SchiedsamtsZeitung 45. Jahrgang 1974, Heft 12 Online-Archiv Seite 185a-195 -Organ des BDS



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Transkript:

Aufsätze Das Gesetz über die Neuregelung des Volljährigkeitsalters und seine Bedeutung für die Schiedsmannspraxis Von Justizoberamtmann a. D. Karl Drischler, Lüneburg 1. Allgemeines Für mehr als zwei Millionen junge Mitbürger wird der 1. Januar 1975 ein bedeutsamer Tag sein, denn an diesem Tage tritt das Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 (BGBl. I S. 1713'') in Kraft, das die Volljährigkeit von bisher 21 auf nunmehr 18 Jahre herabsetzt. Mehr als zwei Millionen junge Menschen werden an diesem Tage drei Jahre früher als bisher zu Erwachsenen. Sie sind damit voll geschäftsfähig und, mindestens bürgerlichrechtlich, auch voll verantwortlich für alle Entscheidungen, die von ihnen getroffen werden. Ein seit 1875, also seit 100 Jahren, bestehender Rechtszustand ist damit beendet. Die Bundesrepublik folgt mit der neuen gesetzlichen Regelung einer Entwicklung, die in anderen Ländern teilweise bereits vollzogen ist. Das Volljährigkeitsalter von 18 Jahren besteht bereits in Bulgarien, in der DDR, in England, Jugoslawien, Mexiko, Polen, Rumänien, Tschechoslowakei, Türkei, UdSSR und Ungarn. Die Volljährigkeit mit dem vollendeten 20. Lebensjahre tritt ein in Dänemark, Finnland, Island, Japan, Norwegen und Schweden. Die Altersgrenze von 21 Jahren besteht noch in Belgien, Frankreich, Griechenland, Holland, Irland, Luxemburg, Österreich, Schweiz und USA. Frankreich und Schweden haben Gesetze in Vorbereitung, nach denen das Volljährigkeitsalter ebenfalls auf 18 Jahre herabgesetzt werden soll. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters seit Jahren im Gespräch. In der Regierungserklärung vom 28. Okt. 1969 war eine Prüfung dieser Frage in Aussicht gestellt. Das Ergebnis der parlamentarischen Erörterungen ist das o. g. Gesetz, das wegen seiner erheblichen Bedeutung eine ausführliche Würdigung verdient. Nach der Ansicht der Mehrheit des Bundestages, quer durch alle Parteien, war die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters geboten. Nach der Amtl. Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung' sind dafür folgende Gründe bedeutungsvoll: Die in den letzten Jahren zu beobachtende Akzeleration in der persönlichen Entwicklung der Jugendlichen dieser Altersgruppe3 sowie die Veränderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den letzten Jahrzehnten sprechen für die Herabsetzung des seit dem Jahre 1875 geltenden Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre. Mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters wird der tatsächlich vollzogenen Emanzipation dieser Altersgruppe Rechnung getragen. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/12

Die Teilnahme dieser Altersgruppe am Rechts- und Wirtschaftsleben vollzieht sich insbesondere in der Wahl des Berufs und des Arbeitsplatzes, in der Bestimmung des Aufenthalts, in der Verwertung des Einkommens und in der Gestaltung der Freizeit. In diesen Bereichen handeln die Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen heute tatsächlich weitgehend selbständig; der Einfluss des gesetzlichen Vertreters ist begrenzt. Entstehen Konfliktsituationen, weil die Entscheidung des Jugendlichen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht gebilligt wird, so tritt häufig keine Befriedigung ein, vielmehr wird der Jugendliche oft versuchen, seine Entscheidung gegen den Willen des gesetzlichen Vertreters durchzusetzen, wodurch eine Verschärfung der Konfliktsituation eintritt. Diese Entscheidungsfreude der Jugendlichen beruht auf ihrer weitgehenden tatsächlichen Selbständigkeit in allen Lebensbereichen, ihrer Ausbildung und Erziehung zu Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit sowie ihrer Konfrontation und Auseinandersetzung mit den vielfältigen Problemen unseres staatlichen und wirtschaftlichen Lebens. Zwar ist nicht zu verkennen, dass einzelne Jugendliche dieser Altersgruppen nicht fähig sind, am Rechts- und Wirtschaftsleben eigenverantwortlich teilzunehmen, ohne Schaden zu leiden. Auf diese Einzelfälle mögen die Einwendungen zutreffen, die gegen eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters insgesamt erhoben werden. nämlich, dass es den Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen an der persönlichen Reife sowie an Lebenserfahrung und damit an der sozialen Reife fehle, um in denn komplizierter gewordenen Rechts- und Wirtschaftsleben die Tragweite ihres rechts-geschäftlichen Handelns übersehen zu können. Diese Einwendungen treffen aber auch auf einzelne nach geltendem Recht Volljährige zu, die ihre Rechtsbeziehungen nicht so gestalten können, dass Schädigungen ausbleiben. Es ist nicht zu rechtfertigen, einer ganzen Altersgruppe die Befugnis zur eigenverantwortlichen Teilnahme am Rechts- und Wirtschaftsleben zu versagen, weil einzelne Mitglieder dieser Altersgruppe nicht in der Lage sind, diese Befugnis so auszuüben, dass Schaden von ihnen ferngehalten wird." Soweit der maßgebende Teil der Amtl. Begründung, der die ergangene gesetzliche Regelung nach Meinung der Bundesregierung erforderlich macht. Es hat nicht an Bedenken gegen den Gesetzentwurf gefehlt. Dazu kann die Stellungnahme des Bundesrats4 herangezogen werden, die diese Argumente zusammenfasst: Die Bedenken gegen eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters (insbesondere Verzögerung der sozialen Reife im Gegensatz zur körperlichen Akzeleration, Anstieg der Jugendkriminalität, Ausbreitung der Drogenabhängigkeit unter Jugendlichen und Heranwachsenden, Tendenz zur Verlängerung der Ausbildungszeit) betreffen vorwiegend außergewöhnliche Rechtsgeschäfte, weniger dagegen die Teilnahme am Rechtsverkehr des Alltags. In diesem Bereich handeln die Acht-zehn- bis Einundzwanzigjährigen wie in der Begründung des Gesetzentwurfs zutreffend ausgeführt ist bereits heute weitgehend selbständig, insbesondere bei der Wahl Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/12

des Berufs- und Arbeitsplatzes, in der Bestimmung des Aufenthalts und in der Verwertung des Arbeitseinkommens. Für diese verhältnismäßig leicht überschaubaren und abgrenzbaren Bereiche wird sich für die Mehrzahl der Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen die soziale Reife und Lebenserfahrung eher bejahen lassen als bei besonders schwierigen und wirtschaftlich besonders bedeutsamen Rechtsgeschäften z. B. bei der Verfügung über das Vermögen im ganzen, bei der Verfügung über eine Erbschaft, bei Erwerb oder Veräußerung von Unternehmen, bei Abschluss von Gesellschaftsverträgen, bei Kreditaufnahmen und bei der Eingehung von Wechselverbindlichkeiten (vgl. insbesondere die in 1821, 1822 BGB aufgeführten Rechtsgeschäfte). Es sollte daher geprüft werden, ob dem berechtigten Anliegen des Entwurfs ebenso wie dem Schutzbedürfnis derjenigen jungen Menschen, die noch keine ausreichende soziale Reife erlangt haben, nicht am besten durch eine Alternativlösung Rechnung getragen werden kann, die auf eine Herabsetzung des Volljährigkeitsalters verzichtet, aber für die Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen eine wesentliche Erweiterung der bisherigen beschränkten Geschäftsfähigkeit bringt. Insbesondere könnte den Heranwachsenden die Geschäftsfähigkeit für die Eingehung und Aufhebung von Arbeitsverhältnissen und alle damit zusammenhängenden Rechtsgeschäfte, für die Begründung eines Wohnsitzes und für die Verfügungen über den Arbeitsverdienst zuerkannt werden. Mit dieser Erweiterung der Geschäftsfähigkeit müsste eine entsprechende Einschränkung des elterlichen Rechts zur Personen- und Vermögenssorge und zur gesetzlichen Vertretung korrespondieren. Sehr eingehend ist der Gesetzentwurf im Rechtsausschuss des Bundestages unter Mitberatung des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit behandelt worden. Dabei wurde auch der teilweise abweichende Entwurf einer Gruppe von CDU/CSU-Abgeordneten5 berücksichtigt. Aus dem Bericht des Rechtsausschusses6 scheinen folgende Ausführungen bemerkenswert: Gesetz ü. d. Neuregelung d. Volljährigkeitsalters u. seine Bedeutung f. d. SchsPraxis Der Ausschuss hat in seine Überlegungen auch den Gedanken der Rechtsangleichung, vor allem auf europäischer Ebene, einbezogen. Von Bedeutung ist dabei die Entschließung des Ministerkommites des Europarats vom 19. September 1972. mit der den Regierungen der Mitgliedsstaaten die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters möglichst auf 18 Jahre empfohlen wird. Der Rechtsausschuss ist sich der Risiken und Gefahren, die mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters gegeben sind, bewusst. Die Gewährung der unbeschränkten Geschäftsfähigkeit kann problematisch sein im Hinblick auf den Teil der Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen, die einen Entwicklungsrückstand aufweisen und im Hinblick auf die Rechtsgeschäfte, die besonders schwierig sind oder besonders schwerwiegende Folgen haben können. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/12

In weiteren Ausführungen begründet der Rechtsausschuss seine bejahende Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf sehr eingehend. Er spricht sich aus für eine unbeschränkte Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres. Er empfiehlt weiter, die zum Gesetz eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Der Gesetz gewordene Entwurf sieht daher keinerlei Schutzvorschriften für Achtzehn-bis Einundzwanzigjährige vor, die einen erheblichen Entwicklungsrückstand aufweisen oder für Rechtsgeschäfte die von besonderer Bedeutung oder mit besonderem Risiko behaftet sind. Auch alternativ vorgeschlagene Regelungen dahin, dass eine Hinausschiebung der Volljährigkeit durch das Vormundschaftsgericht (von Amts wegen oder auf Antrag) zulässig sein sollte, wenn ein erheblicher Entwicklungsrückstand vorhanden ist, haben ebenso wenig einen gesetzlichen Niederschlag gefunden wie angeregte Schutzvorschriften, durch welche in gewissem Umfange Zustimmungen der bisherigen gesetzlichen Vertreter oder des Vormundschaftsgerichts, Bestellung eines Beistandes, Schaffung richterlicher Eingriffsrechte oder ein Widerruf von Willenserklärungen ermöglicht werden konnten. Einen breiten Raum bei den Beratungen nahm die Frage ein, ob ein Mädchen weiterhin wie nach jetzt geltendem Recht bereits mit 16 oder erst mit 18 Jahren der kommenden Erlangung der Volljährigkeit eine Ehe eingehen kann. Mit eingehender Begründung des Für und Wider hat der Rechtsausschuss sich mit Mehrheit nicht dafür ausgesprochen, dass grundsätzlich das Heiratsalter für Mädchen auf 16 Jahre festgesetzt wird. Grundsätzlich sollen nur Volljährige eine Ehe eingehen. Das Vormundschaftsgericht kann aber auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung gewähren, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und der zukünftige Ehegatte volljährig ist (vgl. auch unten zu II d). Insgesamt handelt es sich um ein Gesetz von weittragender Bedeutung, dessen Inkrafttreten auf den 1. Jan. 1975 festgesetzt worden ist, damit sich alle Beteiligten auf das neue Recht vorbereiten und einstellen können (Begründung des Rechtsausschusses). II. Die Änderungen unserer Rechtsordnung durch das neue Gesetz im einzelnen Die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters bedingt zwangsläufig die Änderung einer Reihe von Gesetzen, in erster Linie des BGB. Die wichtigsten Änderungen sollen nachstehend dargestellt werden, und zwar in Form einer Gegenüberstellung des z. Z. noch geltenden und des am 1. Jan. 1975 in Kraft tretenden neuen Rechts. Im Abschnitt III. wird dann dargestellt, wie sich die neue Rechtsordnung auf die Praxis der Sehr. auswirkt. SCHS-ZTG 45. Jg. 1974 H 12 a) Nicht geändert ist, worauf schon jetzt hingewiesen werden soll, der straf-rechtliche Begriff des Heranwachsenden. Nach wie vor beginnt die Strafmündigkeit mit dem vollendeten 14. Lebensjahr. Personen von 14 bis 18 Jahre sind Jugendliche und Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/12

unterliegen den besonderen Strafvorschriften (Jugendstrafen und Erziehungsmaßregeln) des Jugendgerichtsgesetzes (JGG). Personen im Alter von 18 bis 21 Jahre sind im strafrechtlichen Sinne Heranwachsende. Sie können sowohl nach Jugendrecht als auch nach Erwachsenenrecht bestraft werden. Die Vorschriften für Jugendliche sind anzuwenden ( 105 JGG), wenn 1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder 2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt. Es ergibt sich also die überraschende Tatsache, dass ein junger Mann im Alter von z. B. 20 Jahren bürgerlichrechtlich, weil er einem Erwachsenen gleichsteht und voll geschäftsfähig ist, jede Art von Geschäften oder Verträgen selbständig tätigen kann. Begeht er aber eine Straftat (Bankraub, Erpressung, Raubüberfall auf harmlose Passanten, Totschlag oder gar einen Mord, um nur einige Delikte zu nennen), so muss schon die Staatsanwaltschaft hei der Anklageerhebung und besonders das Gericht bei der Urteilsfindung prüfen, ob Jugendrecht oder Erwachsenenrecht der Verurteilung zu Grunde zu legen ist m. E. ein etwas unbefriedigendes Ergebnis. Wir müssen uns aber damit abfinden, dass die Herabsetzung der Volljährigkeit nur das bürgerliche Recht berührt, strafrechtlich aber alles geblieben ist wie bisher. Offenbar hat dem Gesetzgeber der Mut gefehlt, auch strafrechtlich die Folgerungen aus der Erhebung der Heranwachsenden in den Stand der Erwachsenen zu ziehen. Vgl. aber unten zu II e). b) Kernsatz des Gesetzes ist die Änderung des 5 2 BGB: Die Volljährigkeit tritt mit der Vollendung des 18. (alte Fassung: des 21.) Lebensjahres ein. Damit erledigen sich die 56 3, 4 und 5 von selbst als gegenstandslos; sie sind auch formell aufgehoben. Sie regelten die Möglichkeit der Volljährigkeitserklärung nach vollendetem 18. Lebensjahr. Geblieben ist die Möglichkeit der Entmündigung (5 6 BGB). Entmündigt kann werden: 1. wer infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag; 2. wer durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt; 3. wer infolge von Trunksucht oder Rauschgiftsucht (dieser Tatbestand ist neu eingefügt durch das eingangs genannte Gesetz) seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet. Die Wirkungen einer Entmündigung regelt 5 114 BGB. Die Entmündigung wegen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/12

Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht führt zu beschränkter Geschäftsfähigkeit und damit auch zur Prozessunfähigkeit. Für den Entmündigten muss ein Vertreter (Vormund) handeln. Entmündigung wegen Geisteskrankheit führt zu völliger Geschäftsunfähigkeit ( 104 BGB). Auch hier muss ein Vormund bestellt werden, der zur Vertretung berechtigt und verpflichtet ist. Wie schon erwähnt, ist die Möglichkeit der Entmündigung wegen Rauschgiftsucht durch die Änderung des 6 BGB neu geschaffen. Nicht geändert sind aber die 104, 114 BGB. Daher stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eine solche Entmündigung nach sich zieht. Da sie in 6 Nr. 3 hinter dem Wort Trunksucht eingefügt wurde, muss wohl davon ausgegangen werden, dass sie wie eine Entmündigung wegen Trunksucht zu einer beschränkten Geschäftsfähigkeit und nicht zur Geschäftsunfähigkeit führt. 8 Abs. 2 BGB in der noch geltenden Fassung gibt einer minderjährigen Frau, die verheiratet ist, das Recht selbständig einen Wohnsitz zu begründen oder aufzuheben. Das gleiche Recht hat eine Frau, die verheiratet war, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet hat. Ab 1. 1. 1975 ist dieses Recht auf Personen beiderlei Geschlechts ausgedehnt, wenn sie minderjährig, also unter 18 Jahre alt sind und verheiratet sind oder waren7. Gegenstandslos geworden sind auch 1597 Abs. 2 und 1600 k Abs. 2 BGB. Sie regeln die Anfechtung der Ehelichkeit von Personen, die über 18 Jahre alt sind. Das Vormundschaftsgericht soll danach die Anfechtung der Ehelichkeit und die Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung dem gesetzlichen Vertreter nur erteilen, wenn das Kind, sofern es das 18. Lebensjahr vollendet hat, zustimmt. Diese Vorschriften konnten ersatzlos wegfallen, da das Kind, wenn es das 18. Lebensjahr vollendet hat, volljährig ist und selbst anfechten muss. Auch 1633 BGB hat eine Änderung erfahren. Nach geltendem Recht beschränkt sich die Sorge für die Person einer minderjährigen verheirateten Tochter, die das 18. Lebensjahr vollendet hat, auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten8. Nach Meinung des Gesetzgebers' erscheint es nicht angebracht, nach Auflösung der Ehe einer noch nicht 18 Jahre alten Frau dem gesetzlichen Vertreter auch die tatsächliche Fürsorge wieder zu übertragen. Mit der Eheschließung war ein Schritt zur tatsächlichen Selbständigkeit getan, der nicht rückgängig gemacht werden sollte. Daher spricht 1633 n. F. ausdrücklich aus, dass die Sorge für die Person eines Minderjährigen also nicht nur der Tochter, der verheiratet ist oder war, sich auf die Vertretung in den persönlichen Angelegenheiten beschränkt. Eine weitere Änderung hat 1726 BGB erfahren. Im geltenden Recht war zu einer Ehelichkeitserklärung eines nichtehelichen Kindes die Einwilligung des Kindes und, wenn dieses das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, die Einwilligung der Mutter erforderlich. In der Neufassung ist die Angabe eines bestimmten Lebensalters Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/12

vermieden; es wird die Zustimmung des Kindes und, sofern dieses minderjährig ist, die Zustimmung der Mutter für erforderlich erklärt. Die in 1747 BGB jetziger Fassung geregelte Zustimmung zur Annahme an Kindesstatt wurde aus den gleichen Gründen geändert. Nach noch geltendem Recht kann ein noch nicht 21 Jahre altes eheliches Kind nur mit Einwilligung der Eltern und ein nichteheliches Kind nur mit Einwilligung der Mutter an Kindes-Statt angenommen werden. Nach der Neufassung entfällt die Angabe eines bestimmten Alters, es ist einfach auf Minderjährigkeit abgestellt. Das in 1822 BGB geregelte Erfordernis der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts hat zu Nr. 5 eine Änderung erfahren. Nach jetzigem Recht bedarf der Vormund der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zum Abschluss eines Mietoder Pachtvertrages oder zu einem anderen Vertrage, durch den der Mündel zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, wenn das Vertragsverhältnis länger als ein Jahr nach der Vollendung des 21. Lebensjahres des Mündels fortdauern soll. Auch hier ist die Angabe des bestimmten Alters durch die Worte Eintritt der Volljährigkeit ersetzt. In den letztgenannten Fällen ist im geltenden Recht stets auf das 21. Lebensjahr abgestellt. Damit wurde klargestellt, dass eine Volljährigkeitserklärung (die mit 18 Jahren möglich war) bedeutungslos ist. Da nunmehr nach neuem Recht die Volljährigkeit mit dem vollendeten 18. Lebensjahre eintritt, ist jetzt der Ausdruck Eintritt der Volljährigkeit besser geeignet. Schließlich ist noch 1827 Abs. 2 BGB geändert. Nach geltendem Recht soll das Vormundschaftsgericht den Mündel, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, vor der Entscheidung über die Genehmigung wichtiger, in den Lebensbereich des Mündels besonders eingreifender Rechtsgeschäfte hören. Ab 1. 1. 1975 wird diese Altersgrenze auf das vollendete 14. Lebensjahr herabgesetzt, um so die Amtl. Begründung der größeren Selbständigkeit der Jugendlichen durch ein verstärktes Mitspracherecht in eigenen Belangen zu entsprechen. c) Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder10. Ab 1. Juli 1970 hat die nicht eheliche Mutter die elterliche Gewalt über ihr Kind. Ist sie jedoch minderjährig, ruht dieses Recht bis zur Volljährigkeit der Mutter ( 1705 Satz 2, 1673 Abs. 2 BGB). Mit der Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze hat ab 1. 1. 1975 auch die nichteheliche Mutter vom Tage der Vollendung des 18. Lebensjahres an die volle elterliche Gewalt über ihr Kind. d) Wie schon in Fußnote 7 angedeutet, hat auch das Ehegesetz eine Änderung erfahren. 1 lautet nunmehr: (1) Eine Ehe soll nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. (2) Das Vormundschaftsgericht kann auf Antrag von dieser Vorschrift Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein künftiger Nachdruck und Vervielfältigung Seite 7/12

Ehegatte volljährig ist. Um diese Vorschrift hat es sehr ernsthafte Erörterungen in den parlamentarischen Gremien gegeben. Nach dem jetzigen Rechtszustand konnte ein Mädchen mit Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, die bei grundloser Verweigerung durch das Vormundschaftsgericht ersetzt werden konnte nach vollendetem 16. Lebensjahr eine Ehe eingehen. Der künftige Ehemann musste volljährig, also 21 Jahre alt sein. Dem Mann konnte, sofern er das 18. Lebensjahr vollendet hatte, Befreiung vom Altererfordernis durch das Vormundschaftsgericht erteilt werden. Er wurde beim Vorliegen wichtiger Gründe (z. B. Schwangerschaft des Mädchens) durch Gerichtsbeschluss für volljährig und ehemündig erklärt. Nach Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf 18 Jahre ist diese Regelung hinsichtlich des Mannes entbehrlich geworden. Auch eine Frau wird im gleichen Alter volljährig und könnte ohne jede Einschränkung nach Vollendung des 18. Lebensjahres ebenfalls eine Ehe eingehen. Es ergab sich die Frage, ob es bezgl. der Frau bei der bisherigen Regelung (16 Jahre) verbleiben soll. Nach vielem Für und Widern, wobei gerade auch die immer stärker werdende berufliche Tätigkeit der jungen Frauen eine Rolle spielte, ist es schließlich zu der oben dargestellten Regelung gekommen. Die Auffassung von der der verheirateten Frau angeblich allein angemessenen Hausfrauenrolle ist zunehmend von der Ansicht ersetzt, dass die Aufgabenteilung zwischen den Eheleuten von ihnen selbst in freier und partnerschaftlicher Entscheidung bestimmt wird. Das ist grundsätzlich nur auch hinsichtlich der Volljährigkeit unter von gleichberechtigten Ehepartnern möglich. Die Frau würde auch nicht wegen nur beschränkter Geschäftsfähigkeit gegenüber dem volljährigen Ehegatten eine rechtlich mindere Stellung einnehmen. Auch würde eine Heraufsetzung des Ehemündigkeitsalters der Frau auf 18 Jahre mindestens zu einem Teil die besonders scheidungsanfälligen Frühehen verhindern. Demgegenüber durfte aber nicht außer acht gelassen werden, dass im Jahre 1968 immerhin 5.09 v. H. und 1969 sogar 5,36 v. H. aller eingegangenen Ehen von jungen Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wurden. Ab 1. 1. 1975 besteht für beide Geschlechter nunmehr die gleiche Altersgrenze von 18 Jahren. Sowohl dem Mann als auch der Frau kann vom Vormundschaftsgericht Befreiung von diesem Alterserfordernis gewährt werden (was aber keine Volljährigkeitserklärung bedeutet, die das Gesetz überhaupt nicht mehr kennt), sofern der Antragssteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und der künftige Ehegatte volljährig, also 18 Jahre alt, ist. e) Zwangsläufig ergeben sich Änderungen in einer Reihe anderer Gesetze. Es soll davon abgesehen werden, diese Änderungen darzustellen, da sie für den Schm. weniger bedeutsam sind. Hingewiesen werden soll lediglich noch auf einige zwangsläufig notwendig ge- Nachdruck und Vervielfältigung Seite 8/12

wordene Neufassungen von Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes. Unter II. a) ist schon erwähnt worden, dass es bei der Gruppe der Heranwachsenden i. S. des JGG geblieben ist. Die Amtl. Begründung12 führt dazu aus, die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters zwinge nicht dazu, die Achtzehn- bis Einundzwanzigjährigen dem Erwachsenen-Strafrecht zu unterstellen. Eine Änderung des JGG sei vielmehr nur in dem durch die Herabsetzung des Volljährigkeitsalters notwendig werdenden Umfange angezeigt. Es entfalle daher die gegen Jugendliche mögliche Anordnung der Erziehungsbeistandsschaft und Fürsorgeerziehung, da diese gegen einen jetzt volljährigen Heranwachsenden nicht mehr angeordnet werden dürfen. Für die Anordnung und Beendigung seien die Bestimmungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes maßgebend, das diese Maßnahmen mit Eintritt der Volljährigkeit enden lässt. Auch für Maßnahmen des Vormundschaftsgerichts14 ist kein Raum mehr, da mit Vollendung des 18. Lebensjahres sowohl die Erziehungsberechtigung der Eltern als auch die sie ersetzende oder ergänzende staatliche Erziehungsberechtigung enden. Ebenso werden einige Vorschriften der in 109 JGG aufgeführten Art bei Verfahren gegen Heranwachsende gegenstandslos, so z. B. Ladung des Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreters zum Termin. Die Tatsache, dass der Heranwachsende volljährig ist, verbietet die Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter. Der Amtl. Begründung ist zu entnehmen, dass eine Reform des Jugendstrafrechts insgesamt geplant wird, weshalb die jetzt vorgenommenen Abänderungen auf,das Notwendigste und mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters unmittelbar zusammenhängende Maß beschränkt wurden. Bei der demnächst vorzunehmenden Novellierung wird die Stellung der Heranwachsenden im Strafrecht überdacht werden müssen. Bis dahin werden auch Erfahrungen über die Entwicklung der Kriminalität dieser Altersgruppe gemacht sein, die vielleicht auch dadurch beeinflusst wird, dass z. B. Erziehungsbeistandschaft für Fürsorgeerziehung bei Heranwachsenden entfällt. III. Welche Bedeutung hat die Änderung des Volljährigkeitsalters für die Praxis des Schm.? A. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten Es gilt der Grundsatz, dass derjenige, der rechtsfähig ist d. h. Träger von Rechten und Pflichten sein kann auch parteifähig ist. Die Rechtsfähigkeit beginnt mit der Vollendung der Geburt ( 1 BGB). Die Sonderfälle des Schutzes auch des schon erzeugten, aber noch nicht geborenen Menschen können hier außer Betracht bleiben. Wer rechts- und parteifähig ist, kann vor Gericht und auch vor dem Schm. als Kläger und Beklagter bzw. Antragsteller und Antragsgegner auftreten. Er kann dies selbständig, wenn er volljährig ist. Wer geschäftsfähig, also volljährig, ist, ist auch prozessfähig. Wer nur beschränkt geschäftsfähig15 oder geschäftsunfähige Nachdruck und Vervielfältigung Seite 9/12

ist, ist zwar parteifähig, aber nicht prozeßfähigl7. Er kann nur handeln durch seinen gesetzlichen Vertreter (Eltern, Vormund). Das gilt auch für das Verfahren vor dem Schm. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ändert sich für diesen daher insgesamt nichts18. Es ist lediglich zu beachten, dass die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Das gilt sowohl für Antragssteller wie Antragsgegner, und zwar mit Wirkung vom 1. Jan. 1975. B. Strafsachen Hinsichtlich des Antragstellers gelten die gleichen Regeln wie für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten. Hat der Antragsteller im Zeitpunkt der Stellung des Sühneantrags das 18. Lebensjahr bereits vollendet, kann er selbständig und ohne Mitwirkung Dritter ab 1. Jan. 1975 einen Sühneantrag stellen. Bei dem Beschuldigten gibt es nach dem jetzt geltenden Recht keinen Unterschied zwischen prozessfähigen und nicht prozessfähigen Personen19. Auch in Zukunft ist ein Sühneantrag gegen einen Beschuldigten, der das 14. Lebensjahr zur Zeit der Tat noch nicht vollendet hatte, unzulässig. Die Strafmündigkeit beginnt weiterhin erst mit der Vollendung des 14. Lebensjahres. Entscheidend ist das Alter im Zeitpunkt der Tat. Beschuldigte unter 14 Jahren sind Kinder. Gegen sie können nur vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen ergriffen werden. Die nächste Altersgruppe sind Personen, die im Zeitpunkt der Tat zwar das 14., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben. Sie sind Jugendliche in strafrechtlichem Sinne und unterliegen stets den Vorschriften des JGG. Eine Privatklage (und daher auch ein Sühneverfahren) ist gegen die Angehörigen dieser Altersgruppe ebenfalls unzulässig". Die dritte Altersgruppe bilden Personen, die im Zeitpunkt der Tat das 18., aber nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. Sie werden strafrechtlich als Heranwachsende bezeichnet. Wegen ihrer Stellung im Strafrecht vgl. oben unter II. a) und II. e). Gegen sie war schon bisher und ist auch in Zukunft Privatklage möglich und daher auch ein obligatorisches Sühneverfahren vor dem Schm. Da aber mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ab 1. Jan. 1975 die Volljährigkeit eintritt, entfallen von diesem Tage an alle Besonderheiten, die z. Z. vom Schm. noch bei Beschuldigten dieser Altersgruppe zu beachten sind. Eine Mitwirkung dritter Personen im Sühneverfahren entfällt grundsätzlich. Der Schm. hat die gesetzlichen Vertreter die es bei Volljährigen der Partei nicht mehr gibt nicht mehr zu benachrichtigen. 5 38 SchO ist gegenstandslos geworden. Auch muss nicht der frühere gesetzliche Vertreter, wenn der Beschuldigte ihn zum Termin mitbringt, als Beistand zugelassen werden. Auch insoweit gilt nicht mehr 5 38, sondern 5 19. Der Schm. kann z. B. den Vater als Beistand zulassen, kann ihn aber auch in jeder Lage des Verfahrens zurückweisen, wenn er der Verhandlung hindernd entgegensteht oder den Abschluss eines Nachdruck und Vervielfältigung 10/12 Seite

vernünftigen, nach der Sachlage gebotenen Vergleichs hinderlich ist21 Nach dem bis zum 1. 1. 1975 geltenden Recht konnte ein Heranwachsender von z. B. 19 Jahren einen Vergleich vor dem Schm. schließen. Übernahm er aber irgendwelche Verpflichtungen22, so konnte entgegen der Regelung in 5 34 aus dem Vergleich gegen den bisher noch minderjährigen Beschuldigten keine Zwangsvollstreckung betrieben werden, sofern nicht der gesetzliche Vertreter was im Protokoll ersichtlich gemacht werden musste dem Vergleich zustimmte. Ab 1. 1. 1975 kann derselbe dann volljährige Beschuldigte einen wirksamen und auch zur Zwangsvollstreckung geeigneten Vergleich ohne jede Beschränkung schließen. Irgendwelcher Vermerke im Protokoll bedarf es nicht. Der Heranwachsende wird im Verfahren vor dem Schm. behandelt wie jeder andere Volljährige auch. IV. Schlußbetrachtung Die Herabsetzung der Volljährigkeit bringt für den Geschäftsbetrieb des Schs. keine wesentlichen Änderungen. Er muss sich nur daran gewöhnen, dass ab 1. 1. 1975 Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für ihn als Erwachsene ohne jede Einschränkung gelten. Jede Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter entfällt. Alle Vorschriften, die im Sühneverfahren gegen Heranwachsende Mitwirkung, Benachrichtigung usw. der gesetzlichen Vertreter vorsehen, sind ab 1. 1. 1975 gegenstandslos. Die bisher gesetzlichen Vertreter können als Beistand nach den allgemeinen Regeln für Beistände zugelassen, aber auch zurückgewiesen werden. Das Recht zur Zurückweisung gilt nur nicht, wenn die Beteiligten nicht lesen oder schreiben können oder der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Auch Rechtsanwälte als Beistände dürfen nicht zurückgewiesen werden. Die Beibehaltung des strafrechtlichen Begriffs Heranwachsender ist für den Schm. unbeachtlich. Er hat Bedeutung nur für den Strafrichter, der (vgl. II. a) bei der Verurteilung eines Heranwachsenden prüfen muss, ob, genau wie bisher, bei der Bestrafung Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht zugrunde zu legen ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die neuen Erwachsenen mit ihrer neuen Stellung in dem immer komplizierter werdenden Rechts- und Wirtschaftsleben abfinden. Auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts kommt zweifellos eine große Verantwortung auf sie zu, eine Verantwortung, der nicht jeder 18jährige gewachsen sein wird. Strafrechtlich bleibt es bei der Sonderstellung der Altersgruppe der 18- bis 21jährigen als Heranwachsende mit der Maßgabe, dass einige Maßnahmen wegen der vorgezogenen Volljährigkeit entfallen (vgl. unter II. e). Nachdruck und Vervielfältigung 11/12 Seite

Auszug aus dem Gesetz in diesem Heft S. 180 f. 1 Bundestagsdrucksache (BT-Drucks.) 7/117. 2 Beschleunigung. 3 gemeint sind die 18- bis 21jährigen jugendlichen Personen. 4 BT-Drucks. 7/117 Anlage 2. 5 BT-Drucks. 7/206. 6 BT-Drucks. 7/1762. 7 Eheschließung vor Volljährigkeit ist mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts möglich, wenn der Antragsteller das 16. Lebensjahr vollendet hat und der Ehegatte volljährig ist ( 1 Abs. 2 Ehegesetz in der ab 1. 1. 75 geltenden Fassung). 8 Vgl. Drischler in SchsZtg. 1972 S. 65 unter 3. 9 Vgl. Amtl. Begründung BT-Drucks. 7/117 B zu Nr. 6. 10 Vgl. das Gesetz über rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19. August 1969 (BGBl. I 1243) und dazu den Aufsatz von Drischler in SchsZtg. 1970, S. 115 ff. 11 Vgl. die Amtl. Begründungen in den 13T-Drucks. 7/117; 7/206 und 7/1762. 12 BT-Drucks. 7/117 unter B zu Art. B. 13 4 12 JGG i. V. mit 61 Abs. 1, 75 Abs. 1 JWG. 14 5 105 JGG i.v. mit 55 9 Nr. 2, 3, 12 JGG. 15 d. h. 7 18 Jahre alt oder wegen Geistesschwäche, Trunksucht, Rauschgiftsucht oder Verschwendung entmündigt ist. 16 noch nicht 7 Jahre alt oder wegen Geisteskrankheit entmündigt ist. 17 vgl. Drischler in SchsZtg. 1972, S. 66. 18 vgl. die Darstellung von Drischler in SchsZtg. 1973, S. 170. 19 vgl. Drischler in SchsZtg. 1973, S. 172. 20 80 JGG. 21 Vgl. Hartung-Jahn Anm. 2 zu 19. 22 z. B. Sühnegeld, Schmerzensgeld, Schadensersatz oder Kostenverpflichtungen (vgl. dazu z. B. Drischler in SchsZtg. 1972, S. 68). Nachdruck und Vervielfältigung 12/12 Seite