Erfahrungsbericht: Sun Yat-Sen University WS 2013/14 Mein Auslandsemester beschloss ich, außerhalb Europas zu verbringen, da ich die meisten Länder schon bereist hatte. Durch ein Schuljahr, das ich in Kalifornien verbrachte, schloss ich auch die USA aus. Dieses Mal wollte ich etwas Exotisches erleben und da mich Asien schon immer gereizt hatte, beschloss ich nach China zu fliegen. Dort verbrachte ich das WS 2013/14 vom 16. September bis 15. Januar an der Sun Yat-Sen Universität in Guangzhou auf dem Zhuhai Campus. Für China bekam ich ein Studentenvisum (F). Ich habe versucht, ein X-Visum zu beantragen, bei dem multiple Einreisen möglich sind. Der zuständige Beamte in München sagte mir jedoch, dass die chinesische Regierung Einreisen streng reguliere, somit bekam ich nur eine Einreise genehmigt. In Zhuhai selber konnte ich aber noch zwei Einreisen an der dortigen Behörde beantragen. Die Sun Yat-sen Universität organisiert das automatisch bei der Anmeldung der Austauschstudenten. Was die Finanzen anbelangt, hatte ich während meines Aufenthalts zwei Kreditkarten bei mir. Ich besaß schon vorher eine Visakarte von der Deutschen Bank, aber ich beantragte zusätzlich eine Kreditkarte bei der DKB, da man mit dieser überall kostenlos abheben kann. Vor einer Anreise nach China oder generell Asien ist es wichtig, die eigene Bank zu kontaktieren und sie von dem Auslandssemester zu informieren. Sonst kann es passieren, dass manche Geldtransaktionen wie z.b. das Buchen eines Fluges innerhalb Chinas, nicht zugelassen werden. Wichtig ist es auch, sich über das Limit pro Monat der Kreditkarten zu informieren. Die Vorbereitung mit der Sun Yat-Sen Universität war recht schwer, da sich die Ansprechpartner sehr selten meldeten. Meine Kommilitonin und ich sind in Guangzhou angekommen, ohne zu wissen, ob und wo wir eine Unterkunft haben und ob unsere gewählten Kurse wirklich stattfinden werden. Da wir aber Ankunftsort und zeit an der Universitätsstadt Guangzhou angeben sollten, wurden wir von zwei Studentinnen der Universität abgeholt. Sie begleiteten uns auch beim ganzen Prozess des Registrierens und bei anderweitigen Formalitäten. Die Studentinnen waren sehr hilfsbereit und wir konnten uns sehr gut auf Englisch mit ihnen verständigen. Nach einer Woche hatten wir alles erledigt von Registrieren, Anmelden der Polizei, über Visaverlängerung und Studentenkarte beantragen. 1
Wir wurden automatisch in das Wohnheim untergebracht, was der erste richtige Schock für mich war. Das Zimmer, in dem vier Studenten auf engstem Raume zusammenleben sollen, war sehr kahl und noch sehr unpersönlich. Die Entdeckung von Schimmel im ganzen Raum war nicht gerade aufbauend. Insgesamt zehn Putzstunden haben meine Kommilitonin aus Deutschland und ich eingelegt und nach zwei Nächten drüber schlafen, sahen wir die Sache aber etwas optimistischer. Es wurde sogar mein kleines Zuhause und ich hab mich sehr gut mit meinen Mitbewohnern eingelebt. Mit zwei Deutschen, einer Spanierin und einer Chinesin waren wir eine kunterbunte Mischung. Für das Zimmer habe ich für das ganze Semester 190 kalt gezahlt. Monatlich kamen dann noch ungefähr 4 bis 5 für Strom und Wasser hinzu. Dies war zwar sehr billig und durch die Lage auf dem Campus sehr praktisch, doch im Wohnheim gab es ein paar Regeln: Die Türen blieben von 23 Uhr bis 6 Uh morgens geschlossen. Am Wochenende galt die Sperrstunde erst ab 24 Uhr. Auch gab es nur von 18 Uhr bis 23 Uhr warmes Wasser. Für viele war das ein Anlass, sich nach einer Wohnung außerhalb des Campus umzuschauen, doch das ist meist komplizierter und ich persönlich wollte mir das Geld für eventuelle Reisen sparen. Anfang des Semesters mussten alle internationalen Studenten einen Orientierungstest ablegen und wurden so ihren Klassen zugewiesen. Jede Klasse hatte ungefähr zehn bis fünfzehn Studenten. Ich kam in Chinesisch 3 (von sechs möglichen Stufen). Das war anfangs eine Herausforderung für mich, da ich nur 10% von dem verstand, was die Lehrerinnen sagten. Der Unterricht wurde nämlich nur auf Chinesisch gehalten. Ich hatte die Wahl in der ersten Woche in die Stufe 2 zu gehen, aber ich entschied mich dagegen. Ich musste ein paar mehr Lernstunden einlegen, aber der Lernerfolg war enorm und gegen Ende des Semesters verstand ich fast alles im Unterricht. (An der Augsburger Universität hatte ich vier Semester lang Chinesischunterricht, das zweimal pro Woche zu je 1,5 h stattfand.) Ich hatte insgesamt vierzehn Sprachstunden die Woche mit zwei Klassen: Comprehensive Chinese und Communication in Chinese. Ersteres behandelte mehr die Grammatik und das Schreiben und im letzteren Kurs lag der Schwerpunkt auf Verstehen und Kommunizieren. Die Lehrerinnen bereiteten ihren Unterricht sehr gut vor und ich persönlich habe sehr viel gelernt. Jeder Austauschstudent bekam zudem einen persönlichen Tutor zugeteilt. Das hat mir sehr geholfen, denn ich habe mit meiner Tutorin viel chinesisch sprechen können und habe gleichzeitig viel über die chinesische Kultur erfahren. Wir sollten bzw. mussten unsere 2
Tutoren auch mindestens drei Stunden die Woche treffen. Diese gaben uns eine Note, die auch in die Endnote von Comprehensive Chinese einfloss. Die Tutoren selber waren Studenten des Studiengangs Teaching Chinese as a foreign language, meistens schon im 5. Semester. Durch das Tutorium lernten also beide Parteien zu lehren und zu lernen. Generell wurde die Anwesenheitspflicht sehr viel strenger als in Deutschland gehandhabt. Sollte man unentschuldigt fehlen, gab es fünf Punkte Abzug beim finalen Examen und bei dreimaligen Fehlen wurde man von der Klausur ausgeschlossen. Reisen während der Unterrichtstagen wurde nicht entschuldigt. Dennoch wurde uns eine Woche frei gegeben, um uns die Gelegenheit zu geben, das Land zu erkunden. Neben dem Chinesischkurs habe ich das Seminar Lingnan culture & arts belegt, in dem die chinesische Kultur, vor allem im kantonesischen Raum, auf Englisch vorgestellt wurde. Zudem war ich noch in Human Ressource Management, das von einem Gastdozenten aus Taiwan auch auf Englisch gehalten wurde. Insgesamt hatte ich zwanzig Stunden die Woche Unterricht. Da ein Auslandssemester in meinem Studiengang Global Business Management Pflicht ist, kann ich alle Fächer und Leistungspunkte in mein Studium einbringen. An der Universität gab es eine Vielzahl an Clubs, denen man beitreten konnte. Am Anfang des Semesters wurden alle an einem Tag vorgestellt. Die Auswahl ging von Sportclubs zu studentischen Initiativen wie Aiesec bis zu Kalligraphie- und Filmkursen. Dennoch sollte man sich nicht zu große Hoffnungen machen. Ich trat dem Volleyballclub bei, aber nahm nur dreimal am Training teil. Ich war in einer Gruppe eingeschrieben und dachte das wäre die einzige bis ich sah, dass an einem Abend mehrere Gruppen (à 15 Leuten) trainierten. Das heißt, dass sich 60 oder mehr Studenten zwei Volleyballfelder teilen mussten. Das Training ist auch anders definiert als in Deutschland. Meistens standen wir nur rum und warteten bis ein Feld frei wurde. Die meisten Chinesen spielten auch in ganz normaler Alltagskleidung. Deswegen entschied ich mich neben dem Unterricht dann doch lieber eine Runde Joggen zu gehen. Dies war aber nicht immer ganz so einfach. Obwohl Zhuhai als Paradiesgarten bezeichnet wurde und als Stadt mit der saubersten Luft Chinas bekannt war, war die Luftverschmutzung oft nicht unerheblich. Dennoch war die Stadt schön grün und relativ übersichtlich. Zwar beschränkten sich die Fahrradtouren auf den Campus und dem benachbarten Stadtteil Tangjia ( 唐 家 ), aber ansonsten sind die Busverbindungen sehr gut und 3
die Taxifahrten sehr billig. Im Stadtteil Tangjia gibt es viele Restaurants, sowohl chinesische als auch westliche. Auch ging ich dort oft auf zum Supermarkt und auf den lokalen Gemüseund Obstmarkt. Auf den lokalen Märkten ist es wichtig zu handeln. Vor allem bei den Ausländern setzen die Einheimischen einen höheren Preis an. In der dortigen Altstadt ging ich gerne in die kleinen Cafés. Zum Feiern ging es oft in die Barstreet, die mit dem Taxi in 30 Minuten zu erreichen ist. Zum Shoppen fuhr ich mit dem Bus zur Grenze Macaus, an der es einen großen unterirdischen Markt gibt. Zhuhai ist bekannt für ihre Statue: die Fisher Lady ; charakteristisch sind sonst die vielen Parks und die vielen kleinen Inseln. Das Klima war sehr angenehm. Im Sommer war es zwar oft sehr schwül, aber dafür konnte es schon mal passieren, dass ich im Dezember manchmal noch Sommerklamotten anziehen konnte. Zu der Jahreszeit werden es tagsüber 10 C. Nachts konnte es aber sehr kalt werden, manchmal um die 0 C. Ansonsten ist Zhuhai ( 珠 海 ) selber eine relativ kleine Stadt und da sie sich in der Guangdong Provinz ( 广 东 省 - Guangdong Sheng) befindet, sprechen die meisten Einwohner kantonesisch. Das ist für die, die Mandarin ( 普 通 话 Putong-hua) lernen kein Problem, da alle dort das Hochchinesisch verstehen und sprechen. Generell habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Chinesen sehr hilfsbereit waren, auch wenn sie einem manchmal etwas ruppig behandelten. Die Einheimischen sind oft sehr neugierig und starren immer gerne Ausländer an, aber so kommt man oft auch ins Gespräch, je nachdem wie gut die Chinesisch-Kenntnisse sind. Das gelernte Chinesisch anzuwenden ist auch kein Problem, im Gegenteil, die Chinesen sind sehr erfreut zu hören, dass man ihre Sprache lernt und spricht. Die englische Sprache ist auch noch nicht so weit verbreitet wie ich es von Deutschland kenne, was einen aber nur ermutigt sich in der einheimischen Sprache zu verständigen. Das Essen dort habe ich sehr genossen, wenn es auch oft sehr ölig war. Vieles sieht für uns Europäer etwas fremd aus, doch am besten man probiert von jedem etwas bevor man vorschnell urteilt. Was ich in China sehr zu schätzen gelernt hab, waren die vielen kleinen Stände, die Essen an Straßen verkaufen. Am Anfang hatte ich etwas Hemmungen, da ich nicht wusste wie das mit der Hygiene stand, aber es wurden während meinem Semester mehr Freunde durch das Essen in Restaurants krank als das auf der Straße. Typisch chinesisch ist es auch, ganz viele verschieden Gerichte zu bestellen und diese dann zusammen zu teilen. Das empfand ich als sehr praktisch, weil ich viel Verschiedenes essen 4
und probieren konnte. Oft habe ich dortige Freunde gefragt, was sie an Essen empfehlen konnten. Die Chinesen, dich ich kennengelernt habe, hatten aber oft Angst mir etwas zu empfehlen, da die Gefahr bestand, dass ich es nicht mochte. Diese Angst, das Gesicht zu verlieren, war oft sehr hinderlich, zum Beispiel auch wenn ich nach dem Weg fragen wollte. Lieber schicken sie einen irgendwohin, anstatt zuzugeben, dass sie es nicht wissen. Mein Tipp also: immer mindestens zwei Leute nach der Meinung fragen! Die chinesische Kultur unterscheidet sich sehr von der europäischen. Das zieht sich von der Essenskultur zum Lebensstandard bis zu den Manieren durch. Aber mit Toleranz, Optimismus und einer guten Portion Humor habe ich einen positiven Kulturschock erlebt und ich genoss das Auslandssemester in Zhuhai sehr. Ich habe nur gute Erfahrung mit der Kultur gemacht, was auch an der Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Chinesen lag. Ich verstehe die Kultur und die Denkweise der Chinesen jetzt viel besser und Asien ist für mich nicht mehr nur das ferne Land im Osten. Ich werde auf jeden Fall dort zurückkehren, ob für das Studium, für die Arbeit oder nur für den Urlaub: China hat so viel zu bieten und ich kann einen Aufenthalt dort nur empfehlen! 5