WIR BRAUCHEN DEN WALD DER WALD BRAUCHT UNS

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Transkript:

WIR BRAUCHEN DEN WALD 29 Jahre Waldbeobachtung DER WALD BRAUCHT UNS Zustandsbericht 2013

EditoRIAL 5 Der Schein TrügT 7 FRÜHWARNSYSTEM Waldbeobachtung 10 Indikatoren für die WaldgESUNDHEIT 12 was den wald BELASTET 14 Die Trends in der Waldentwicklung 18 Gründe zum HANDELN 26 Verantwortung WAHRNEMEN 30 Keine Entwarnung für den Wald 2 3

Liebe Leserinnen und Leser Der Wald ist unsere grüne Lunge, unser Wasserfilter und Holzlieferant. Im Wald erholen wir uns gerne vom Alltag, dort tanken wir auf. Gleichzeitig ist der Wald Lebensraum für unzählige Lebewesen. Auf ihn möchte niemand verzichten. Aber wie steht es um seine Gesundheit? Leider besteht Anlass zur Sorge, wie die aktuellen Resultate der seit 29 Jahren laufenden wissenschaftlichen Langzeitstudie über die Gesundheit des Waldes zeigen. Vielerorts leidet der Wald unter schleichenden Veränderungen, die vom Menschen verursacht sind. Vor allem die Folgen der seit Jahren zu hohen Stickstoffeinträge machen ihm zu schaffen. Die Belastung des Waldes muss und kann verringert werden. Dazu sind dringend Massnahmen nötig. Diese kleine Broschüre soll Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einen Überblick über die Ergebnisse der Beobachtungen von 179 Waldbeobachtungsflächen verteilt über acht Kantone geben und aufzeigen, wo Handlungsbedarf besteht. 4 Ueli Meier Programmleiter des Dauerbeobachtungsprogramms Kantonsforstingenieur Amt für Wald beider Basel

Der Schein Trügt Der Wald prägt das Landschaftsbild, bietet Lebensraum für Pflanzen und Tiere und schützt vor Naturgefahren. Er ist wichtiger Energie- und Rohstofflieferant sowie Trinkwasserreservoir. Wie steht es um den grössten und beliebtesten Erholungsraum der Bevölkerung? Das Waldsterben, das in den 1980er Jahren Gegenstand hitziger Auseinandersetzungen war, ist dank grosser Anstrengungen im Umweltschutz nicht eingetreten. Es scheint dem Wald immer noch gut zu gehen, abgesehen von Sturm- und Käferschäden, die hier und dort diesen Eindruck trüben. Doch der Schein trügt! Wenn schleichende Veränderungen eine kritische Grenze überschreiten, können sie zu Schäden führen. Vielerorts leidet der Wald unter schleichenden Veränderungen, die hauptsächlich vom Menschen verursacht sind. Vor allem die Folgen der hohen Stickstoffeinträge machen ihm zu schaffen. In der Natur entwickeln sich entscheidende Veränderungen oft über eine lange Zeitdauer, unauffällig und unspektakulär. Wird jedoch eine kritische Grenze überschritten, können Schäden eintreten. 6 7

In den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte. Franz Kafka 8 9

Frühwarnsystem Waldbeo B - achtung Im Auftrag von acht Kantonen und dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) veröffentlichte das Institut für Angewandte Pflanzenbiologie (IAP) im Sommer 2013 den vierten Bericht über den Gesundheitszustand unseres Waldes. Während 29 Jahren legte das IAP in einer breit angelegten Studie umfangreiche Messreihen an: auf 143 über die acht Kantone verteilten sowie 36 zusätzlichen, ausserhalb dieser Kantone liegenden Flächen. Waldbeobachtungsflächen Insgesamt rund 13 500 Fichten, Buchen und Eichen werden jährlich beobachtet. Damit liegen regelmässige, zuverlässige und regionenübergreifende Ergebnisse zur Waldentwicklung vor. Die Studie schafft Grundlagen zum Verständnis und zur Erhaltung der vielfältigen Waldfunktionen. Der Nutzen der Studie geht über den Praxisnutzen für die Waldbewirtschaftung hinaus: Sie ist auch ein wissenschaftliches Frühwarnsystem für das Ökosystem Wald sozusagen der Fiebermesser für dessen Zustand. Die kritischen Belastungsraten und ihre Überschreitungen können ermittelt werden, um die langfristigen Risiken abzuschätzen. Es ist an uns allen, vor allem auch an der Politik und Wirtschaft, aus den langfristig beunruhigenden Erkenntnissen die nötigen Konsequenzen zu ziehen. 10 11

Indikatoren für die Waldgesundheit Die Walddauerbeobachtung umfasst eine Vielzahl von periodisch wiederkehrenden und teils auch permanenten Untersuchungen. Dabei werden auf allen Flächen 33 Messgrössen erhoben, weitere 25 Messgrössen auf ausgewählten Flächen. Die wichtigsten davon sind: Kronenzustand Die Kronenverlichtung ist ein Mass für die Belaubungsdichte. Sie stellt eine nützliche Richtgrösse dar, um den Waldzustand über einen längeren Zeitraum einfach und schnell abzuschätzen. Bäume mit einer Kronenverlichtung von mehr als 25 Prozent gelten als gestresst. Nährstoffversorgung Die mineralischen Nährstoffe im Laub sollten in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen. Stammzuwachs Der Stammzuwachs ist ein Mass für die Wirkung von Umwelteinflüssen auf den Baum und für den Förster eine wichtige Grösse. Pflanzengemeinschaft Umweltveränderungen spiegeln sich relativ schnell in der Zusammensetzung der Kraut- und Strauchschicht wider. Boden Die mineralogische Zusammensetzung des Bodens und seine biologische Aktivität sind entscheidend für das Wachstum von Bäumen. Von besonderem Interesse sind der ph-wert, der Gehalt an Nährstoffen wie Kalium, Magnesium und Kalzium sowie die Konzentration des potenziell schädlichen Aluminiums. Wurzeln Die Wurzeln verankern die Bäume im Boden und sind für die Wasser- und Nährstoffaufnahme verantwortlich. Triebwachstum Das Triebwachstum reagiert empfindlich auf Umwelteinflüsse und Stress. 12 13

Was den Wald belastet Verschiedene Stressfaktoren beeinflussen das Wachstum und den Gesundheitszustand der Bäume. Einige davon beeinflussen einander gegenseitig und verstärken sich in ihrer Wirkung. Stickstoff Ozon Stickstoff wirkt bis zu einem gewissen Grad als Dünger und steigert das Wachstum. Bei zu hohen Einträgen können aber Nährstoffungleichgewichte entstehen. In der Folge kommt es zu Wachstumsreduktionen, höherem Parasitenbefall (Krankheiten und Schädlinge), erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit und Ausbreitung von stickstoffliebenden Pflanzen im Wald. Bodenversauerung Ozon verfärbt das Laub und hemmt das Wachstum. Witterungsextreme Folgen der Bodenversauerung sind die Abnahme der Bodenfruchtbarkeit, Nährstoffungleichgewichte, das Verschwinden der Regenwürmer, geringe Wurzeltiefe und damit verminderte Widerstandskraft der Bäume gegenüber Windwurf und Trockenheit. Infolge Trockenheit können Bäume absterben. Stürme können in kurzer Zeit grosse Waldflächen vernichten. Beide Effekte können durch Stickstoff und Bodenversauerung verstärkt werden. Nährstoffmangel Parasiten Fichte und Buche leiden unter einem Mangel von Phosphor und Kalium, bei der Buche kommt noch der Magnesiummangel hinzu. Zu den Parasiten zählen Borkenkäfer oder auch die Verursacher eingeführter und neuer Krankheiten wie Föhrentriebsterben und Eschenwelke. 14 15

Weisst du, was Wald ist? Ist ein Wald etwa nur zehntausend Klafter Holz? Oder ist er eine grüne Menschenfreude? Bertold Brecht 17

Die Trends in der WALDentwicklung Die Langzeitstudie zeigt, dass sich die Wachstumsbedingungen für den Wald an vielen Orten verschlechtern. Periodische Schwankungen lassen sich zwar zum Teil durch extreme Witterungsbedingungen wie in den Trockenjahren 2003 und 2005 erklären, nicht aber die beobachteten negativen Langzeitwirkungen. Stickstoffeinträge aus der Luft im Jahr 2010 Stickstoff-Deposition kg N ha -1 a -1 <_ 10 10 15 15 20 20 30 30 40 > 40 Diese Verschlechterung wird unter anderem durch eine hohe Belastung mit pflanzenverfügbarem Stickstoff aus der Luft verursacht. Diese ist zwar nach einem Höhepunkt Mitte der 1980er Jahre seit 2000 stabil, doch sind die Einträge in die Wälder immer noch zwei- bis dreimal höher als langfristig tolerierbar. Zu hohe Stickstoffeinträge verursachen verschiedene gravierende Veränderungen an den Waldbäumen und ihren Lebensgrundlagen. Der kritische Wert für den Wald beträgt 10 20 kg N ha -1 a -1 (Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr) 18 19

Zunehmende Bodenversauerung Heute führt nicht mehr der klassische «saure Regen» zur Bodenversauerung, sondern der über Jahre zu hohe Stickstoffeintrag. Ein Fortschreiten der Versauerung kann in vielen Beobachtungsflächen gemessen werden. Dabei gehen die Nährstoffe Kalzium, Magnesium und Kalium verloren, die Fruchtbarkeit nimmt ab. Versauerungsindikator (Al/BC) 0.08 0.07 0.06 0.05 0.04 0.03 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Zunehmende Stickstoffsättigung Stickstoff ist zwar ein Dünger, aber eine einseitige Stickstoffernährung führt zu einer Verminderung der Konzentration wichtiger Nährstoffe (Phosphor, Kalium, Magnesium) in den Blättern und Nadeln. Damit verschwindet die wachstumsfördernde Wirkung von Stickstoff und wird z.t. sogar durch eine Wachstumshemmung ersetzt. 0.015 Erhöhte Anfälligkeit für Trockenheit Zu viel Stickstoff erhöht die Anfälligkeit für Trockenheit. Einerseits ist die Funktion der Feinwurzeln und der mit den Feinwurzeln zusammenlebenden Wurzelpilze eingeschränkt, andererseits ist die Regulierung des Wasserverbrauchs gestört. Reduziertes Holzwachstum Der durchschnittliche Stammzuwachs hat in den letzten Jahren abgenommen. In den 1980er Jahren war das Wachstum durch die hohen Stickstoffeinträge gefördert worden. Das ist aber heute nicht mehr der Fall. Die Hinweise verstärken sich, dass dies mit der beobachteten Verschlechterung der Phosphorversorgung zusammenhängt. Stammwachstum (m 2 ha -1 a -1 ) 0.8 0.7 0.6 0.5 1990 1995 2000 2005 2010 Wachstumsfördernde Wirkung von Stickstoff 0.010 0.005 0 1987 1991 1995 1998 2002 2006 2010 20 21

Zu wenig Regenwürmer In sauren Böden fehlen die Regenwürmer. Diese erfüllen wichtige Funktionen im Waldboden. Sie bauen Laub ab, durchmischen den Boden, bilden stabile Krümel und sorgen für eine gute Durchlüftung. Stärkerer Parasitenbefall Die hohe Stickstoffkonzentration führt zu einer grösseren Anfälligkeit gegenüber Insekten und Pilzen. 60 50 Anzahl Regenwürmer pro m 2 keine > 0 10 > 10 80 > 80 Totastanteil (%) 40 30 20 10 0 0 10 20 40 80 160 N-Düngung (kg N ha -1 a -1 ) Höheres Sturmschadenrisiko Die Windwurfanfälligkeit von Waldbäumen ist auf versauerten Böden und bei Stickstoffbelastung erhöht. % geworfene Bäume 60 50 40 30 20 10 0 versauerter Boden Buche Fichte nährstoffreicher Boden Erhöhter Fruchtbehang Bei der Buche hat die Bildung von Nüsschen in den letzten Jahren massiv zugenommen. Zu häufige Samenjahre bedeuten für den Wald einen Stress. Dies hängt möglicherweise mit dem Klimawandel zusammen. Fruchtbehang bei der Buche (Anzahl pro Kurztrieb) 1.5 1.0 0.5 1985 1995 2005 2015 22 23

Neue Krankheiten Als vor wenigen Jahren eingeführte Krankheit hat die Eschenwelke auf der Alpennordseite ein bereits bedrohliches Ausmass erreicht. Jahr des ersten Auftretens nicht beobachtet 2013 2012 2011 2010 2009 sen Faktoren spielt Trockenheit sicher die wichtigste Rolle, aber auch die Stickstoffdeposition sowie Kaliummangel sind von Bedeutung. Die aktuelle Forschung beschäftigt sich mit solchen Zusammenhängen und anderen Phänomenen, die für die Gesundheit des Waldes von Bedeutung sind. Mortalität durch Borkenkäfer (% pro Jahr) 0.08 0.07 0.06 0.05 0.04 0.03 0.02 0.01 Die Rolle des Borkenkäfers Käfer und andere Kleinlebewesen sind für den natürlichen Kreislauf des Waldes unentbehrlich. Sie sorgen dafür, dass abgestorbene Bäume und Pflanzen verwertet und dem Waldboden als Nährstoffe wieder zugeführt werden. Der Fichtenborkenkäfer dagegen ist auf lebendes Gewebe angewiesen. Bei einer Massenvermehrung wie beispielsweise nach dem Wintersturm Lothar von 1999 und nach dem trockenen Sommer 2003 kann er auch gesunde Bäume befallen. Zur Zeit sind die Käferpopulationen sehr klein, weil in den letzten Jahren keine grossen Schadholzmengen durch Unwetter angefallen sind und auch die Belastung durch Trockenheit geringer war. In der Regel ist der Borkenkäfer aber ein Schwächeparasit, er greift also Bäume an, die durch andere Faktoren gestresst sind. Unter die- 0 5 10 20 30 40 N-Depositon (kg N ha -1 a -1 ) 3 5 mm 24 25

Gründe zum Handeln Der vierte Bericht des IAP zur Frage «Wie geht es unserem Wald?» nennt als hauptsächliche Erkenntnisse: zunehmende Versauerung vieler Waldböden gestörte Nährstoffversorgung vieler Bäume reduziertes Stamm- und Triebwachstum vieler Bäume zunehmende Stickstoffsättigung der Wälder Es sind keine spektakulären neuen Erkenntnisse, doch die Trends sind anhaltend und eindeutig. Und genau dies sollte uns alarmieren: Die Verschlechterung der Lebensbedingungen des Waldes geht unvermindert weiter. Diese Tendenz ist mit der Langzeitstudie wissenschaftlich belegt. Sie ist zwar langsam und für den Menschen kaum merklich, für den Wald aber entscheidend. Die Widerstandskraft der Bäume wird ohne Gegensteuer langfristig schwinden. Dies in einer Zeit, in der das Thema Klimawandel die Menschen beun ruhigt und Witterungsextreme und Naturkatastrophen immer häufiger aufzutreten scheinen. Grund genug zum Handeln? 27

Wenn man eine Eiche pflanzt, darf man nicht die Hoffnung hegen, nächstens in ihrem Schatten zu ruhen. Antoine de Saint-Exupéry 28 29

Verantwortung WAHRnehmen Eine konsequente Umsetzung ist erforderlich. So bieten sich zum Beispiel in der Landwirtschaft emissionsärmere Stallsysteme, abgedeckte Güllelager und das Ausbringen der Gülle mit der Schleppschlauch-Verteiltechnik anstelle des traditionellen Druckfasses an, um die Ammoniak-Emissionen zu mindern. Auch muss die Stickstoff-Emission durch Industrie und Verkehr weiter eingeschränkt werden. Verursacher der sich schleichend verschlechternden Lebensbedingungen an vielen Standorten im Wald ist letztlich der Mensch. Die Langzeitstudie nennt Witterungsextreme als Folge des Klimawandels und die hohe Stickstoffbelastung als Hauptgründe für den zunehmend schlechteren Gesundheitszustand des Waldes. Die sich abzeichnenden ungleichmässigeren Niederschläge und höheren Temperaturen beeinflussen den bereits gestörten Wasserhaushalt der Bäume erheblich. Dringender Handlungsbedarf: Reduktion der Stickstoffimmission Stickstoff wird hauptsächlich von der Landwirtschaft (Viehbetrieb und Güllebewirtschaftung) sowie von Industrie und Verkehr produziert und gelangt über die Luft in den Wald. Ohne einschneidende Massnahmen ist die Stickstoff-Reduktion nicht zu bewerkstelligen. Lösungen und Technologien sind zum Teil bereits vorhanden. Die Waldwirtschaft kann nur Symptome bekämpfen, aber keine Ursachen beheben. Die Möglichkeiten der Waldwirtschaft, der ungünstigen Entwicklung entgegenzuwirken, sind beschränkt. Sie kann Symptome bekämpfen, aber nicht Ursachen beheben. Trotzdem empfiehlt die Studie Massnahmen, die dem Erhalt der Bodenfruchtbarkeit dienen: Anstreben einer naturnahen Waldbewirtschaftung Förderung von Baumarten, die die Nährstoffumsetzung beschleunigen (z.b. Ahorn und Linde) Förderung von Baumartenmischungen, die den Wurzelraum gut erschliessen Vermeiden von grossen Verjüngungsflächen Verbleib von Laub und Ästen nach der Holzernte im Wald, da sie die meisten Nährstoffe enthalten 30 31

Seit 29 Jahren betreiben folgende acht Kantone gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf ausgewählten Standorten die interkantonale Walddauerbeobachtung: Aargau Basel-Landschaft Basel-Stadt Bern Solothurn Thurgau Zug Zürich Weitere detaillierte Informationen und der Studienbericht des IAP sind zu finden auf: www.waldbeobachtung.ch www.iap.ch