Stellungnahme des Deutschen Jugendinstituts



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Transkript:

Stellungnahme des Deutschen Jugendinstituts zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit 12. August 2015

12.8.2015 Stellungnahme des Deutschen Jugendinstituts e.v. zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Sachverständigenrechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Einleitung Das DJI nimmt die Gelegenheit zur Stellungnahme gerne wahr. Die Schwerpunkte des Instituts liegen im Bereich der Jugend-, Familien-, Sozial- und Bildungsforschung und schließen Problemlagen wie Hochstrittigkeit oder Kindeswohlgefährdung ein, die häufig bei Begutachtungen in kindschaftsrechtlichen Verfahren von Bedeutung sind. Zudem hat sich das DJI vor allem im Hinblick auf Kinderschutzverfahren wiederholt mit Fragen der Diagnostik, Qualitätsentwicklung und Fehlervermeidung beschäftigt. Die Grundproblematik stellt sich aus Sicht des DJI 1 wie folgt dar: Sachverständigengutachten werden in strittigen Verfahren gerichtsseitig mit dem Ziel der Schaffung von zuverlässigen Entscheidungsgrundlagen eingeholt. Gesellschaftliche Prozesse des Autoritätsverlusts von Experten senken die Grundbereitschaft von streitenden Parteien Sachverständigengutachten fraglos zu akzeptieren, die ihren Sichtweisen nicht folgen. Diese im Grunde positive Tendenz trifft im Fall der Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht auf eine Situation, in der aus drei Gründen eine besondere Kritikanfälligkeit gegeben ist: Erstens leiten sich die die Kriterien, die zur Bestimmung des Kindeswohls (und mit Einschränkungen zur Bestimmung einer Kindeswohlgefährdung) in Sachverständigengutachten herangezogen werden, aus der Grundlagenforschung und der etablierten Rechtsprechung her. Im Unterschied etwa zu Prognosegutachten bei Sexualstraftätern wurde bislang jedoch nicht gezeigt, dass die Verwendung dieser Kriterien bzw. welche Gewichtung dieser Kriterien tatsächlich zu besseren, d.h. in diesem Fall kindeswohldienlicheren Entscheidungen führt. Zweitens muss bei der Operationalisierung der verschiedenen Kriterien vielfach auf Methoden zurückgegriffen werden, deren Aussagekraft nicht oder nicht über die Bandbreite der Fallkonstellationen vor Gericht hinweg belegt ist. Drittens fehlen im Bereich des Sachverständigenwesens in kindschaftsrechtlichen Verfahren bislang funktionierende Strukturen der Qualitätssicherung. Die Gerichte und Streitparteien können die Qualität von Sachverständigengutachten häufig nur in Ausschnitten (z.b. hinsichtlich der 1 Diese Stellungnahme wurde im DJI abgestimmt und hauptsächlich von Dr. Heinz Kindler erarbeitet.

Transparenz und Nachvollziehbarkeit) beurteilen, währende der zentrale Aspekt der Aussagekraft eines Gutachtens einer Beurteilung durch juristische Professionen tendenziell eher entzogen ist. Mehrere Studien, die sich mit Fragen des Aufbaus und der Argumentation in Sachverständigengutachten beschäftigt haben, deuten auf Qualitätsprobleme in diesem Bereich hin. Katamnesen zu den tatsächlichen Auswirkungen familiengerichtlicher Entscheidungen, die sich auf Sachverständigengutachten stützen, auf Kinder stehen aus. Kritik an einer behaupteten mangelnden Unabhängigkeit von gerichtlich bestellten Sachverständigen baut dagegen auf allenfalls schwachen Anhaltspunkten auf, insoweit beispielsweise in einer Studie argumentiert wurde, ein Teil der befragten Sachverständigen habe in einer nicht genauer umgrenzten Anzahl an Fällen vor der Gutachtenerstellung Tendenzen des Gerichts (zutreffend oder falsch) wahrgenommen (und sei dem dann gefolgt oder nicht). In dieser Situation greift der vorliegende Referentenentwurf eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode auf, wonach die Neutralität gerichtlich beigezogener Sachverständiger gewährleistet und in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessert werden soll (S. 154). Der Referentenentwurf beschäftigt sich vordringlich mit der Frage der Gewährleistung der Neutralität von Sachverständigen. Zu den Vorschriften im Referentenentwurf im Einzelnen Artikel 1 (Änderungen der Zivilprozessordnung) Zu Nr. 1 (Änderung 404 ZPO) Eingefügt werden soll eine Verpflichtung des Gerichts die Parteien vor der Auswahl und Bestellung eines Sachverständigen oder mehrerer Sachverständiger nach 404 Abs. 1 ZPO anzuhören. Damit wird eine an manchen Gerichten bereits gängige Praxis Gesetz. Soweit ersichtlich wurden Erfahrungen von Gerichten, die einen solchen Einbezug der Parteien vor der Beauftragung bereits praktizieren, nicht systematisch erhoben. Ein inhaltlicher Bezug zu den Kernzielen des Gesetzentwurfs (Neutralität gewährleisten, Qualität verbessern) ist nicht ersichtlich, da die Parteienvertreter in der Regel allenfalls über Einzelerfahrungen mit bestimmten Sachverständigen verfügen dürften und öffentliche Informationsquellen (z.b. Bewertungen von Sachverständigen durch Interessensgruppen im Internet) extrem fehleranfällig sind. Sollte sich in Deutschland ein Verfahren der Qualitätssicherung über Zusatzqualifikationen für Sachverständige etablieren, könnte die geänderte Vorschrift zur Anerkennung und Verbreitung solcher Zusatzqualifikationen beitragen, sofern Parteivertreter Fragen der Qualifikation zum Gegenstand der Anhörung machen. Der Gesetzgeber könnte dies durch Hinzunahme eines Appellsatzes fördern: Insbesondere werden Aspekte der für nötig gehaltenen Qualifikationen eines Sachverständigen eingebracht. 2

Zu Nr. 2 (Änderung 407a ZPO) In 407a ZPO sollen Pflichten des Sachverständigen neu aufgenommen werden, nämlich die unverzügliche Prüfung, ob ein Auftrag innerhalb der gesetzten Frist erfüllt werden kann und die Prüfung, ob Gründe vorliegen, die ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen. Beide vorgeschlagenen Vorschriften sind aus der Perspektive des einzelnen Verfahrens im Prinzip als sachgerecht zu beurteilen. Sie setzen an am Zeitablauf als einem im Kindschaftsrecht besonders wichtigen Aspekt der Verfahrensqualität sowie an der proaktiven und damit Vertrauen schaffenden Information über eventuelle Befangenheitsgründe. Unklar bleibt, auf welcher Erkenntnisgrundlage dem Referentenentwurf ein Modell zugrunde gelegt wird, wonach die Fristeinhaltung in der Regel bereits bei Auftragseingang beurteilt werden kann und Hinderungsgründe nicht überwiegend im Verlauf (z.b. durch ausfallende Termine) erst entstehen. Gesetzt den Fall, die Nichteinhaltbarkeit der gesetzten Frist sei in einem signifikanten Teil der Fälle zum Zeitpunkt der Beauftragung bereits absehbar, hat die Verwirklichbarkeit des Ziels der Verfahrensbeschleunigung offenkundig von der Verfügbarkeit anderer Sachverständiger, also der Angebotsseite, ab. Tatsächlich wird in der, im Referentenentwurf wiederholt zitierten Untersuchung von Keders und Walter (2013, NJW, 1697) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass notwendig werdende Anfragen bei mehreren Sachverständigen zu einer erheblichen Verfahrensverlängerung führen können. Wäre es nicht sinnvoll, wenn der Gesetzgeber bevor er sich entscheidet, welche Stellschrauben dem berechtigten und wichtigen Ziel der Verfahrensbeschleunigung in Kindschaftssachen am dienlichsten sein können vom BMJV (z.b. im Rahmen der Problembeschreibung im Gesetzentwurf) erst einmal über die Angebotsseite qualifizierter Sachverständiger informiert werden würde? Zu Nummer 3 (Änderung 411 ZPO) Durch Änderungen in 411 ZPO sollen Fristsetzungen bis zur Erstattung eines beauftragten Sachverständigengutachtens obligat werden. Zudem soll die Androhung von Ordnungsgeld bei Fristversäumnis der Regelfall werden und die Höhe des möglichen Ordnungsgeldes soll heraufgesetzt werden. Das ausdrücklich genannte Ziel der vorgeschlagenen neuen Vorschriften ist die Beschleunigung der Erstattung von Sachverständigengutachten. Völlig außer Acht bleibt dabei in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass die Gerichte damit womöglich in einen Zielkonflikt getrieben werden, insofern in der mehrfach im Referentenentwurf zitierten Untersuchung von Keders & Walter (2013) beispielsweise mehr als 60% der befragten Richterinnen und Richter angaben, längere Bearbeitungszeiten zu akzeptieren, um dadurch als besonders zuverlässig bekannte und daher überlastete Sachverständige beauftragen zu können. Ohne Kenntnis der Angebotsseite ist daher schwer abzuschätzen, ob die vorgeschlagenen Änderungen positiv oder unbeabsichtigt negativ wirken, indem sie eine Tätigkeit als Sachverständiger noch unattraktiver machen. In jedem Fall aber ist festzuhalten, dass die vorgeschlagenen Lösungsansätze im Referentenentwurf nur sehr unzureichend begründet und in ihren möglichen Folgen abgewogen werden. 3

Artikel 2 (Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen) Zu Nummer 3 (Änderung des 163 Abs. 1 FamFG) Die vorgesehenen Änderungen beschränken im Wege einer Soll-Vorschrift die Beauftragung von Sachverständigengutachten für die Bereiche der elterlichen Sorge, des Umgangsrechts und der Herausgabe eines Kindes auf Personen mit einer geeigneten psychologischen, psychotherapeutischen, psychiatrischen, medizinischen, pädagogischen oder sozialpädagogischen Berufsqualifikation. Zum anderen wird den Gerichten auferlegt, die Auswahl des Sachverständigen schriftlich zu begründen. Angesichts der Bedeutung von Sachverständigengutachten für die Entscheidungsfindung in kindschaftsrechtlichen Verfahren ist die gesetzliche Festlegung von Anforderungen an die berufliche Qualifikation von Sachverständigen zu begrüßen. Es ist nachvollziehbar, dass hier zunächst von Mindestqualifikationen die Rede sein muss, um den Mangel an Sachverständigen nicht schlagartig zu erhöhen. Die gewählte Formulierung im Referentenentwurf lädt jedoch zu dem Missverständnis ein, die Art des absolvierten Studiums reiche grundsätzlich als Eignungsnachweis zumindest für bestimmte familiengerichtliche Fragestellungen aus. Da medizinische, psychologische und pädagogische Studiengänge von Ausnahmen abgesehen jedoch nicht auf eine gutachterliche Tätigkeit im Kindschaftsrecht vorbereiten, trifft dies nicht zu. Es wird vorgeschlagen, deutlicher zu formulieren, dass es sich um eine Mindestqualifikation handelt und dadurch das Feld für die notwendig stärkere Verbreitung von einschlägigen Zusatzqualifikationen offen zu lassen (z.b. soll das Gutachten durch einen Sachverständigen mit einer geeigneten, mindestens psychologischen, ). Die gewählte Formulierung zur Begründung der Auswahlentscheidung durch das Gericht erscheint zu ungenau und birgt unnötige Risiken im Hinblick auf Beschwerden nach 58 Abs. 2 FamFG, insbesondere wenn in der Praxis Kompromisse zwischen Qualifikation und zeitlicher Verfügbarkeit von Sachverständigen gemacht werden müssen. Es wird vorgeschlagen zu formulieren, (d)ie Auswahl eines Sachverständigen mit einer bestimmten Grundqualifikation hat das Gericht in seiner Beweisanordnung zu begründen. Schlussbemerkung Das BMJV und der Gesetzgeber sind zu ermutigen, über die eher sparsame Problemanalyse und die wenigen vorgeschlagenen Regelungen des Referentenentwurfs hinausgehende Lösungsansätze zu prüfen. Hierzu zählen etwa die Wiedereinführung des öffentlich bestellten Sachverständigen, die Einrichtung von Beschwerdestellen für Sachverständigengutachten, an die sich Gerichte wenden können oder die Ansiedlung von Gerichtspsychologen bei Gericht, wie etwa in Österreich. Vor allem aber ist zu prüfen, wie rechtspsychologische Forschung in Kindschaftssachen gefördert werden könne. Ein erster Schritt hierzu wäre die Einfügung einer Vorschrift in das FamFG, die analog zur Strafprozessordnung, die wissenschaftliche Auswertung von Akten überhaupt erlaubt und regelt. 4