LÜBECK- INFO Nr. 1/2000 Berufsbegleitende Information für die Auszubildenden im Hörgeräte-Akustiker-Handwerk 2000 Qualitätsstandards der Hörgeräte-Gruppen Teil 1 Den Indikationen der Hörhilfen folgen die Qualitätsstandards für die einzelnen Untergruppen. Qualitätsstandards der Untergruppe 1 Produktgruppe: Hörhilfen 13. Anwendungsort: Hörorgan 20. Untergruppe: Einkanalige HdOund IO-Geräte 01. Die Anforderungen an die Geräte der Untergruppe 01 werden in medizinische Anforderungen und technische Anforderungen unterteilt. Die medizinischen Anforderungen 1. Die Geräte müssen eine mehr als geringgradige Schwerhörigkeit versorgen können. Diese Forderung verlangt, dass Hörverluste größer 30 db im Bereich zwischen 500 Hz und 3 000 Hz sicher versorgt werden müssen. Im Zusammenhang mit der folgenden Forderung bedeutet dies, dass zusätzlich eine Verstärkungsreserve von 10 db vorhanden sein muss. Wenn im einfachsten Fall davon ausgegangen wird, dass die HV/2-Regel angewandt wird, bedeutet dies, dass der Scheitelwert der Verstärkung mindestens bei 25 db, in der Regel bei 30 db liegen muss. 2. Eine Verstärkungsreserve von mindestens 10 db, die die in der Regelgebrauchszeit zu erwartende, progrediente Hörverschlechterung aufzufangen vermag, muss vorhanden sein und vom Leistungserbringer bestätigt werden. Gerade diese Forderung ist neu gegenüber der Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses vom 7. November 1994. Hier wird nicht nur verlangt, dass eine Reserve von 10 db vorhanden sein muss, sondern dass diese Reserve auch nachgewiesen werden muss. Die- ser Nachweis kann entweder durch das Reintonaudiogramm mittels einer präskriptiven Methode erfolgen oder im Sprachaudiogramm durch die Messung der Diskrimination mit der Regelverstärkung und der maximalen Verstärkung nachgewiesen werden. Wichtig ist es, dass hier erstmals konkrete Nachweise für eine definierte Reserve verlangt werden. Diese Forderung gilt nicht nur für den Hörgeräte-Akustiker, sondern auch für alternative Versorgungswege. Es muss also nicht nur die Verstärkung des Gerätes durch eine Messkurve, sondern auch der audiologische Bezug zum individuellen Hörschaden nachgewiesen werden. In der alten Fassung wurde hier lediglich die Forderung gestellt, dass eine Verstärkungsreserve vorhanden sein musste. Anforderungen an den Wert der Reserve bestanden nicht. 3. Individuell anpassbarer Schutz des Restgehörs vor Überschreiten der Unbehaglichkeitsgrenze. Wie auch in den nachfolgenden technischen Anforderungen ausgeführt wird, ist hier ganz klar eine einstellbare Ausgangsschalldruckbegrenzung gefordert. Wichtig ist hierbei die Forderung nach der individuellen Anpassbarkeit. Es genügt also nicht, ein Gerät präskriptiv an einem Kuppler voreinzustellen, sondern das Gerät muss die Möglichkeit bieten, auch die individuellen Abweichungen des Gehörganges zum Kuppler berücksichtigen zu können. Dies bedeutet, dass hier ein Stellelement vorhanden sein muss. Auch diese Anforderung übertrifft die alte Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses. Die alte Forderung lautete, dass Lautstärkebegrenzungssysteme, soweit bauartbedingt, vorhanden sein müssten. 4. Individuelle Anpassmöglichkeit der frequenzabhängigen Verstärkung. Auch hier wird gefordert, dass eine Stellmöglichkeit für die individuelle, frequenzabhängige Verstärkung vorhanden ist. Das Gerät muss also eine Ton- Hörakustik LÜBECK-INFO 1/2000 11
oder Klangblende haben. Bisher lautete die Forderung: Frequenzblenden, soweit erforderlich. 5. Die Geräte müssen vom Träger einzusetzen und leicht zu bedienen sein. Diese Forderung deckt sich mit der Indikation eines Hörgerätes und der Begutachtungsanleitung. 6. Die verwendeten Materialien müssen hautfreundlich und dürfen nicht allergen sein. Nachweis der Biokompatibilität gemäß DIN EN 30993 bzw. ISO 10993. Der Nachweis ist für das Endprodukt zu führen, wenn das Produkt direkt oder indirekt (z. B. durch die Kleidung getrennt) mit dem Körper in Kontakt treten kann (siehe DIN EN 30993-1 bzw. ISO 10993-1). Auf eine Prüfung im Sinne obiger Normen kann verzichtet werden, wenn der Nachweis erbracht wird, dass das angemeldete Produkt in folgenden Punkten mit einem bereits in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommenen Produkt übereinstimmt und für dieses Produkt ein entsprechender Nachweis der Biokompatibilität vorliegt: n gleiche technologische Charakteristiken n gleiche Materialien (Hersteller/Spezifikation) n gleicher Herstellungsprozess n gleiche chemische Zusammensetzung n gleiche Art des Körperkontaktes (Ort/Verweildauer) n gleiche Sterilisationsmethode (falls zutreffend) Diese Anforderungen sind eine deutliche Verschärfung der bisherigen Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses. Hier wird ein normierter und rechtsrelevanter Nachweis der Biokompatibilität verlangt. Diese verschärften Forderungen werden sicherlich für den Hersteller von Hörhilfen ein Problem darstellen, für den Hörgeschädigten ergibt sich hieraus jedoch eine hohe Sicherheit gegen allergische Reaktionen. Für den Hörgeräte-Akustiker ergibt sich daraus ein gewisser Schutz gegen Regressansprüche. Die technischen Anforderungen sind: 1. Einhaltung der geltenden Normen, Gesetze und Verordnungen Diese Forderung ist eine Neuerung gegenüber der alten Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses. Dies hat besonders die Konsequenz, dass auch die Sicherheitsanforderungen an medizinische Produkte erfüllt werden müssen. Also auch hier wird die Sicherheit des Hörgeschädigten weiter in den Vordergrund gestellt. Aber auch die Betriebssicherheit wird mit dieser Forderung angesprochen. Gerade die Funktionsfähigkeit digitaler und digital gesteuerter Geräte in Bezug auf die EMV-Festigkeit wird durch diese Forderung sichergestellt. Selbst wenn in der Praxis gerade bei der Verwendung von Handys und schnurlosen Telefonen noch bei neueren Geräten Probleme auftreten, so wurde doch eine deutliche Verbesserung erreicht. 2. Einkanal-Verstärker In die Untergruppe 01 fallen nur einkanalige Geräte. Da hier auch keine AGC-Schaltung verlangt ist, handelt es sich bei dieser Kategorie von Hörgeräten nur um einfache lineare Geräte. 3. Analog- oder Digitaltechnik Diese Beschreibung der Technologie bezieht sich ausschließlich auf die Signalverarbeitung der Hörhilfe. Digital gesteuerte Geräte fallen somit unter die Kategorie der analogen Hörgeräte. Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, als manche Anbieter von Hörgeräten mit dem Zusatz»digital«den Eindruck erwecken wollen, dass ihre Geräte eine digitale Signalverarbeitung aufwiesen. Der Begriff»digital«im Zusammenhang von Hörgeräten sollte daher nur den Geräten vorbehalten sein, die auch eine digitale Sig - nalverarbeitung aufweisen. 4. Spannungsstabile Schaltung Die spannungsstabile Schaltung soll sicherstellen, dass sowohl die Verstärkung als auch der maximale Ausgangsschalldruck nicht durch die sinkende Spannung der Batterie beeinflusst wird und somit sinkende Diskriminationswerte die Folge sind. Definierte Anforderungen an diese Schaltungen sind allerdings nicht festgelegt. 5. Frontale Schallaufnahme durch Kugel und Richtmikrophon Auch bei dieser Anforderung gibt es keine Änderung zu der alten Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses vom 7. November 1994. Selbst wenn diese Forderung als selbstverständlich gilt, muss gesehen werden, dass es durchaus Hersteller gibt, die Geräte in das Hilfsmittelverzeichnis einbringen wollen, die diese Forderungen nicht erfüllen. (Fortsetzung folgt) Herausgeber: Akademie für Hörgeräte-Akustik, Lübeck Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Ing. Reimer Rohweder 12 Hörakustik LÜBECK-INFO 1/2000
Maßnahmen zur Verringerung der nichtlinearen Verzerrungen Teil 1 Alle Maßnahmen zur Verringerung der nichtlinearen Verzerrungen müssen darauf gerichtet sein zu verhindern, dass der Hörer in der Nähe des Sättigungsschalldruckes arbeitet. dend ist. Es wäre durchaus überlegenswert, ob nicht grundsätzlich zu der Unbehaglichkeitsschwelle ein Wert von 5 bis 10 db addiert würde und dieser Wert für die Auswahl des Gerätes entscheidend wäre. Der zu hohe Ausgangsschalldruck sollte dann durch eine AGCo auf die Unbehaglichkeitsschwelle reduziert werden. Der Vorteil wäre immer, dass der Hörer niemals im Bereich hoher Verzerrungsprodukte arbeiten würde und dadurch würde die Sprachqualität im Störgeräusch deutlich verbessert. Bei digitalen Hörgeräten ergäbe sich dabei auch nicht der Nachteil, dass der Stromverbrauch steigt, denn die D-Endstufe digitale Hörgeräte haben ausschließlich diese Endstufen benötigen ausschließlich einen Versorgungsstrom, der proportional zum Ausgangsschalldruck ist. Eine Gefährdung des Restgehöres durch Einschwingspitzen (diese These ist ohnehin umstritten) ist bei digitalen Geräten heutzutage ohnehin nicht gegeben, da das Einschwingverhalten nicht mehr durch RC-Filter, wie bei analogen Geräten, geprägt ist. Abb. 205 Das Diagramm der Abbildung 205 zeigt deutlich, dass sowohl der Klirrfaktor k und die Intermodulation m exponentiell zum Ausgangspegel dieses Hörgerätes ansteigen. Dieses überproportionale Ansteigen ist auf das quadratische Wirkungsprinzip des Hörers zurückzuführen. Es muss also verhindert werden, dass der Hörer in diesem Bereich arbeitet. Diese Begrenzung sollte grundsätzlich durch ein zeitlich wirkendes Begrenzungssystem, also AGCi oder AGCo, erfolgen. Der grundsätzliche Einsatz einer AGCo In diesem Zusammenhang sollte man sich grundsätzlich überlegen, ob man die Verzerrungsfreiheit nicht schon bei der Vorauswahl des Hörgerätes berücksichtigt. Meist ist es heute doch so, dass bei der Vorauswahl der maximale Ausgangsschalldruck (OSPL90) in Bezug auf die Unbehaglichkeitsschwelle als Kriterium für die Auswahl des Gerätes entschei- Abb. 206 Das linke Bild der Abbildung 206 zeigt das typische Einschwingverhalten eines modernen digitalen Hörgerätes, das rechte das typische Verhalten analoger Geräte. Das Verhalten der digitalen Geräte zeigt, dass Einschwingspitzen in ihrer Wirkung heute vernachlässigbar sind. Hinzu kommt, dass Pegelsprünge, wie sie zum Messen der Ein- und Ausschwingzeiten gemäß der DIN IEC 60 118-2 in der Natur ohnehin nicht vorkommen. Eine zusätzliche Sicherheit bieten die Anpassmessungen, der immer notwendige Toleranztest zeigt, ob diese Einstellung sicher akzeptiert wird. (Fortsetzung folgt) Herausgeber: Akademie für Hörgeräte-Akustik, Lübeck Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Ing. Reimer Rohweder 40 150 Hörakustik LÜBECK-INFO 3/2006
LÜBECK- INFO Nr. 4/2006 Berufsbegleitende Information für die Auszubildenden im Hörgeräte-Akustiker-Handwerk Maßnahmen zur Verringerung der nichtlinearen Verzerrungen Teil 2 Der Vorteil dieser grundsätzlich angewandten AGCo soll nachfolgend an einer Mehrkanal-AGCo dargestellt werden. Das zuvor dargestellte Eingangssignal verursacht im Ausgang des Hörgerätes dieses Spektrum. Durch die Verzerrungsprodukte des tieffrequenten Störsignals werden einmal um die beiden schmalbändigen Signale Intermodulationsprodukte generiert, zusätzlich werden diese durch die Klirrfaktoranteile des Störgeräusches überlagert. Der gesamte Verzerrungsgrad liegt hier bei 14 %. Abb. 207 Die Abbildung 207 zeigt das Spektrum des Eingangssignals. Im Bereich von 100 Hz bis 300 Hz liegt ein Rauschband, es soll ein typisches tieffrequentes Störsignal darstellen. Der Summenpegel dieses Bandes liegt bei 75 db. Das schmale Rauschband bei 800 Hz symbolisiert den Bereich der höchsten Intensität der Sprache. Das ebenfalls schmale Rauschband bei 2 500 Hz soll einen Formanten darstellen. Diese drei Rauschbänder wurden verwendet, damit die Auswirkungen der AGCo auf die Verzerrungsprodukte deutlich sichtbar sind. Abb. 209 Wird nun die Mehrkanal-AGCo eingestellt sie mindert den Ausgangspegel um minus 6 db so entsteht dieses Spektrum. Der gesamte Verzerrungsgrad sinkt unter 4 %! Die Verzerrungsprodukte kommen damit in eine Größenordnung, die kaum von einem Normalhörenden wahrgenommen werden. Da hier eine Mehrkanal-AGCo gewählt wurde, werden Sprachsignale in den oberen Kanälen überhaupt nicht oder nur minimal gemindert. In normaler Hörumgebung hat diese AGCo keinerlei Auswirkungen auf die Akustik des Hörgerätes. Abb. 208 Es zeigt sich somit, dass mit einer generell angewandten AGCo die Klangqualität im Störgeräusch erheblich verbessert wird. Audiometrische Messun- Hörakustik 4/2006 Hörakustik LÜBECK-INFO 4/2006 45 151
gen zeigten auch, dass die Sprachverständlichkeit in diesem Störgeräusch bei allen Probanden signifikant zunahm. Die VLC (very low cut) Eine ganz simple Methode, die Sprachqualität im Störlärm zu verbessern, ist es, die Verstärkung im untersten Frequenzbereich, zwischen 200 Hz bis 400 Hz, abzusenken. Diese Methode wurde schon vor ca. 40 Jahren bei Taschengeräten erfolgreich angewandt. Einige Geräte hatten damals zusätzlich zu den Schalterpositionen O - T - M noch eine X-Einstellung (O - T - M - X) oder einen zusätzlichen Schalter N - X. Die X-Einstellung war die Tiefenabsenkung nur im untersten Frequenzbereich. Abb. 212 Deutlich ist das verstärkte Störsignal im untersten Frequenzbereich zu erkennen. Um den Formanten herum ist ein Intermodulationsspektrum aufgebaut und bei 3 600 Hz ist das Klirrfaktorspektrum zuzüglich der Intermodulationsspektren zu sehen. Abb. 210 Im Gegensatz zu der normalen Tiefenabsenkung wird hier nicht der gesamte Bereich von der unteren Grenzfrequenz bis hin zu 1 000 Hz bis 2 000 Hz mit einer bestimmten Flankensteilheit abgesenkt, sondern nur der unterste Bereich vor 300 Hz bis 400 Hz. Abb. 211 Die Wirkung dieser VLC sei einmal an diesem Eingangssignal demonstriert. Es besteht wieder aus einem breiteren Rauschband im untersten Frequenzbereich. Mit einem Summenpegel von ca. 85 db stellt dieses Rauschband wieder ein Störgeräusch dar. Das schmale Rauschband bei 1 700 Hz soll den 2. Formanten darstellen. Abb. 213 Die Verstärkung im Frequenzbereich bis ca. 300 Hz wurde um 20 db abgesenkt, dementsprechend sank auch das Störsignal um diesen Wert. Die Verzerrungsspektren um den nachgebildeten Formanten gehen ebenfalls erheblich zurück. Damit wird sich die Klangqualität natürlich auch verbessern. Diese einfache Maßnahme zeigt, dass bei einem Programm des Hörgerätes für den Straßenlärm mit dieser einfachen Methode schon brauchbare Erfolge zu erzielen sind. (Fortsetzung folgt) Herausgeber: Akademie für Hörgeräte-Akustik, Lübeck Verantwortlich für den Inhalt: Dipl.-Ing. Reimer Rohweder 46 Hörakustik 4/2006 152 Hörakustik LÜBECK-INFO 4/2006
Ausbildung/Weiterbildung LÜBECK-INFO Nr. 2/2010 Berufsbegleitende Information für die Auszubildenden im Hörgeräte-Akustiker-Handwerk Ein Kunde kommt in den Laden er möchte gerne sein Gehör überprüfen lassen Wie mache ich das? Was soll ich alles messen? Welche Reihenfolge ist sinnvoll? Welche Informationen erhalte ich aus den Messungen? Viele Fragen, die immer wieder auftreten. In dieser Ausgabe werden wir Ihnen, liebe Auszubildende, einen kleinen Einblick in die große Welt der Audiometrie geben. Der Audiologie-Unterricht der Landesberufsschule (LBS) startet mit dem Phänomen des Hörens, der prinzipiellen Funktion des Gehörs sowie den Arten der Hörschäden. Es wird ausführlich über die Anatomie und Physiologie des Mittelohres (MO) gesprochen. Das Mittelohr als Feder- Masse-System, Typen und Ursachen von Schallleitungsschäden (SL) werden ebenfalls während Ihrer ersten vier Wochen unterrichtet. Zusätzlich erarbeiten Sie während eines Praxis- und Projekt-Tages selbstständig die Strukturen zur Durchführung eines audiologischen Vorgespräches und einer Testeinweisung. In der betrieblichen Ausbildung verfolgen Sie das Thema»Ermitteln und Beurteilen der akustischen Kenndaten des Gehörs«die ganzen drei Lehrjahre lang. Es gehört mit zu Ihren täglichen Aufgaben, daher schauen wir uns dieses Thema mal genauer an. Die Audiometrie (lat. von audire = hören, metiri = messen) ist ein Teilgebiet der Audiologie. Sie ist ein Sammelbegriff für verschiedene Verfahren zur Prüfung und Messung der Hörfähigkeit. Es geht darum, einen bestehenden Hörverlust zu erkennen, zu diagnostizieren und evtl. zu lokalisieren. Subjektive und objektive Audiometrie Man unterscheidet zwischen der subjektiven und der objektiven Audiometrie. Bei der subjektiven ist die Messung abhängig von der Aussage der untersuchten Person. Unser Kunde muss mitteilen, wie er den Schallreiz empfindet. Die objektive Messung ist unabhängig von der Aussage der Kunden. Die wichtigste subjektive Messung ist die Tonschwellenaudiometrie. Es handelt sich hierbei um eine Messung der Hörschwelle für Sinustöne. Die Ergebnisse werden in das sogenannte Tonaudiogramm eingezeichnet. Dies besteht aus zwei Achsen. Waagerecht sind die Frequenzen in Hertz (Hz) angegeben und senkrecht der angebotene Schallpegel in Dezibel (db). Die Tonaudiometrie wird diskontinuierlich zwischen min. 125 Hz und max. 8 khz durchgeführt. Abb. 1: Die zwei Darstellungsarten in der Tonaudiometrie Im Tonaudiogramm wird zwischen zwei Darstellungsarten unterschieden (Abb. 1). Bei der SPL-Darstellung (Sound Pressure Level) wird die Hörschwelle des Normalhörenden mit physikalisch objektiven Werten dargestellt. Sie wird auch absolute Darstellung genannt, da sie sich auf den absoluten SPL-Pegel bezieht (dieser ist mit dem normierten Schalldruck definiert). Die Schwelle gibt daher die frequenzabhängigen Pegel an, bei denen Normalhörende im Mittel gerade eben einen Ton wahrnehmen. Es fällt dabei auf, dass der Mensch einen höheren Schalldruck für die tiefen und sehr hohen Töne braucht, als für die Töne zwischen 1 und 4 khz. In 246 Hörakustik LÜBECK-INFO 2/2010
Ausbildug/Weiterbildung der Audiometrie konnte sich die SPL- Darstellung nicht durchsetzen, da auf diese Weise Hörschäden»auf einen Blick«schwer zu bestimmen sind. In der HL-Darstellung (Hearing Level/ Hörpegel) wird die Kurve des Normalhörenden als eine waagerechte Gerade dargestellt (null Dezibel). So kann der Hörverlust bei einem Schwerhörigen direkt abgelesen werden. Diese Darstellung wird als relative Darstellung bezeichnet, da sie sich auf die mittlere Hörschwelle von Normalhörenden bezieht. Tonaudiogramme mit Sprachfeld Es ist auch üblich, Tonaudiogramme zusammen mit einem Sprachfeld darzustellen: Sind Ihnen Erkrankungen Ihrer Ohren aktuell oder in der Vergangenheit bekannt? Nehmen Sie Ohrgeräusche (Tinnitus) wahr? Welche Seite ist Ihrer Meinung nach das bessere Ohr? Dann erfolgt die Otoskopie beider Ohren. Dabei ist zu überprüfen, ob die Gehörgänge frei und ob Auffälligkeiten zu sehen sind. Nun steht den Messungen nichts mehr im Wege und wir können mit der Audiometrie auf dem besseren Ohr starten. Anschließend erfolgt eine ausführliche Einweisung in die Messungen. Sie ist wichtig für die Qualität der Ergebnisse. Doch wie mache ich das nun genau? Welche Frequenzen und Reihenfolgen sind sinnvoll? Schauen wir uns daher die einzelnen Messungen etwas genauer an. Die Luftleitung oder um 15 db (in drei Schritten) abgesenkt und langsam um 5 db/sec erneut angefahren, bis der Kunde den Pegel bestätigt. Wird das Signal zwei Mal bei demselben Pegel als gehört angegeben, so wird das Ergebnis abgespeichert. Als Messsignal wird der Sinuston verwendet. Wenn Ihr Kunde einen Tinnitus hat, sollte allerdings ein Wobbel- bzw. ein Pulston verwendet werden. Nachdem Sie die Hörschwelle des besseren Ohres ermittelt haben, folgt nun die Messung entsprechend auf dem Gegenohr. Die Knochenleitung Um genaue Messergebnisse zu ermitteln, muss zuerst der lauteste Punkt am Mastoiden (Planum mastoideum) gesucht werden. Dafür geben wir einen angenehmen Startpegel bei 1 khz von 30 bis 50 db vor. Gemeinsam mit dem Kunden wird dann der lauteste Punkt hinter dem Ohr ermittelt. Die Messung startet bei 500 Hz und weiter mit 1 khz, 2 khz und 4 khz. Auch hierbei muss der Pegel vom Kunden zweimal bestätigt werden. Zu beachten sind bei dieser Messung die sogenannten Fühlschwellen. Der Kunde kann die Vibrationen des Knochenleitungshörers evtl. bereits fühlen. Begonnen wird bei 1 khz, da diese Frequenz für unsere Kunden leicht und angenehm zu hören ist. Dann messen wir den Hochtonbereich (1,5 khz, 2 khz, 3 khz, 4 khz, 6 khz und 8 khz). Bevor wir den Tieftonbereich (750 Hz, 500 Hz, 250 Hz und 125 Hz) messen, überprüfen wir den 1 khz Ton erneut. Die Frequenzen 750 Hz und 1,5 khz Fühlschwellen für den Knochenleitungshörer nach Lehnhardt: Abb. 2: Tonaudiogramm mit eingezeichnetem Sprachfeld werden nur bei Bedarf (Steilabfall, 20 db) gemessen. Jede Frequenz wird zuerst bis zum Erwartungspegel angefahren. Nach Antwort des Kunden wird das Signal um 10 db (in zwei Schritten) 125 Hz 15 db 250 Hz 30 db 500 Hz 45 db 1 khz 60-70 db Der hellgraue Bereich oben zeigt das Sprachfeld für eine mittlere Sprechlautstärke. Die Vokale liegen im Tieftonbereich mit relativ viel Energie. Die Konsonanten hingegen, mit wenig Energie, liegen im Hochtonbereich. Anhand dieser Darstellung kann man den Kunden direkt zeigen, welche Anteile von gesprochener Sprache noch gehört werden können. Im Tonaudiogramm werden gewöhnlich zwei Hörschwellenkurven gemessen, die der Luftleitung und die der Knochenleitung. Doch bevor wir mit den Messungen starten, erfolgt das audiologische Vorgespräch. Wichtig sind darin folgende Fragen: Haben Sie ein schwankendes Gehör? Abb. 3: Übersicht einer möglichen Reihenfolge der Tonaudiometrie Hörakustik LÜBECK-INFO 2/2010 247