Das Internet Fluch oder Segen? Dr. Peter Tossmann delphi-gesellschaft für Forschung, Beratung und Projektentwicklung mbh, Berlin Jahrestagung der Drogenbeauftragten 2011 Berlin, 11. Oktober 2011
Homer Simpson: Das Internet? Gibt s den Blödsinn immer noch?
Ausgangssituation Immer mehr Menschen nutzen das Internet! Zumindest gelegentliche Nutzung des Internet (in Prozent) 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 20-29 J. 40-49 J. 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Van Eimeren & Frees (2011). Drei von vier Deutschen im Netz ein Ende des digitalen Grabens in Sicht? Media Perspektiven 7-8, 334-349.
Die häufigsten Onlineanwendungen 2011** mindestens einmal wöchentlich genutzt (N=1.319) Frauen* Männer* 14-29 Jährige E-Mails 79 82 80 Suchmaschinen 78 87 95 Angebote suchen 40 45 43 Homebanking 27 37 27 Onlinecommunitys 37 35 71 Foren & Chats 20 22 44 Onlinespiele 13 20 29 *ab 14 Jahren ** van Eimeren & Frees (2011) Drei von vier Deutschen im Netz ein Ende des digitalen Grabens in Sicht? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011, Media Perspektiven 7-8, 334-349.
Die häufigsten Onlineanwendungen 2011** mindestens einmal wöchentlich genutzt (N=1.319) Frauen* Männer* 14-29 Jährige E-Mails 79 82 80 Suchmaschinen 78 87 95 Angebote suchen 40 45 43 Homebanking 27 37 27 Onlinecommunitys 37 35 71 Foren & Chats 20 22 44 Onlinespiele 13 20 29 *ab 14 Jahren ** van Eimeren & Frees (2011) Drei von vier Deutschen im Netz ein Ende des digitalen Grabens in Sicht? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011, MediaPerspekiven 7-8. 334-349.
Die häufigsten Onlineanwendungen 2011** mindestens einmal wöchentlich genutzt (N=1.319) Informationen suchen Kommunizieren Güter kaufen & verkaufen *ab 14 Jahren ** van Eimeren & Frees (2011) Drei von vier Deutschen im Netz ein Ende des digitalen Grabens in Sicht? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2011, Media Perspektiven 7-8, 334-349.
Das Internet Fluch oder Segen? Struktur des Vortrags Ist das Internet ein Marktplatz für Drogen? Informationsvermittlung aber wie? Drogenprävention und hilfe: Welche Möglichkeiten der Kommunikation sind erfolgversprechend?
Ist das Internet ein Marktplatz für Drogen? Anzahl identifizierter Online-Shops für Legal highs * Land Anzahl Österreich 3 Irland 1 Deutschland 4 Niederlande 25 UK 36 insgesamt 69 * Hillebrand, Olszewski & Sedefov (2010)
Ist das Internet ein Marktplatz für Drogen? Beispiele für Online-Shops: http://www.everyonedoesit.com/online_headshop/ legal-high-brands.cfm http://www.spice-gold-info.de/ http://www.spice-store.de
Details 4-FMP / 4-FA / Fluoramphetamin. Die Wirkung von 4-FA tritt ungefähr 60 Minuten nach oraler Einnahme ein und hält ca. 6 7 Stunden an. Die typische Dosis liegt zwischen 120 und 180 mg des Hydrochloridsalzes. Die subjektiven Effekte von 4-FA sind Euphorie, erhöhte Leistungsfähigkeit, Stimmungsaufhellung, Rededrang, Bruxismus (Kieferverspannungen), Insomnie und Appetithemmung. Das Wirkungsspektrum liegt laut diversen Erfahrungsberichten zwischen den emotionalen Effekten des MDMA (Ecstasy) und den antriebssteigernden Effekten von Amphetamin (Speed). Von der Einnahme dieses Produktes wird dringend abgeraten! Dieses Produkt wird eindeutig nur zu Research zwecken angeboten!
Ist das Internet ein Marktplatz für Drogen? Prinzipiell JA, aber das Internet spielt (noch) eine eher kleine Rolle beim Erwerb von Drogen. Cicero et al., (2008): Von 1.116 Patienten einer Suchtbehandlung in den USA gaben 6% an, schon mal Drogen über das Internet bezogen zu haben Frauger et al., (2011): Von allen 5.542 Personen, die im Jahr 2008 in Frankreich eine Einrichtung der Suchthilfe in Anspruch genommen haben (OPPIDUM), gaben 0,7% an, psychoaktive Substanzen im Internet gekauft zu haben. Dargan et al., (2010): 11% aller jungen Mephedron-Erfahrenen in Schottland gaben an, die Substanzen im Internet bezogen zu haben.
Drogeninformation im Internet
Qualitätskriterien für gesundheitsbezogene Websites Transparenz (Anbieter, Ziele, Zielgruppe, Finanzierung) Urheberschaft (Quellen der Informationen) Geheimhaltung & Datenschutz (Angaben zum Verfahren, Übereinstimmung mit Datenschutzgesetzen) Aktualisierung (regelmäßig, Datum) Verantwortlichkeit (nur Partnerschaften mit anderen Websites, die QK erfüllen, Benutzerfeedback, etc.) Commission of the European Communities (2002): Quality Criteria for Health Websites. Wilson, P. (2002). How to find the good and avoid the bad and ugly. BMJ 324, 598-600.
Informationsvermittlung aber wie? Passiv: Infotexte, Lexikon, FAQ, Newsletter Interaktiv: Wissenstest, Verhaltenstests Chats, Diskussionsforen, etc.
Informationsvermittlung aber wie? Passiv: Infotexte, Lexikon, FAQ, Newsletter Interaktiv: Wissenstest, Verhaltenstests Chats, Diskussionsforen, etc. Interaktive Formen der Informationsvermittlung beeinflussen das Gesundheitsverhalten effektiver als herkömmliche Informationsmedien. (Bull et al., 1998; Lilja et al., 2003; Tobler et al., 2000; Sussman et al., 2003; Newton, Teesson et al., 2010).
Informationsvermittlung aber wie? Einschätzung zum aktuellen Stand Die im Internet verfügbare drogenbezogenen Informationen sind sehr reichhaltig und differenziert, haben eine gute Qualität, aber: sie sind wenig interaktiv, sehr textlastig und oft wenig attraktiv vermittelt Informationsvermittlung per Animation, Audio oder Video: Fehlanzeige!
Welche Möglichkeiten der Kommunikation sind erfolgversprechend? Kommunikation in informellem Kontext ( Drogenwebsites, unspezifische Communities) Professionelle Interventionen
Welche Möglichkeiten der Kommunikation sind erfolgversprechend? Kommunikation in informellem Kontext Professionelle Interventionen
Welche Möglichkeiten der Kommunikation sind erfolgversprechend? Kommunikation in informellem Kontext Professionelle Interventionen
Welche Möglichkeiten der Kommunikation sind erfolgversprechend? Professionelle Interventionen E-Mail-Beratung Chat-Beratung Strukturierte Programme
Wirksamkeit strukturierter Interventionsprogramme ist belegt! Blankers, M., Koeter, M.W. & Schippers, G.M. (2011). Internet therapy versus internet self-help versus no treatment for problematic alcohol use: A randomized controlled trial. J Consult Clin Psychol. 79(3):330-41. Tossmann, P., Jonas, B., Tensil, M.D., Lang, P. & Strüber E. (2011). A Controlled Trial of an Internet-Based Intervention Program for Cannabis Users. Cyberpsychol Behav Soc Netw. 8. Schaub, M., Sullivan, R. & Stark, L. (2011) Snow Control, an RCT protocol for a web-based self-help therapy to reduce cocaine consumption in problematic cocaine users. BMC Psychiatry, 153. Gainsbury, S. & Blaszczynski, A. (2010). A systematic review of internetbased therapy for the treatment of addictions. Clinical Psychology Review, doi:10.1016
Anbieter: Zielgruppe: Programmziel: Bundeszentrale f. gesundheitliche Aufklärung BZgA Cannabiskonsumentinnen -konsumenten Ausstieg oder Reduktion Programmstart: August 2004 Art des Programms: Programmdauer: webbasierte individuelle Beratung 50 Tage Teilnehmer/innen : 3.185 (8/04 bis 9/11) 50-70 pro Monat
Wer wird mit dem Programm erreicht? Soziodemografische Daten ca. 2/3 männliche Teilnehmer Durchschnittsalter: 24-25 Jahre Vergleichsweise hohes Bildungsniveau: ca. 50% der TN besuchen das Gymnasium oder haben Abitur Cannabis: Konsum & Abhängigkeit Durchschnittlich an 25 der letzten 30 Tage Durchschnittliche Konsummenge 20 Gramm während der letzten 30 Tage Cannabis-Abhängigkeit liegt 90-95% der TN vor (DSM IV)
Was wird mit dem Programm erreicht? Haltequote des Programms 44% haben die gesamten 50 Tage teilgenommen, 56% beendeten das Programm vorzeitig. Vergleich: Abbruchquote unter Klientinnen und Klienten der ambulanten Drogenberatung 50-55%
Was wird mit dem Programm erreicht? Anzahl der Konsumtage in den letzten 30 Tagen T(187,02)=6,593; p<.001; d = 0,98
Kommunikation in der webbasierten Drogenprävention und -hilfe Einschätzung zum aktuellen Stand Kommunikation in informellem Kontext Drogenkommunikation in Foren besser als ihr Ruf? Fragen: Was und wie wird in Social Media über Drogen kommuniziert? Selbsthilfe in sozialen Netzwerken? Wie wird Kommunikation in Social Media für Prävention genutzt? Brauchen wir neue, pro-aktive Konzepte?
Kommunikation in der webbasierten Drogenprävention und -hilfe Einschätzung zum aktuellen Stand Professionelle Interventionen Erste Schritte sind erfolgversprechend! Aber qualitative und quantitative Weiterentwicklung der professionellen Sucht- und Drogenarbeit im Internet ist geboten, die technischen und sozial-kommunikativen Möglichkeiten des Internets sollten noch besser genutzt werden, Anwendungen für mobiles Internet sind dringend erforderlich!
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Peter Tossmann, delphi tossmann@delphi-gesellschaft.de