Anspannen (anschirren) Verbindung eines Zugtieres mit dem zu ziehenden Gefährt oder Arbeitsgerät. Das Anspannen ermöglichte die Nutzung der tierischen Energie für die Zugleistung, sei es für den Transport von Personen oder Gütern oder bei der Bodenbearbeitung, z.b. beim Pflügen oder Eggen. Im europäischen Mittelalter waren als Anspannungsarten die Jochanspannung, das Kummet und das Sielengeschirr verbreitet. Die Jochanspannung mittels eines Widerristjochs (Abb. Anspannen. 1a) ist die dem Körperbau des Rindes gemäße Anspannungsart. Sie ist schon seit dem Neolithikum bekannt und hat sich bis in die jüngste Zeit erhalten. Noch im Mittelalter begegnet man jedoch auch einer Anspannungsform, bei der dem Rind einfach Seile um die Hörner geschlungen waren (Abb. Anspannen. 1b). Sie wurden weitgehend durch Stirn- bzw. Nackenjoch ersetzt (Abb. Anspannen. 1c, d). Im archäologischen Material finden sich gelegentlich Rinderhornzapfen mit Einschnürungen dicht über der Basis; durch die Druckeinwirkung des um das Horn geschlungenen Zugseiles bzw. der Jochbindung war es hier zu Umbauvorgängen an den knöchernen Hornzapfen gekommen. Abb. Anspannen. 1) Anspannungsarten beim Rind. a - Widerristjoch, b - Zugseile, an den Hörnern befestigt, c - Stirnjoch, d - Nackenjoch (nach O. F. GANDERT, verändert). Auch das Anspannen des Pferdes erfolgte zunächst mit Hilfe eines Widerristjoches, das jedoch durch Jochgabel sowie Hals- und Brustgurt - Nachweise im Alten Ägypten (Grab des Tutenchamun), in China (Höhlentempel von Dunhuang), in Mittelasien (Kurgan von Pasyryk) - oder durch die Kombination von Joch und Halsbügel (gelegentlich fälschlich als "Halskummet" bezeichnet) Nachweise in den römischen Provinzen (Abb. Anspannen. 2) - dem Körperbau des Pferdes angepaßt worden war.
Die Zugkraft wurde hierbei im wesentlichen von der Widerristpartie des Tieres abgenommen und über die Deichsel auf das Gefährt übertragen. Erst das Kummet und das Sielengeschirr ermöglichten die Abnahme der Zugkraft in Höhe der Schulter und die Kraftübertragung über Zugstränge auf das Gefährt - meist unter Zwischenschaltung eines Zugholzes (Ortscheit, Waage). Damit konnte die volle Zugkraft des Pferdes genutzt werden. Abb. Anspannen. 3) Kummetanspannung beim Pferd. a - Kummetbügel aus Oppeln (11. Jahrhundert), b - gepolsterter Lederkragen aus Danzig, c - Rekonstruktion des Kummets mit Kummethörnern, wie sie in Novgorod gefunden wurden. (a nach B. GEDIGA, b u. c nach H. WIKLAK). Nach Europa kamen das Kummet und das Sielengeschirr am Ende des 1. Jahrtausends. Hier wird als älteste Darstellung eines Kummetgeschirrs eine Abbildung aus der Trierer Apokalypse angesehen, die um 800 datiert wird. Durch archäologische Funde ist das Kummet aus Novgorod belegt. Hölzerne Kummethörner kamen dort aus Schichten zutage, die der 2. Hälfte des 10. Jahrhundert zugewiesen werden, aber in unveränderter Form auch noch aus Schichten des 14. Jahrhundert Ein zum Kummet gehöriger ringförmiger gepolsterter Lederkragen fand sich in Schichten des 12. Jahrhundert in Danzig (Abb. Anspannen. 3b). Ein Kummetbügel liegt aus einer
Schicht der 1. Hälfte des 11. Jahrhundert aus Oppeln vor (Abb. Anspannen. 3a). Das Anspannen des Pferdes mit Hilfe so eines Bügels setzt die zusätzliche Verwendung eines gepolsterten Lederkragens voraus. Der Erfindung des Kummets liegen wahrscheinlich Erfahrungen zugrunde, die zentralasiatische oder chinesische Völkerschaften mit dem Packsattel des baktrischen Kamels gesammelt hatten und die sie auf das Zugsystem des Pferdes übertrugen. Das Kummet bestand zunächst aus zwei verschiedenen Elementen, einem gepolsterten Kragen oder Filzring und einem hölzernen Kummetbügel, der möglicherweise eine Weiterentwicklung der Jochgabel darstellte. Im Gegensatz zu dieser wurde die Zugkraft nun aber am unteren Ende des Kummetbügels in Höhe der Schulter des Pferdes abgenommen. Anstelle des Kummetbügels wurden oft auch zwei hölzerne Kummethörner verwendet, die miteinander verbunden wurden (Abb. Anspannen. 3c). Beim modernen Kummet sind Kummethörner und gepolsterter Kragen zu einem Stück vereint. Durch Malereien in den Höhlentempeln von Dunhuang ist die Kummetanspannung in China für das 9. Jahrhundert sicher belegt, einige Darstellungen des 5. Jahrhundert lassen sie jedoch auch schon für eine frühere Zeit vermuten. Möglicherweise geht die Erfindung des Kummets als bessere Anspannungsform für das Pferd aber bis in die Han-Periode (3. Jahrhundert v.chr.) zurück. Abbildungen von Wagengespannen auf verzierten Ziegeln lassen hier schon verschieden Elemente der Kummetanspannung erkennen. Auch die zweite effiziente Form der Pferdeanspannung, das Sielengeschirr, hat sich in China entwickelt. Zur Zeit der Han-Dynastie war der zweirädrige Wagen mit Gabeldeichsel, eventuell durch die Vermittlung der Phöniker, nach China gelangt; so wurde das Einspannen von nur einem Pferd ermöglicht. Die bisherige Anspannung mit Hilfe von Joch, Jochgabel und Halssowie Bauchgurt wurde nun durch einen Brustriemen (Siel) ersetzt, der von einem Widerristriemen gehalten wurde und die von der Schulterpartie abgenommene Zugkraft über kurze Zugriemen auf die Gabeldeichsel übertrug. Die Deichselholme waren meist im vorderen Teil stark aufgebogen und die Zugriemen am Beginn der Krümmung etwa in der Mitte der Deichsel befestigt, die Deichselarme am vorderen Ende durch ein Querholz miteinander verbunden, an dem sich noch die Jochgabel befand. Diese besaß keine Funktion im Zugsystem mehr, sondern diente als vorderer Unterstützungspunkt für die über der Achse des zweirädrigen Wagens balancierte Last. Ein um das Hinterteil des Tieres geführter Riemen, der durch einen Hüftriemen gehalten wurde, ermöglichte die Rückwärtsbewegung des Wagens und das Bremsen auf abschüssigem Weg. Über die Zwischenstationen, die dieses Zugsystem bei der Übertragung nach Europa durchlaufen hat, ist bisher nichts Sicheres bekannt. Möglicherweise spielte es als Geschirr für den Schlittenzug eine Rolle. Auf einer der ältesten europäischen Darstellungen des Sielengeschirrs,
auf dem Oseberg-Teppich (Anfang 9. Jahrhundert, Oseberg ; Abb. Anspannen. 4), führen die Zugstränge nämlich direkt zur Wagenachse; eine Deichsel ist bei diesen Wagen nicht zu erkennen. Abb. Anspannen. 4) Sielengeschirr beim Pferd nach der Darstellung auf dem Oseberg-Teppich (9. Jahrhundert), (nach "The Wiking", London 1966, 240). Ein Zugholz (Ortscheit) war offensichtlich noch unbekannt, ein solches wird aber heute bei der Sielenanspannung als unbedingt erforderlich angesehen, damit sich das Pferd unter dem Brustblatt nicht wundreibt. Das voll entwickelte Sielengeschirr mit Brustblatt, Zugsträngen und Ortscheit ist auf der Bronzetür der Sophienkathedrale in Novgorod aus der Mitte des 12. Jahrhundert bei der Darstellung der Himmelfahrt des Elias abgebildet. Die wirkungsvollen Zugsysteme, das Kummetgeschirr und das Sielengeschirr, haben sich in Europa am Ende des 1. Jahrtausends durchgesetzt. In der nachfolgenden Zeit wurde das Kummetgeschirr vorwiegend für den schweren Zug und das Sielengeschirr bei der Anspannung vor dem leichten Wagen verwendet, wenn es auch landschaftliche Unterschiede und Besonderheiten gab. ( Ackerbau, Ackergeräte, Pferd ; Viehhaltung, -zucht; Zaumzeug ). HANNS-HERMANN MÜLLER Lit.: R. LEFEBVRE DE NOETTES, L'attélage. Le chaval de selle à travers des âges. Contribution à l'histoire de l'esclavage, Paris 1931; J. CZEKANOWSKI, Z dziejów wozu i zaprzęgu, in: Lud 39, 1952, 110-132; J. MATUSZWESKI, Początki nowożytnego zaprzęgu Konnego, in: KHKM I - II, 1953-1954, 78-111, 637-663; M. WIKLAK, Chomąto z XII wieku odkryte w Gdańsku na stanowisku 1, in: WiadArch 23, 1956, 267; J. NEEDHAM, G. D. LU, Efficient Equine Harness; the Chinese Inventions, in: Physis (Firence) 2, 1960, 121-162; A. RADNOTI, Ein Jochbeschlag der röm. Kaiserzeit, in: Saalburg-Jb. 19, 1961, 31; O. F. GANDERT, Zur Frage der Rinderanschirrung im Neolithikum, in: JbRGZM 11, 1964, 34-56; The Wiking, London 1966; B. GEDIGA, Sprawozdanie z badań na Ostrówku w Opolu w 1978 roku, in: Śląskie sprawozdania archeologiczne 21, 1980, 74-78; M. BERANOVÁ, Zemědělství starých Slovanů, Praha 1980; G. RAEPSAET, Attelages antiques dans le Nord de la Gaule les Systèmes de Traction par Equides, in: Trierer Z. für Gesch. und Kunst 45, 1982, 215 273.
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