Burnout-Prävention in Teams und Organisationen In Österreich sind 500.000 Menschen akut von einem totalen Erschöpfungszustand von Körper, Seele und Geist betroffen, eine weitere Million ist gefährdet. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet Stress als größte Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts. Man geht davon aus, dass bis 2020 stressbedingte Krankheiten neben Herz- Kreislauf-Erkrankungen die häufigsten Gründe für Arbeitsunfähigkeit sein werden. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger schätzt, dass burnout-bedingte Krankenstände die Krankenkassen mit 2,4 Milliarden Euro pro Jahr belasten. Wenn einzelne MitarbeiterInnen oder ganze Teams oder Abteilungen aufgrund von Burnout die Lust und Begeisterung, ihr Engagement und die Motivation für die Arbeit abhanden kommen, sind die Folgen für Betriebe und Organisationen enorm: hohe Fehlzeiten, Krankenstände, sinkende Leistung und Motivation, hohe Personalfluktuation, mangelnde Qualität und unzufriedene KundInnen. Der heute unter Burnout bekannte Prozess und Zustand der totalen körperlichen, geistigen und emotionalen Erschöpfung war als Neurasthenie bzw. Erschöpfungssyndrom im Sozial-, Bildungs- und Pflegebereich schon um 1911 bekannt und verbreitet. In den 1980er Jahren wurde Burnout als Manager-Krankheit bekannt und Führungskräfte galten als besonders bedroht. Mittlerweile zählt man zu den gefährdeten Berufs- und Personengruppe auch PolitikerInnen, Leistungssportler, Selbständige, Hausfrauen, Gastwirte, PolizistInnen, ÄrztInnen, mehrfach belastete Mütter, StudentInnen, KünstlerInnen, Männer, Frauen, Junge und Alte. Am Anfang der Entwicklung der Theorien zur Entstehung von Burnout stand der Psychoanalytiker Herbert Freudenberg (1974). Er ging davon aus, dass vor allem Menschen mit hoher Anstrengungsbereitschaft und hohen Erwartungen an sich selbst und andere burnout-gefährdet sind. Die Ursache sah er aufgrund seines psychoanalytischen Erfahrungsund Wissenshintergrundes in mangelhaft bewältigten Problemen in der Kindheit somit auf der persönlichen Ebene. Die Sozialpsychologin Christina Maslach (1984) konzentrierte sich im Gegensatz zu Freudenberger in ihren Untersuchungen auf Arbeitsumwelt und Arbeitsbedingungen, die einen Verlust von Idealismus und Energie hervorrufen können. Sie untersuchte das Phänomen Burnout auf der gesellschaftlichen und Organisationsebene. Auch Cary Cherniss hebt in seinem arbeits- und organisationspsychologisch orientierten Ansatz sowohl historische, soziale und kulturelle Bedingungen hervor. Seine Definition versteht Burnout als Wechselwirkung zwischen Individuum und Umwelt. Obwohl die maßgeblichen Modelle zur Erklärung von Burnout sowohl Faktoren auf der individuellen, strukturellen als auch gesellschaftlichen Ebene beschreiben, fällt in der öffentlichen Auseinandersetzung die Individualisierung des Themas auf.
2 Burn-out entsteht an der Schnittstelle von Person und Organisation und persönliche, strukturelle und gesellschaftliche Faktoren für Burnout sind nicht getrennt zu betrachten, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Aus diesem Grund dürfen Führungskräfte die strategische Dimension von Stress und Burnout nicht ignorieren. Ein Wissen über die Wechselwirkungen zwischen individuellen und strategischen Aspekten von Stress und Burnout ist speziell auch für Menschen in Führungspositionen wichtig, da Mitarbeiter unter Stress weniger kreativ und produktiv sind, eher Fehler machen und Fehlentscheidungen treffen. Die Stressforschung erklärt dies mit der Umschaltung des menschlichen Gehirns vom Kreativ-Modus auf den Überlebens-Stressmodus. Im Überlebens-Modus werden Informationen in älteren Gehirnregionen verarbeitet, im limbischen System, auch Reptiliengehirn genannt. Menschen, die Informationen in diesem Modus verarbeiten, blenden die längerfristige Zukunft aus, beziehen nur das momentane Überleben in ihre Überlegungen ein und sind nicht mehr im Kontakt mit ihren Arbeitsaufgaben und ihrer sozialen Umgebung. Kreativität und Produktivität im Dienste der Organisationsziele sind dabei eingeschränkt. Befinden sich Menschen in diesem Verarbeitungsmodus, können sie nur mit Ruhe und emotionaler Unterstützung in den Kompetenzmodus zurückkehren. Im Kompetenzmodus sind Menschen imstande, ihre Umgebung klar wahrzunehmen und auf Grund einer umfassenden Einschätzung längerfristig richtige Entscheidungen zu treffen. In diesem Modus wird das ganze Gehirn eingesetzt, besonders das Frontalhirn, die Gehirnrinde und die höheren Zentren. In Österreich gibt es zum Thema Burnout und Arbeitswelt aktuelle Studien und rege Forschungstätigkeit: Das Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz arbeitet unter Paul Jimenez an einer Studie, die Wege sucht, wie sich Arbeitsumwelt und -abläufe sowohl für Unternehmen als auch für den Einzelnen gesundheitsfördernd gestalten lassen. Die österreichischen Business Doctors untersuchen aktuell zehn verschiedene Berufsgruppen auf ihre Risiken, um berufsgruppenspezifische Präventionsmaßnahmen zu erstellen. Ebenfalls mit Prävention am Arbeitsplatz beschäftigt sich die Studie des Wiener Neurologen Wolfgang Lalouschek, speziell bezogen auf die Berufsgruppe von ÄrztInnen und Pflegepersonen auf Intensivstationen. Im Umgang mit MitarbeiterInnen, die an Burnout erkrankten, wurde bisher oft die Strategie des Auswechselns und Ersetzens ausgebrannter MitarbeiterInnen verfolgt. Da diese Strategien nur noch bedingt funktionieren und Firmen hohe Kosten verursachen wird Burnout immer mehr zur Chefsache und darf nicht länger ignoriert werden.
3 Führungskräfte müssen erkennen und anerkennen, dass die Ursachen von Burnout in erster Linie nicht in den besonderen Persönlichkeitszügen des Individuums liegen, sondern in den wirksamen und strukturellen Merkmalen von schlechten Situationen, in denen viele gute Leute tätig sind. (Maslach 2003). Für einen nachhaltigen Umgang mit Burnout in Organisationen sind Führungskräfte und Betroffene aufgefordert, Überlegungen, Analysen und präventive Maßnahmen sowohl auf der Ebene der Tiefenstruktur (Menschen, Beziehungen, Kommunikation, Kultur) als auch auf der Ebene der Oberflächenstruktur (Rahmenbedingungen, Aufgabenverteilung, Kompetenzen) zu treffen. Risikofaktoren, Anzeichen und Maßnahmen auf der Ebene des Individuums Burnout-betroffen sind vor allem leistungsfähige, ehrgeizige MitarbeiterInnen mit hoher Bereitschaft sich einzubringen. Dieses Verhalten wird in der Berufswelt meist sehr positiv bewertet. Andauernde Überlastung und die daraus resultierende Unzufriedenheit sind dann Ursache für ein schleichendes Abgleiten ins Burnout. Dies ist in der Anfangsphase oft nicht erkennbar. Risikofaktoren: Eine eindeutige Persönlichkeit des Ausbrenners (Stadler 2006) konnte bisher in der Forschung nicht identifiziert werden. Es gibt aber Merkmale, die häufig in Zusammenhang mit Burnout auftreten. Einsamkeit in der Kindheit und auch im Erwachsenenalter Schwierigkeiten im Ausdruck von Gefühlen Fehlende Anerkennung Abhängigkeit von Bestätigung von Außen Hohe Ziele und Erwartungen Neigung zu Perfektionismus. Anzeichen: Konzentration und Produktivität nehmen ab Versuch der Kompensation durch höheren Einsatz Diffuse körperliche Symptome, unspezifische Schmerzen im Rücken, Kopf, Magen, Schlafstörungen, Herzbeschwerden Müdigkeit und Gereiztheit Gleichgültigkeit, Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit Rückzug aus privaten Kontakten Psychische Symptome wie Depression, Verlust des Selbstwertgefühls, Ängste Medikamente um sich morgens anzutreiben bzw. abends Alkohol, um sich zu entspannen. Maßnahmen: Erkennen und Eingestehen der Situation und Überforderung Kontakt mit Führungsperson Diagnose des Burnout
4 Freistellung, Reduzieren von Arbeitszeit bzw. Aufgaben Interventionen auf der persönlichen Ebene wie Coaching um sich mit dem persönlichen Anteil der Verausgabungsbereitschaft auseinanderzusetzen Von Seiten der Leitung Intervention auf der Organisations-Ebene um sich mit dem Anteil der Organisation auseinanderzusetzen: Eine Analyse der Kommunikations- und Konfliktkultur, Beziehungsdynamiken sowie der Funktions- und Aufgabenverteilung, Möglichkeiten der Mitentscheidung, Umgang mit Lob und Anerkennung. Risikofaktoren, Anzeichen und Maßnahmen auf der Ebene von Organisation und Team: Versteht man Burnout als Gruppenphänomen (Sanz 2008) und sieht Menschen, die an ihrer Arbeit ausbrennen als diejenigen, die gesund auf kranke gesellschaftliche Bedingungen reagieren (Rösing 2003) können Erschöpfungssyndrom und Burnout als angemessene Reaktion auf gesellschaftlich-strukturelle Bedingungen gesehen werden. Mit dieser Sicht wird einer Pathologisierung und dem häufigen Ausgrenzen von betroffenen Einzelpersonen entgegengewirkt. Setzen sich Organisationen und Teams nach einem Burnout von MitarbeiterInnen nicht mit dem Thema Grenzen und Belastbarkeit auseinander, führt dies im Team auf individueller Ebene zu weiteren Anstrengungen und Bemühungen, zu Gefühlen der Wert- und Machtlosigkeit, die auf dieser Ebene aber nicht bewältigt werden können und so wiederum zu Burnout führen, wenn die notwendige Verausgabungsbereitschaft (Moosbruger 2008) vorhanden ist. Die Gruppe, das Team als Ressource geht verloren und Vereinzelung ist die Folge. Risikofaktoren: Hohe Arbeitsbelastung und hohe Arbeitszeiten Mangelnde Autonomie und fehlende Partizipationsmöglichkeiten Fehlende Rückmeldungen mangelnde Anerkennung Arbeitsplatzunsicherheit Inkonsistente Belohungen Fehlende Aufstiegschancen Schlechte physische Umgebungsbedingungen Unklare und unterschiedliche Anforderungen für die Bewältigung von Aufgaben Fehlende Unterstützung von Leitung und KollegInnen. Anzeichen: Produktivität nimmt ab Hohe Fluktuation Häufige Krankenstände Ressourcen werden knapper Führungskräfte wissen nicht, wie es MitarbeiterInnen geht Tagesgeschäft vereinnahmt, strategische Meetings werden abgesagt Sinkende Innovation Spannung, diffuses Gefühl: früher war es besser
5 Maßnahmen: Fokussierung der menschlichen und beziehungsmäßigen Situation in der Organisation, der Beziehungsdynamiken, Kommunikationskultur und Strukturen Reduzieren der Belastungen durch großen Zeitdruck oder Arbeitspensum Arbeitspausen Etablieren einer Anerkennungskultur Erhöhen der Autonomie durch mehr Handlungs- und Entscheidungsspielraum Eigenständigkeit in der Ausführung von übertragenen Arbeitsaufgaben und Mitgestaltung der Arbeitsbedingungen Mischung von neuen Aufgaben und Routinetätigkeiten Förderung des Zusammenhalts im Team Schaffen einer Kultur des Feedbacks und der Unterstützung Gestaltung von Arbeitsräumen und Arbeitsplatz nach individuellen Bedürfnissen und Schaffen einer angenehmen Arbeitsatmosphäre Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten um Selbstvertrauen, berufliche Handlungskompetenz und Reflexionsfähigkeit zu stärken Supervision und Coaching um berufliches Handeln zu reflektieren, ein vertiefendes Verstehen und erweiterte Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten Gesellschaftliche Faktoren, die Burnout begünstigen Die Burnout-Forschung boomt weltweit und die ExpertInnen sind sich sicher, der Grund, warum Burnout so massiv zunimmt, sind die gestiegenen Anforderungen in allen Lebensbereichen: Schnell, toll, erfolgreich und flexibel in allen Bereichen sein zu müssen 24-Stunden-Erreichbarkeit Keine Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben Fehlende Entspannung, Stress auch in der Freizeit Spagat zwischen Familie, Kindern und Karriere Existenzielle Bedrohung durch die Wirtschaftskrisen Hohe Erfolgsansprüche Die Tatsache, dass viele Organisationen in ihren Leitbildern ihre Mitarbeiter als wichtigste Ressource nennen und angesichts der Kosten, die erhöhe Belastungen und Stress am Arbeitsplatz durch Krankheitstage und Personalwechsel verursachen, erscheint es unbegreiflich, dass Organisationen Stress und Burnout ignorieren oder auf ihre Ursachen auf persönliche Schwächen der Mitarbeitenden reduziert wahrnehmen. Die Zunahme von Burnout macht ein Umdenken in Unternehmen erforderlich. Es lohnt sich, aufmerksam zu sein und Risikobereiche und Strukturen zu erkennen, die Burn-out begünstigen. Auch wenn explodierende Kosten und harte Wettbewerbsbedingungen die Unternehmen immer mehr fordern, darf ein wertschätzender und pfleglicher Umgang mit MitarbeiterInnen nicht vergessen werden.
6 Literatur Fengler J, Sanz A (2011) Ausgebrannte Teams. Klett-Cotta Rösing I (2003) Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt? Analyse und Kritik der internationalen Burnout-Forschung. Asanger Moosbrugger J (2008) Subjektivierung von Arbeit: Freiwillige Selbstausbeutung.