Manuskript Beitrag: Verpasste Zukunft Deutschland versagt bei Elektroautos Sendung vom 29. Oktober 2013 von Andreas Halbach Anmoderation: Ruß und Abgas in der Luft: Stadtbewohner atmen das jeden Tag. Solche Gesundheitsgefahren zu mindern das hält jeder für irgendwie richtig. Und Elektroautos deshalb für eine gute Technik, die dringend gefördert werden muss. Verkündet auch die Regierung seit Jahren. Und macht sich in der EU gleichzeitig stark für höhere erlaubte Mengen beim CO2-Ausstoß. Ganz im Sinne der heimischen Autokonzerne. Auch der scheint das Stromauto reichlich egal zu sein. Jedenfalls ist die internationale Konkurrenz um Klassen besser. Über eine peinliche Schwäche unserer großen Autoindustrie: Andreas Halbach. Text: Autoschau in Aachen. Die Händler geben sich fortschrittlichumweltbewusst: Aufbruch ins Zeitalter der E-Mobile. Doch selbst die Verkäufer haben wenig Vertrauen in die neue Technik, die meisten raten ab. Wir drehen mit versteckter Kamera bei verschiedenen Verkäufern. Ich denke mal, da kann man sich auch stark verhaspeln, mit Elektroautos - momentan, weil die ganze Technik noch sehr teuer ist. Bei Ford verrät man uns, der Focus Electric werde bundesweit nur bei 30 Stützpunkthändlern angeboten, in Aachen gar nicht. Ich müsste Tausende investieren in die Werkstatt-Technik. Das lohnt sich nicht, wenn ich da mal einen von verkaufe im Jahr. Und der nächste Verkäufer sieht das ähnlich.
Im Marketing schreiben sich das alle riesig auf die Fahne. Aber wenn Sie mal so in Wahrheit gucken, was so im Markt angeboten wird, sind es ja doch homöopathische Dosen. Doch bei der IAA in Frankfurt gab sich vor allem die deutsche Autoindustrie elektrisiert, wie nie zuvor. O-Ton Matthias Wissmann, Präsident Verband der Automobilindustrie: So wie wir beim Verbrennungsmotor die besten Autos der Welt haben, werden wir auch beim E-Auto weltweit einen Siegeszug beginnen. Und man sieht es bei dieser Messe, die ganze Welt schaut auf die großen deutschen Firmen mit ihren E-Autos. Siegeszug? Von wegen. VW feiert die Weltpremiere des elektrischen Kleinstwagen e-up zum Preis von satten 27.000 Euro. Und beim E-Golf, nächstes Jahr auf dem Markt, ist der Preis noch nicht einmal bekannt. Kritische Automobilexperten wie Professor Dudenhöffer sind am Messestand nicht gern gesehen. Ihm wird ein Blick auf die neue Technik verweigert. O-Ton, Insert rechts, Professor Ferdinand Dudenhöffer, Automobilexperte, Universität Duisburg-Essen: Das, was VW heute vorstellt, hat Opel, hat Nissan vor drei Jahren schon in den Markt gebracht. Und zum Zweiten, die Fahrzeuge sind sehr teuer. Ein Up für 27.000 Euro, der in der Normalausführung unter 10.000 Euro kostet, ist das Zeichen für den Verbraucher, eigentlich wollen wir diese Autos gar nicht verkaufen. Auch bei der Reichweite der elektrischen Batterien fährt die deutsche Autoindustrie noch weit hinterher. Beispiele: der BMW i3 und auch die VW-Modelle. O-Ton Hans-Jakob Neusser, Entwicklungsvorstand VW: Wir können damit 160 Kilometer Reichweite, elektrische Reichweite erzeugen. Über eine solche Erfolgsmeldung kann sich Ulrich Tscharntke nur wundern. Der umweltbewusste Informatiker hat sich für ein Elektroauto des amerikanischen Aufsteigers Tesla entschieden. Luxusklasse, sehr teuer aber fast 500 Kilometer Batterie- Reichweite. O-Ton Ulrich Tscharntke, Tesla-Kunde: Wenn ich meinen Weg zur Arbeit nehme, hin und zurück, sind das circa 60 Kilometer. Aber wenn ich zum Beispiel meinen Vater besuchen möchte, sind es halt knapp 300 Kilometer. Und das ist zur Zeit das einzige Fahrzeug, womit
das möglich ist, das einzige Elektrofahrzeug. Tesla liegt mit seinem Model S bei den US-Neuzulassungen in der Premiumklasse bereits vor den Spitzenmodellen von BMW, Audi oder Mercedes. In Norwegen werden derzeit mehr Teslas verkauft als herkömmliche VW-Golf. Ulrich Tscharntke fuhr 10 Jahre lang einen umweltfreundlichen Audi A2 mit dreieinhalb Liter Spritverbrauch. Doch jetzt ist er enttäuscht vom sogenannten Vorsprung durch Technik bei Audis Vollelektrik. O-Ton, Insert rechts Ulrich Tscharntke: Ich wartete eigentlich auf den Audi A2, der als Elektroauto rauskommen sollte. Doch unglücklicher Weise hat dann Audi die Entwicklung des Elektroautos eingestellt, so dass ich dann doch froh war, dass es das Model S gibt. Und auch der mächtige Siemens-Konzern zieht sich zurück - aus dem Geschäft mit Elektro-Tankstellen. Gegenüber Frontal21 bestätigt das Unternehmen, Zitat: Siemens stellt die Aktivitäten mit öffentlichen Ladesäulen ein Und weiter heißt es: Der Markt für Ladeinfrastruktur ist langsamer und deutlich kleiner als ursprünglich erwartet. O-Ton Professor Stefan Bratzel, Fachhochschule der Wirtschaft, Bergisch Gladbach: Im Moment gibt es noch kein Geschäftsmodell für Elektromobilität. Es ist völlig unsicher, ob man in den nächsten Jahren mit reinen Elektromobilen Geld verdienen wird. Und entsprechend vorsichtig ist der eine oder andere Hersteller, weil, ja, möglicherweise viele Verluste anstehen könnten. Der VW-Konzern räumt ein, mit Elektroautos ist noch kein Geld zu verdienen. Doch jetzt sei ein technischer Durchbruch erzielt, weil deutsche E-Mobile nun sogenannte CCS-Schnell- Ladetechnik an Bord haben. Damit sei die Batterie in einer halben Stunde aufgeladen. Problem nur, der Kunde muss lange suchen. Wie viele solcher CCS-Schnell-Ladesäulen gibt es eigentlich in Deutschland? O-Ton Rudolf Krebs, Chef der Elektro-Entwicklung im VW- Konzern:
Ja, leider noch nicht sehr viele. Ich glaube, der letzte Stand waren drei von diesen Ladesäulen. Das liegt auch daran, dass die extrem teuer sind. Sie sind sehr teuer und es gibt wenige, die bereit sind, zu investieren, weil man das Geschäftsmodell noch nicht sieht. So sind Elektroautos weiter auf öffentliche Ladesäulen angewiesen, an denen das Stromtanken noch Stunden dauert. Hinzu kommt ein weiteres Problem, festgehalten mit einem Handy-Video: Ladestellen sind oft zugeparkt mit herkömmlichen Autos. Es gibt keine bundesweit einheitliche Beschilderung. Und das sorgt oft für Verwirrung. Da ist eine Elektrosäule. O-Ton Autofahrerin: Was? Da ist eine Elektrosäule, haben Sie das nicht gesehen? Sie lässt ihren Wagen einfach stehen. An diesen beiden Ladestellen kann vorläufig kein E-Mobile mehr Strom tanken. Auch deshalb ist Deutschland bei Elektromobilität unter den Schlusslichtern, wie es in einer Studie von Professor Dudenhöffer heißt. Gerade mal knapp 10.000 Stromer sind hierzulande angemeldet. In den Niederlanden werden proportional fast viermal mehr batteriebetriebene Autos verkauft als in Deutschland, in den USA sogar 35-mal so viele. O-Ton Angela Merkel, CDU, Bundeskanzlerin: Ich bin schon so gut wie drin. Trotz alledem träumt die Kanzlerin weiter von einer Million Elektroautos bis 2020 auf deutschen Straßen. Doch dafür tut ihre Regierung nichts. Im internationalen Vergleich gibt es in Deutschland so gut wie keine staatlichen Hilfen beim Kauf eines Elektroautos, wie das Beispiel für den VW e-up zeigt. In Norwegen erhält der Käufer fast 7.000 Euro vom Staat. In Schweden, Großbritannien und Frankreich beteiligt sich der Fiskus mit jeweils rund 5.000 Euro, in den Niederlanden sind es immerhin noch 2.238 Euro. Und in Deutschland? Hier gibt es für den VW e-up -Käufer zehn Jahre Steuerbefreiung macht insgesamt 200 Euro. Auch für den weltweit gefeierten Elektroauto-Pionier Elon Musk, Inhaber von Tesla, macht sich Deutschland lächerlich.
O-Ton Elon Musk, Inhaber Tesla Motors, Kalifornien, USA: Wenn Sie vergleichen, die staatlichen Finanzhilfen in Deutschland mit denen der meisten anderen Ländern, ist es überall besser. In den USA ist es viel besser, in China ist es besser, in England, ja, sogar in Frankreich. Sogar Frankreich hat bessere Anreize für E-Autos als Deutschland. Fehlstart für Elektroautos in Deutschland. - Kaum Finanzhilfen, zu wenig Ladesäulen und eine Politik, die ihr Versprechen einer umweltfreundlicheren Zukunft nicht einhält. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. Die in den Beiträgen dargestellten Sachverhalte entsprechen dem Stand des jeweiligen Sendetermins.