Automatisierte Schutzfunktionsprüfungen



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Transkript:

Automatisierte Schutzfunktionsprüfungen Christian GERERSTORFER*, Georg STIX*, Simon STUKELJ, Wolfgang GAWLIK Technische Universität Wien Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe, Gußhausstraße 25 / 370-1, T: +43 1 58801 370 136, F: +43 1 58801 370 199, {gererstorfer, stix, stukelj, gawlik}@ea.tuwien.ac.at, www.ea.tuwien.ac.at Kurzfassung: Das elektrische Energiesystem unterliegt seit einigen Jahren einer Entwicklung, bei der die elektrische Energie vermehrt dezentral im Verteilnetz eingespeist wird. Dezentrale Erzeugungsanlagen verwenden häufig Einspeisetechnologien, welche ein von Synchronmaschinen unterschiedliches Kurzschlussverhalten aufweisen. Zudem wird im Fehlerfall von heutigen dezentralen Anlagen verlangt, dass diese während eines Fehlers für eine definierte Dauer am Netz bleiben, um einen Beitrag zum Kurzschlussstrom zu liefern. Somit stellt sich die Frage, ob das unterschiedliche Kurzschlussverhalten von dezentralen Erzeugungsanlagen zunehmende Auswirkungen auf die für Synchrongeneratoren ausgelegte Schutztechnik hat. Um die Grundlage dafür zu legen, deren korrekte Funktionsweise für die neu auftretenden Bedingungen zu überprüfen, werden die Ergebnisse von nachgebildeten Schutzfunktionen (z.b.: Fehlerortung) mit denen von Schutzfunktionsprüfungen an realen Schutzgeräten verglichen und ausgewertet. Anhand von automatisierten Simulationen unterschiedlicher Fehlerszenarien in einem Modellnetz mit variierenden Parametern werden die benötigten Datensätze bestehend aus Zeitverläufen von Strom und Spannung generiert. Diese Verläufe werden für die anschließenden automatisierten Schutzfunktionsprüfungen verwendet. Weiters stehen durch diese Simulationen die Ergebnisse der nachgebildeten Schutzfunktionen zur Verfügung. In diesem Beitrag sollen die eingesetzten Automatisierungen erläutert und die methodische Vorgangsweise anhand einer zweiseitig gespeisten Übertragungsleitung demonstriert werden. Schlagworte: Elektrisches Energiesystem, Verteilnetz, Dezentrale Einspeisung, Kurzschluss, Schutzprüfung, Schutzgerät 1 Motivation und zentrale Fragestellung Das elektrische Energiesystem befindet sich im Wandel von zentralen hin zu dezentralen Strukturen. Dezentrale Erzeuger beziehen die Energie meist aus regenerativen Quellen und speisen ihre Leistung großteils in das Verteilnetz ein. Daraus folgt, dass es im Gegensatz zum unidirektionalen Leistungsfluss in einem zentralen konventionellen Energiesystems zu einem bidirektionalen Leistungsfluss zwischen den Netzebenen kommt. Daraus folgende Auswirkungen auf den Netzbetrieb müssen untersucht und berücksichtigt werden. Die dezentrale Einspeisung im Verteilnetz hat jedoch nicht nur Folgen für den regulären Betrieb. Im Fehlerfall wird von heutigen dezentralen Anlagen verlangt, dass diese während eines Fehlers für eine bestimmte Dauer am Netz bleiben, um einen Beitrag zum Kurzschlussstrom zu leisten. Seite 1 von 10

Die Fähigkeit, sich bei Spannungseinbrüchen nicht vom Netz zu trennen, wird Fault-Ride- Through-Fähigkeit (FRT) genannt. Dabei gelten länderspezifische Mindestanforderungen bis zur erlaubten Netztrennung der dezentralen Erzeugungsanlage bei Eintritt einer Netzstörung. Die Dauer bis zu erlaubten Trennung vom Netz in Abhängigkeit der Netzspannung ist exemplarisch in Abbildung 1 dargestellt. Abbildung 1: FRT-Kennlinien; selbst erstellt nach [1] Des Weiteren weicht das Kurzschlussverhalten von dezentralen Erzeugern mit unterschiedlichen Einspeisetechnologien gegenüber jenem konventioneller direkt angebundener Synchrongeneratoren ab. In Abbildung 2 sind beispielhaft verschiedene Typen von Windkraftanlagen (WKA) dargestellt: Typ 1: Asynchrongenerator (ASG) mit fester Drehzahl Typ 2: Asynchrongenerator (ASG) mit Schlupfregelung Typ 3: Doppelt gespeister Asynchrongenerator (DFIG) Typ 4: Permanenterregter Synchrongenerator (PMSG) mit Vollumrichter Abbildung 2: Typen von Windkraftanlagen; selbst erstellt nach [2] Seite 2 von 10

Insbesondere bei stromrichterbasierten Einspeisungen, wie etwa WKA mit Vollumrichter bzw. Photovoltaikanlagen, unterscheiden sich die Kurzschlussströme stark von denen eines Synchrongenerators. Wechselrichter können die eingespeiste Wirk- und Blindleistung im Mitsowie im Gegensystem grundsätzlich unabhängig voneinander abgeben. Somit ist das Kurzschlussverhalten ebenfalls von der implementierten Regelstrategie abhängig [3]. Deswegen stellt sich die Frage, ob das unterschiedliche Kurzschlussverhalten von dezentralen Erzeugungsanlagen Auswirkungen auf die für Synchrongeneratoren ausgelegte Schutztechnik hat. 2 Methodische Vorgangsweise Um die korrekte Funktionsweise von Schutzgeräten für die neu auftretenden Bedingungen zu überprüfen, werden die Ergebnisse von nachgebildeten Schutzfunktionen (z.b.: Fehlerortung) mit denen von Schutzfunktionsprüfungen an realen Schutzgeräten verglichen und ausgewertet. Die Zeitverläufe von Strom und Spannung, welche durch ein Schutzprüfgerät an das Schutzgerät angelegt werden, entstammen einer zuvor durchgeführten Simulationsreihe. Eine umfassende Aussage über die korrekte Arbeitsweise eines Schutzgerätes kann nur dann getroffen werden, wenn eine Vielzahl von Variationen der Fehlerart, des Fehlerortes und weiterer Parameter betrachtet werden. Aufgrund des zeitlichen Aufwandes zur Durchführung der Simulationen sowie Schutzfunktionsprüfungen müssen automatisierte Abläufe eingesetzt werden. In Abbildung 3 ist die methodische Vorgangsweise abgebildet. Abbildung 3: Methodische Vorgangsweise Seite 3 von 10

2.1 Automatisierte Simulation von Kurzschlussszenarien In Abbildung 4 ist die Automatisierung der Simulationen für die Untersuchung einer Vielzahl an Kurzschlussszenarien dargestellt. Diese erzeugt die benötigten Strom- und Spannungsverläufe eines Fehlerfalles, welche anschließend über ein Schutzprüfgerät an die Strom- und Spannungseingänge des Schutzgerätes angelegt werden. Abbildung 4: Automatisierte Simulation von Kurzschlussszenarien Für die Durchführung dieser Automatisierung wird MATLAB eingesetzt, womit eine gute Weiterverarbeitbarkeit der erhaltenen Daten für Analysezwecke möglich ist. Der in Abbildung 4 gezeigte Ablauf der Automatisierung verwendet für die Netzberechnungen die Software Simulink. Mit diesem Programm können unter anderem elektrische Netze inklusive der Erzeuger sowie deren Regelungen komfortabel implementiert werden. Der automatisierte Simulationsablauf kann auch mit anderen Berechnungsprogrammen ausgeführt werden, welche über eine Schnittstelle mit MATLAB kommunizieren. Als Beispiel sei an dieser Stelle die Netzplanungssoftware PSS SINCAL erwähnt. Die Automatisierungsfunktionen von PSS SINCAL orientieren sich an den in Windows-Anwendungen üblichen Standards. D.h. zentrale Funktionen des Programms werden über COM-Interfaces zugänglich gemacht und können somit sowohl in Script-Sprachen (Windows Scripting Host, Visual Basic, etc.) als auch in selbst entwickelten Applikationen eingesetzt werden. Liegt das zu verwendende Simulationsnetz als Simulink-File vor, müssen im ersten Schritt in MATLAB Benutzereingaben getätigt werden. Dabei muss der Automatisierung das File des Seite 4 von 10

Simulationsmodells zugewiesen, sowie die zu verändernden Parameter und deren Variationsbereich angegeben werden. Dies betrifft bei den beschriebenen Betrachtungen in erster Linie die Parameter Fehlerort, Fehlerart, Fehlerwiderstand und das Kurzschlussverhalten von dezentralen Erzeugungsanlagen im Kurzschlussfall. Die automatisierte Variation der Parameter und die damit einhergehenden, wiederholten Simulationsdurchläufe stellen die eigentliche Funktionalität des Automatisierungscodes dar. Nach Eingabe der Parameter kann die Simulation für die gewünschten Fehlerfälle gestartet werden. Die Simulationsergebnisse werden in weiterer Folge im.xlsx-format und im.mat- Format gespeichert. Zusätzlich wird ein standardisiertes COMTRADE-File erzeugt, um die Daten den Programmen SIGRA bzw. Advanced Transplay zugänglich zu machen. Die Strom-, Spannungs- und Impedanzverläufe werden visualisiert und im.pdf-format gespeichert, um eine schnelle manuelle Überprüfung der Ergebnisse zu ermöglichen. Zuletzt werden alle Ergebnisse der automatisierten Simulationen in kompakter Form zusammengefasst und in einer Ordnerstruktur gespeichert. 2.2 Automatisierte Schutzfunktionsprüfungen Der automatisierte Prüfprozess ist in Abbildung 5 dargestellt. Dieser zeigt die Implementierung eines VBA-Programmes (Visual Basic for Applications) in Microsoft Excel, welches mittels der Programmierschnittstelle OMICRON CM Engine mit dem Schutzprüfgerät OMICRON CMC356 kommuniziert. Dem Prüfprozess stehen als Eingangsgrößen die simulierten Spannungs- und Stromverläufe der Fehlerszenarien unter Berücksichtigung von Spannungs- und Stromwandlerverhältnissen, zur Verfügung. Folgende Parameter der Automatisierung können durch den Benutzer vor der Prüfung verändert werden: Anzahl der Prüfungswiederholungen eines Fehlerfalles (Ermittlung statistischer Kenngrößen) Angenommene Eigenzeit des Leistungsschalters (beeinflusst die Zeitspanne, die zur Fehlerortung zur Verfügung steht) Nach der Einstellung der Parameter wird der Automatismus gestartet, wobei alle vorliegenden Spannungs- und Stromverläufe (.xlsx-dateien) nacheinander vom Schutzprüfgerat ausgegeben werden. Auf jede Prüfung folgt das Auslesen der Anrege- und Auslösezeit des geprüften Schutzgerätes aus dem Speicher des OMICRON CMC356. Nach einer definierten Anzahl von Prüfungen werden die Störfallmeldungen vom Fehlerspeicher des Schutzgerätes abgefragt, wobei das Ausleseintervall abhängig vom geprüften Schutzgerät angepasst werden muss. Die Ergebnisse der Störfallmeldungen sind ebenfalls herstellerspezifisch, weshalb der Auslesealgorithmus auch einer Adaptierung unterliegt. Seite 5 von 10

14. Symposium Energieinnovation, 10.-12.02.2016, Graz/Austria Der automatisierte Prüfablauf ist beispielhaft für Schutzgeräte der Siemens SIPROTEC 5 Reihe konzipiert. Den Störfallmeldungen können folgende Informationen entnommen werden: Anrege- und ausgewählte Fehlerschleife Anrege- und Auslösezeit Fehlerrichtung sowie Fehlerort (Fehlerdistanz, X- und R-Wert) Abbildung 5: Automatisierte Schutzfunktionsprüfungen 3 Ergebnisse und Schlussfolgerungen Die in Abbildung 3 dargestellte Auswertung und Schlussfolgerung soll beispielhaft an einer zweiseitig gespeisten Übertragungsleitung demonstriert werden. Das untersuchte Modellnetz ist in Abbildung 6 dargestellt. Dabei wird ein 2-poliger Kurzschluss ohne Erdberührung zwischen den Leitern L2-L3 betrachtet und die Auswirkungen eines Fehlerwiderstandes auf die Impedanzmessung eines Distanzschutzgerätes untersucht. Abbildung 6: Modellnetz Übertragungsleitung Seite 6 von 10

Als Schutzfunktion wird die Impedanzmessung der Fehlerschleife für einen Kurzschluss zwischen den Leitern L2-L3 abgebildet. Diese wird durch folgende Gleichung ermittelt: Z U I Kurzschluss L2L3: Z U U I I 4 Die gemessene Reaktanz wird bei einem Distanzschutzgerät zur Festlegung der Auslösezeit verwendet, wobei es bei Fehlmessungen zu einer unselektiven Auslösung kommen kann. Abbildung 7 zeigt die Ergebnisse einer Simulationsreihe für die Reaktanz der Fehlerschleife des Modellnetzes, wobei folgende Parameter variiert wurden: Fehlerdistanz: 1% - 99% der Leitungslänge (siehe Abbildung 6) Fehlerwiderstand R F = 0-20Ω Aufgrund des Fehlerwiderstandes R F und des Laststroms kommt es nicht nur zu einer Fehlmessung der Resistanz von Z L2L3, sondern auch zu einer Fehlmessung der Reaktanz von Z L2L3 [4]. Es zeigt sich, dass die Reaktanz mit steigenden R F ausgehend von Relaiseinbauort R1 zu groß und ausgehend von Relaiseinbauort R2 zu klein ermittelt wird. Abbildung 7: Ergebnisse der Simulationen für die Reaktanzmessung Die Simulationsergebnisse wurden mit dem Überlagerungsverfahren verifiziert, welches aufgrund der Kenntnis des Vorfehlerzustandes anwendbar ist. Im Gegensatz zur Berechnungsmethode des Ersatzspannungsquellenverfahren, liefert das Überlagerungsverfahren genauere Ergebnisse des Teilkurzschlussstromes an den Relaiseinbauorten R1 und R2. Dazu wurden anhand des Ersatzschaltbildes aus Abbildung 8 die Impedanzen für den 2-poligen Kurzschluss ohne Erdberührung in der Mitte (Fehlerdistanz x = 50%) der Übertagungsleitung und für drei unterschiedliche Fehlerwiderstände R F = 0Ω, 10Ω sowie 20Ω errechnet. Seite 7 von 10

Abbildung 8: ESB des Modellnetzes mit 2-poligem Kurzschluss ohne Erdberührung Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse der analytischen Betrachtung und der Simulation. Man kann erkennen, dass die größte auftretende relative Abweichung nicht größer als 0,008% ist, wodurch die Zeitverläufe der Ströme und Spannungen für die Schutzfunktionsprüfungen herangezogen werden können. Fehlerwiderstand Schleifenimpedanz Überlagerungsverfahren Schleifenimpedanz Simulation Relative Abweichung!"#$ R F Z L2-L3 Z L2-L3 = % &#'(!"#)* % +*!,"#-./ % +*!,"#-./ R F = 0 Ω R1: 4,2150Ω+j20,7251Ω R1: 4,2150Ω+j20,7252Ω R2: 4,2150Ω+j20,7251Ω R2: 4,2150Ω+j20,7252Ω R F = 10 Ω R1: 14,4112Ω+j21,6930Ω R2: 13,8648Ω+19,8590Ω R1: 14,4108Ω+21,6928Ω R2: 13,8652Ω+j19,8590Ω F Relativ 0,008% R F = 20 Ω R1: 25,1801Ω+j22,8803Ω R1: 25,1781Ω+j22,8795Ω R2: 22,9956Ω+j18,9992Ω R2: 22,9970Ω+j18,9994Ω Tabelle 1: Vergleich Überlagerungsverfahren mit Simulation In Abbildung 9 ist beispielhaft der zeitliche Verlauf der Prüfspannungen einer einzelnen Schutzfunktionsprüfung dargestellt. Dabei wird ein Vorfehlerzustand von 500ms an das Schutzgerät angelegt, damit die Spannungsspeicher gefüllt und das Schutzgerät mit allen relevanten Funktionen einsatzbereit ist. Des Weiteren werden die Strom- und Spannungsverläufe 100ms nach einer erfolgten Auslösemeldung abgeschaltet, um das Ergebnis des Fehlerorters für eine entsprechende Leistungsschaltereigenzeit zu erhalten. Seite 8 von 10

14. Symposium Energieinnovation, 10.-12.02.2016, Graz/Austria Die Anregung wurde so eingestellt, dass das Schutzgerät bei jeder Prüfung korrekt anregt und die Fehlerschleife L2-L3 für die Impedanzberechnung herangezogen wird. Abbildung 9: Zeitlicher Verlauf der Prüfspannungen Abbildung 10 zeigt die absolute Abweichung zwischen den ermittelten Impedanzen des Schutzgerätes und den Simulationsergebnissen für die Relaiseinbauorte R1 und R2. Der Betrag der Abweichungen wird für keinen Fehlerfall größer als 0,035 Ω, womit die Ergebnisse der Schutzfunktionsprüfungen mit den erwarteten Ergebnissen übereinstimmen. Abbildung 10: Absolute Abweichung der Reaktanzmessung zwischen Schutzfunktionsprüfung und Simulation Seite 9 von 10

4 Ausblick Die automatisierten Schutzfunktionsprüfungen sollen für die Überprüfung der Auswirkungen von dezentraler Einspeisung über Stromrichter auf die Schutzgeräte eingesetzt werden. Folgende Fragestellung treten durch eine wechselrichterbasierte Einspeisung auf: Welche Schutzgeräte müssen zukünftig im Verteilnetz eingesetzt werden? Auf welche Funktionen (Anregung, Richtungsbestimmung, selektive Auslösung, etc.) des Schutzgerätes hat die wechselrichterbasierte Einspeisung eine Auswirkung? Wie wirkt sich der geringere Kurzschlussbeitrag im Vergleich zu einem Synchrongenerator auf die eingesetzten Schutzgeräte aus? Wie wirken sich ein unterschiedliches Mit- und Gegensystemverhalten sowie eine unterschiedliche Wirk- und Blindleistungseinspeisung auf die eingesetzten Schutzgeräte aus? 5 Literatur [1] F. Iov et al., Mapping of grid faults and grid codes, Tech. Rep. Risø-R-1617(EN), 2007, ISBN 978-87-550-3622-2 [2] Gevorgian, V., Muljadi, E., Wind Power Plant Short Circuit Current Contribution for Different Fault and Wind Turbine Topologies, Power and Energy Society General Meeting, IEEE, 2010 [3] Neumann, T., Erlich, I., Einspeiseverhalten von umrichterbasierten Erzeugungseinheiten während unsymmetrischer Netzfehler, Internationaler ETG- Kongress 2013, ETG-Fachbericht 139, 5-6. November 2013, Berlin, Deutschland [4] Gerhard Ziegler, Digitaler Distanzschutz, Siemens, 2008, ISBN 978-3-89578-320-3 Seite 10 von 10