Psychoedukation für Angehörige von an Depression erkrankten Patient(inn)en Dr. phil. Lars P. Hölzel 07. Februar 2013



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Transkript:

Psychoedukation für Angehörige von an Depression erkrankten Patient(inn)en Dr. phil. Lars P. Hölzel 07. Februar 2013

AG Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung Zielsetzungen und Aufgaben Deskriptive, analytische und experimentelle Epidemiologie Analyse der Versorgung von Patienten mit psychischen Störungen Evaluation neuer Behandlungsansätze Entwicklung, Implementierung und Evaluation von Maßnahmen der Qualitätsverbesserung

AG Klinische Epidemiologie und Versorgungsforschung Schwerpunkte Erkrankungen Depression Aktuelle Projekte Psychoedukation bei Angehörigen Kultursensitive Patienteninformationen Prävention

Hintergrund Erkrankte

Hintergrund Angehörige Objektive Belastungen finanzielle Aufwendungen (Mory et al., 2002; Wilms et al., 2004) Betreuungsaufwand (Angermeyer et al., 1997) Einschränkung in Alltagsbewältigung (Wittmund et al., 2005) Beziehungsgestaltung und Rollenveränderungen (Schmid et al., 2005) Freizeitgestaltung und soziale Beziehungen (Schmid et al., 2003) Subjektive Belastungen Emotionen: Trauer, Schuld, Scham, Zukunftsängste (Jungbauer et al., 2001; Schmied et al., 2005) Belastungsfolgen Beeinträchtigung subjektiver Lebensqualität (Sales 2003; Angermeyer et al., 2006) erhöhtes Risiko für depressive Störungen (Wittmund et al., 2002)

Hintergrund Versorgung Rehospitalisierungen innerhalb von 12 Monaten nach Entlassung aus stationärer Depressionsbehandlung Depressive Episode (F32.xx): 24% Rezidivierende depressive Störung (F33.xx): 34% (Bitzer et al., 2011) Es werden ergänzende Maßnahmen zur weiteren Senkung von Rückfallwahrscheinlichkeit und Rehospitalisierungen benötigt

Hintergrund Stand der Forschung Patientenebene: Inkrementelle Wirksamkeit von Familienpsychoedukation (FPE) bei Schizophrenie und bipolaren Störungen (Pharoah et al., 2010; Reinares et al., 2008) Rückfallprophylaxe / weniger Rehospitalisierungen Angehörigenebene: Positive Effekte auf Familienfunktionalität und Belastung der Angehörigen bei bipolaren Störungen (Cuijpers, 1999) Empfehlung von FPE in aktueller Leitlinie (DGPPN et al., 2009) Ergänzung der Gesamtbehandlungsstrategie Sollte-Empfehlung (Grad B) = RCT fehlt

Hintergrund Stand der Forschung 4 x 90 min. 9-Monats-Follow-Up Ausgangsstichprobe n = 57; Drop-Out 5% Analysestichprobe n = 54 (IG: 24/KG: 30) Rückfall: IG: 8% KG: 50% Remission: IG: 83% KG: 33% HRSD; BDI

Hintergrund Stand der Forschung Einschränkungen: kulturelle Unterschiede Unterschiede in der Awareness Unterschiede in der Versorgung keine Evaluation unter Routinebedingungen

Zielsetzung Entwicklung der Intervention unter Berücksichtigung der Versorgungsbedingungen und der Bedürfnisse von Angehörigen und Patienten in Deutschland Evaluation unter Routinebedingungen in der stationären Depressionsbehandlung

Eigenes Projekt Überblick Interventionsentwicklung Literaturanalyse Auswertung bestehender Manuale Klinikbefragung Bedarfserhebung Patientenbefragung Expertenworkshop Pilottestung Randomisiert kontrollierte multizentrische Studie

Eigenes Projekt Klinikbefragung Ziel: Beschreibung der Versorgungssituation bzgl. FPE in der stationären Depressionsbehandlung in Deutschland FPE Angebot vorhanden? Implementierungshindernisse / -voraussetzungen Umsetzung (inhaltlich / strukturell) Ableitung: was ist realistisch in der Versorgung umsetzbar?

Eigenes Projekt Klinikbefragung Design: zweistufige postalische Querschnittbefragung Stufe I: bundesweit alle Kliniken der stationären Akutversorgung Klinikleitung (Kontaktdaten Statistisches Bundesamt): n = 512 Angebot vorhanden? Implementierungshindernisse? Durchführende? Stufe II: bei Angebot konkret Durchführende Rahmenbedingungen Durchführung Inhalte Instrumente: Anlehnung an Rummel-Kluge et al. (2006) und Friedel-Huber (2007)

Eigenes Projekt Klinikbefragung Vorläufige Ergebnisse Response n = 250 (48,8%) 18,4% 64,8% kein Angebot spezifisch für depressive Störungen diagnoseübergreifend spezifisch und diagnoseübergreifend 2,8% 14,0% 35,2% Kliniken mit psychoedukativer Angehörigengruppe bei depressiven Störungen Frank et al. 2012

Eigenes Projekt Klinikbefragung (n = 154) Variable % zusätzliche Ressourcen personell 66,9% zeitlich 49,4% finanziell 24,0% adäquate Konzepte und Materialien 25,3% Frank et al. 2012

Eigenes Projekt Klinikbefragung Kontaktdaten für Stufe II von n = 75 (85,2%) der Kliniken mit Angebot Response n = 39 von 75 Kliniken (52,0%) Wichtigste Ergebnisse: Rahmenbedingungen Reine Angehörigengruppe 82,1% Offene Gruppenform 69,2% Anzahl Gruppensitzungen MW (SD) 5,1 (3,1) Ziele Verständnis der Erkrankung 68,4% Entlastung der Angehörigen 52,6% Rückfallprophylaxe 13,9% Frank et al. 2012

Eigenes Projekt Bedarfserhebung Ziele: zielgruppengerechte inhaltliche Fokussierung der FPE Erfassung von Informationsbedürfnissen, Belastungen und Bewältigungsstrategien von Angehörigen Design: qualitative Studie mittels leitfadenbasierter Fokusgruppen Einschlusskriterien: Angehöriger einer Person mit depressiven Störungen; min. 18 Jahre alt gemeinsamer Haushalt mit erkrankter Person

Eigenes Projekt Bedarfserhebung Rekrutierung: n = 17 Personen über Freiburger Bündnis gegen Depression ; Universitätsklinikum Freiburg ; Selbsthilfegruppen ; Rekrutierungsanzeigen Auswertung: qualitativ inhaltsanalytisch

Eigenes Projekt Bedarfserhebung Behandlungsspezifischer Informationsbedarf Unterstützungsbezogener Informationsbedarf Interaktionsspezifischer Informationsbedarf Krankheitsspezifischer Informationsbedarf Frank et al. 2012

Eigenes Projekt Bedarfserhebung Krankheitsspezifischer Informationsbedarf Symptomatik und Frühwarnzeichen o vertieftes Krankheitsverständnis o Abgrenzung zu Alltagsphänomenen o Abgrenzung zu anderen Erkrankungen Vermeidung von Fehlattribuierungen [ ] bis ich das mal kapiert habe, dass es gar nicht geht [ ] das es nicht daran liegt, dass er nicht will, sondern dass er nicht kann, das hat schon gedauert. Das ist einfach sehr, sehr schwer (C2; 90). Entstehung und Ursachen o Wissen über potentielle Entstehungszusammenhänge o Schuldgefühle bzgl. eigener Anteile Entschuldung Und (h) dann fängt man an zu grübeln, wo liegen deine Fehler? Wo, was hast du in der Vergangenheit mal gemacht, dass er jetzt so ist (A2; 117)? Frank et al. 2012

Fazit Bedarfserhebung Wichtige Informationen zur Adaptation der Intervention Umsetzungsrealität in der stationären Depressionsbehandlung Bedarf bei Angehörigen Interventionsentwicklung Evaluation unter Routinebedingungen

Beteiligte Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. Mathias Berger Dr. phil. Lars P. Hölzel (Projektleitung) Fabian Frank, M.A. Soziale Arbeit (Projektmanagement) Miriam Hofmann, WiHi Public Health & Health Education Prof. Dr. med. Eva Bitzer MPH (Co-Projektleitung) Marga Kaiser, B.A. Maria Hasenmüller, B.A.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit lars.hoelzel@uniklinik-freiburg.de