Demografie-Management umsetzen Mit der Psychologie des Alterns Widerstände abbauen, erfolgreich verändern Dr. Susanne Schuett, Ph.D. Diplom-Psychologin univ. Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien BWV Jahresveranstaltung, 8. Oktober 2013, München
Megatrend Altern (1/2): Immer mehr von uns werden immer älter & es kommen immer weniger nach Wir haben Alterns-Neuland betreten: 21. Jh. ist für Alternsforscher das, was 15. Jh. für die großen Entdecker war! Bevölkerungen schrumpfen und werden grauer Jedes Land altert, nur anders und unterschiedlich schnell (Japan wird noch im 21. Jh. 50% der Bevölkerung verlieren!) Die wettbewerbskritischen Faktoren für Unternehmen sind nicht mehr Ökonomie oder Technologie, sondern die Demografie. Peter Drucker (1997) Für Unternehmen heißt das: Absatzmärkte & Arbeitsmärkte bzw. Belegschaften schrumpfen und werden grauer 2
Megatrend Altern (2/2): Immer mehr von uns werden immer älter & es kommen immer weniger nach Immer weniger! ( war for talents ) Immer älter! ( aging workers ) 3
Alternde Arbeitswelt Fünf Trends (1/5): 5 Generationen arbeiten unter einem Dach Talkin bout my generation : entgegen gesell. Trends in privater Lebensführung arbeiten bis zu fünf Generationen unter einem Dach: Wirtschaftswundergeneration (geb. 1945-1955) Baby-Boomer (1956-1965) Generation X (1966-1985) Generation Y (1986-1994) Generation Z (post-1994) Mehrgenerationen-Belegschaften dominieren Arbeitswelt mit Altersspannen von mehr als 50 (!) Lebensjahren 4
Alternde Arbeitswelt Fünf Trends (2/5) Arbeiten wird länger & weiblicher Länger leben heißt länger arbeiten : da Geburtenraten sinken, Lebenserwartungen steigen ( 90 statt 50J. ), werden wir länger arbeiten können und auch müssen( 50 statt 25 J. ) Abteilungsgesichter werden älter & weiblicher Frauenanteil steigt! Unternehmen können nicht mehr auf Ältere & Frauen verzichten! 5
Alternde Arbeitswelt Fünf Trends (3/5): Arbeiten wird konfliktreicher und unkonventioneller Droht Clash of Generations? Jede(s) Generation, Alter, Geschlecht denkt, fühlt, handelt anders; andere Bedürfnisse, Werte, Einstellungen! Senioritätsprinzip & traditionelle Führungsordnungen sind umkämpft, kehren sich langsam um Kaum einer will noch arbeiten, geschweige denn führen : Karriere ist nicht mehr das ganze Leben, aus Vollzeit-werden Teilzeit-Belegschaften (Teilzeitbeschäftigung in DEU schon jetzt über europäischem Durchschnitt!) 6
Alternde Arbeitswelt Fünf Trends (4/5) Arbeiten wird flexibler, digitaler, beschleunigter Arbeiten jederzeit und überall, unabhängig von Ort & Zeit Arbeiten wird immer digitaler und auch immer schneller: pro Zeiteinheit passiert heute viel mehr als früher (sog. Beschleunigung!) konventionelle Arbeitsstrukturen lösen sich auf: von der Abteilungszur Netzwerkarbeit Arbeiten wird mehr und mehr zur Informations-, Wissens-und Kommunikationsarbeit 7
Alternde Arbeitswelt Fünf Trends (5/5) Länger leben = länger Arbeiten, Lernen, Gesundbleiben Lernen Ruhestand, Erholen Arbeiten Lernen Arbeiten Erholen Für Unternehmen: neue Urgenz einer alten (Mit-)Verantwortung: Länger leben heißt länger arbeiten und deshalb auch: länger lernen (Weiterbildung) & gesund bleiben (Gesundheitsförderung) unser klassisches Lebensmodell hat ausgedient: Bildung (junges Alter), Arbeit (mittleres Alter), Ruhestand (höheres Alter) es wird und muss zum Lebenslangen Lernen, Arbeiten und Erholen werden 8
Was tun? Demografie-Management ist der Erfolgsfaktor der Zukunft Ansonsten drohen Produktivitäts-, Kapazitätsrisiken & Chancen des neuen Alterns bleiben ungenutzt! Versicherer sind Vorreiter im Demografie-Management: WieSieden Laden führen,wenndie Leuteerstmit75 in Rentegehen, so Peter Drucker, ist zentrale und zugleich schwierigste Management- Aufgabe der Zukunft. Alternsorient. Personalstrategien Altersstrukturanalysen & strategische Personalplanung Entwicklung alternsorientierter Maßnahmen, um das immer weniger & älter werdende Personal zu gewinnen, zu binden und leistungsfähig (gesund, qualifiziert, motiviert) zu halten 9
Umsetzung als nächste große Herausforderung (1/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände A GE DM = Veränderung, aber wir Gewohnheitstieremögen keine Veränderungen: sie bereiten uns Sorge, machen Angst! Außerdem geht s auch nicht um irgendeine Veränderung, wie Einführung IT-System (schon schlimm genug!) sondern: es geht um höchst sensible, persönliche Veränderung: das eigene Altern! Problem:Altern macht Angst, denn (wie alle Veränderungen) wird es als Bedrohung empfunden, über die man nichts weiß, die man nicht beeinflussen kann und der man nicht gewachsen ist 10
Umsetzung als nächste große Herausforderung (2/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände A GE Kein Wunder also, dass die meisten Mitarbeiter & Führungskräfte gegen die betriebliche Bewältigung des Alterns (DM) Widerstand leisten, v.a. bei der Umsetzung! die meisten sind mit den Veränderungsprozessen überfordert; sie reagieren höchst sensibel bis totalverweigernd, wenn Unternehmen das Thema auch nur ansprechen Demografie-Management ist nur für Ältere & ihre Schwächen zuständig. Wenn man da mitmacht, ist man ja selber alt, schwach, gehört zum alten Eisen, manövriert sich selber aufs Abstellgleis und kommt auf die Handshake-Liste. Ich werd schon allein alt. Altern ist Privatsache; das geht den Betrieb gar nichts an. Demografie-Management kostet nur Zeit, Kraft und Geld, und bringt nichts. Und wenn, dann sind nur die Personaler dafür zuständig. Let s get back to work 11
Umsetzung als nächste große Herausforderung (3/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände A GE (Im Arbeitsleben) ist wenig Zeit zwischen der Zeit, wo man zu jung und der, wo man zu alt ist. (Montesquieu) den wenigsten Mitarbeitern & Führungskräften ist bewusst, dass jeder altert, dass Altern alle angeht die wenigsten wissen, was Altern eigentlich ist, was man tun kann die meisten wollen das auch gar nicht und schließlich dürfensie ja gar nicht altern, älter werden (geschweige denn alt sein!) in unseren Forever young Lebens- und Arbeitswelten Außerdem gibt es kein Thema, das mit so vielen Tabus, Vorurteilen, Mutmaßungen, Befürchtungen besetzt ist, wie das Altern (v.a. Arbeitswelt) George Soros hat den dramatischen Zustand des Alterns in unserer Gesellschaft auf den Punkt gebracht: Älterwerden gilt als Peinlichkeit und Sterben als Scheitern. 12
Umsetzung als nächste große Herausforderung (4/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände Wir denken, fühlen & handeln immer noch nach dem Risiko-/Defizit-Modell des Alterns obwohl wiss. schon längst widerlegt!! erst geht s bergauf, mit 50 erreicht man Höhepunkt seines Lebens; ab 60geht s bergab, da geht das Alter an, mit 70: ein Greis, mit 80: nimmer weis, mit 90: der Kinder Spott, mit 100: Gnade von Gott 13
Umsetzung als nächste große Herausforderung (5/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände Obwohl uns das Altern Vieles nimmt, gewinnen wir das, wonach wir das ganze Leben streben: Glücklichsein! und vieles Mehr 1. Life beginnt happy, dann geht s bergab, bis zum bekannten Tiefpunkt midlife crisis (46 J.) 2. Nach 46J. geht s wieder bergauf: zw. 58 und 77J. sind wir am glücklichsten (das ist unabh. von finanz., berufl., gesundh. Status und Kinderzahl) Denn ob wir zufrieden & glücklich sind, ist davon abhängig, wie gut wir im Hier und Jetzt leben können und die Dinge tun, die einem selbst wichtig sind und nicht den anderen und je älter wir werden, desto besser werden wir darin! 14
Umsetzung als nächste große Herausforderung (6/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände Was macht die Psychologie des Alterns? Sie sagt uns, dass wir dem eigenen Altern nicht tatenlos zusehen müssen: Wir als Einzelne, Betriebe und Gesellschaften haben es in der Hand, wie wir altern: Jeder ist seines Alterns Schmied! Außerdem beantwortet sie die zentralen Alternsfragen: Wie verändern wir uns über Lebensspanne? Wie bewältigt man das Älterwerden? Welche ind., betriebl., gesell. Gestaltungsmöglichkeiten gibt es? Wie altert man erfolgreich? Was sind Potenziale/Grenzen des Alterns? Altern Die Basics! (1) Altern ist lebenslange Veränderung, Wachstum, Reifung, Lernen ( growing old ) (2) Altern ist multi-dimensional, nicht nur körperl. & soziale sondern primär psychische Veränderung. (3) Altern ist multi-direktional, nicht nur Abbau und Verlust, sondern auch Zunahme und Gewinn. (4) Altern ist multi-determiniert, lebenslang beeinflussbar, von uns selbst (denken, fühlen, handeln; auch Geschlecht, Generation) und unserer Umwelt (Gesellschaft, Betrieb, Kultur ) (5) Nicht das Alter, sondern das Altern ist relevant, kalendarisches Alter sagt wenig über Funktionsfähigkeit! (6) Altern ist individuell und vielfältig, es gibt über 100 Alternsformen; Jeder altert anders! 15
Umsetzung als nächste große Herausforderung (7/7): Besonderer Wandel, besondere Widerstände Vorurteile Älteresind weniger leistungsfähig, belastbar, unproduktiver. Ältere sind unmotivierter. Ältere haben mehr Fehlzeiten. Demografie-Management ist nur für Ältere. Arbeit macht krank(v.a. Ältere) & Rente erholt uns. Was wirklich stimmt Ältere sind genauso leistungsfähig, belastbar (außer schwere körperl. Arbeit ohne Pause), produktiv; sie unterscheiden sich nur in Stärken und Schwächen (in jedem Alter kompensierbar); Stärken Älterer: sie wissen mehr, sind zuverlässiger, pflichtbewusster, disziplinierter, loyaler, selbständiger, sozial-kompetenter, widerstandsfähiger, ausgeglichener, gelassener, toleranter Ältere sind genauso motiviert, nur wenigeraufstiegsorientiert; wichtiger sind: Wertschätzung, Generativität, Arbeitsklima, Autonomie, Selbständigkeit, Flexibilität Ältere melden sich sogar seltener krank als Jüngere und haben geringere Fluktuationsraten; wenn sie sich aber krank melden, dann meist länger. DM ist für Alt undjung : es fördert, nutzt alternsbedingte Stärken/Potenziale & verhindert, kompensiert Schwächen, Risiken, über gesamte Erwerbslaufbahn Arbeiten fördert unsere körperl., psych., soz. Gesundheit & Lebenserwartung: in Ländern mit höchster Lebenserwartung (JAP, NOR) wird am längsten gearbeitet: JAP: Japan: höchstes Rentenalter (70+)& Lebenserwartung (83) am besten erst gar nicht an Rente denken, weiterarbeiten; das hält fit/gesund insb. Frauen sind gegen Rente: Ist Ehemann gesund, nicht zu Hause, ist es gut denn dies verhindert Ehekrisen & entspricht Konfuzianismus, nämlich: die Kraft bis ins hohe Alter vollends auszuschöpfen. 16
Demografie-Management erfolgreich umsetzen (1/3): Alternspsychologisches Change-Management Erfolgreiches DM arbeitet mit Psychologie des Alterns : (1) baut alternsspez. Tabus, Ängste, Widerstände ab, (2) baut Akzeptanz und Vertrauen auf alternspsychologisches Change-Management macht Unternehmen und ihr Personal ready to age, hilft DM nachhaltig zu verankern: Personalentwicklung: fürs Altern managen (1) sensibilisieren,(2) qualifizieren, (3) motivieren Organisationsentwicklung: alternsorientiert (4) kommunizieren, (5) führen, (6) kultivieren Wissen/Können Qualifizieren Bewusstsein: Sensibilisieren Wollen Motivieren Dürfen Kommunizieren, Führen, Kultivieren Ready to Age 17
Demografie-Management erfolgreich umsetzen (2/3): Alternspsychologisches Change-Management (1) Sensibilisieren! Altern geht uns alle an Alte Leute sind junge Menschen, die zufällig früher älter geworden sind. (Anonymus) (2) Qualifizieren! Altern will gekonnt sein Zu wissen, wie man altert ist das Meisterwerk der Weisheit und eines der schwierigsten Kapitel aus der großen Kunst des Lebens. (Henri Frédéric Amiel) (3) Motivieren! Altern ist Einstellungssache Nicht das Alter(n) ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu. (Cicero) (4) Kommunizieren! Übers Altern muss geredet werden Let stalkabout(age) baby. Let stalkaboutyouandme. Let stalk aboutall thegoodthingsandthebadthingsthatmaybe. (Salt-n-Pepa) (5) Führen! Altern muss zur Chefsache werden Ein (Alterns-)Beispiel zu geben ist nicht die wichtigste Art, wie man beeinflusst. Es ist die einzige. (Albert Schweitzer) (6) Kultivieren! Altern muss gelebt werden Altern ist primär soziales Schicksal und erst sekundär organische Veränderung. (Hans Thomae) 18
Demografie-Management erfolgreich umsetzen (3/3): Das neue Altern mitgestalten Unser neues Altern braucht Gestaltung Versicherer haben jetzt die Chance als gesellschaftliche Innovatoren die vielleicht schwierigste Lebenskunst im 21. Jahrhundert im Sinne eines Ready to Age erfolgreich zu meistern, mitzugestalten und voranzutreiben Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Fragen? susanne.schuett@univie.ac.at Schuett, S (2014). Ready to Age! Die Psychologie des Alterns im Demografie-Management. Berlin: Springer 19