Qualitätsstandards für die Kompetenzfeststellungsverfahren im Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein
Hrsg.: Lenkungsgruppe Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit und des Ministeriums für Bildung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 2011 Kontakt: maren.staeps@sozmi.landsh.de Autoren: Martina Lange, Sabine Kahl u.a. Mitglieder der Expertengruppe Die Urheber- und alle anderen Rechte an den Inhalten gehören ausschließlich den Herausgebern. Die Inhalte können unter Angabe der Quelle "Qualitätsstandards für die Kompetenzfeststellungsverfahren im Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein. Hrsg. Lenkungsgruppe Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt des Ministeriums für Arbeit, Soziales und Gesundheit und des Ministeriums für Bildung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein 2011" verwendet werden. Im Rahmen des Handlungskonzepts Schule & Arbeitswelt werden in Schleswig-Holstein zielgruppenorientierte Kompetenzfeststellungsverfahren eingesetzt, die im Sinne einer präventiven Arbeit die Orientierung im Berufswahlprozess unterstützen sollen. Die Kompetenzfeststellungsverfahren in Schleswig-Holstein sind stärkenorientiert ausgerichtet und gehen davon aus, dass jeder Mensch Fähigkeiten besitzt und sie einsetzen kann. Zielgruppen des Handlungskonzepts sind Schülerinnen und Schüler aus Schulen, die zum Hauptschulabschluss führen, insbesondere auch aus Flexiblen Übergangsphasen (Flex), Schülerinnen und Schüler aus Förderzentren (FÖZ) Schülerinnen und Schüler der Berufseingangsklassen (BEK). An ausgewählten Schulen (insbesondere Flex, FÖZ und BEK) wird der Berufswahlprozess von Coaching-Fachkräften unterstützt. Ebenso sind die Beratungsfachkräfte der Berufsberatung und Reha-Beratung wichtige Partner/-innen der Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte und begleitenden Fachkräfte im Berufswahlprozess. Sie unterstützen insbesondere die Vorbereitung der individuellen Berufs- und Ausbildungsentscheidungen und sind Spezialisten für berufliche Beratung, berufskundliche Fragen und Informationen zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Die folgenden Qualitätskriterien sind verbindlich für alle Kompetenzfeststellungsverfahren, die im Rahmen des Handlungskonzepts Schule & Arbeitswelt durchgeführt werden. Sie sind angelehnt an die Erarbeitung des Arbeitskreises Assessment Center e.v., einer Gruppe von Personalexperten aus privatwirtschaftlichen Unternehmen und Organisationen des öffentlichen Dienstes unter Beteiligung der Länder Österreich, Schweiz und Deutschland (Quelle: www.arbeitskreis-ac.de). Darüber hinaus wurde die Broschüre des Bundesinstitutes für Berufsbildung BiBB, Qualitätsstandards für Verfahren zur Kompetenzfeststellung im Übergang Schule - Beruf, Bonn 2007, der Erarbeitung zu Grunde gelegt. Die Handlungsfelder des Handlungskonzepts (Coaching, Berufsfelderprobung sowie Kompetenzfeststellung) stehen untereinander in direktem Zusammenhang und werden regional strukturiert und organisiert umgesetzt. Kompetenzfeststellungsverfahren anderer Programme, die an Schulen in Schleswig-Holstein durchgeführt werden, sollen sich ebenfalls an den folgenden Qualitätsstandards orientieren. 1 Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein
Pädagogische Prinzipien 1. Kompetenzansatz Das Kennen der eigenen Stärken und die Fähigkeit, sich realistisch einzuschätzen, sind erforderliche Voraussetzungen für den Übergang von der Schule in das Berufsleben. Die standardisierten Kompetenzfeststellungsverfahren des Handlungskonzepts arbeiten mit folgenden Kompetenzbereichen: Personale Kompetenz Soziale Kompetenz Methodische Kompetenz Fachliche Kompetenz Als Ergebnis der Kompetenzfeststellungsverfahren entsteht ein individuelles Kompetenzprofil. 2. Transparenzprinzip Die Kompetenzfeststellungsverfahren werden so vorbereitet und durchgeführt, dass allen Beteiligten, insbesondere den Schülerinnen und Schülern, das Ziel, der Ablauf und die Bedeutung verständlich sind. 3. Beteiligungsprinzip Die Schülerinnen und Schüler bleiben stets die eigentlich Handelnden und übernehmen eine aktive und selbstbestimmte Rolle. Sie nehmen individuell vor bzw. während des Kompetenzfeststellungsverfahrens eine Selbstbewertung in Form einer Selbsteinschätzung vor. Alle Schülerinnen und Schüler werden täglich in einer Abschlussrunde um eine Rückmeldung gebeten. Die Verantwortung, die sie während des gesamten Prozesses der Berufsorientierung bis zur Berufswahl innehaben, wird ihnen zunehmend deutlich. 4. Lernprinzip Alle Beteiligten am Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt verpflichten sich, mit- und voneinander zu lernen. Verfahrensprinzipien 5. Struktur des Verfahrens Die Dauer der Kompetenzfeststellungsverfahren beträgt in der Regel 4 Tage. Pro Tag werden ein bis zwei Aufträge durchgeführt; wobei insgesamt mindestens fünf und maximal acht Aufträge vorgesehen sind. Die Beobachtungssituation dauert maximal eine Stunde und ist prozess-, nicht ergebnisorientiert. Durch das jeweils vorgegebene, zu den Aufträgen hinführende Rahmenprogramm ist sichergestellt, dass die jeweilige Auftragssituation vorbereitet wird. Die Schülerinnen und Schüler erhalten täglich ein persönliches Feedback. 2 Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein
6. Handlungsorientierung Die Aufträge der Kompetenzfeststellungsverfahren sind so gestaltet, dass sie zur Handlung auffordern. Alle Aufträge setzen beobachtbare Handlungen und zu beobachtendes Verhalten in Gang und grenzen sich dadurch von anderen Testverfahren ab. 7. Beobachtungsprinzipien Geschultes Personal führt die Kompetenzfeststellungsverfahren durch. Grundlage des Kompetenzprofils ist die wertfreie Beobachtung nach der BAKQER Methode (= Beobachten, Auswerten, Klassifizieren, Qualifizieren, Evaluieren, Reportieren). Jedem Kompetenzfeststellungsverfahren liegt ein festgeschriebener Kriterienkatalog zu Grunde. Ein Kriterium muss mehrfach und von unterschiedlichen Personen beobachtet werden. Der Beobachterschlüssel darf 1:3 nicht überschreiten. In Ausbildungssituationen beträgt der Beobachterschlüssel 1:2. 8. Auswertung und schriftliche Ergebnisdokumentation Zeitnah nach dem Kompetenzfeststellungsverfahren erhält jede Schülerin / jeder Schüler einen Bericht in zweifacher Ausfertigung überreicht. Der Bericht bzw. das Kompetenzprofil setzt sich mindestens zusammen aus: dem Deckblatt mit Erläuterungen zum Kompetenzfeststellungsverfahren dem graphisch dargestellten Stärkenprofil (max. 2 Seiten) Er kann ergänzt werden um Hinweise zu besonderen Stärken mit Blick auf den Übergang in ein Praktikum oder eine Ausbildung individuelle Empfehlungen Die Auswertung und Dokumentation kann auch EDV-gestützt, beispielsweise über das Programm ekompass, durchgeführt werden. Die Kompetenzfeststellungsverfahren sind so ausgerichtet, dass eine Erfassung der Ergebnisse von Berufsfelderprobungen und eine gemeinsame Auswertung möglich sind. Prozessverantwortliche 9. Netzwerkprinzip Die Kompetenzfeststellungsverfahren finden am Übergang von der Schule in die Arbeitswelt statt und sind Teil eines systematischen Übergangsmanagements. Für die erforderlichen Absprachen zur Umsetzung der Qualitätstandards sind die Regionalen Steuerungsgremien verantwortlich, die in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt zur Umsetzung des Handlungskonzepts eingerichtet sind. 3 Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein
Das Regionale Netzwerk besteht je nach individueller Gegebenheit aus den Eltern(- vertretungen) und Lehrkräften, der Schulleitung, Beratungsfachkräften der Berufs- und Reha-Beratung, dem Job Center, den örtlichen Betrieben, den weiterführenden Schulen, den Handwerkskammern etc.. 10. Vorbereitung der Kompetenzfeststellung Die beteiligten Schulen verfügen über ein Curriculum zur Berufsorientierung. Schule und kooperierender Bildungsträger planen gemeinsam die Einbindung der Kompetenzfeststellung in den Ablaufplan der Berufsorientierung. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte werden über den Ablauf und die Zielsetzung der eingesetzten Kompetenzfeststellungsverfahren von einer geschulten Fachkraft informiert. Die zuständige Klassenlehrkraft sorgt gemeinsam mit der Coaching-Fachkraft für eine vertiefende inhaltliche Vorbereitung, z. B. in Bezug auf die Begrifflichkeiten der Kompetenzbereiche. Die Eltern erhalten Informationen in einem Elternbrief oder durch einen Elternabend der Schule. 11. Vermittlung der Ergebnisse Das Gesamtergebnis wird in Form eines schriftlichen Kompetenzprofils und im persönlichen Dialog zeitnah übermittelt. Dazu wird ein halbstündiges Gespräch geführt, an dem verbindlich die zuständige Lehrkraft und ggf. die Coaching-Fachkraft teilnehmen. Eltern und Beratungsfachkräfte der Berufs- oder Reha-Beratung sollen zur Teilnahme motiviert werden. Im Mittelpunkt des halbstündigen Auswertungsgesprächs steht die Schülerin bzw. der Schüler. 12. Nachhaltigkeit der Kompetenzfeststellung Die Lehrkräfte und Coaching-Fachkräfte nutzen das Kompetenzprofil, um eine individuelle Berufsorientierung mit den Schülerinnen und Schülern zu entwickeln. Darauf aufbauend werden weitere Schritte für eine berufliche Anschlussperspektive geplant. Die beteiligten Lehrkräfte machen sich einen stärkenorientierten Blick zu Eigen und greifen die Ergebnisse in der weiteren unterrichtlichen Arbeit auf. Das Kompetenzprofil ist Bestandteil des Berufswahlpasses. Die Verantwortung für den Berufswahlpass liegt bei der jeweiligen Schule. Qualitätssicherung Das Personalqualifizierungsprogramm (www.schuleundarbeitswelt.de) stellt sicher: ein Fortbildungsangebot für alle Beteiligten im Netzwerk (s. Punkt 9), die jährliche Betrachtung, Bewertung und Weiterentwicklung der Kompetenzfeststellungsverfahren, die Realisierung der Qualitätsentwicklung zur Optimierung der im Projekt verwendeten Instrumente für alle Landkreise und kreisfreien Städte. 4 Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein
Die Projektträger als verantwortliche Zuwendungsempfänger stellen sicher: das Einhalten der beschriebenen Qualitätsstandards, den Einsatz von ausgebildeten Beobachterinnen und Beobachtern, die von zertifizierten Trainerinnen und Trainern ausgebildet sind. Die Ausbildung wird mit einem Zertifikat bescheinigt. eine Qualitätskontrolle der Ergebnisse der Kompetenzfeststellung den ausschließlich zielgruppenspezifischen Einsatz der für die Verfahren entwickelten Aufträge die Anwendung der Verfahrensdokumentation zum Datenschutz im Rahmen des Handlungskonzepts die Benennung von Prozessverantwortlichen für die landesweite und gemeinsame Weiterentwicklung die Sicherstellung der Teilnahme der Fachkräfte an den Fortbildungsmaßnahmen Die beteiligten Schulen setzen den Berufswahlpass ein stellen die Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an den Kompetenzfeststellungsverfahren sicher stellen sicher, dass die Eltern informiert werden ermöglichen die Teilnahme der Lehrkräfte an den Auswertungsgesprächen binden die Ergebnisse der Kompetenzfeststellung in die individuelle Förderung und Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler ein Die Beratungsfachkräfte der Berufsberatung / Reha-Beratung folgen dem Prinzip der Stärkenorientierung beteiligen sich im Rahmen der regionalen Möglichkeiten an den Auswertungsgesprächen der Kompetenzfeststellung und beziehen den Berufswahlpass mit den Ergebnissen der Kompetenzfeststellung aktiv in die individuelle Beratung ein Die Fachschulen für Sozialpädagogik bzw. für Sonderpädagogik haben die Möglichkeit, in Absprache mit den jeweiligen regionalen Steuerungs-gruppen ihre Schülerinnen und Schüler zu Beobachterinnen und Beobachter durch zertifizierte Trainerinnen und Trainer ausbilden zu lassen. Die Ausbildung soll neben der Schulung die erfolgreiche Durchführung von zwei Kompetenzfeststellungsverfahren unter Anwendung der vorgenannten Qualitätsstandards umfassen Die genauen Modalitäten klären die Bildungsträger vor Ort. Wenn Bildungsträger Kooperationen mit den Fachschulen eingehen, stellen sie sicher, dass die Schüler und Schülerinnen der Fachschulen auch am Auswertungssystem der Kompetenzfeststellungsverfahren beteiligt sind. 5 Handlungskonzept Schule & Arbeitswelt in Schleswig-Holstein