hemmer. PCSK-9 steht für Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin 9. Dabei handelt es sich um eine Serinprotease, die in der Leber hergestellt wird und sich dort an LDL- Rezeptoren bindet. Folge davon ist, dass die Fähigkeit der Leber, LDL-Cholesterin aus dem Blut zu entfernen, abnimmt und damit der LDL-Cholesterin-Spiegel im Blut steigt. Wird die PCSK-9 gehemmt, stehen mehr LDL-Rezeptoren zur Verfügung. Diese nehmen LDL-Cholesterin aus dem Blut auf und als Folge davon sinkt der LDL-Cholesterin-Spiegel. CETP-Modulatoren und CETP-Hemmer CETP-Modulatoren und CETP-Hemmer führen zu einer Erhöhung des HDL- Cholesterins. CETP steht dabei für Cholesterinester-Transferprotein. Dieses wird primär in der Leber gebildet und gelangt dann ins Blut. Es führt letztendlich zu einer Anreicherung von atherogen Lipoproteinen mit Cholesterin, was die Entstehung einer Atherosklerose begünstigen könnte. CETP-Hemmung könnte damit antiatherogen wirken. Bei zwei solcher Substanzen wurden Studien vorzeitig abgebrochen bei einer konnte keine Wirkung erzielt werden, bei der anderen kam es zu einem Anstieg schwer wiegender kardiovaskulärer Ereignisse. Zwei weitere solche Substanzen befinden sich derzeit in laufenden Studien in klinischer Untersuchung. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 13

Quellen: Interview Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager Interview Prof. Dr. Andreas Sönnichsen Onmeda.de: http://medikamente.onmeda.de/wirkstoffgruppe/statine.html Radiodoktor Informationsmappe Cholesterin neue Richtwerte 2007 PFLANZENSTERINE Für Aufsehen gesorgt haben in den letzten Jahren die Pflanzensterine (Phytosterine, Phytosterole). Dabei handelt es sich um cholesterinähnliche Substanzen, die ausschließlich in den Zellwänden von Pflanzen vorkommen. Pflanzensterine benützen im menschlichen Darm dieselben Transportmechanismen wie Cholesterin und senken so den Cholesterinspiegel. Aus diesem Grund bildet der Körper selbst mehr Cholesterin. Dies führt zu einer Reduktion des Cholesterinspiegels im Blut und damit auch zu einer Reduktion des LDL- Cholesterins. Dieser Effekt zeigt sich allerdings nur bei einer Zufuhr von bis zu drei Gramm Pflanzensterinen pro Tag. Darüber hinausgehende Mengen werden über den Darm ausgeschieden. Als unerwünschte Nebenwirkungen können Pflanzensterine die Konzentration von Beta-Carotin und fettlöslichen Vitaminen im Blut senken. Aus diesem Grund empfiehlt die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine maximale Aufnahme von drei Gramm Pflanzensterinen pro Tag. Pflanzensterine kommen in der Natur in pflanzlichen Ölen, Getreide, Nüssen und Bohnen vor. Von Seiten der Nahrungsmittelindustrie werden verschiedene mit Pflanzensterinen angereicherte Lebensmittel wie Margarinen, Milchgetränken, Käse etc. angeboten. Das Thema Pflanzensterine wird in der medizinischen Fachwelt unterschiedlich beurteilt. Es gibt Hinweise darauf, dass sich Pflanzensterine als Plaque beispielsweise an Herzklappen ablagern können, oder auch zu verdickten Gefäßen der Augennetzhaut führen. In einer großen Metaanalyse konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen dem Pflanzensterinspiegel im Blut und einem kardiovaskulären Risiko festgestellt werden. Allerdings musste sich diese Studie den Vorwurf gefallen lassen, dass der Statistiker ein Stipendium von einem Lebensmittelkonzern erhalten hatte, der mit Pflanzensterinen angereicherte Lebensmittel herstellt. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 14

Die europäischen Fachgesellschaften für Herz-Kreislaufkrankheiten fordern Langzeitstudien, um die Unbedenklichkeit bei einer regelmäßigen Zufuhr von mit Pflanzensterinen angereicherten Lebensmitteln nachzuweisen. Quelle: Spiegel Online 2012: http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/phytosterine-a- 868559.html WAS LEITLINIEN EMPFEHLEN Die aktuelle Diskussion über die Statintherapie wurde durch die Veröffentlichung der neuen US-amerikanischen Leitlinien zur Behandlung des Cholesterins zwecks Reduktion des kardiovaskulären Risikos entfacht. Hier ein kurzer Überblick darüber, was verschiedene aktuelle Leitlinien zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen empfehlen. Die europäischen Leitlinien Im Jahr 2011 haben die European Society of Cardiology (ESC) und die European Atherosclerosis Society (EAS) gemeinsame Empfehlungen zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen veröffentlicht. Demnach soll sich die Behandlung mehr nach dem individuellen Risiko von Betroffenen orientieren. An erster Stelle steht die Behandlung erhöhter LDL- Cholesterinwerte. Bei Personen mit einem mäßigen Risiko sollte ein LDL-Wert von unter 115 mg/dl angestrebt werden, bei hohem Risiko unter 100 mg/dl und bei sehr hohem Risiko unter 70 mg/dl. Vor allem an Diabetes-Erkrankte weisen häufig eine Kombination von hohen Triglyzeriden und niedrigem HDL-Cholesterin auf. Diese Konstellation wird als atherogene Dyslipidämie bezeichnet und erhöht das kardiovaskuläre Risiko deutlich, selbst wenn das LDL-Cholesterin im Normalbereich liegt. Statine stellen die Mittel der Wahl zur Behandlung dar. Werden unter dieser Therapie die Zielwerte nicht erreicht, empfehlen die europäischen Leitlinien eine Kombination mit Ezetimib, einem Fibrat oder Niacin. Der österreichische Lipid-Konsensus Im Jahr 2010 haben acht österreichische Fachgesellschaften einen Konsensus zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen herausgegeben. Auch hier soll ein individuelles Risikoprofil erstellt werden. Die Zielwerte liegen für den LDL-Wert bei RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 15

sehr hohem Risiko bei unter 70 mg/dl, bei hohem Risiko unter 100 mg/dl, bei mittlerem Risiko unter 130mg/dl und bei niedrigem Risiko unter 160 mg/dl. Als erstes Mittel sollen Statine eingesetzt werden, in zweiter Linie Ezetimib, Ionentauscher, Fibrate oder Niacin. Die US-amerikanischen Leitlinien Vor kurzem wurden die neuen Leitlinien des American College of Cardiology der American Heart Association veröffentlicht. Im Unterschied zu bisher sollen nicht mehr bestimmte absolute Zielwerte erreicht werden. Die Autoren argumentieren, dass es für den Nutzen der bisherigen Strategie, nämlich der Erreichung von Zielwerten, keine ausreichenden Belege gebe. Darüber hinaus wird zur Einschätzung des kardiovaskulären Risikos ein neuer Score, der so genannte CV Risk Calculator, verwendet. Empfohlen wird demnach eine Statintherapie bei vier Patientengruppen: Patienten, die bereits eine kardiovaskuläre Vorerkrankung haben. Patienten mit LDL-Cholesterin-Werten von 190 mg/dl und darüber. Diabetiker im Alter zwischen 40 und 75 Jahren. 40- bis 75-jährige Menschen, bei denen zwar keine kardiovaskuläre Krankheit bekannt ist, die aber ein Erkrankungsrisiko von mindestens 7,5 Prozent innerhalb von zehn Jahren haben. Je nach Gruppe und abhängig vom individuellen Risiko sollte das LDL-Cholesterin entweder intensiv gesenkt werden d.h. zumindest um 50 Prozent reduziert oder moderat, was eine Reduktion von 30 bis maximal 49 Prozent bedeutet. Quellen: aerzteblatt.de: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/46421/eu- Leitlinie_Dyslipidaemien_individueller_therapieren.htm Österreichischer Lipidkonsensus 2010: http://www.oedg.org/downloads_aerzte.html DocCheck News: http://news.doccheck.com/de/newsletter/512/3536/?utm_source=dc- Newsletter&utm_medium=E-Mail&utm_campaign=Newsletter-DE-DocCheck+News- 2013-12- 02&user=89a4912c8f33ecdcc4d13b2e46a4a045&n=512&d=28&chk=4e493984411 510b5ca2797e39be230ba RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 16

WER VON STATINEN WIRKLICH PROFITIERT Vorangestellt sei, dass Statine zweifelsfrei wirken. Die besten Nachweise für den Effekt der Statine haben wir in der Sekundärprävention, das heißt in der Verhinderung von Herzkreislauf-Ereignissen bei Patienten, die schon einmal ein solches Ereignis hatten, betont der Experte für evidenzbasierte Medizin, Prof. Dr. Andreas Sönnichsen, Institutsleiter und Inhaber des Lehrstuhls des Instituts für Allgemein- und Familienmedizin an der Universität Witten/Herdecke, Deutschland. Dies gilt in erster Linie für den Herzinfarkt, geringer ausgeprägt auch für den Schlaganfall oder für die periphere arterielle Verschlusskrankheit. Dabei spielt der Ausgangswert des Cholesterins keine Rolle, auch Patientinnen und Patienten mit niedrigerem LDL-Cholesterin profitieren von der Statintherapie. Number needed to treat Eine aufschlussreiche Zahl in diesem Zusammenhang ist die so genannte number needed to treat (NNT). Die NNT gibt die Zahl der Patienten an, die mit einem bestimmten Medikament (einer bestimmten Maßnahme) behandelt werden müssen, damit einer davon profitiert. Als Beispiel: Eine NNT von zehn heißt, dass zehn Patienten über einen bestimmten Zeitraum ein Medikament einnehmen müssen, damit ein in unserem Fall Herzinfarkt oder Schlaganfall verhindert wird. In der Sekundärprävention mit Statinen liegt diese NNT zwischen zehn und 25. Denn grob gerechnet kann man davon ausgehen, dass bei einem Patienten, der schon einmal einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall hatte, ein Risiko von über 50 Prozent besteht, dass in den nächsten zehn Jahren ein solches Ereignis wieder auftritt. Nach den Studiendaten kann mit Statinen eine relative Risikoreduktion von 20 bis 25 Prozent erzielt werden. Rechnet man von dem 50-prozentigen Risiko 20 Prozent ab so bleiben 40 Prozent. Das bedeutet eine Risikoreduktion um 10 Prozent und daher eine NNT von zehn. Auch ökonomisch gesehen rechnen sich Statine in der Sekundärprävention. Denn die meisten Statine sind schon als Generika verfügbar und daher nicht mehr so kostspielig. Umgekehrt kostet ein kardiovaskuläres Ereignis aber sehr viel, wenn an die Akutbehandlung oder an die Folgekosten wie etwa beim Schlaganfall die Pflege gedacht wird. Primär- und Sekundärprävention In der Primärprävention also bei der Verhinderung des erstmaligen Auftretens eines kardiovaskulären Ereignisses ist die Datenlage widersprüchlich. RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 17

Entscheidend ist hier das Ausgangsrisiko, sagt Prof. Sönnichsen. Patienten mit einem sehr hohen Ausgangsrisiko profitieren wahrscheinlich auch in der Primärprävention von der Statintherapie, während das bei niedrigem Ausgangsrisiko nicht der Fall ist. Hier eine Grenze anzusetzen sei etwas willkürlich, Sönnichsen. Bisher ist man von einem positiven Effekt bei einem Ausgangsrisiko von 20 Prozent ausgegangen. Das bedeutet, dass ein Patient dann von der Therapie mit Statinen profitiert, wenn sein Risiko aufgrund seiner Risikofaktoren (Bluthochdruck, Alter, Cholesterinspiegel, Diabetes, Geschlecht), in den nächsten zehn Jahren ein Herz- Kreislaufereignis zu erleiden, bei 20 Prozent liegt. In dieser Konstellation würde die NNT 25 betragen von 25 Behandelten würde einer profitieren. Kritik an den amerikanischen Leitlinien Die neuen amerikanischen Leitlinien empfehlen nunmehr eine Statintherapie bei einem Ausgangsrisiko von 7,5 Prozent. Dies ergibt rechnerisch eine NNT von 100. Sönnichsen dazu: Das bedeutet, dass 100 Patienten mit diesem niedrigen Ausgangsrisiko zehn Jahre lang ein Statin einnehmen müssen, damit letztendlich ein Patient davon profitiert. 99 Patienten haben keinen Nutzen von dieser Therapie. Würde man den Betroffenen erklären, dass die Wahrscheinlichkeit bei 99 Prozent liegt, dass sie zehn Jahre lang ein Mittel mit potenziellen Nebenwirkungen umsonst nehmen, würden dies wahrscheinlich die meisten Menschen ablehnen. Ähnliches gilt dafür, dass nach den amerikanischen Leitlinien alle Erwachsenen mit einem LDL-Cholesterin über 190 mg/dl ein Statin nehmen sollten, unabhängig von weiteren Risikofaktoren oder vom Gesamtrisiko. Prof. Sönnichsen dazu: Dafür gibt es keine wirklich gute Studienevidenz. Würde man unter diesen Umständen einem 22-Jährigen mit einem LDL-Wert von 190 mg/dl ein Statin verabreichen, würde die NNT dafür vermutlich bei etwa 500 liegen. Für Sönnichsen besteht das erkennbare Ziel der amerikanischen Leitlinien darin, die Behandlungsindikation deutlich auszuweiten. Dass nach den amerikanischen Leitlinien keine Zielwerte mehr angewendet werden, hält Sönnichsen zwar für sinnvoll, weil dafür die Studienbeweise fehlten. Allerdings gebe es auch für die neue Strategie der Therapieerweiterung keine Evidenz. GUTE AUFKLÄRUNG ESSENTIELL Gerade weil der Sachverhalt rund um die Statine relativ kompliziert ist und weil eine individuelle Therapie angestrebt werden soll, ist es ganz entscheidend, mit RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 18

den Betroffenen ehrlich zu sprechen, so Sönnichsen. Wichtig ist, Betroffene über die tatsächlichen Chancen, aber auch über die Risiken der Therapie aufzuklären. Betroffene müssten in die Entscheidung einbezogen werden. Und sie müssten sich darüber im Klaren sein, dass Statine lebenslang eingenommen werden müssen. Der Endokrinologe Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager ergänzend: Darüber hinaus wäre es erstrebenswert, auch an der Prävention anzusetzen, um von vornherein die Zahl der Fettstoffwechselstörungen zu reduzieren. Quellen: Interview Prof. Dr. Andreas Sönnichsen Interview Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager Wir danken Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager und Prof. Dr. Andreas Sönnichsen für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Informationsmappe! RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 19

ANLAUFSTELLEN ANLAUFSTELLEN Österreichische Diabetes Gesellschaft http://www.oedg.org/ Österreichische Adipositasgesellschaft http://www.adipositas-austria.org/adipositas.html Österreichische Gesellschaft für Ernährung http://www.oege.at/ Österreichische Kardiologische Gesellschaft http://www.atcardio.at/de/ Österreichischer Herzverband http://www.herzverband-tirol.at/pages/posts/ldl-cholesterin-ndash-ein-gefaehrlicherrisikofaktor-71.php Österreichische Arteriosklerose Gesellschaft www.aas.at Österreichische Gesellschaft für Angiologie www.oegangiologie.at Österreichische Gesellschaft für Nephrologie www.nephro.at Österreichische Gesellschaft für Schlaganfall-Forschung www.schlaganfall-info.at Adipositas Selbsthilfegruppen Österreich www.adipositas-shg.at Verband der Diaetologen Österreichs http://www.diaetologen.at/de/portal/ RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 20

INFOLINKS INFOLINKS Ernährung bei erhöhten Blutfettwerten https://www.gesundheit.gv.at/portal.node/ghp/public/content/ernaehrungkrankheiten-ernaehrung-bei-erhoehte-blutfette.html#headline11 Risiko durch Cholesterin senkende Margarine? http://www.medizin-transparent.at/risiko-durch-cholesterin-senkende-margarine Cochrane kritisiert Statine in Primärprävention http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/44346/ LDL-Zielwerte sind out http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/herzkreislauf/fettstoffwechselstoerungen/article/849864/neue-leitlinien-cholesterinsenkung-ldl-zielwerte-out.html Cholesterin: US-Kardiologenverbände verteidigen Risiko-Kalkulator http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56623/cholesterin-us- Kardiologenverbaende-verteidigen-Risiko-Kalkulator US-Leitlinien: Statine auch bei normalen Cholesterinwerten http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/56559 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 21

BUCHTIPPS BUCHTIPPS Sven-David Müller Die 50 besten Cholesterinkiller: Cholesterinwerte einfach senken ohne Pillen Trias Verlag 2012 ISBN-13: 978-3830463184 Volker Schmiedel Cholesterin - Endlich Klartext Trias Verlag 2010 ISBN-13: 978-3830436980 Verband der Diätologen Österreichs und Hofbauer/Frühwirth Weniger Cholesterin - mehr vom Leben! Hubert Krenn VerlagsgesmbH 2007 ISBN 978-3-902532-33-6 RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 22

SENDUNGSGÄSTE SENDUNGSGÄSTE In der Sendung Radiodoktor Medizin und Gesundheit vom 16. Dezember 2013 waren zu Gast: Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Prager FA für Innere Medizin, Additiv-FA für Endokrinologie und Stoffwechsel und für Nephrologie, Vorstand der 3. Med. Abteilung mit Stoffwechselerkrankungen und Nephrologie, Krankenhaus Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel Wolkersbergenstraße 1 A-1130 Wien Tel.: +43/1/80110/2351 E-Mail: rudolf.prager@wienkav.at Homepage: http://www.wienkav.at/kav/khr/zeigeansprech.asp?id=597 Prof. Dr. Andreas Sönnichsen FA für Innere und für Allgemeinmedizin Institutsleiter und Inhaber des Lehrstuhls des Instituts für Allgemein- und Familienmedizin Universität Witten/Herdecke Alfred-Herrhausen-Straße 50 D-58448 Witten Tel.: +49/2302/2926/741 E-Mail: andreas.soennichsen@uni-wh.de Homepage: www.uni-wh.de RADIODOKTOR MEDIZIN UND GESUNDHEIT 23