Ab in die Tonne - die Lebensmittelverschwendung in Deutschland M. Sc. oec. troph. Christine Göbel Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft 08. November 2012
Agenda Globale Nahrungsmittelverschwendung Studienergebnisse aus Deutschland Vorstellung von Handlungsfeldern 2 31.10.2012
Ausmaß der globalen Nahrungsmittel- verluste FAO legt zur Interpack 2011 in der Save Food Studie internationale Zahlen vor: Rund 1/3 aller weltweit für die Ernährung der Menschen hergestellten Lebensmittel gehen verloren oder werden weggeworfen jährlich ungefähr 1,3 Milliarden Tonnen Dabei verschwenden Industrie- und Entwicklungsländer ungefähr die gleiche Menge an Lebensmitteln. Die jährliche Menge an Lebensmittelverlusten entspricht mehr als der Hälfte der weltweiten Getreideernte (2,3 Milliarden t in 2009/2010). Warenverluste weltweit im Vergleich [Gustavsson et al. 2011] 3 31.10.2012
Beschlüsse der EU Europäische Kommission 20.09.2011 Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa Die Entsorgung von genusstauglichen Lebensmittelabfällen in der EU soll bis 2020 halbiert worden sein. Schlüsselsektoren: Lebensmittel Besser Bauen Effiziente Mobilität EU Parlament 19.01.2012 Resolution Schluss mit der Verschwendung von Lebensmitteln Strategien für eine effizientere Lebensmittelversorgungskette in der EU Die Forderung: Alles für eine Halbierung des Lebensmittelabfalls bis 2025 zu tun und das Jahr 2013 zum Europäischen Jahr zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung zu erklären. 4 31.10.2012
Studien zur Lebensmittelverschwendung in Bund und NRW BMELV Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in D Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft - ISWA - Universität Stuttgart Schwerpunkt: Hochrechnung der Abfallmengen, Handlungsvorschläge für die Politik und Forschungsbedarf MKULNV Verringerung von Lebensmittelabfällen Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in NRW isun / Verbraucherzentrale NRW Brot/Backwaren Molkereiprodukte Gemüse Fleisch/Wurst Schwerpunkt: Qualitative Erhebung in der gesamten Kette und Maßnahmenentwicklung 5 31.10.2012
Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette und Schnittstellen Landwirtschaft Handwerk/ Industrie Handel Endverbraucher 6 31.10.2012
Branchenspezifische Lebensmittelabfälle nach Entstehungsort und Menge Gesamtanfall an Lebensmittelabfällen: 11.429.000 t/a Quote: min. 13 % (bezogen auf die gesamte Urproduktion) Lebensmittelströme und -abfall in Deutschland 2009 Deutschland: mindestens 11,5 Mio. t/a 81,6 kg/person/jahr, davon ca. 53 kg (im Wert von 235 ) vermeidbar (Quelle: Kraner et al. 2012) 7 31.10.2012
Aufteilung der Lebensmittelabfälle anhand der 4 Wertschöpfungsstufen Deutschland 2009 Endverbraucher: 4.526.000 t/a 40 % 4.526.000 t/a 40 % 2.089.000 t/a 18 % Landwirtschaft: 2.089.000 t/a 18 % Landwirtschaft Handwerk / Industrie Handel Endverbraucher Handel: 310.000 t/a 3 % 310.000 t/a 3 % Handwerk/Industrie: 4.504.000 t/a 4.504.000 39 % t/a 39 % 8 31.10.2012
Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle Kranert et. al, 2012 9 31.10.2012
Ursachen und Wirkungen für Lebensmittelabfälle Marktbedingt (Vielfalt, Frische, Verfügbarkeit) - Verschiebungen in der Kette hohe Lieferbereitschaft der Produktionsbetriebe und des GHs für den LEH Absatzschwankungen im LEH Anforderungen an Frische, Optik, Vielfältigkeit, Verfügbarkeit Warenpräsentation - Konsumanreize 10 31.10.2012
Zusammenfassung der Ergebnisse In Deutschland erreichen jährlich mindestens 13 % (in Nordrhein-Westfalen 16 %), der angebauten Lebensmittel nicht die Verbraucher. Die Verfügbarkeit von Daten zur exakten Mengenberechnung ist äußerst gering. Lebensmittelabfälle entstehen aus verschiedensten Gründen auf allen Stufen der Kette von der Landwirtschaft bis zu den Verbrauchern. Die Erwartungen der Verbraucher und die Anforderungen des Handels werden als rahmensetzend beschrieben. Auch wenn die einzelnen Akteure ihren Bereich optimieren, heißt das nicht automatisch, dass Lebensmittelabfälle vermieden werden, eher wird das Problem innerhalb der Kette auf die vorgelagerten Stufen verschoben. 27.03.2012 11
Ergebnisse Forschungsbaustein B: Befragung von Privathaushalten 12 31.10.2012
Zusammenfassung der Ergebnisse (2) Beim Verbraucher fallen Lebensmittelabfälle nicht nur produktgruppenspezifisch unterschiedlich an, es gibt auch ganz unterschiedliche Gründe, die zur Verschwendung führen. Der hybride Konsument entscheidet situationsabhängig. Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird über seine ursprüngliche Funktion, als Garant für einwandfreie Produkteigenschaften bei richtiger Lagerung, hinaus von Unternehmen immer häufiger als Instrument für die Mengensteuerung und als Marketinginstrument eingesetzt. Zudem wird das Mindesthaltbarkeitsdatum von Verbrauchern dazu benutzt, Lebensmittelabfälle im Privathaushalt zu begründen und zu legitimieren. 27.03.2012 13
Forschungsbaustein D: Ökologische Bewertung der Warenverluste: Ressourcenverbrauch und Umweltbelastung in der Vorkette von Lebensmittelabfällen Beratungsgesellschaft Trifolium mbh 14 31.10.2012
Jährliches Pro-Kopf-Aufkommen an Lebensmittelabfällen nach Produktgruppen sowie Material Footprint und Carbon Footprint der Vorketten 15 31.10.2012
Zusammenfassung der Ergebnisse (3) Lebensmittelabfälle erzeugen hohe ökologische und sozialen Kosten, für deren Bewertung gibt es noch keine entwickelten Methoden. Die ökologische Relevanz der Vorketten von Lebensmitteln muss in die ökologische Bewertung einbezogen werden. Diese Erweiterung führt zu grundlegend anderen Empfehlungen, als eine reine Mengenbetrachtung. Der Verlust an Wertschätzung von Lebensmitteln wird allgemein als eine wichtige Ursache genannt. 27.03.2012 16
Handlungsoptionen Verringerung von Lebensmittelabfällen Identifikation von Ursachen und Handlungsoptionen in Nordrhein-Westfalen * * Gefördert durch * Gefördert Ministerium durch für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
Neue Wertschätzung für Lebensmittel 4 zentrale Handlungsfelder 18 31.10.2012
Prozessoptimierung/Schnittstellenmanagement - Beispielsammlung Kommunikation für einen stufenübergreifenden Informationsfluss (Kommunikation auf Augenhöhe) Regelmäßiger Austausch der Akteure auf einer Plattform für eine effektive Nutzung von optisch nicht einwandfreien Waren, Reststoffen/Nebenprodukten in der Produktion und Überhängen im Handel Prozessoptimierung in Unternehmen, z. B. Ernennung eines Wertstoffmanagers Bewusstmachung der Verantwortung, die ein Produzent hat, um Entscheidungen zu treffen für weniger Lebensmittelabfälle (Beschaffung, Vermarktung etc.) Marketing ändern, um den Absatz von lediglich optisch nicht einwandfreien Produkten zu fördern Produkte müssen eine Geschichte erzählen Förderung der Direktvermarktung (je weniger Schnittstellen in der Lebensmittelkette, desto weniger Ursachen für das Entstehen von Lebensmittelabfällen) Saisonalität stärker beachten und Regionalität stärken
Strukturen und Regeln - Beispielsammlung Einrichtung von Arbeitsgruppen, die Themen-, produktbezogen verschiedene Ursachen und Probleme bearbeiten (bspw. MHD, Produktspezifikationen) Verpackungen für Lebensmittel ändern, damit die natürlichen, unterschiedlichen Obst- und Gemüseformen vermarktet werden können (bspw. Tüte statt Schale) Begrenzung der Lebensmittel (Sorten)- Vielfalt fördern Pseudovielfalt reduzieren, um Verbraucher zu entlasten und so größere Abfallmengen zu vermeiden Politik muss Rahmenbedingungen ändern (dazu Wunsch nach harten Maßnahmen ) Verpflichtung zum Angebot von mind. 10-15 % Bio- und transfair-produkte im Handel und in der Gemeinschaftsverpflegung
Verwerten statt entwerten - Beispielsammlung (Reste nutzen) Sekundärmärkte schaffen, um Lebensmittelreste weiter zu verwerten Regelmäßiger Austausch der Akteure auf einer Plattform für eine bessere (Weiter-) Verwertung von Lebensmittelabfällen LEH muss (weiterhin, vermehrt) mit den Tafeln zusammen arbeiten, um Lebensmittelreste zu verwerten Landwirtschaftliche Produkte werden über Zusammenschlüsse direkt an sozial Schwächere bzw. Hungernde abgegeben
Wertschätzen und Aufwerten - Beispielsammlung Kommunikation (z. B. zur Aufklärung über Produkte) Neue Dienstleistungen z. B. zur Erleichterung der Einkaufsplanung werden Waren für ein ausgewähltes Rezepte zusammen gestellt, Möglichkeiten der (Vor-) Bestellung) am Point of Sale Wertschätzung von Lebensmitteln erhöhen, dazu den Begriff Qualität neu definieren (Qualität statt Quantität) und Bewusstsein schaffen das Landwirtschaft in der Natur stattfindet (Produkte sind unterschiedlich) Bildung u. Aufklärung beim Verbraucher/ Schulen und Kindergärten Ernährungsbildung entlang der Kette Aufklärung über ethische Gesichtspunkte der Lebensmittelverschwendung z. B. durch Große Aufklärungskampagnen starten, um Bewusstsein für Lebensmittelabfälle und für die Verbraucherverantwortung zu stärken (Lebensmittelabfälle vs. Hunger in der Welt) Nutzen der Lebensmittelabfallreduzierung muss deutlich werden und für Verbraucher attraktiv gestaltet werden (Hinweis auf Kosten) eine Projektregion in der gemeinsam mit Handel und Verbrauchern unterschiedliche Maßnahmen durchgeführt werden
http://www.zugutfuerdietonne.de/
Fazit Nur eine neue Wertschätzung unserer Lebensmittel in der gesamten Lebensmittelkette kann eine Wende in der Verschwendung bringen. Eine gemeinsame Verantwortung aller Akteure ist gefragt! 24 31.10.2012
Institut für nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft Download der Studie in der Kurz- und Langfassung 25 31.10.2012
Vielen Dank an das Projektteam... Projektleitung Wissenschaftliche MitarbeiterInnen Studentische Mitarbeiterinnen Prof. Dr. Petra Teitscheid Prof. Dr. Guido Ritter Prof. Dr. Christof Wetter Christine Göbel Antonia Blumenthal Silke Friedrich Nina Langen Daniel Baumkötter... und an Sie für Ihre Aufmerksamkeit FH Münster isun Institut für nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft Corrensstraße 25 48149 Münster 0251-83 65490 isun@fh-muenster.de www.fh-muenster.de/isun Tanja Frick Lisa Grotstollen Cynthia Pfeiffer Jennifer Hallwas Carolin Möllenbeck Lena Rottstegge Melani Surla Brita Uekötter
Literatur Gustavsson, J.; Cederberg, C.; Sonesson, U.; van Otterdijk, R.; Meybeck, A. (2011): Global Food Losses and Food Waste. Extent, Causes and Prevention. Hg. v. FAO. Food and Agriculture Organisation of the United Nations. Rom. Online verfügbar unter www.fao.org, zuletzt geprüft am 01.09.2011. Göbel. C.; Teitscheid, P.; Ritter, G.; Wetter, C.; Blumenthal, A. et. al (2012): Verringerung von Lebensmittelabfällen Ursachen und Handlungsoptionen in Nordrhein-Westfalen. Institut für nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft. Online verfügbar unter https://www.fh-muenster.de/isun, zuletzt geprüft 31.10.12. Kranert, M.; Hafner, G.; Barabosz, J.; Schneider, S.; Lebersorger, S.; Scherhaufer, H.; Schuller, H.; Leverenz, D. (2012): Ermittlung der weggeworfenen Lebensmittelmengen und Vorschläge zur Verminderung der Wegwerfrate bei Lebensmitteln in Deutschland. Kurzfassung. Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft. Online verfügbar unter www.bmelv.de, zuletzt geprüft am 13.03.2012. Westfehling, A; Thiele, S.; Schellhorn, M. (2012): Lebensmittel im Müll: Eine Untersuchung deutscher Haushalte. Masterarbeit am Institut für Ernährungswirtschaft und Verbrauchslehre, Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät, Christian-Albrechts- Universität zu Kiel, März 2012. 31.10.2012 27
Beispiel-Folien 31.10.2012 Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft 28
Niederländische Ernährungs-Plattform für Nachhaltigkeit
No Waste Network Niederlande
Backwarenverkauf vom Vortag
Erleichterung der Einkaufsplanung
Erleichterung der Einkaufsplanung
Niederländische Initiative bietet in einem speziellen Sortiment "hässliche" Lebensmittel an
Teller statt Tonne
Teller statt Tonne 06.12.2011 36
www. dasgeldhaengtandenbaeumen.de 06.12.2011 37
Teller statt Tonne http://www.midatlanticgleaningnetwork.org/