Serienverbkonstruktionen im Chinesischen und ihre Darstellung im Formalismus der HPSG



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Transkript:

Serienverbkonstruktionen im Chinesischen und ihre Darstellung im Formalismus der HPSG Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades eines Magister Artium am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin am Ostasiatischen Seminar, Fach: Sinologie eingereicht von Janna Lipenkova 1. Gutachter: Dr. Andreas Guder 2. Gutachter: Univ.-Prof. Dr. Stefan Müller 1

Einleitung...4 I. Grundlagen zum chinesischen Verb 8 I.1 Klassifizierung chinesischer Verben...8 I.2 Die chinesische Verbalphrase...21 I.2.1 Transitive und ditransitive Verbalphrasen...21 I.2.2 Aspektsystem...26 I.3 Komplexe Verbkonstruktionen...33 I.3.1 Verbale Grammatikalisierung und Lexikalisierung...33 I.3.2 Eingebettete Sätze und Kontrollverben...39 II. Beschreibungen von SVCs in der Literatur 43 II.1 Chao: Verbal expressions in series (Chao 1968: 325-349)...43 II.2 Li & Thompson: Serial Verb Constructions (LT 594-622)...53 II.3 Baker / Chang: shared object und shared reference...58 II.3.1 Baker: Object sharing and projection in serial verb constructions....58 II.3.2 Chang: Koreferenz und Temporal Sequence...64 III. Syntaktische und semantische Analyse chinesischer SVCs 67 III.1 Einleitung: Motivation und Funktion von SVCs...68 III.2 Die SVC als Satzkonstituente...74 III.2.1 SVC als komplexer Satz...75 III.2.2 SVC als Kontraktionssatz...79 III.2.3 SVC als Kompositum... 81 III.2.4 SVC als komplexes Prädikat...82 III.3 Syntaktische und semantische Zusammenhänge in der SVC...82 III.3.1 Semantische Ausdrucksmöglichkeiten...83 III.3.2 Entambiguisierung durch Aspektmarkierung...90 III.3.3 Argumentstruktur und thematische Beziehungen...98 III.4 Semantische und lexikalische Zusammensetzung von SVCs...105 III.4.1 Asymmetrische SVCs...106 III.4.2 Symmetrische SVCs... 110

IV. Darstellung chinesischer SVCs im Rahmen von HPSG 113 IV.1Einführung in die HPSG...113 IV.1.1 Aufbau der Merkmalstruktur in HPSG...114 IV.1.2 Prinzipien und Grammatikregeln...121 IV.2Darstellung der chinesischen SVC in HPSG eine Konstruktion zwischen Subordination und Koordination...126 IV.2.1 Allgemeine Beschränkungen für den Obertyp svc...127 IV.2.2 Die sequentielle SVC: Asymmetrie, Asyndese, Iterativität...129 IV.2.3 Modifikationsbeziehungen in der binären SVC...134 IV.3 Alternative HPSG-Analysen: SVCs in Ga, Thai und Akan...140 IV.3.1 SVCs in Ga (Dakubu/Hellan/Beermann 2007)...140 IV.3.2 SVCs in Akan (Hellan / Beermann / Andenes 2003)...144 IV.3.3 Direktionale SVCs in Thai (Muansuwam 2000)...150 Zusammenfassung und Ausblick...155

Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit Serienverbkonstruktionen (SVCs) im Chinesischen und ihrer Darstellung im Rahmen von Head-driven Phrase Structure Grammar (HPSG). Die SVC ist eine syntaktische Struktur, in der mehrere Verbalphrasen ohne eine Markierung ihrer Beziehung zueinander aneinander gereiht werden. SVCs kommen in bestimmten Sprachen vor, die in der Literatur entsprechend als serialisierende Sprachen eingeordnet werden; dies sind in der Regel Sprachen eingrenzbarer geografischer Gebiete v. a. Westafrika, Südostasien, Neuguinea, Ozeanien, Zentralamerika sowie Kreol- und Pidginsprachen. Vergleicht man die vielfältigen Beschreibungen von SVCs, so lassen sich folgende allgemeine, sprachübergreifend gültige Eigenschaften ableiten: Die SVC besteht aus zwei oder mehr Verbalphrasen, die ohne syntaktische Markierung aneinandergereiht sind. Die SVC beschreibt ein einziges Ereignis. Die Verben einer SVC haben mindestens ein gemeinsames Argument. Die SVC hat nur ein Subjekt bzw. externes Argument. SVCs sind oft Gegenstand von Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen. Wenn man sich mit Abhandlungen zu SVCs in der Literatur auseinandersetzt, wird schnell die terminologische Unbestimmtheit dieses Begriffs deutlich. Definitionsversuche, die über eine allgemeine Charakterisierung hinausgehen, sind höchst heterogen: es entsteht der Eindruck, dass der Begriff SVC eher zur Bezeichnung einer intuitiv aufgefassten Struktur denn einer deutlich definierten und formal analysierbaren Konstruktion verwendet wird. Die serielle Konstruktion verbleibt in mehreren Hinsichten zweideutig: durch die Anwendung unterschiedlicher Grammatiktheorien sowie eine oft einseitige Analyse mit ausschließlich syntaktischen, semantischen oder morphologischen Kriterien kommen die Autoren zu entsprechend divergierenden Ergebnissen. Bedeutende Differenzen entstehen auch infolge der

Fokussierung der meisten Autoren auf bestimmte Sprachen bzw. Sprachgruppen die so entwickelten Definitionen können oft nicht mehr universell auf andere serialisierenden Sprachen angewendet werden. Schließlich zeigt die SVC auch in einer einzelnen Sprache häufig verschiedene semantische und syntaktische Variationen auf, die nicht einheitlich analysiert werden können. Die SVC bildet also keine klar abgrenzbare grammatische Kategorie; der Begriff bezieht sich vielmehr auf eine Reihe von Strukturen, die vor allem in ihrer Oberflächenstruktur Gemeinsamkeiten aufweisen. Indessen versuchen die meisten Autoren, eine auf alle SVC-Formen einer Sprache oder womöglich gar universell auf alle serialisierenden Sprachen anwendbare Beschreibung zu liefern. Im Chinesischen weist die SVC eine homogene syntaktische Form auf: sie besteht aus einer Folge von Verbalphrasen, die mit Aspektpartikeln markiert sein können: (a) Wo3 qu4 tu2shu1guan3 xue2xi2. Ich gehen Bibliothek lernen. Ich gehe zum Lernen in die Bibliothek. (b) Wo3 zuo4 che1 qu4 tu2shu1guan3. Ich sitzen Auto gehen Bibliothek. Ich fahre mit dem Auto zur Bibliothek. (c) Wo3 xia4 le0 ke4 qu4 tu2shu1guan3. Ich beenden perfasp Unterricht gehen Bibliothek Nach dem Unterricht gehe ich in die Bibliothek. Hinter der gleichen syntaktischen Struktur verbirgt sich eine Reihe von Ausdrucksmöglichkeiten: in jedem Beispiel geht der interpretierte Gehalt über die Summe der Bedeutungen der einzelnen Verbalphrasen hinaus: es wird eine Beziehung zwischen den zwei Verbalphrasen hergestellt, die jedoch syntaktisch unmarkiert bleibt. In dieser Arbeit soll versucht werden, einen Ansatz für die Analyse dieser semantischen Vielfalt bei gleicher syntaktischer Struktur zu finden. Nach einer Verarbeitung verschiedener

Beschreibungen von Serienverben im Chinesischen sowie auch einiger sprachübergreifender Ansätze soll eine Auswahl von syntaktischen und semantischen Merkmalen herausgefiltert werden, die eine möglichst genaue Definition der chinesischen Verbalserie ermöglicht; wir werden die verschiedenen Arten von SVCs dabei in mehrere semantische Klassen einteilen und anschließend anschließend einige von ihnen im Rahmen von HPSG modellieren. Die Arbeit ist in vier Teile gegliedert. Im ersten Teil werden sprachspezifische Gegebenheiten des Chinesischen beschrieben, die für das Verständnis der nachfolgenden Analysen notwendig sind. Ausgangspunkt für diesen Teil ist das chinesische Verb als Wortart. Es werden bestehende syntaktische und semantische Kategorisierungen vorgestellt, die es ermöglichen, Klassen von Verben, die in bestimmten grammatischen Konstruktionen vorkommen können, zu bilden. Anschließend gebe ich einen Überblick für das Verhalten chinesischer Verben in einfachen und komplexen Sätzen: Chinesisch erlaubt mehrere Arten der unmarkierten Aneinanderreihung von Verbalphrasen, was u. a. auf das begrenzte Präpositionalsystem zurückgeführt werden kann. Die Analyse komplexer Strukturen dient der späteren Abgrenzung der Serienverbkonstruktionen von anderen Strukturen mit mehreren Verben. Im zweiten Teil werden einige sich teilweise widersprechende Auffassungen der SVC vorgestellt. Einerseits soll noch einmal die Mehrdeutigkeit des Begriffs herausgestellt werden: die Beschreibungen unterscheiden sich in Bezug auf grundlegende Eigenschaften sowie auf die Bandbreite in die Analyse einbezogenen SVC-Konstruktionen: so betrachten Li/Thompson mit Abstand alle Strukturen mit aneinandergereihten verbalen Sequenzen als SVCs; dem entgegengesetzt ist der Ansatz von Baker, der in seiner einflussreichen Untersuchung nur Konstruktionen mit gemeinsamen internen Argumenten betrachtet. Tatsache bleibt jedoch, dass die in der linguistischen Forschung allgemein als SVCs bezeichneten Konstruktionen in den meisten Sprachen über gemeinsame grundlegende Charakteristika verfügen. Deshalb analysiere ich im dritten Teil, inwieweit die vorgestellten Ansätze auf chinesische SVCs übertragen werden können. Die SVC wird einerseits als funktionale Einheit betrachtet; zum anderen werden mögliche syntaktische und semantische Zusammenhänge innerhalb der SVC analysiert und häufig vorkommende lexikalische Ausgestaltungsvarianten vorgestellt. In einem vierten Teil wird der Versuch unternommen, die syntaktische Struktur und die semantischen Beziehungen in chinesischen SVCs im Rahmen des HPSG-Formalismus zu modellieren. Die Bandbreite der verwendeten Konstruktionen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit: ich greife Formen heraus, die repräsentativ für wichtige, häufig

anzutreffenden Kategorien von SVCs erscheinen. Die SVC wird als hybride Konstruktion analysiert, deren Struktur Merkmale der Koordination und der Subordination aufzeigt: dabei kann insbesondere eine Diskrepanz zwischen syntaktischer und semantischer Beschaffenheit festgestellt werden, die durch die Möglichkeit der separaten Darstellung von Syntax und Semantik in HPSG teilweise überwunden werden kann. Es soll aber ebenfalls gezeigt werden, dass der SVC häufig eine pragmatische Zweideutigkeit zugrunde liegt, deren Auflösung über den Rahmen eines einer formalen Grammatik hinausreicht.

I. Grundlagen zum chinesischen Verb In diesem Teil werden Grundlagen zu chinesischen Verben und ihren möglichen Kombinationen im Satzgefüge dargelegt, deren Verständnis für die nachfolgende Analyse von Serienverbkonstruktionen (SVCs) wichtig ist. Im ersten Kapitel werden die Verbarten des Chinesischen unter besonderer Beachtung von Chaos Kategorisierung (1968) vorgestellt. Es folgt eine Beschreibung der chinesischen Verbalphrase sowie des chinesischen Aspektsystems. Anschließend werden einige komplexe verbale Konstruktionen vorgestellt, die von verschiedenen Autoren aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten in der Oberflächenstruktur sowie in der Semantik als Verbalserien eingeordnet werden. Es wird sich jedoch im weiteren Verlauf zeigen, dass diese Konstruktionen wichtige Merkmale der Verbalserie nicht aufweisen und somit aus unserer Betrachtung ausgeschlossen werden sollten. Ich lehne mich in diesem Kapitel zu einem bedeutenden Teil an die in den Basiswerken zur chinesischen Grammatik von Chao (1968) sowie Li/Thompson (1981) dargelegten Beschreibungen verbaler Strukturen an. I.1 Klassifizierung chinesischer Verben Der Versuch einer Unterteilung von Verben in Kategorien liegt in der Tradition der chinesischen Grammatik. Die Anwendungsmöglichkeiten einzelner Verben werden in großen Maße durch ihre lexikalischen Merkmale bestimmt. Wir finden in der Literatur Klassifizierungen von Verben nach unterschiedlichen Kriterien. So nennt Simon schon 1958 vier syntaktische Umgebungen, in denen Verben vorkommen können: - Topik: Verb verweist auf ein präverbales Nomen oder Pronomen - Extension (E): Nomen oder Pronomen in postverbaler Position

- Zweite Extension (SE): Aktant, der sich nicht mit der Partikel ba in eine präverbale Position verschieben lässt - Angabe von Größe / Anzahl (M) in postverbaler Position Diesen Umgebungen ordnet Simon vier Klassen von Verben mit verschiedenen Transitivitätswerten zu: 1. Verben mit dreistelliger Valenz, die ein direktes und ein indirektes Objekt annehmen: V SE E song4 ta yi1 ben3 shu1 schenken er ein CL Buch ihm ein Buch schenken Diese Verben entsprechen in der Regel den ditransitiven Verben in unserem Verständnis. 2. Verben ohne indirektes Objekt: V E mai3 shu1 kaufen Buch Bücher kaufen Diese Verben entsprechen den transitiven Verben mit zweistelliger Valenz. 3. Verben, die nur mit einer Angabe von Größe / Anzahl als Umgebung vorkommen: V M da4 liang3 bei4 groß zwei mal zweimal größer

Diese Verben gehören zu den transitiven Verben, die keine direkten Objekte annehmen können. 4. Verben, die in keiner der vier obigen Umgebungen vorkommen, Bsp. xing2: in Ordnung gehen Wang (1964) und Chao (1968) teilen die Verben direkt in transitive und intransitive Verben ein; ditransitive Verben werden nicht als gesonderte Gruppe betrachtet. Wir werden im Folgenden die Klassifizierung von Chao näher vorstellen. Chao findet innerhalb der zwei großen Verbklassen weitere Verbtypen, zwischen denen er anhand einer Liste sekundärer Merkmale Differenzen im syntaktischen Verhalten feststellt. Als primäres Unterscheidungskriterium für Verben wird die Negierbarkeit mit bu4 oder mei2 you3 sowie die Fähigkeit des Verbs, als Prädikat oder als zentraler Ausdruck des Prädikats zu fungieren, angegeben. Weitere Merkmale sekundärer Art, die ebenfalls Generalisierungen bezüglich des syntaktischen Verhaltens erlauben, sind: - Modifikation durch Adverbien des Grades ( hen3, zui4, usw.) - Kombination mit Hilfsverben - Annahme von Größenangaben als Komplementen - Annahme von Angaben zur Anzahl von Wiederholungen als Komplementen - Verdopplung des Verbs - Kombination des Verbs mit der Partikel des durativen Aspekts zhe0 - Kombination des Verbs mit der Partikel des perfektiven Aspekts le0 - Kombination des Verbs mit der Partikel des Erfahrungsaspekts guo0 - Verwendung des Verbs im Imperativ - Verwendung des Verbs in A-nicht-A-Fragen Anhand dieser Merkmale unterscheidet Chao (1968, S. 670 707) folgende Gruppen von Verben: A. Intransitive Verben 1) Handlungsverben

2) Qualitätsverben 3) Statusverben B. Transitive Verben 1) Handlungsverben 2) Qualitätsverben 3) Klassifikationsverben 4) shi4 (sein) 5) you3 (haben) 6) Hilfsverben Diese Kategorien werden im Folgenden beschrieben, wobei vor allem die Eigenschaften der von ihnen selegierbaren Objekte und Komplemente berücksichtigt werden sollen. A. Intransitive Verben A. 1 Intransitive Handlungsverben Zu den intransitiven Handlungsverben gehören vor allem Bewegungs- bzw. Fortbewegungsverben (lai2: kommen, dong4: (sich) bewegen usw.), Verben des Zustands und der Körperhaltung (zhan4: stehen, dai4: bleiben), Verben, die das Erscheinen bzw. Verschwinden von Gegenständen oder Lebewesen umschreiben (sheng1: geboren werden, tao2: fliehen), sowie Verben der vokalen Aktivität (ku1: weinen, han3: schreien). Diese Verben können in allen von Chao angeführten syntaktischen Kombinationen verwendet werden. Die Auswahl an Objekten für intransitive Verben ist begrenzt. Sie können kombiniert werden mit: - Angaben der Quantität, der Dauer, der Anzahl von Wiederholungen: (I.1) ku3 le0 yi4 tian1 weinen perfasp ein Tag einen Tag geweint haben

- Angaben des Ziels / des Ursprungs für Bewegungsverben: (I.2) fei1 dao4 Shang4hai3 fliegen nach Shanghai nach Shanghai fliegen (I.3) chu1 guo2 herausgehen Land ins Ausland gehen - verschobene Subjekte der Existenz (I.4) Tai2 shang4 zuo4 zhe0 ge0 Mei3guo2 Bühne auf sitzen durasp ein USA xue2sheng0. Student Auf der Bühne sitzt ein amerikanischer Student - verschobene Subjekte des Erscheinens / Verschwindens (I.5) Lai2 le0 yi1 ge4 ke4ren2. kommen perfasp ein CL Gast Ein Gast ist gekommen. (I.6) Pao3diao4 le0 liang3 ge4 zei3. wegrennen perfasp zwei CL Dieb Es sind zwei Diebe weggelaufen. Es sollte beachtet werden, dass viele Handlungsverben sowohl transitiv wie auch intransitiv verwendet werden können. So treten einige als intransitiv eingeordnete Verben transitiv auf, wenn sie mit einem Resultativsuffix kombiniert werden:

(I.7) xiao4 teng2 le0 sang3zi0 lachen RESULT.schmerzen perfasp Hals gelacht haben, bis der Hals schmerzt A.2 Intransitive Qualitätsverben Intransitive Qualitätsverben entsprechen bei Chao den Adjektiven in der westlichen Linguistik. Sie werden zu den Verben gerechnet, da sie ohne Hilfsverb (shi4: sein) als selbstständige Prädikate fungieren können. Adjektive können wiederum nach unterschiedlichen Kriterien klassifiziert werden, wobei die entstehenden Klassen jedoch starke Disproportionalitäten in Bezug auf die Anzahl der ihnen zuzurechnenden Adjektive auf. So werden z. B. skalare und absolute, einfache und komplexe sowie attributive und prädikative Adjektive unterschieden. Einige Adjektive können in prädikativer Position Objekte annehmen, z. B. da4: groß und xiao3: klein: (I.8) Mei4mei4 xiao3 wo3 san1 sui4. jüngere Schwester klein ich drei Jahr Meine jüngere Schwester ist 3 Jahre jünger als ich. Viele Adjektive können mit Objekten zur Quantitätsangabe und der Partikel des perfektiven Aspekts le, die eine Zustandsänderung markiert, kombiniert werden: (I.9) Zhe4 dong1xi1 gui4 le0 liang2 bei4. diese Sache teuer perfasp zwei mal Diese Sache ist zweimal teurer geworden. Schließlich treten Adjektive oft als Suffixe in Resultativkomposita auf: (I.10) po4 huai4 le0 zerstören RESULT.kaputt perfasp kaputt gemacht (haben)

Auch bei Adjektiven gibt es Überlappungen mit anderen Wortarten; manche Lexeme, die allgemein als Adjektive verwendet werden, können in anderen syntaktischen Kontexten als Nomen oder Adverbien fungieren: (I.11) Wo3 bu4 xi3huan1 zhe4 zhong3 tian2. Ich nicht mögen diese Art süß. Ich mag diesen süßen Geschmack nicht. (I.12) Zhe4 ge0 wen4ti2 bu4 hao3 jie3jue2. Diese CL Problem nicht einfach lösen Dieses Problem ist nicht einfach zu lösen. Wir sehen also, dass Adjektive im Chinesischen ohne Hilfsverb in prädikativer Funktion vorkommen und syntaktische und semantische Gemeinsamkeiten mit Verben aufweisen. An Beispielen wie (I.13) kann man sehen, dass Adjektivphrasen auch als Konstituenten von Verbalserien anstelle von Verben fungieren können: (I.13) Dong1xi1 zhong4 na2 bu4 qi3lai2. Sache schwer nehmen nicht RESULT.hochheben Das Ding ist so schwer, dass es nicht hochgehoben werden kann. A.3 Statusverben Statusverben drücken einen Status oder einen Zustand aus, in den eine Person oder eine Sache gerät. Sie bezeichnen eine Veränderung der ursprünglichen Situation, weshalb sie oft von der Partikel des perfektiven Aspekts le gefolgt werden: (I.14) Ta1 zuo2tian1 bing4 le0. Er gestern krank perfasp

Er ist gestern krank geworden. Andere Beispiele von Statusverben sind e: hungrig, bao: satt, xing: wach. Auf den ersten Blick scheint es, dass Statusverben als ein Typ von Adjektiven betrachtet werden können: sie drücken einen temporären Zustand aus, während Adjektive eine permanente Eigenschaft bezeichnen, und werden meist in anderen Sprachen mit Adjektiven übersetzt. Jedoch weisen die zwei Kategorien Unterschiede im syntaktischen Verhalten auf. So kommen Adjektive zum Beispiel nur selten mit le (perf. Asp) / mei (Negierung des perf. Asp.) vor, während die Kombination von Statusverben mit diesen Partikeln sehr gebräuchlich ist. Außerdem können Statusverben im negativen Imperativ kombiniert werden, wie z. Bsp. (I.15) Bie2 bing4! Nicht krank Werde nicht krank!, da sie eine Veränderung ausdrücken, auf die das Subjekt eventuell Einfluss haben kann. Wenn Statusverben in Verbalserien kombiniert werden, werden sie meist von einem Handlungsverb gefolgt: (I.16) Ta1 bing4 le0 bu4 neng2 lai2. Er krank perfasp nicht können kommen Er ist krank geworden und kann (deshalb) nicht kommen. SVC-Strukturen mit Statusverben legen in semantischer Hinsicht eine subordinative Interpretation in unserem Beispiel als kausaler Zusammenhang nahe. B.1 Transitive Handlungsverben Transitive Handlungsverben weisen viele Gemeinsamkeiten mit intransitiven Handlungsverben auf; sie können im Gegensatz zu diesen jedoch mit einer Vielfalt von Objekten kombiniert werden. Die direkten Objekte transitiver Verben können wiederum ausgelassen werden. Einerseits werden Objekte, die aus dem situationalen oder linguistischen Kontext

erschließbar sind, nicht angeführt; zu einer Person, die abwäscht, kann man zum Beispiel sagen: (I.17) Rang4 wo3 lai2 ca2! lassen mich kommen abtrocknen Lass mich abtrocknen! Eine andere Art der Objektaussparung betrifft allgemeine Handlungen, die jedoch auf eine spezielle Situation bezogen werden: (I.18.a) Bie2 shuo1 hua4! nicht sagen Wort Sag nichts! (Spreche nicht!) (I.18.b) Bie2 shuo1! nicht sagen Sag das nicht! Verb-Objekt-Konstruktionen unterscheiden sich in der Art der Beziehung zwischen dem Verb und dem Objekt. So haben sich manche Konstruktionen als Komposita etabliert und übernehmen das Verhalten normaler transitiver Verben: (I.19.a) chu1 ban3 hinausgehen Veröffentlichung veröffentlichen (I.19.b) yi3jing1 chu1 ban3 le0 schon hinausgehen Veröffentlichung perfasp wurde schon veröffentlicht (I.19.c) chu1 ban3 yi1 ben3 shu1 hinausgehen Veröffentlichung ein CL Buch ein Buch veröffentlichen

Im zweiten Beispiel wird die Partikel des perfektiven Aspekts le hinter das Objekt des Verbs gesetzt; da das perfektive le in der Regel direkt auf das Verb folgt, können wir folgern, dass in diesem Beispiel die Kombination chu ban als einziges Verb betrachtet wird. In dem zweiten Beispiel scheint das Verb chu 2 direkte Objekte anzunehmen; dieser Widerspruch wird gelöst, indem man das erste Objekt ban als Teil eines verbalen Kompositums analysiert. Auch transitive Verben können in Subtypen unterteilt werden. Die meisten Klassifizierungen beruhen auf semantischen Kriterien. Syntaktische Unterteilungen sind seltener und beschränken sich auf einige wenige formale Merkmale. So werden transitive Verben in Verfügungs- und Nicht- Verfügungsverben unterschieden. Die direkten Objekte von Verfügungsverben können mit ba3 in präverbale Positionen verschoben werden: (I.20.a) Wo3 ba3 mao2 mai3 le0. ich BA Katze kaufen perfasp. Ich habe die Katze gekauft. Dies ist bei Nicht-Verfügungsverben unmöglich: (I.20.b) * Wo3 ba3 mao2 ai4. ich BA Katze lieben. Ich liebe die Katze. Die Anwendungsmöglichkeiten von transitiven Handlungsverben in Verbalserien und die resultierenden semantischen und syntaktischen Strukturen sind vielfältig und lassen sich mit denen der intransitiven Handlungsverben vergleichen. Eine Analyse transitiver Verben in SVCs muss jedoch zusätzlich die Distribution der Objekte, die Argumentstrukturen und ihre möglichen Verzweigungen innerhalb der Serie berücksichtigen. Dieses Problem soll im Abschnitt III.3.3 näher untersucht werden. B.2 Transitive Qualitätsverben

Transitive Qualitätsverben können ebenfalls diverse direkte Objekte annehmen. Sie werden mit Adverbien des Grades hen, zui, tai usw. kombiniert: (I.21) Ta1 tai4 ai4 cai2. er zu lieben Reichtum. Er ist zu habgierig. Sie können weder mit dem durativen Aspekt kombiniert noch im Imperativ verwendet werden: (I.22) * Ta1 zhi1dao0 zhe0 zhe4 jian4 shi4qing0. er wissen durasp diese CL Sache. Er weiß um diese Angelegenheit. (I.23) * Zhi1dao0 ni3 zi4ji3! wissen du selbst! Kenne dich selbst! Direkte Objekte von intransitiven Verben erfahren keine direkte modifizierende Wirkung durch die im Verb beschriebene Handlung; sie können nicht mit ba vor das Verb verschoben werden: (I.24) * Ta1 ba3 zhe4 jian4 shi4qing0 zhi1dao0. er BA diese CL Sache wissen. Er weiß von dieser Sache. Wie bei intransitiven Qualitätsverben gilt auch hier, dass bei Verbalserien, die transitive Qualitätsverben enthalten, meist eine subordinative Interpretation vorzuziehen ist: (I.25) Ta1 pa4 gou3 (,) bu4 gan3 lai2 wo3 jia1. er Angst haben Hund nicht wagen kommen mein Haus. Er hat Angst vor Hunden und wagt es (deshalb) nicht, zu mir zu kommen.

B.3 Klassifizierende Verben Klassifizierende Verben bilden eine kleine Kategorie von Verben. Diese Verben ordnen die durch das Subjekt bezeichnete Einheit als Mitglied einer durch das Objekt bezeichneten Gruppe oder als eine Einheit, die das durch das Objekt bezeichnete Merkmal aufweist, ein: (I.26) Ta1 dang1 xiao4zhang3. er in der Position sein Rektor Er ist Rektor. (I.27) Ta1 xing4 Wang2. er heißen Wang Er heißt Wang. Die am häufigsten verwendeten klassifizierenden Verben sind: - deng1yu2: entsprechen - jiao4: heißen (Vorname) - xing4: heißen (Nachname) - hao1cheng0: als etwas bekannt sein - zuo4: dienen als - dang1: in der Position von jmd. sein - xiang4: ähnlich sein Als produktive Komponenten von Verbalserien können vor allem die Verben dang und zuo eingesetzt werden: (I.28) Ta1 zuo4/dang1 dao3you3 mei3tian1 he2 hen3 duo1 ren2 er dienen als Stadtführer täglich mit sehr viele Menschen da3 jiao1dao4. kommunizieren Er arbeitet als Stadtführer und hat (dabei) täglich mit vielen Menschen zu tun.

B.4 shi4:sein Shi4 weist viele Gemeinsamkeiten mit den transitiven klassifizierenden Verben auf. Shi4 fungiert in folgenden semantischen Kontexten als Vollverb: - Kopulaverb, das das Subjekt mit dem Objekt gleichsetzt: (I.29) Ta1 de0 lao3ban3 shi4 wo3 ba4 de0 peng2you0. er POSS Chef sein ich Vater POSS Freund Sein Chef ist ein Freund meines Vaters. - Einordnung der durch das Subjekt bezeichneten Einheit in eine durch das Objekt bezeichnete Klasse: (I.30) Ta1 de0 lao3ban3 shi4 Ying1guo2 ren2. er POSS Chef sein England Mensch Sein Chef ist ein Engländer. - Existenz: mit Zeit- / Ortsangabe als Subjekt: (I.31) Jin1tian1 shi4 Sheng1dan4jie2. heute sein Weihnachten Heute ist Weihnachten. (I.32) Qi4che1 li3mian4 shi4 wo3 mei4mei4. Auto in sein ich kleine Schwester In dem Auto ist meine kleine Schwester. B.5 you3: haben You wird als Vollverb zum Ausdruck des Eigentums und parallel mit shi der Existenz verwendet: (I.33) Wo3 you3 yi1 liang3 che1.

ich haben ein CL Auto. Ich habe ein Auto. (I.34) Fang2zi4 hou4mian4 you3 wo3 de0 che1. Haus hinter haben ich POSS Auto. Hinter dem Haus ist mein Auto. You wird vielfach auch in verbalserienähnlichen Strukturen verwendet: (I.35) Wo3 you3 peng2you0 bang4mang2. ich haben Freunde helfen Ich habe Freunde, die mir helfen. (I.36) Wo3 you3 ze2ren4 bang4 ta1. ich haben Verantwortung helfen er Ich habe die Verantwortung, ihm zu helfen. I.2 Die chinesische Verbalphrase Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, wie das chinesische Verb als Wortart in lexikalischen Klassen organisiert werden kann; wir haben kurz die unterschiedlichen Valenzwerte der Verben angesprochen. In diesem Abschnitt werden wir sehen, wie Verben mit ihren Argumenten zu Verbalphrasen kombiniert werden, da die dabei entstehenden Verbalphrasen typischerweise als Konstituenten von SVCs fungieren können. Anschließend stellen wir das Aspektsystem im Chinesischen vor; wir werden an späterer Stelle sehen, dass die Aspektmarkierung in der SVC verwendet werden kann, um den semantischen Gehalt dieser insbesondere in Hinsicht auf die Beziehungen zwischen den Konstituenten - zu spezifizieren. I.2.1 Transitive und ditransitive Verbalphrasen

Das Verb ist der Kopf einer Verbalphrase (VP). Wie im wir im vorhergehenden Abschnitt gesehen haben, umschreiben Verben Situationen, Ereignisse oder Zustände. Um eine Aussage bezüglich einer Situation, eines Ereignisses oder Zustands zu formulieren, muss man angeben, welche Einheiten daran beteiligt sind; diese Einheiten werden durch die Subjekt-NP sowie durch eventuelle Objekt-NPs bezeichnet. Die Objekt-NPs sind im Gegensatz zur Subjekt-NP Teil der VP. VPs haben in der Regel eine prädikative Funktion. Bei der Beschreibung der verschiedenen VPs richte ich mich nach der vorgestellten Einteilung der Verben nach Valenzwerten in transitive und intransitive Verben orientieren. Es werden hier vor allem transitive VPs beschrieben; als weitere Gruppe werden die ditransitiven VPs, die zwei Objekte enthalten, berücksichtigt, um Verben mit dreistelliger Valenz Rechnung zu tragen. Die Beschreibung ist an die von Li/Thompson vorgestellte Einteilung chinesischer VPs angelehnt (Li/Thompson 1981, 139 171). Transitive Verben umschreiben Ereignisse oder Situationen, bei denen eine Einheit eine direkte Einwirkung auf eine andere Einheit das Objekt - ausübt. Das Objekt muss immer angeführt werden, soweit es nicht aus dem Kontext ersichtlich ist. Einige transitive Verben können jedoch auch als intransitive Verben verwendet werden, wobei sich eine Bedeutungsveränderung einstellt: (I.37.a) Bie2 xiao4! (xiao4: lachen) nicht lachen Lach nicht! (I.37.b) Bie2 xiao4 wo3! (xiao4: jmd. auslachen) nicht lachen ich Lach mich nicht aus! Die Wortreihenfolge im Chinesischen entspricht eher der SVO-Wortreihenfolge; das Objekt folgt typischerweise also auf das Verb. Es kann jedoch auch in präverbale Positionen sowie in die Topikposition geschoben werden. Zur Platzierung des Objekts zwischen Subjekt und Verb kann die Partikel der Verfügung ba verwendet werden, wenn die Objekt-NP bestimmt ist und das Verb eine Handlung ausdrückt, bei der das Subjekt direkt über das Objekt verfügt:

(I.38) Wo3 ba3 gong1ke4 zuo4wan2 le0. Ich BA Hausaufgabe fertig machen perfasp Ich habe meine Hausaufgaben fertig gemacht. Ba3 kann jedoch in manchen Kontexten ebenso ausgelassen werden, ohne dass die syntaktische Struktur des Satzes ungrammatisch wird: (I.39) Wo3 gong1ke4 yi3jing1 zuo4wan2 le0. Ich Hausaufgabe schon fertig machen perfasp Ich habe die Hausaufgaben schon fertig gemacht. Eine solche Äußerung ist in der Regel durch die Pragmatik der Situation bestimmt: es ist die Reaktion auf eine Aussage des Gegenübers, die eine von der Realität abweichende Sachlage bezeichnet: (I.40) - Aussage: Ni3 zuo4wan2 le0 gong1ke4 ke3yi3 chu1qu4 san3bu4. du fertig machen perf. ASP Hausaufgaben können hinausgehen spazieren - Reaktion: Wo3 gong1ke4 yi3jing1 zuo4wan2 le0. ich Hausaufgaben schon fertig machen perfasp - Nachdem du deine Hausaufgaben fertig gemacht hast, kannst du spazieren gehen. - Ich habe meine Hausaufgaben schon fertig gemacht. Neben der Position zwischen Subjekt und Verb kann das Objekt außerdem eine Topikposition einnehmen: (I.41) Jin1tian1 de0 bao4 ni3 kan4 guo4 le0 ma0? heute POSS Zeitung du lesen ASP INTERR Hast du die Zeitung von heute schon gelesen? (I.42) Gou3 wo3 bu4 xi3huan1.

Hund ich nicht mögen Ich mag Hunde nicht. Durch Topikalisierung, die für bestimmte wie auch für unbestimmte Objekte möglich ist, wird die Objekt-NP betont. Das Subjekt kann in Fällen, in denen es aus dem Kontext ersichtlich oder irrelevant ist, ausgespart werden: (I.43) Qi4che1 xian4zai4 mai3 bu4 dao4. Auto jetzt kaufen nicht RESULT Ein Auto kann jetzt nicht gekauft werden. Einige Verben können Sätze oder Verbalphrasen als direkte Objekte annehmen. In der Regel gilt dies für Verben, die auch mit abstrakten NPs als Objekten kombiniert werden können: (I.44.a) Wo3 zhi1dao0 zhe4 jian4 shi4. ich wissen diese CL Sache. Ich weiß über diese Sache. (I.44.b) Wo3 zhi1dao0 zhe4 jian4 shi4 hen3 fan2. ich wissen diese CL Sache sehr ärgerlich Ich weiß, dass diese Sache sehr ärgerlich ist. Nachdem wir die unterschiedlichen Distributionen von Objekten in Verbalphrasen mit transitiven Verben gesehen haben, wollen wir uns der Struktur ditransitiver Verbalphrasen zuwenden. Diese bestehen aus einem Verb mit zwei Objekt-NPs: (I.45) Wo3 song4 ta1 yi1 jian4 li3wu4. ich schenken er ein CL Geschenk Ich schenke ihm ein Geschenk. Das indirekte Objekt in ditransitiven Verbalphrasen wird oft mit dem Koverb gei3 (für, geben) markiert:

(I.46) Wo3 gei3 ta1 song4 yi1 jian4 li3wu4. ich für er schenken ein CL Geschenk Ich schenke ihm ein Geschenk. Wenn das Verb hierbei ein Handlungsverb ist, bezeichnet das direkte Objekt (DO) meistens eine Einheit, die transferiert wird. Das indirekte Objekt (IO) bezeichnet den Beteiligten, an den diese Einheit transferiert wird; es ist typischerweise belebt bzw. bezieht sich auf eine soziale Einrichtung (Bsp. yi1yuan4: Krankenhaus). Die Reihenfolge der beiden Objekte kann umgekehrt werden; dabei entsteht ein pragmatischer Unterschied: das direkte Objekt wird zuerst platziert, wenn es im Gegensatz zum indirekten Objekt schon in der Sprechsituation erwähnt wurde, und vice versa. Ein dem DO nachgestelltes IO muss mit dem Koverb gei3 markiert werden. Gei ist bei bestimmten Verben auch erforderlich, wenn das IO vor dem DO platziert wird; zu solchen Verben gehören z. B. di: reichen, na: nehmen, mai: kaufen, da dianhua: anrufen, dai: bringen: (I.47) Ta1 dai4 gei3 wo3 ji3 ben3 bao4. Er bringen für ich einige CL Zeitschrift. Er bringt mit ein paar Zeitschriften. Bei anderen Verben, wie z. B. song: schenken, jia: hinzufügen, huan: zurückgeben ist gei optional: (I.48) Ta1 huan2 le0 wo3 wo3 de0 shu1. Er zurückgeben ASP ich ich POSS Buch Er hat mir meine Bücher zurückgegeben. Gei3 kann nicht verwendet werden mit Verben, die Kommunikationsvorgänge bezeichnen, sowie mit Verben, bei denen sich der Transfer in eine umgekehrte Richtung vollzieht: (I.49.a) *Wo3 gao4su0 gei3 ta1 zhe4 jian4 shi4. ich erzählen für er diese CL Angelegenheit (I.49.b) Wo3 gao4su0 ta1 zhe4 jian4 shi4.

ich erzählen er diese CL Angelegenheit Ich erzähle ihm diese Angelegenheit. (I.50.a) *Ta1 qiang1 le0 liang2 wan4 kuai4 qian2 gei3 yin2hang2. er berauben perfasp 20 000 Dollar Geld für Bank (I.50.b) Ta1 qiang1 le0 yin2hang2 liang3wan4 kuai4 qian2. rr berauben perfasp Bank 20 000 Dollar Geld Er hat die Bank um 20 000 Dollar beraubt. Außer zur Markierung des IO kann gei auch verwendet werden, um einem Argument die Benefaktiv-Rolle zuzuweisen. Die benefaktive NP kann neben gei auch durch das Koverb wei markiert werden und bezeichnet jemanden, der indirekt durch die Handlung betroffen ist: (I.51) Ta1 gei3 wo3 zao4 le0 yi1 dong4 fang2zi0. er für ich bauen perfasp ein CL Haus Er hat für mich ein Haus gebaut. (I.52) Ta1 wei4 wo3 dai4 zai4 zher4. er für ich bleiben hier. Für mich bleibt er hier. I.2.2 Aspektsystem Der Aspekt ist ein grammatischer Begriff, der die Spezifizierung des internen zeitlichen Aufbaus einer Situation bezeichnet. Er soll nicht verwechselt werden mit dem Begriff der Zeit, die den Zeitpunkt oder den Zeitraum, in dem sich eine Situation ergibt, mit dem Zeitpunkt, in der ein Sprecher diese Situation zu Wort bringt, in Beziehung setzt. Das Chinesische differenziert vier Aspekte: den perfektiven Aspekt mit der Partikel le, den

durativen bzw. progressiven Aspekt mit den Partikeln zhe / zai, den Aspekt der Erfahrung mit der Partikel guo sowie den eingrenzenden Aspekt ( doing something a little bit, Li/Thompson 1981: 232), der nach Li/Thompson durch Verbverdopplung ausgedrückt wird. Wir werden uns vor allem auf die ersten zwei Varianten konzentrieren, da sie häufig in Verbalserien verwendet werden und eine spezifizierende Wirkung auf die Interpretationen dieser ausüben. In diesem Abschnitt werden die allgemeinen Funktionen und Anwendungsmöglichkeiten der Aspektmarkierungen le, zhe und zai vorgestellt; eine Analyse der Kombination dieser Partikeln in Verbalserien soll in Abschnitt 3.3.2 erfolgen. 1. Perfektiver Aspekt 1.1. Markierung eingrenzbarer Ereignisse Die Partikel le wird zur Markierung von Ereignissen, die in ihrer Gesamtheit gesehen werden und zeitlich, räumlich oder konzeptuell abgrenzbar sind, verwendet. Ereignisse, die diese Bedingungen erfüllen, sind: quantitativ eingegrenzte Ereignisse, bestimmte oder spezifische Ereignisse, Ereignisse, die durch Verben mit einer inhärenten eingrenzenden Bedeutung umschrieben werden, Ereignisse, die als erstes Kettenglied einer Folge von Situationen fungieren. Wir werden uns mit einigen Beispielen begnügen, um dieses Anwendungsfeld von le zu veranschaulichen. Bei dem quantitativ eingegrenzten Ereignis müssen aus dem Satz seine zeitlichen, räumlichen oder konzeptuellen Grenzen ersichtlich sein: - zeitliche Eingrenzung: (I.53) Wo3 xue2 le0 liang3 nian2 de0 Zhong1wen2. ich lernen perfasp zwei Jahr Chinesisch Ich habe zwei Jahre Chinesisch gelernt. - räumliche Eingrenzung:

(I.54) Wo3 zou3 le0 wu3 gong1li3. ich laufen perfasp fünf Kilometer Ich bin fünf Kilometer gelaufen. - konzeptuelle Eingrenzung: (I.55) Ta1 gao1 le0 yi1dianr3. er hoch perfasp etwas Er ist etwas gewachsen. Bei dem bestimmten oder spezifischen Ereignis muss das direkte Objekt des Hauptverbs als definite Einheit aufgefasst werden können; dies ist zum Beispiel möglich im Fällen von - Namen: (I.56) Wo3 peng4dao4 le0 Lin Hui. ich treffen perfasp Lin Hui Ich habe Lin Hui getroffen. - durch genitive Position modifizierten Nominalphrasen: (I.57) Ta1 da3bai4 le0 ta1 de0 di2ren2. er schlagen perfasp er POSS Feind Er hat seine Feinde geschlagen. - durch Demonstrativpronomen modifizierten NPs: (I.58) Wo3 xiang1chu1 lai2 le0 na4 ge4 zi4. ich erinnern RESULT perfasp diese CL Zeichen Ich habe mich wieder an jenes Zeichen erinnert. - durch Relativsätze modifizierten NPs: (I.59) Wo3 kan4 le0 xin1 chu1ban3 de0 zi1liao4. ich lesen perfasp neu veröffentlichen Materialien Ich habe die neu veröffentlichten Materialien gelesen. - NPs, die mit ba3 in die präverbale Position verschoben werden: (I.60) Wo3 ba3 che1 mai3 le0. ich BA Auto kaufen perfasp

Ich habe das Auto gekauft. Zwei Verben, die in der Regel mit le verwendet werden, sind si3: sterben und wang4: vergessen. Das Verb si3 trägt semantisch gesehen das Konzept der Beendigung in sich. Ebenso bezeichnet wang4 immer ein Ereignis, das schon vollendet wurde und überdies nicht dem Willen seines Subjekts obliegt. Die zwei Verben können nicht mit der Partikel des durativen Aspekts verwendet werden. Der perfektive Aspekt wird nicht in Sätzen im Irrealis- Modus angewendet: (I.61) Ta1 yao4 si3. er wollen sterben Er will sterben. Schließlich markiert le auch die Vorzeitigkeit von Ereignissen, die als erstes Glied einer Ereignisfolge fungieren. Sie werden dann sozusagen zeitlich durch den Beginn des nachfolgenden Ereignisses abgegrenzt: (I.62) Wo3 chi1 wan2 le0 ni3 chi1. ich essen beenden perfasp du essen Nachdem ich fertig gegessen habe, isst du. (I.63) Wo3 kan4 wan2 le0 bao4 jiu4 shui4. ich lesen beenden perfasp Zeitung dann schlafen Ich lese die Zeitung zu Ende und gehe dann schlafen. Wir sehen also, dass die Verwendung von le auf Ereignisse beschränkt ist, die im sprachlichen Kontext eingegrenzt werden. In folgenden Kombinationen kann le hingegen nicht verwendet werden, da die dafür vorgegebenen semantischen Bedingungen nicht erfüllt werden: - mit Verben, die nicht eingrenzbare Ereignisse bzw. Zustände umschreiben, wie z. B. Modalverben: (I.64) *Wo3 xi3huan1 le0 mu3gua1.

ich mögen perfasp Melone (?Ich habe angefangen, Melonen zu mögen.) - beim Ausdruck gewohnheitsmäßiger Handlungen: (I.65) *Ta1 tian1tian1 hui2qu4 le0. er täglich zurückkommen perfasp (?Er ist täglich zurückgekommen.) - mit Potenzial- / Resultativkonstruktionen: (I.66) *Wo3 la1 bu4 kai1 le0 men2. ich ziehen nicht aufmachen perfasp Tür (?Ich bin nicht fähig gewesen, die Tür aufzumachen.) - mit der Partikel des Erfahrungsaspekts guo: (I.67) *Wo3 qu4 guo4 le0 Zhong1guo2. ich gehen ErfahrASP perfasp China (Ich bin nach China gegangen.) - negierte Sätze, deren Bedeutung nicht mit der Semantik eines eingegrenzten Ereignisses kompatibel ist 1 : (I.68) *Wo3 bu4 qu4 le0 Zhong1guo2. ich nicht gehen perfasp China (Ich bin nicht nach China gegangen.) Le ist außerdem überflüssig in Sätzen, in denen der perfektive Aspekt durch einen anderen Ausdruck semantisch markiert wird: (I.69) Wo3 cong2 fang2zi0 zou3 dao4 Zhang1san1 nar4. ich von Haus laufen bis Zhangsan dort Ich bin vom Haus bis zum Ort von Zhangsan gelaufen. 1 Die Verneinung eines Ereignisses im perfektiven Aspekt wird mit mei2 you3 ausgedrückt.

2. Durativer Aspekt Der durative Aspekt wird im Chinesischen mit der präverbalen Partikel zai sowie der postverbalen Partikel zhe0 ausgedrückt. Es hängt von der semantischen Kategorie des Verbs ab, welche von diesen Partikeln verwendet wird; im Folgenden werden diesen Partikeln die entsprechenden Verbarten zugeordnet. 2.1 Semantische Klassifizierung von Verben und die Aspektpartikeln zhe0/ zai4 Tätigkeitsverben, die in der Regel den Einbezug eines lebendigen Subjekts und seine aktive Beteiligung implizieren, werden mit der Partikel zai markiert: (I.70) Ta1 zai4 da3 wo3. er durasp schlagen mich. Er ist dabei, mich zu schlagen. Zai kann nicht mit unakkusativen Verben verwendet werden: (I.71) *Wo3 zai4 peng4jian4 peng2you0. ich durasp (unabsichtlich) treffen Freund? Ich bin dabei, Freunde zu treffen. Im Falle von Haltunsverben wird der durative Aspekt mit zhe markiert: (I.72) Ta1 zai4 fang2zi0 li3 zuo4 zhe0. er in Haus drinnen sitzen durasp Er sitzt im Haus. Zhe0 kann außerdem auch mit Tätigkeitsverben verwendet werden, um mit der Tätigkeit verbundene Zustände zu umschreiben: (I.73) Hua4 zai4 qiang2 shang4 gua4 zhe0. Bild an Wand darauf hängen durasp

Das Bild hängt an der Wand. Zhe wird häufig in Sätzen mit mehreren Verbalphrasen zur Markierung eines Hintergrunds für die in der zweiten Konstituente beschriebene Handlung verwendet: (I.74) Ta1 ku1 zhe0 pao3 hui2 jia1 le0. er weinen durasp rennen zurückkehren Haus perfasp Weinend lief er nach Hause zurück. Dies gilt nicht für punktuelle Hintergrundsituationen: (I.76) *Ta1 si3 zhe0 fa1shao1 le0. er sterben durasp Fieber haben perfasp? Beim Sterben hat er Fieber bekommen. Dabei kann jedes Verb separat verneint werden. Der Geltungsbereich wird durch die Position von zhe bestimmt: (I.77.a) Ta1 bu4 bi4 zhe0 yan3jing0 shuo1 hua4. er nicht schließen durasp Augen sagen Wort Er hat seine Augen nicht geschlossen und spricht. (I.77.b) Ta1 bi4 zhe0 yan3jing0 bu4 shuo1 hua4. er schließen durasp Auge nicht sagen Wort Er hat seine Augen geschlossen und redet nicht. Bei solchen Verbalserien sind Hilfsverben vor der ersten Konstituente möglich. Sie beziehen sich dann auf die gesamte Verbalserie: (I.78) Ta1 neng2 qi2 zhe0 ma3 she4jian4. er können reiten durasp Pferd schießen Er kann auf einem Pferd reitend schießen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass zhe zur Markierung von Zuständen, während zai zur Markierung andauernder Handlungen verwendet wird. Zhe kann außerdem in subordinativen Konstruktionen das Verb der untergeordneten Komponente zur Beschreibung eines Hintergrunds, vor dem die eigentliche Handlung stattfindet, markieren. I.3 Komplexe Verbkonstruktionen I.3.1 Verbale Grammatikalisierung und Lexikalisierung In den meisten serialisierenden Sprachen werden SVCs typischerweise von Grammatikalisierungs- und Lexikalisierungsprozessen betroffen: There is a very strong diachronic tendency to lexicalization and grammaticalization of the meaning of serial complexes: this can involve treating the whole serial complex as a single lexical item, or demotion of the meaning and grammatical status of one of the verbs to that of a modifier or case-marker. (Durie 1997, S. 291) Chinesisch bildet hierbei keine Ausnahme: die ursprünglich verbalen Konstituenten einiger SVCs entwickeln sich in gewissem Sinne zu Präpositionen, während andere SVCs in ihrer Gesamtheit zu verbalen Komposita lexikalisiert werden (s. Abschnitt III.4). 1. Koverben und Präpositionen Koverben (fu dongci) waren ursprünglich Lexeme mit Vollverbfunktion, die sie jedoch im Laufe von Grammatikalisierungsprozessen teilweise zugunsten einer Adpositionalfunktion aufgegeben haben. Einige Linguisten sind der Ansicht, dass die von entsprechenden Grammatikalisierungen betroffenen Lexeme eindeutig als Verben oder als Adpositionen eingeordnet werden können. Dies kann jedoch bestritten werden; so behandelt Paul Koverben als ein Kontinuum zwischen Verb und Adposition (1982). Bisang äußert dazu, dass ein

Koverb mehr oder weniger verbalen bzw. mehr oder weniger adpositionalen Charakter im Vergleich zu einem anderen Koverb zeigen kann. Chao schreibt: A listable number of verbs occur as first verbs with the same order of frequency as in other positions and are thus called coverbs or prepositions (1968, S. 749). Im folgenden betrachten wir die Motivation, die Position der Koverben im chinesischen Satz sowie die Grenzziehung zwischen den zwei möglichen Funktionen. Koverben können der Valenzerweiterung durch die Einführung neuer Aktanten und der Kasuszuweisung dienen. Sie entstehen vor allem in Sprachen, die über ein begrenztes Präpositionalsystem verfügen und eine Neigung zur Vermeidung von Verben mit einer 3- stelligen Valenz zeigen; die dadurch eingeschränkten Ausdrucksmöglichkeiten für grammatische Kategorien werden durch Koverben kompensiert. In der chinesischen Grammatiktradition werden Koverben in die Kategorie der leeren Wörter (xuci) eingeordnet, die die Beziehungen zwischen vollen Wörtern (shici) spezifizieren. Sie werden also nicht zum Ausdruck einer eigenständigen Handlung, sondern zur Modifikation bzw. Ergänzung des Hauptverbs herangezogen. Im heutigen Chinesisch können die meisten Koverben je nach semantischer Umgebung als Präpositionen oder als Verben fungieren, wobei manche von ihnen je nach Funktion auch ihre Bedeutung ändern (z. B. an: Präposition: gemäß, Verb: drücken). Die Basisstruktur eines Satzes mit Koverben in Präpositionalfunktion sieht wie folgt aus: (N) Kov N V (N) Kov N Gleich der Präposition subkategorisiert das Koverb immer eine NP, die von ihm mit einem Kasus markiert wird. (I.79) Ta1 wang3 bei3 zou3. er nach Norden gehen Er geht nach Norden. (I.80) Wo3 gen1 peng2you0 qu4 kan4 dian4ying3. ich mit Freund gehen sehen Film. Ich gehe mit Freunden ins Kino.

Alle Koverben können in präverbaler Position vorkommen. Einige Koverben, wie z. B. zai, dao und gei, können ebenfalls nach dem Verb platziert werden: (I.81.a) Wo3 zhu4 zai4 Bei3jing1. ich wohnen in Peking Ich wohne in Peking. (I.81.b) Wo3 zai4 Bei3jing1 zhu4. ich in Peking wohnen. Ich wohne in Peking. Teng (1977) erklärt diese Positionsänderung durch die semantische Unterscheidung zwischen innerem und äußerem Lokativ. Der äußere Lokativ wird durch die präverbale Position ausgedrückt; dem Hauptverb werden dabei keine Einschränkungen auferlegt, so dass es frei gewählt werden kann. Im Gegensatz dazu können Koverben in postverbaler Position, die den äußeren Lokativ markieren, nur mit Verben einer eingegrenzten lexikalischen Klasse verwendet werden (Li / Thompson 1982, S. 398). Einige Grammatiker (Chang, Jiang Tian) suggerieren eine Reihe von Testkriterien, anhand derer festgelegt werden kann, ob es sich bei einem Koverb um ein Verb handelt. Dazu gehören die Negierbarkeit mit bu/mei (Chao 1968, S. 749), die Kombinierbarkeit der Lexeme in A-nicht-A-Fragen sowie ihre Kompatibilität mit Aspektsuffixen. Paul führt in ihrer Analyse eine Betrachtung der einzelnen Koverben im Lichte dieser Kriterien durch. Es wird deutlich, dass die meisten Lexeme einen Teil dieser Kriterien erfüllen. Das Lexem yong (benutzen, mit) weist zum Beispiel alle syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten von Verben auf und kann deshalb als Vollverb aufgefasst werden, da es in allen Kontexten in seiner verbalen Bedeutung interpretiert werden kann. Das Koverb ba (Verb: nehmen, greifen; Koverb/Partikel zum Ausdruck der Verfügung) erfüllt hingegen nur das Kriterium der Negierbarkeit; dies zeigt, dass es sich in einem späteren Stadium der Grammatikalisierung befindet. Die Betrachtung der Koverben in Bezug auf ihre verbalen Eigenschaften zeigt, dass sie durchaus Gemeinsamkeiten mit Verben aufweisen und eine Zwischenkategorie zwischen den Verben und Präpositionen bilden; im linguistischen Kontext ist jedoch in der Regel eine

eindeutige Einordnung der Koverben anhand ihrer Funktion im Satzgefüge möglich. Koverben werden u. a. von Chao als mögliche Konstituenten der Verbalserie betrachtet. Nach unserer Beschreibung der chinesischen SVC werden wir jedoch sehen, dass das Verhalten von Koverben nur teilweise dem Verhalten von Verben in SVCs entspricht. In den von Chao eingeführten Beispielen sollten Koverben demnach in ihrer präpositionalen Funktion analysiert werden. 2. Resultativkomposita Bei Resultativkomposita handelt es sich um Verben, die von einem verbalen Komplement gefolgt werden. Das Komplement bezeichnet einen Zustand, der durch das Subjekt infolge der durch das Hauptverb bezeichneten Handlung angenommen wird. Einige Komposita können nicht mit anderen grammatischen Elementen kombiniert werden (Bsp. gailiang: verbessern, guiding: bestimmen). Andere können mit den Potenzialinfixen de / bu oder mit Komplementen des Grades kombiniert werden: (I.82.a) Ta1 kan4 po4 le0. er sehen zerstören perfasp Er ist desillusionniert. (I.82.b) Ta1 kan4 de0 po4. er sehen POT: de zerstören Man kann ihn desillusionnieren. (I.83.a) Wo3 chi1 bao3 le0. ich essen satt perfasp Ich habe mich satt gegessen. (I.83.b) Wo3 chi1 de0 bu4 gou4 bao3. ich essen POT: de nicht genug satt Ich habe mich nicht satt gegessen.

Werden die Konstituenten eines Resultativkompositums mit einem Komplement des Grades kombiniert, kann die sich ergebende Konstruktion nicht immer weiter als Resultativkompositum betrachtet werden; den Satz 2b. würde man als Prädikat-Komplement- Konstruktion mit Komplement des Grades analysieren. Jedes beliebige Verb kann als V1 in Resultativkomposita verwendet werden. Verben mit einer sehr allgemeinen Bedeutung, z. B. na: nehmen, zuo: machen, bian: ändern können mit einer größeren Bandbreite von Komplementen vorkommen: sie können sowohl Adjektive als auch Richtungskomplemente annehmen. Bewegungsverben werden meist mit Richtungssuffixen kombiniert, Adjektive nehmen Komplemente des Grades an (Bsp. hao ji le: außergewöhnlich gut, huai tou le: schrecklich). Da Resultativkomplemente einen Zustand beschreiben, der als Ergebnis eintritt, kann man annehmen, dass typischerweise Adjektive als Suffixe fungieren. Möglich sind unter anderem jedoch auch: - Phasenkomplemente zum Ausdruck einer Phase der durch V1 beschriebenen Handlung, z. Bsp. dao, wan, guo, hao): (I.84) Zhe4 shi4qing0 wo3 zao3 liao4 dao4 le0. diese Sache ich früh vorhersehen RESULT perfasp Ich habe diese Sache schon früh vorhergesagt. (I.85) zuo4 wan2 le0 shi4 machen beenden perfasp Sachen die Arbeit beendet haben - intensifizierende Komplemente, z. Bsp. ji 2le0, tou 4le0, hen3, si3: (I.86) Wo3 lei4 hen3 le0 jiu4 shui4 bu4 zhao2. ich müde RESULT: sehr perfasp dann schlafen nicht RESULT Wenn ich sehr müde bin, kann ich nicht einschlafen. - Potenzialkomplemente, z. Bsp. liao3, lai2:

(I.87) Zhe4 shi4 tai4 nan2 wo3 zuo4 bu4 liao3. diese Sache zu schwer ich machen nicht RESULT Das ist zu schwierig, ich schaffe es nicht. Eine wichtige Gruppe der Resultativkomplemente bilden die Richtungskomplemente. Sie bilden zwei Gruppen von Verben, die miteinander kombiniert oder einzeln vorkommen können: Gruppe 1: lai2: kommen (Bewegung zum Sprecher hin), qu4: gehen (Bewegung vom Sprecher weg) Gruppe 2: shang4: hoch, xia4: hinunter, jin4: herein, chu1: heraus, guo4: vorbei, qi3: herauf, hui2: zurück, kai1: offen Lai2/ qu4 sowie ihre Kombinationen mit Verben der zweiten Gruppe können unter der Bedingung der semantischen Akzeptabilität mit allen Verben kombiniert werden. Die Verben der zweiten Gruppe können hingegen einzeln nur mit Verben einer beschränkten Kategorie verwendet werden. Verben mit Resultativsuffixen können in diversen Konstellationen mit Objekten kombiniert werden: Verb-Suffix - Objekt: (I.88) Wo3 chi1 bao3 fan4 le0. ich essen RESULT: satt Essen perfasp Ich habe mich satt gegessen. Verb Objekt Verb Suffix (I.89) Wo3 chi1 fan4 chi1 wan2 le0. ich essen Essen essen beenden perfasp Ich habe fertig gegessen. Verb-Suffix1 - Objekt - Suffix2 (mit Richtungskomplementen) (I.90) Wo3 na2 chu1 yi1 ben3 shu1 lai2. ich nehmen DIR: heraus ein CL Buch kommen