Mgr. Katarzyna Styrna wiss. Ass. an dem Lehrstuhl für Europarecht an der Universität Regensburg Verwaltungsgerichtsbarkeit im polnischen Rechtssystem I. Gesetzliche Grundlagen der polnischen Verwaltungsgerichtsbarkeit Die gegenwärtige polnische Verfassung, die am 2. April 1997 verabschiedet wurde (Gesetzblatt für die Republik Polen Nr. 78 Pos. 483) und am 17.Oktober 1997 in Kraft trat, enthält wichtige Vorgaben für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Seit 1. Januar 2004 wird die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Polen durch das Hauptverwaltungsgericht und durch die Woiwodschaftsverwaltungsgerichte wahrgenommen (Art. 2 des Gesetzes über die Organisation der Verwaltungsgerichte). Bis zum 1. Januar 2004 wurde die polnische Verwaltungsgerichtsbarkeit durch das Gesetz vom 11. Mai 1995 über das Hauptverwaltungsgericht (Gesetzblatt Nr. 74 Pos. 368, mit Änderungen) geregelt. Dieses Gesetz erhielt ein Eininstanzenmodell der Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit dem Hauptverwaltungsgericht als dem Zentralgericht. Das Hauptverwaltungsgericht umfasste mehrere Gerichtssitze an verschiedenen Orten. Bis 1.Januar 2004 galten Vorschriften, die eine außerordentliche Revision beim Obersten Gericht gegen Entscheidungen des Hauptverwaltungsgerichtes vorsahen. Art. 176 Abs. 1 und Art. 236 Abs. 2 der Verfassung wurden die Grundlage für eine neue Organisation der Verwaltungsgerichtsbarkeit festgelegt.
Gemäß Art. 78 der Verfassung haben im Rahmen des Schutzes der Grundrechte beide beteiligte Parteien das Recht, gegen Urteile und Entscheidungen der ersten Instanz Rechtsmittel einzulegen. Ausnahmen von diesem Prinzip oder auch das Rechtsmittelverfahren werden durch Gesetz bestimmt. Neben diese Verfassungsvorgabe muss jedes Gerichtsverfahren, also auch das Verwaltungsgerichtsverfahren, aus mindestens zwei Instanzen bestehen. Der Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte wurde in Art. 184 der Verfassung allgemein festgelegt. Das Hauptverwaltungsgericht und die anderen Verwaltungsgerichte kontrollieren in dem durch Gesetz bestimmten Umfang die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung. Diese Kontrolle umfasst auch Entscheidungen über die Gesetzmäßigkeit der Beschlüsse der örtlichen Selbstverwaltungsorgane und der Normativakte der lokalen Organe der Regierungsverwaltung. Art. 1 des Gesetzes über die Organisation der Verwaltungsgerichte stellt präzise fest, dass die Verwaltungsgerichte die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung kontrollieren, über Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Organen der territorialen Selbstverwaltung, und der kommunalen Widerspruchsbehörden, sowie solche Streitigkeiten zwischen diesen Organen und Organen der Regierungsverwaltung entscheiden. Es handelt sich um Rechtsmäßigkeitskontrolle, außer ist es gesetzlich etwas anderes bestimmt. Art. 176 Abs. 1 der Verfassung bestimmt, dass das Gerichtsverfahren mindestens zwei Instanzen umfasst. Um diese Vorschrift im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verwirklichen, wurde ihm Art. 236 Abs. 2 der Verfassung vorgesehen, dass die erforderlichen Gesetze vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der Verfassung verabschiedet werden. Der Aufbau und die Zuständigkeiten der Gerichte sowie das Gerichtsverfahren werden durch Gesetz geregelt (Art. 176 Abs. 2 der Verfassung). Am 1. Januar 2004 sind folgende Gesetze in Bezug auf Verwaltungsgerichtsbarkeit in Kraft getreten. 1. Das Gesetz über die Organisation der Verwaltungsgerichte, verabschiedet am 25. Mai 2002, Gesetzblatt für Republik Polen Nr. 153 Pos. 1269 (Prawo o ustroju sądów administracyjnych).
2. Das Gesetz über das Verwaltungsgerichtsverfahren (GVGV), verabschiedet am 30. August 2002, Gesetzblatt für Republik Polen Nr.153 Pos. 1270 (Prawo o postępowaniu przed sądami administracyjnymi). 3. Das Einführungsgesetz über das Gesetz über die Organisation der Verwaltungsgerichte und zum Gesetz über das Verwaltungsgerichtsverfahren, verabschiedet am 30. August 2002, Gesetzblatt für Republik Polen Nr. 153 Pos. 1271. (Przepisy wprowadzające ustawę - Prawo o ustroju sądów administracyjnych i ustawę - Prawo o postępowaniu przed sądami administracyjnymi). II. Die Organisation und Aufgaben der Verwaltungsgerichte Woiwodschaftsverwaltungsgerichte Die Angelegenheiten, für die die Verwaltungsgerichte zuständig sind, werden in der ersten Instanz durch Woiwodschaftsverwaltungsgerichte entschieden (Art. 3 1 Gesetz über die Organisation der Verwaltungsgerichte). Ein Woiwodschaftsverwaltungsgericht wird für einen oder mehrere Woiwodschaften errichtet (Art. 16 1 Gesetz über die Organisation der Verwaltungsgerichte). Der Präsident der Republik Polen errichtet, in Form einer Verordnung auf Antrag des Präsidenten des Obersten Verwaltungsgerichtes, Woiwodschaftsverwaltungsgerichte und bestimmt zudem den Sitz der Gerichte und den Bereich ihrer Zuständigkeit. Der Präsident ist auch berechtigt, an verschiedenen Orten Abteilungen der Gerichte zu errichten oder aufzulösen (Art. 16 2 Gesetz über die Organisation der Verwaltungsgerichte). Im Vollzug von Art. 16 2 des Gesetzes über die Organisation der Verwaltungsgerichte erließ der Präsident der Republik Polen am 25. April 2003 eine Verordnung über die Errichtung der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte, die
Festlegung ihrer Sitze und den Bereichen ihrer Zuständigkeiten, Gesetzblatt für Republik Polen Nr. 72 Pos. 652, verabschiedet. Die Verordnung trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Auf Grund der Verordnung wurden vierzehn Woiwodschaftsverwaltungsgerichte errichtet (seit 1. Januar 1999 existieren in Polen 16 Woiwodschaften). Die Woiwodschaftsverwaltungsgerichte in Krakau und in Posen sind jeweils für zwei Woiwodschaften zuständig). Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Bialymstok für die Woiwodschaft Podlachien, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Bromberg die Woiwodschaft für Kujawien-Pommern, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Danzig für die Woiwodschaft Pommern, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Gleiwitz für die Woiwodschaft Schlesien, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Krakau für die Woiwodschaften Kleinpolen und Heiligkreuz, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Lublin für die Woiwodschaft Lublin, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Lodz für die Woiwodschaft Lodsch, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Alleinstein für die Woiwodschaft Ermland- Masuren, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Oppeln für die Woiwodschaft Oppeln, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Posen für die Woiwodschaften Lebus und Großpolen, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Rzeszow für die Woiwodschaft Karpatenvorland, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Stettin für die Woiwodschaft Westpommern,
Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Warschau für die Woiwodschaft Masowien, Woiwodschaftsverwaltungsgericht in Breslau für die Woiwodschaft Niederschlessien. Das Hauptverwaltungsgericht Das Hauptverwaltungsgericht kontrolliert die Entscheidungen der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte im Bereich des gesetzlich geregelten Verfahrens. Insbesondere entscheidet das Hauptverwaltungsgericht auf Widerspruch hin, trifft Beschlüsse zu Rechtsfragen und entscheidet über andere Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Hauptverwaltungsgerichtes auf Grund andere Gesetze gehören (Art. 3 2 Gesetzes über die Organisation der Verwaltungsgerichte). Das Gesetz über das Verwaltungsgerichtsverfahren (GVGV) regelt die Rechtsmittel, die Kassationsbeschwerde und die Beschwerde gegen Entscheidungen der Woiwodschaftsverwaltungsgerichte. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit besteht somit das Kassationsmodell im Rahmen eines Zweieinstanzenssystems. Auf Grund von Art. 173 GVGV kann Kassationsbeschwerde gegen ein Urteil oder einen Beschluss des Woiwodschaftsverwaltungsgerichtes, bei dem das Verfahren in einer Rechtssache endet, zum Hauptverwaltungsgericht einlegt werden, es sei denn eine besondere Vorschrift bestimmt etwas abweichendes. Die Kassationsbeschwerde wird bei dem Gericht eingelegt, das das angegriffene Urteil oder den betreffenden Beschluss erlassen hat (Art. 177 GVGV). Gemäß Art. 194 1 GVGV besteht auch die Möglichkeit, eine Beschwerde gegen die Beschlüsse des Woiwodschaftsverwaltungsgerichtes in gesetzlich bestimmten Fällen zum Hauptverwaltungsgericht zu erheben.