Leseprobe aus: Menzel-Begemann, Berufliche Orientierung in der medizinischen Neurorehabilitation, ISBN 978-3-7799-1985-8 2012 Beltz Juventa Verlag,



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ISBN 978-3-7799-1985-8

Kapitel 2 Hintergründe und Eckdaten zur Beruflichen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation Das folgende Kapitel dient einer kurzen Einführung in den Bereich der beruflichen Orientierung in der medizinischen Rehabilitation. Nach einer kurzen Begriffsbestimmung werden daher die wesentlichen Entwicklungsschritte zur Etablierung der medizinisch-beruflichen Orientierung skizziert und der Ansatz in den gesetzlichen Rahmen sowie in das Verständnis der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) eingebettet. Im Anschluss wird auf ausgewählte, bereits bestehende berufsbezogene Behandlungskonzepte verwiesen und neben einer kritischen Auseinandersetzung mit möglichen Erfolgskriterien berufsbezogener Maßnahmen auf bisher erzielte Effekte eingegangen. 2.1 Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation Begriffsbestimmung Die berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation zeichnet sich zum einen durch eine inhaltliche und materielle Ausrichtung des diagnostischen und therapeutischen Geschehens auf das Erwerbsleben aus. Zum anderen beinhaltet die medizinisch-berufliche Orientierung ein unmittelbares Einbeziehen der individuellen arbeitsbezogenen Anforderungen in den Behandlungsprozess. Mit den möglichst früh vor der Rückkehr an den Arbeitsplatz ansetzenden Maßnahmen wird das Ziel verfolgt, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der beruflich geforderten Leistung weitestmöglich anzupassen, um so die berufliche Wiedereingliederung sowie den langfristig erfolgreichen Verbleib im Erwerbsleben zu unterstützen. Medizinisch-berufliche Maßnahmen richten sich an Erwerbsfähige mit gesundheitlichen Einschränkungen und besonderen beruflichen Problemlagen (Müller-Fahrnow & Radoschewski, 2006, S. 36), die sich u. a. durch eine Leistungsfähigkeit von unter sechs Stunden auszeichnet oder die sich durch den Umstand einer eingeschränkten Berufsfähigkeit (Leistungsfähigkeit in Bezug auf den zuletzt ausgeübten Beruf) bei un- oder nur teilweise eingeschränkter Erwerbsfähigkeit (Leistungsfähigkeit in Bezug auf den all- 10

gemeinen Arbeitsmarkt) ergibt. Auch eine Arbeitsunfähigkeit von über drei Monaten innerhalb des vergangenen Jahres sowie Arbeitslosigkeit und Antragstellung einer Erwerbs- oder Berufsunfähigkeitsrente vor Aufnahme in eine Rehabilitationseinrichtung sind Bedingungen für die Feststellung einer besonderen beruflichen Problemlage (ebd.). Auch wenn die medizinisch-berufliche Orientierung zahlreiche Anknüpfungspunkte zur medizinisch-beruflichen und beruflichen Rehabilitation aufgrund insbesondere inhaltlicher, methodischer und materieller Ähnlichkeiten aufweist, bestehen wesentliche Unterschiede: Diese Abgrenzung beruht in erster Linie darauf, dass innerhalb der MBOR [medizinischberuflich orientierten Rehabilitation] nur Leistungen der medizinischen Rehabilitation erbracht werden, während die beiden anderen Leistungskomplexe sich vollständig bzw. zu einem erheblichen Teil über rein berufliche Rehabilitationsleistungen definieren (Streibelt & Buschmann-Steinhage, 2011, S. 161). Die medizinisch-berufliche Orientierung ist demnach sozialrechtlich und versorgungsorganisatorisch der Medizinischen Rehabilitation zugeordnet (Müller-Fahrnow & Radoschewski, 2006, S. 36; s. Abb. 2.1). Abbildung 2.1: Phasen der Rehabilitation (nach Landau & Pressel, 2004, S. 527) Sie ist damit konzeptioneller Bestandteil der Phase I im Rehabilitationssystem und wird nicht in gesonderten Einrichtungen durchgeführt (s. Abb. 2.1). In den spezialisierten Zentren für die Phase II werden medizinische und berufliche Maßnahmen stärker miteinander verbunden, da sich diese Einrichtungen insbesondere an schwer betroffene Patient(inn)en vorwiegend mit neurologischen oder psychologischen/psychiatrischen Indikationen richten (Hansmeier & Schliehe, 2009). Als Therapieziel muss daher in Phase-II-Einrichtungen i. d. R. eine berufliche Neuorientierung für die 11

Patient(inn)en erwogen werden, während für Betroffene im Rahmen der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation vorrangig eine Rückkehr an den alten Arbeitsplatz angestrebt wird. Beim Vergleich der medizinischberuflich orientierten Rehabilitation mit der beruflichen Rehabilitation (Phase III) wird erkennbar, dass in der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation die funktionellen Störungen und ihre weitestmögliche Wiederherstellung im Fokus des Behandlungsprozesses stehen und daher die medizinischen Leistungen gegenüber den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die u. a. unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation konkret auf die Berufsausübung gerichtete Unterstützungsmaßnahmen darstellen, einen deutlich größeren Raum einnehmen. 2.2 Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ein gesundheitswissenschaftlich relevantes Thema Der tägliche Gang zur Arbeitsstelle dient nicht nur dem Broterwerb, sondern die Ausübung eines Berufs ist im günstigen Fall verbunden mit einem salutogenen Potenzial, da einerseits identitätsstiftende Prozesse angeregt werden können und andererseits dem Alltag Struktur verliehen und ein soziales Netzwerk geboten wird. Zahlreiche Studien u. a. aus der Arbeitslosenforschung untermauern die Bedeutung der Arbeit für das subjektive Wohlbefinden, denn bereits seit vielen Jahren und über Ländergrenzen hinweg lassen sich Daten finden, die einen engen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und unterschiedlichen Facetten der Gesundheit und Lebenszufriedenheit aufzeigen (Zapf, 1994; Drechsler et al., 1995; O Neill et al., 1998; Freese, 2002; Grobe & Schwartz, 2003; Berth et al., 2006; Helmert, 2009; vgl. auch Kap. 2.9). Daher betonen auch im Kontext der medizinischen Rehabilitation die Betroffenen selbst immer wieder die Relevanz beruflicher Aspekte in der Behandlung und formulieren indikationsübergreifend hohe Erwartungen an berufsbezogene Unterstützungsprozesse (Streibelt & Müller-Fahrnow, 2004; Streibelt et al., 2006; Bethge, 2009; Kaiser, 2010), wie der Auszug aus einem Brief einer Patientin im Rahmen der Nachbefragung des BOMeN-Projekts verdeutlicht (s. Abb. 2.2). Auch die Deutsche Rentenversicherung stellte fest, dass die aktive berufliche Integration aus Sicht der Rehabilitandinnen und Rehabilitanden der Ansatz mit den größten Erfolgsaussichten [ist], langfristig und effektiv die Auswirkungen von Krankheit und Behinderung auf die Teilhabe im Erwerbsleben und am Leben in der Gemeinschaft positiv zu beeinflussen (DRV, 2010, S. 5). 12

Abbildung 2.2: Auszug aus dem Brief einer Patientin im Rahmen der Nachbefragung des BOMeN-Projekts Bei einer Betrachtung der Arbeitswelt ist festzustellen, dass sie für viele gesunde wie chronisch kranke Menschen zur Herausforderung geworden ist (DRV, 2011, S. 11), denn die Anforderungen an die Eigenverantwortung sowie Mitwirkungsbereitschaft und -kompetenz der Betroffenen sowohl hinsichtlich der Bewältigung des beruflichen Alltags als auch in Bezug auf das eigene Gesundheitshandeln wachsen stetig. Vor diesem Hintergrund nimmt gerade in Zeiten ökonomischer Unsicherheiten mit der Bedrohung des Verlusts von Arbeitsplatz und existenziellen Ängsten (Mickley et al., 2010 nach Glaeske, 2011, S. 37) die Bedeutung von und der Bedarf an Maßnahmen zu, die die Betroffenen auf die Bewältigung des Berufsalltags vorbereiten und sowohl zum Empowerment im Sinne eines Bewusstmachens der Mitwirkungsmöglichkeiten beitragen als auch zu Mitbestimmung, Selbstverantwortung sowie Engagement für die eigene Gesundheit und die Gestaltung der Lebensführung ermutigen (Keil, 2004; Glaser-Möller & Thiele, 2008). Das vermehrte Vorkommen von Präsentismus Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz akut eingeschränkter Gesundheit (Heipertz, 2010; Steinke, 2011) untermauert den Bedarf an gesundheitsförderlichen Programmen. Die gewonnenen Erkenntnisse und Fertigkeiten dienen im Verlauf der Wiedereingliederung als sekundärpräventiver Coping-Koffer, der eine mögliche Verschlimmerung oder das Erleiden einer weiteren Gesundheitsbeeinträchtigung verhindern bzw. hinauszögern helfen soll. Dabei ist besonderes Augenmerk auf kognitive, psychische und psychosomatische (Zusatz-)Störungen zu richten [denn] sie besitzen eine hohe Tendenz zur Chronifizierung, da sie oft nicht erkannt werden, insbesondere wenn keine oder nur geringfügige körperliche Störungen nachweisbar sind (Wohlfahrt & Knisatschek, 2006, S. 153). Sich der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen institutionalisierter und systematisch bewerteter rehabilitativer (Vorfeld-)Maßnahmen zu widmen, ist daher die logische Konsequenz im Sinne einer Ableitung von bedarfsgerechten Versorgungsstrukturen und deren Evaluation (Hurrelmann et al., 2006, S. 28). Gesundheitswissenschaftliche Forschungs- 13

aktivitäten ergeben sich hieraus z. B. auf dem Gebiet der Gesundheitspsychologie, die sich u. a. der Entwicklung nutzerorientierter Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und (Primär-/Sekundär-)Prävention widmet, in der Gesundheitspädagogik, die sich mit der Frage nach geeigneten Strategien zur Vermittlung gesundheitsbezogener Inhalte und Fertigkeiten auseinandersetzt, sowie der klinischen Epidemiologie, die vorrangig die Wirkung neuer Behandlungen auf Erkrankungen untersucht. 2.3 Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ein frisch bestelltes Feld Im Jahre 1999 wurde festgestellt, dass trotz der klaren erwerbsbezogenen Zielsetzung von medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sowie zahlreichen empirischen Ergebnissen, die die Notwendigkeit von therapeutischen Hilfestellungen für Patienten mit beruflichen Problemlagen belegen, die Entwicklung spezifisch berufsbezogener Behandlungsangebote in der medizinischen Rehabilitation bislang vernachlässigt worden ist (Bürger, 1999, S. 9). Und auch aktuell ist zu lesen, dass bereits seit Jahren seitens der Rehabilitationsforschung eine stärker an den beruflichen Gegebenheiten der Patienten ausgerichtete Rehabilitationsstrategie gefordert wird (Egner et al., 2011, S. 143). Zudem erscheint die berufliche Orientierung auch aufgrund des Rahmenkonzeptes zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung von 1996 noch zu sehr auf den ergotherapeutischen Bereich begrenzt (Hansmeier & Schliehe, 2009). Erst seit Ende der 1990er-Jahre sind verschiedene Ansätze für erwerbsbezogene Interventionen entwickelt (Neuderth & Vogel, 2000; Neuderth et al., 2009) und ihre Wirksamkeit auf zentrale Kriterien wie den Wiedereingliederungsverlauf, die Arbeitsunfähigkeitszeiten (AU-Zeiten) und die Qualität von Entscheidungsprozessen der Kostenträger untersucht worden. Dabei ist eine wissenschaftlich fundierte Ausstattung der Einrichtungen mit Behandlungskonzepten von großer Bedeutung, denn die Leistungserbringer stehen täglich vor der Aufgabe, orientiert an ökonomischen Aspekten einerseits dem Wunsch der Betroffenen nach Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit gerecht zu werden, und andererseits das Anliegen der Kostenträger zu berücksichtigen, kostenintensive Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben entbehrlich zu machen (Egner, 2006, S. 57) oder vorzeitige Rentenzahlungen zu vermeiden bzw. hinauszuzögern. Zugleich werden die Leistungserbringer nicht zuletzt durch den längeren Verbleib der Arbeitnehmer(innen) im Arbeitsprozess und die Ausweitung der Arbeitsanforderungen und der Beschäftigung im Dienstleistungsbereich sowie durch anwachsende AU-Zeiten, steigende Arbeitslosenzahlen und zunehmende Komorbiditäten vor eine immer größere Herausforderung gestellt (Gerwinn, 2000; Göbel, 2000; Schmidt et al., 2006). 14

Es verwundert daher nicht, dass in den vergangenen Jahren ein wachsender Bedarf geäußert wurde, den Schwerpunkt des eher körperfunktionsfokussierten Geschehens der medizinischen Rehabilitation auf die beruflichen Anforderungen der Patient(inn)en zu verlagern. Sich in der medizinischen Rehabilitation mit der beruflichen Ausrichtung des Behandlungsgeschehens zu beschäftigen, erscheint zudem angesichts des in den vergangenen Jahren beobachtbaren relativen Zuwachses der ambulanten Rehabilitationsleistungen und der Anschlussheilbehandlung (AHB) [als zweckmäßig, weil] die Bedeutung der AHB weiter wachsen wird (Haaf, 2008, S. 17; vgl. auch Augurzky et al., 2011 und DRV, 2011). In der Mitte des letzten Jahrzehnts hat ergänzend der Förderschwerpunkt Rehabilitationswissenschaften der Deutschen Rentenversicherung aufgrund immer wieder beschriebener Schnittstellenproblematiken bei Maßnahmen- und Leistungsträgerwechsel (Schutzeichel & Hirschler, 2004; BAR, 2005; vgl. auch Pauli, 2009 und Kramer, 2010) eine bessere Verzahnung von medizinischer und beruflicher Rehabilitation und die besondere Berücksichtigung der Problemlagen beruflicher Risikopatienten im Rahmen medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen auf die Forschungsagenda gesetzt (Keck, 2006, S. 31). Diese Aufforderung mündete u. a. in die Förderung von Projekten zur Entwicklung und Evaluation medizinisch-beruflich orientierter Patientenschulungen und anderer Interventionsbausteine zur gezielten Bearbeitung beruflicher Problemlagen während der medizinischen Rehabilitation (ebd.). Jüngst ist die Forderung nach einer am Erwerbsleben orientierten Rehabilitation auch sehr deutlich im Anforderungsprofil zur Durchführung der Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation (MBOR) im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung formuliert worden (DRV, 2010). Das Positionspapier sieht künftig eine entsprechende Ausrichtung in allen DRV- Patient(inn)en behandelnden Einrichtungen durch Verankerung erwerbsbezogener diagnostischer und therapeutischer Module und damit einen durchgängig starken Arbeitsbezug (von Manteuffel, 2011, o.s.) vor. 2.4 Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ein gesetzlich formulierter Auftrag Die gesetzliche Rentenversicherung als wesentlicher Kostenträger rehabilitativer Leistungen fokussiert auf Maßnahmen, die ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verhindern oder möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereingliedern ( 9 SGB VI). Aus diesem klaren sozialrechtlichen Auftrag heraus resultiert schließlich in Verbindung mit einem wachsenden Ergebnisdruck infolge der Ökonomisierung im Gesundheitswesen (Schmidt et al., 2006) der Blick auf ergänzende und/oder neue evidenzbasierte und effiziente Behandlungsansätze. Des Weiteren ergab 15

sich durch die Neufassung des SGB IX im Jahre 2001 eine Betonung des Anspruchs behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen auf selbstbestimmte Teilhabe, wodurch sich eine stärkere Ausrichtung auf den nahtlosen Übergang zwischen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) [als] eine der zentralen Forderungen ( 11 SGB IX) herauskristallisierte (DRV, 2010, S. 5). In der medizinischen Rehabilitation vollzog sich auf diese Weise nach und nach ein Perspektivenwechsel vom primären Fokus auf die Funktionsstörung hin zu einem erweiterten Blick auf den Einfluss dieser Funktionsstörungen auf die Bewältigung alltäglicher und zunehmend auch beruflich relevanter Tätigkeiten. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die Etablierung der ICF, die zur Attestierung von Funktionsfähigkeit alle Aspekte einer funktionalen Gesundheit namentlich die Körperfunktionen und -strukturen, die Aktivitäten jedes Einzelnen und seine Eingebundenheit in die Gesellschaft (Teilhabe) einfließen lässt (vgl. Kap. 2.5). Hieraus ergibt sich für die Deutsche Rentenversicherung der Auftrag, den Versicherten effektive, auf die Teilhabe im Erwerbsleben besonders zentrierte und möglichst eng verknüpfte Leistungen anzubieten (DRV, 2010, S. 5). Als eine Möglichkeit wird in diesem Zusammenhang die stärkere berufliche Ausrichtung bereits früh im Behandlungsprozess ansetzender Maßnahmen in der medizinischen Rehabilitation gesehen, die v. a. unter den Bezeichnungen arbeitsbezogene Strategien in der medizinischen Rehabilitation und medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation geführt werden. 2.5 Berufliche Orientierung in der medizinischen Rehabilitation ICF-Orientierung Im Bezugssystem der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) werden Erkrankungen nicht per se als Gesundheitsproblem verstanden, sondern ein Gesundheitsproblem entsteht aus der Wechselwirkung zwischen der Erkrankung, der betroffenen Person selbst und ihrem Umfeld. So spielt der Lebenshintergrund meist eine große Rolle bei der Frage, ob ein gesundheitliches Problem bzw. eine Krankheit zu einer Gefährdung oder Einschränkung [der] Teilhabe am Arbeitsleben bzw. am Leben in der Gesellschaft führt (BAR, 2008, S. 7). Die Etablierung des bio-psycho-sozialen Modells (s. Abb. 2.3) zeigte auch in der auf die Beseitigung von Krankheitsursachen und ihren unmittelbaren Folgen ausgerichteten kurativen Behandlung Wirkung, indem seither Krankheiten und Krankheitsfolgen in Beziehung zur Biographie und Lebenswelt des betroffenen Menschen gesehen werden können [und] sich die rehabilitative Tätigkeit nicht nur an die betroffenen Personen selbst richtet, sondern auch die Bedingungen, welche die Beeinträchtigungen verstärken oder vermindern, betrifft (ebd.). 16

Vor diesem Hintergrund stellt ein berufsorientiertes medizinisches Rehabilitationskonzept durch seine stärkere Orientierung an konkreten arbeitsbezogenen Themen, die neben den persönlichen Faktoren auch die Umgebungsbedingungen berücksichtigen, einen engeren Bezug zwischen den wiederherzustellenden Funktionen und ihrer praktischen Relevanz für das Zurechtkommen im Erwerbsleben unter den dort vorherrschenden Bedingungen her. Im Terminus der ICF rücken somit wie u. a. von Gerwinn (2000) im Sinne einer Vorfeldmaßnahme gefordert die zu ermittelnde Leistungsfähigkeit (capacity) und die zu prognostizierende Leistung (performance) näher zusammen (Müller-Fahrnow, 2006; Müller-Fahrnow & Radoschewski, 2006). Für die medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation hat [dabei] das Konzept der Aktivitäten eine besondere Bedeutung. Die Handlungsfähigkeit und das Handeln im beruflichen Kontext wird Zielebene für die Ausrichtung und den Einsatz diagnostischer und therapeutischer Leistungen (DRV, 2007, nach Müller-Fahrnow & Radoschewski, 2009, S. 3). Abbildung 2.3: Das bio-psycho-soziale Modell der ICF Mit einer berufsbezogenen Herangehensweise kann dabei nicht nur eine höhere diagnostische Aussagekraft erreicht werden, sondern sie zieht insbesondere auch ein besseres Verständnis für das rehabilitative Vorgehen auf Seiten der Patient(inn)en nach sich, was zu einer besseren Compliance einem Mehr an Einverstandensein und damit einhergehend zu einer größeren Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit in der Rehabilitation führen kann. Diese positiven Auswirkungen wiederum sind zum einen generell vor dem Hintergrund der intendierten Rückkehr an den Arbeitsplatz von Bedeutung (Fiedler et al., 2005). Zum anderen sind sie im Kontext neurologischer Re- 17

habilitation aufgrund der häufig festzustellenden Persistenz kognitiver Beeinträchtigungen darüber hinaus relevant, um die Patient(inn)en langfristig motivieren zu können, zur Wiedererlangung der Teilhabe (durch Restitution, Kompensation und/oder Adaptation) beizutragen. Überdies erreichen Konfrontationen mit konkreten berufsbezogenen Defiziten und damit Erfahrungen auf Aktivitäts- oder Teilhabeebene bei kognitiven Einbußen eine größere Wirkung auf die Anerkennung von Leistungseinschränkungen und damit auf die Realitätsanpassung sowie die Motivation zur aktiven Teilnahme, als dies neuropsychologische Testergebnisse vermögen, die i. d. R. aus Erfahrungen auf Funktionsebene resultieren (Rentsch, 2005). Indem die Betroffenen im Rahmen der berufsbezogenen medizinischen Rehabilitation befähigt werden, so schnell wie möglich eigene, möglichst realistische Vorstellungen von ihrer Zukunft (Karbe & Küst, 2006, S. 128) und eine eigene Verantwortung für die Fortschritte im Teilhabeprozess (Stähler, 2005; Fries & Schwenk-Eschenlohr, 2007) zu entwickeln, kann schließlich psycho-sozialen Sekundärfolgen entgegengewirkt werden, die häufig nach der Rückkehr ins private und berufliche Umfeld infolge des Erfahrens reduzierter Belastbarkeit auftreten (Lucius-Hoene, 1997; Göttert et al., 2002; Wendel, 2002). Eine Fokussierung auf die und eine Unterstützung hinsichtlich der personenbezogenen Kontextfaktoren sind demnach zentrale Aspekte in der medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation. Denn gerade die personenbezogenen Kontextfaktoren sind es, so zeigt häufig der klinische Alltag, die darüber bestimmen, ob und wie weit das Behandlungsziel, nämlich die soziale Reintegration vor allem ins Erwerbsleben, erreicht wird (Fries, 2007, S. 4). 2.6 Skizzierung bisheriger berufsbezogener Ansätze Um den Spagat zwischen den Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation und der Forderung nach realitätsnaher Erprobung zu meistern, wurden im Verlauf der letzten Jahre unterschiedliche Herangehensweisen herausgearbeitet (Radoschewski et al., 2006). Zu Beginn der Entwicklung berufsbezogener Maßnahmen standen psychosomatische Erkrankungen und solche des Bewegungsapparates sowie des Zentralnervensystems im Vordergrund (Karoff & Kittel, 2006), jedoch wurde nur ein Bruchteil der für diese Indikationen i. d. R. klinikintern entwickelten Ansätze systematisch evaluiert (Neuderth et al., 2009). Zwar ist mittlerweile ein großes Wissen über Anwendungsgebiete, Nutzen sowie die Vor- und Nachteile der entsprechenden Interventionen vorhanden (Egner et al., 2011, S. 143), doch gerade im Bereich der Neurologie lässt die Forschung noch Wünsche nach kontrollierten Studien offen. Die wissenschaftlich begleiteten Ansätze reichen vom Einsatz berufsbezogener diagnostischer Instrumente über die Einführung von Gruppen zur 18

arbeitsbezogenen Problem- oder Stressbewältigung und Motivationsförderung bis hin zur Erprobung komplexerer Reha-Konzepte und der Kooperation mit berufsfördernden Einrichtungen. Auf eine Auswahl dieser Methoden und Konzepte soll im Folgenden kurz eingegangen werden. 2.6.1 Berufsbezogene Instrumente Zu den berufsbezogenen diagnostischen Instrumenten zählt u. a. das Profilvergleichsverfahren MELBA (Psychologische Merkmalprofile zur Eingliederung Behinderter in Arbeit, Kleffmann et al., 1997), bei dem anhand eines Kriterienkatalogs u. a. kognitive, soziale und arbeitsbezogene Merkmale sowohl des Arbeitsplatzes (Anforderungsprofil) als auch der/s Rehabilitandin/en (Fähigkeitsprofil) erfasst und abgeglichen werden. Eine mangelnde Übereinstimmung beider Profile gibt dabei u. a. Auskunft über den Behandlungsbedarf und kann bei der Formulierung von Rehabilitationszielen behilflich sein. Mit Hilfe des semistrukturierten Interviews WEIS (Work Environment Impact Scale, Moore-Corner et al., 1998) lässt sich die Arbeitsumgebung u. a. hinsichtlich der räumlichen, organisatorischen und sozialen Aspekte beschreiben und es wird der Einfluss der Bedingungen auf das Arbeitsverhalten, die Zufriedenheit und das Wohlbefinden erfasst. Die Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL, Isernhagen, 1988) fokussiert die Beobachtung standardisierter Bewegungsmuster wie Heben, Tragen und Arbeiten über Kopf und versucht dabei, die körperliche Belastbarkeit für typische Arbeitsabläufe unter berufsalltagsnahen Bedingungen zu erfassen. Ähnlich dem Profilvergleichsverfahren MELBA (s. o.) wird ein erreichtes Leistungsprofil mit dem Profil der berufsbezogenen Leistungsanforderungen verglichen. Auch der Einsatz des computergestützten Arbeitssimulators ERGOS dient der standardisierten Diagnostik physischer Fähigkeiten wie Tragen, Arbeiten im Knien oder über Kopf. An fünf verschiedenen Stationen können über 240 Aufgaben simuliert und anschließend die individuellen Fähigkeitsprofile mit etwa 14.000 beruflichen Anforderungsprofilen verglichen werden (Kaiser et al., 2000). Ein eher auf die Therapie ausgerichtetes Konzept und Instrumentarium, das bei der Entwicklung der in diesem Buch vorgestellten Therapieaufgaben Pate stand, wurde von Claros-Salinas (2004) im Rahmen ihrer Neurologischen Berufstherapie beschrieben. Dieser Ansatz geht von berufsübergreifenden kognitiven Basisanforderungen aus (v. a. Planung und Organisation sowie der Umgang mit Texten und Zahlen), die es unter Verwendung annähernd individuell berufsorientierter Materialien zu erproben und zu trainieren gilt. 19

2.6.2 Berufsbezogene Gruppen Ein weiteres Behandlungskonzept, das auch für die Ausgestaltung des in diesem Buch vorgestellten BOMeN-Ansatzes von Bedeutung war, konzentriert sich im Sinne einer psychologischen Aufgabe in der medizinischen Rehabilitation (BAR, 2005) auf die Vermittlung von Wissen und die Förderung der Motivation zur Rückkehr zur Arbeit im Rahmen von Patientenschulungen (BMBF & DRV, 2009; Reusch et al., 2001; Koch, et al., 2003; Schattenburg et al., 2004; Faller et al, 2005; Baumeister, 2006; Koch et al., 2006; Rudolf & Heitzmann, 2006). Berufsbezogene Patientenschulungen sind i. d. R. auf den Umgang mit arbeitsbezogenen Problemen oder Stress ausgerichtet und thematisieren sowohl die Bedingungen der Arbeitswelt und deren Auswirkungen auf den Gesundheitszustand als auch umgekehrt die Auswirkungen der chronischen Erkrankung oder Behinderung auf das Erwerbsleben (Streibelt & Buschmann-Steinhage, 2011, S. 164). Beim Gruppentraining Stressbewältigung am Arbeitsplatz (GSA; Hillert et al., 2008) werden mit vorrangig chronisch beeinträchtigten Patient(inn)en innerhalb von fünf eineinhalbstündigen Modulen Stressentstehung und -bewältigung sowie Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz, aber auch motivationale Aspekte und berufliche Perspektiven thematisiert. Ein ähnliches Programm Stressbewältigung am Arbeitsplatz (SBA, Hillert et al., 2007) behandelt verteilt über acht Sitzungen á 90 Minuten die Themenbereiche Motivation ( berufliches Wohlbefinden ), Sozialkompetenz ( Kollegen und Vorgesetzte ), Stress ( Arbeitsbewältigung ) und eine ein Bewerbungstraining einschließende Sitzung zur beruflichen Neuorientierung. Ein weiterer Schwerpunkt berufsbezogener Gruppenangebote ist die Förderung der Motivation. Im Konzept Zielaktivierung und Zielorientierung (ZAZO, Fiedler et al., 2008) wird eingebettet in vier Module von jeweils ca. 90 Minuten Dauer die Motivation zur Umsetzung beruflicher Ziele durch vermittelte Strategien zur Zielsetzung, Zielverfolgung und Zielverwirklichung gesteigert. 2.6.3 Komplexere berufsbezogene Reha-Konzepte Das für die Behandlung neurologischer Patient(inn)en entwickelte Reintegrationsmanagement (REIMA, Wohlfahrt & Knisatschek, 2006) zielt auf eine individuelle Ausrichtung und bessere Verzahnung von Behandlungsprozessen bei stärkerer Berücksichtigung psychischer Begleitfolgen zur Förderung des Krankheitsbewusstseins, der Akzeptanz und Motivation. Erreicht wird dies durch den individuell kombinierbaren Einsatz von Modulen u. a. zum individuellen Fallmanagement und zur klinikinternen und/oder -externen Belastungserprobung. 20