"Ich glaub nicht, dass wir nix können"



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Transkript:

WISSEN : VERNETZEN : PUBLIZIEREN www.textfeld.ac.at Katharina Bacher "Ich glaub nicht, dass wir nix können" Selbstverständnis von Studierenden am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Diplomarbeit 2008 Downloaden und kommentieren unter http://www.textfeld.ac.at/text/1231 Der gemeinnützige Verein textfeld setzt sich für die Online-Publikation akademischer Texte ein. Mehrmals monatlich läßt textfeld von den interessantesten Beiträgen Rezensionen erstellt, die auf stark frequentierten Online-Medien publiziert werden. Die eigenen Texte können unter www.textfeld.ac.at kostenfrei publiziert werden.

DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit Ich glaub nicht, dass wir nix können Selbstverständnis von Studierenden am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Verfasserin Katharina Bacher Angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag.phil.) Wien, im März 2008 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 301 295 Studienrichtung lt. Studienblatt: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Betreuer: Prof. Dr. Rainer Gries

Wir bestehen alle nur aus buntscheckigen Fetzen, die so locker und lose aneinanderhängen, dass jeder von ihnen jeden Augenblick flattert, wie er will; daher gibt es ebenso viele Unterschiede zwischen uns und uns selbst wie zwischen uns und den anderen. (Michel de Montaigne: Essays) 1

Eidesstattliche Erklärung Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst, ganz oder in Teilen noch nicht als Prüfungsleistung vorgelegt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Sämtliche Stellen der Arbeit, die benutzten Werken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich durch Quellenangaben kenntlich gemacht. Dies gilt auch für Zeichnungen, Skizzen, bildliche Darstellungen und dergleichen sowie für Quellen aus dem Internet. Wien, am 11.03.2008 2

Danksagung Meinen Eltern Josef und Gabriele Bacher danke ich für die bedingungslose Unterstützung und die große Geduld, die sie meiner gegen Ende hin stark abnehmenden Studiergeschwindigkeit entgegengebracht haben. Meinem Betreuer Rainer Gries danke für die Ermunterung, die von mir erdachte, doch ein Stück weit unkonventionelle Themenidee umzusetzen, für die Idee, eine ungewöhnliche Strukturierung zu wählen sowie für die Bereitschaft, mich, wenn es denn sein muss, auch im Stiegenhaus des Universitätsgebäudes umfassend zu beraten. Herzlichen Dank an Alex Dworzak, der Fragebögen hinterfragt, Inhaltsverzeichnisse kritisiert, Titelvorschläge in der Luft zerrissen und den Launen der letzten Wochen mit beruhigender Gelassenheit begegnet ist. Maria Spenger danke ich für die sorgfältige Assistenz und souveräne Kameraführung bei den beiden Gruppendiskussionen, aufmunternde Worte und den alles verändernden Satz Aber das ist doch ein spannendes Thema!. Dank an Aron Sas für technische Unterstützung jeglicher Art und die Tatsache, dass er, auch ohne es großartig forciert zu haben, meinen Laptop wieder in Gang gebracht hat. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Untersuchung danke ich für die Bereitschaft zur Teilnahme, die große Ausdauer vor allem bei den Gruppendiskussionen und die vielen pointierten Aussagen, die eine Auswahl der direkten Zitate schwer gemacht haben. Meinem Lektor Ulrich Kreutzer sei gedankt für die wichtigen Anmerkungen von außerhalb des kommunikationswissenschaftlichen Spektrums, die die Blindheit dem eigenen Fach gegenüber relativiert haben. Und nicht zuletzt Dank an die Studienvertretung Politikwissenschaft, im Besonderen Matthias Falter, der mit Sätzen wie Ich weiß doch, warum ich hermeneutisch arbeiten wollte während der heißen Phase der Teilnehmerrekrutierung immer für tröstende Worte gut war. 3

Inhalt Abkürzungsverzeichnis...6 Einleitung...7 1 Vorbemerkungen...9 1.1 Aufbau der Arbeit...9 1.2 Quellen...9 1.3 Selbstverständnis Zur Klärung eines Begriffs...11 1.4 Selbstverständnis der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als akademische Disziplin...12 1.5 Eckdaten des PKW-Studiums in Wien...14 2 Forschungsfragen und Thesen... 15 3 Untersuchungsdesign... 16 3.1 Methodenwahl: Die qualitative Befragung...16 3.1.1 Gruppendiskussion...16 3.1.2 Einzelinterview...18 3.2 Ablauf der Untersuchung...18 3.2.1 Eingrenzung der Grundgesamtheit...18 3.2.2 Rekrutierung der Untersuchungsteilnehmer...18 3.2.3 Zusammensetzung der Untersuchungsgruppe...19 3.2.4 Teilnehmerportraits...20 3.2.5 Durchführung...25 3.3 Analyseverfahren...25 3.4 Verlauf und methodeninduzierte Unterschiede...27 3.4.1 Erste Gruppendiskussion...27 3.4.2 Zweite Gruppendiskussion...28 3.4.3 Vergleich der beiden Gruppendiskussionen...29 3.4.4 Einzelinterviews...30 4 Ergebnisse: Das PKW-Studium aus Studierendenperspektive... 31 4.1 PKW ein überlaufenes Studium?...31 4.1.1 Gründe für die Studienfachwahl...31 4.1.2 Alternative Ausbildungsmöglichkeiten...37 4.1.3 Ressourcenmangel...41 4.1.4 Anonymität...42 4.1.5 Räumlichkeiten bzw. Raumnot...43 4.1.6 Informations- und Organisationsdefizite...43 4.1.7 Lehrveranstaltungsangebot...44 4.1.8 Exkurs: Der Bakkalaureats-Studienplan...45 4

4.2 PKW ein leichtes Studium?...47 4.2.1 Schwierigkeitsgrad des Studiums...47 4.2.1.1 Allgemein...47 4.2.1.2 In der Studienendphase...50 4.2.2 Leistungsbeurteilung...51 4.2.3 Wissenschaftliche Ausbildung...52 4.2.3.1 Stellenwert...52 4.2.3.2 Qualität...54 4.2.4 Lehrveranstaltungsleitung: Institutsinterne vs. externe Lektoren...56 4.3 PKW ein brotloses Studium?...57 4.3.1 Allgemeiner Nutzen des Studiums...57 4.3.2 Berufsvorbereitung im Studium...59 4.3.3 Berufserfahrung neben dem Studium...64 4.3.4 Berufswünsche...67 4.3.5 Berufsaussichten...70 4.4 PKW ein vielbelächeltes Studium?...73 4.4.1 Image des Studiums...74 4.4.1.1 Allgemein...75 4.4.1.2 In der Kommunikationsbranche...78 4.4.1.3 Selbstbild als Fremdbild? Die Studienkollegen...80 4.4.2 Identifikation mit dem Studium...82 4.4.3 Bilanz...85 5 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse... 89 6 Quellenverzeichnis... 92 Anhang...I 5

Abkürzungsverzeichnis BWL: Betriebswirtschaftslehre DGPuK: Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft EJA: Europäische Journalismus Akademie FH: Fachhochschule IPKW: Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Universität Wien KfJ: Kuratorium für Journalistenausbildung OECD: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung PKW: Publizistik- und Kommunikationswissenschaft TU: Technische Universität Wien 6

Einleitung Ich glaub nicht, dass wir nix können, die bösen, chaotischen Publizistikstudenten. So lautet das Zitat, dem diese Diplomarbeit ihren Titel verdankt, in seiner Vollständigkeit. Ausgesprochen hat es eine Studentin der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft im Rahmen der dieser Diplomarbeit zugrunde liegenden Befragung. Sie beantwortete damit eine Frage nach der Einschätzung ihrer Berufsaussichten, wirft aber für den Leser vor allem neue Fragen auf: Warum die doppelte Verneinung weshalb fühlte sich die Studentin veranlasst, bei der Einschätzung der im Rahmen des Studiums vermittelten Kompetenzen eine verteidigende Haltung einzunehmen? Was hat es mit dem Zusatz der bösen, chaotischen Publizistikstudenten auf sich? Und wie kann es interpretiert werden, dass sie zunächst positiv in der ersten Person, dann aber abgrenzend und negativ in der dritten Person gesprochen hat? Die vorliegende Arbeit versteht sich als Versuch, Antworten auf diese Fragen zu finden, und anhand mehrerer Aspekte dem Untertitel entsprechend ein Selbstverständnis von Studierenden am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu skizzieren. Wichtig ist dabei das von denn die Diplomarbeit stellt nicht den Anspruch, verallgemeinerbare Aussagen über die Studierenden am IPKW zu liefern. Vielmehr war das Ziel, mithilfe eines kleinen Ausschnitts konkret wurden 13 Diplomanden des Instituts befragt eine in die Tiefe gehende Analyse durchzuführen. Hierfür erfolgt zunächst im Rahmen von Vorbemerkungen eine Annäherung an das Thema, indem der Aufbau der Arbeit, die verwendeten Quellen, das Selbstverständnis der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als akademische Disziplin und Eckdaten des Studiums am IPKW beschrieben werden (Kapitel 1). Für eine Kommunikationswissenschaftlerin kann es nicht Ziel sein, sich der Analyse eines Selbstverständnisses mittels sozialpsychologischer Methoden anzunähern. Vielmehr erfolgte eine bewusste Beschränkung auf die inhaltsanalytische Auswertung der Aussagen, die die Teilnehmer im Rahmen zweier Gruppendiskussionen und dreier Einzelinterviews selbst getroffen haben. Nach der Definition meiner Forschungsfragen und Thesen (Kapitel 2) wird dieses Analyseverfahren vorgestellt. Weiters erfolgt die Begründung der Methodenwahl, eine Beschreibung der Untersuchungsschritte sowie Beobachtungen zum Verlauf der fünf Interviews (Kapitel 3). 7

Der Großteil der Arbeit ist schließlich den Ergebnissen der Befragung gewidmet, die nicht getrennt von einem Theorie -Teil abgehandelt, sondern unmittelbar mit dem Forschungsstand in Bezug gesetzt werden. (Kapitel 4) Welche Ursachen, welche Auswirkungen hat die große Studierendenzahl am IPKW (Kapitel 4.1)? Wie schätzen die Studierenden den Schwierigkeitsgrad des Studiums ein, wie beurteilen sie die Qualität der wissenschaftlichen Ausbildung, und welchen Stellenwert hat diese für sie (Kapitel 4.2)? Anschließend wird die Rolle der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien als Berufs(vor)bildungsinstanz analysiert (Kapitel 4.3): Fühlen sich die Studierenden vom Studium auf das Berufsleben vorbereitet? Welche beruflichen Erfahrungen sammeln sie neben dem Studium und wie beurteilen sie ihre Berufsaussichten? Das letzte Kapitel (Kapitel 4.4) schließlich widmet sich Vorurteilen wie etwa jenem der bösen, chaotischen Publizistikstudenten : Worauf bezieht sich die Voreingenommenheit gegenüber dem Studium und den Studierenden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, aber vor allem: Wie gehen die Studierenden mit dieser um? Und wie bilanzieren sie in der Studienendphase über das Studium? Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse. 8

1 Vorbemerkungen 1.1 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit verzichtet auf die häufig erfolgende Trennung zwischen einem Theorie - und einem Empirie -Teil. Die Analyse der selbst erhobenen Daten erfolgt daher nicht losgelöst von der Literaturstudie, vielmehr werden nach kurz gehaltenen Vorbemerkungen sowie der Beschreibung des Untersuchungsdesigns (Kapitel 3) die verschiedenen Quellen unmittelbar zueinander in Bezug gesetzt. Dies ermöglicht eine Strukturierung anhand der einzelnen Themenstränge, die dem Leser ein ganzheitliches Erfassen der Thematik erleichtert. 1.2 Quellen Die vorliegende Arbeit stützt sich neben den Ergebnissen der eigenen Erhebung vor allem auf im Rahmen von Diplomarbeiten gewonnene Erkenntnisse. Dies ist ein der gewählten Thematik geschuldeter Umstand, denn deren Spezifik findet am ehesten in Abschlussarbeiten von Studierenden Platz. In Buchform veröffentlichte Untersuchungen, die Studienmotive, Studienhaltung und/oder Berufsperspektiven von Studierenden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft behandeln, beziehen sich meist auf das Studium in Deutschland und können daher nur eingeschränkt herangezogen werden. 1 Eine Ausnahme bildet der Band Kommunikationswissenschaft in Österreich, in dem die Autoren Hannes Haas und Holger Rust Ergebnisse einer von der OECD in Auftrag gegebenen Studie über die Kommunikationswissenschaft in Österreich präsentieren. 2 Sie versammeln Ergebnisse aus Absolventenbefragungen und Expertenäußerungen, analysieren das Theorie-Praxis-Verhältnis des Studiums und diagnostizieren Reformnotwendigkeiten. Allerdings verzichtet der Band stellenweise auf klare Quellenangaben und zeichnet ein gesamtösterreichisches Bild. Zudem stammt er aus dem Jahr 1991 und gibt daher teilweise Befragungsergebnisse aus den 1980er Jahren wieder. Etwas aktuellere Resultate bietet die Diplomarbeit von Ulrike Koscher 3 : Koscher führte im Jahr 1995 1 vgl. etwa Westerbarkey, Joachim/Winkelbrandt, Frank: Quo Vadis? Perspektiven von aktiven und ehemaligen Publizistikstudierenden, Münster, 1996. 2 vgl. Haas, Hannes/Rust, Holger: Kommunikationswissenschaft in Österreich. Zustand und Zukunft einer Schlüsseldisziplin, Wien, 1991. 3 vgl. Koscher, Ulrike: Die Töchter der Almer [sic!] Mater. Eine Bestands- und Bedarfsanalyse mit Publizistik- Studentinnen, Diplomarbeit, Wien, 1995. 9

mündliche Leitfadeninterviews mit 16 Diplomandinnen der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien durch. Die Auswahl der Untersuchungsteilnehmerinnen erfolgte anhand des Diplomarbeitsthemas: Eine Hälfte der Interviewpartnerinnen verfasste ihre Diplomarbeit zu einem von Koscher als frauenspezifisch klassifizierten Thema, die andere Hälfte hatte ein nicht-frauenspezifisches Thema gewählt. 4 Koschers Fragestellungen betrafen Studienmotive, Anfangsschwierigkeiten im Studium, den Kontakt zu anderen Studierenden und Lehrenden, etwaige geschlechtsspezifische Diskriminierungserfahrungen, die Beurteilung genderspezifischer Lehrveranstaltungen, eine mögliche Karriere in der Wissenschaft und die Diplomarbeitsphase. 5 Eingeschränkt wird die Vergleichbarkeit ihrer Ergebnisse durch den qualitativen Zugang sowie die Beschränkung auf weibliche Interviewpartner. Beide Geschlechter sowie die Meinung einer größeren Anzahl an Befragten berücksichtigt die Diplomarbeit von Birgit Perl 6 : Sie befragte im Jahr 1997 Wiener Journalisten zum Image der PKW-Studierenden im Journalismus. 130 Fragebögen wurden verschickt, wie bei Koscher erfolgte eine Zweiteilung des Samples: 65 der sehr ausführlich gestalteten Fragebögen wurden an Akademiker, 65 weitere an Nichtakademiker verschickt. 7 Schwerpunkte der Untersuchung betrafen die Meinung der Journalisten zum PKW- Studium, deren Einschätzung der Praxisrelevanz des Studiums sowie deren Kenntnisse über die Inhalte der Studienrichtung und die Ansichten betreffend der Akademisierung des Journalismus. Die Rücklaufquote betrug beachtliche 45 Prozent, allerdings kann auf Perls Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit nur sehr eingeschränkt Bezug genommen werden, da sie sich der Perspektive von Vertretern der sogenannten Kommunikationspraxis widmet und die Studierendenperspektive außer Acht lässt. Letztere wiederum ist alleiniger Untersuchungsgegenstand von der aus dem Jahr 2003 stammenden Diplomarbeit Claudia Wöhrles 8 : Wöhrle verschickte an alle Studienanfänger des Wintersemesters 2002/03 und des Sommersemester 2003, die ihr E-Mail-Konto der 4 vgl. Koscher 1995, S. 88. 5 vgl. ebd., S. 172-175. 6 vgl. Perl, Birgit: Imageprobleme der Publizistikabsolventen im Journalismus. Eine Befragung unter Wiener Journalisten zu den Akzeptanzschwierigkeiten der Publizistikabsolventen im Journalismus, Diplomarbeit, Wien, 1997. 7 vgl. ebd., S. 77. 8 Wöhrle, Claudia: Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien: eine empirische Untersuchung über Herkunft und soziale Lage, Universitätszugang und Studienmotive sowie der Studienhaltung und Arbeitsperspektiven der Studienanfänger des WS 2002/2003 und des SS 2003, Diplomarbeit, Wien, 2003. 10

Universität Wien aktiviert hatten, per E-Mail einen Link zu einem Onlinefragebogen. Die untersuchungsleitenden Fragestellungen betrafen Herkunft und soziale Lage der Studienanfänger, deren Studienmotive sowie die Studienhaltungen und Arbeitsperspektiven. 9 Eingeschränkt wird die Repräsentativität von Wöhrles Untersuchung vor allem dadurch, dass die Rücklaufquote lediglich 9,4 Prozent der Grundgesamtheit betrug. 10 Nicht zuletzt sind auch die Ergebnisse der von mir durchgeführten Befragungen in ihrer Vergleichbarkeit stark eingeschränkt (siehe Kapitel 3.2.3). Ergänzend zu den oben beschriebenen Untersuchungen werden einzelne Beiträge in verschiedenen Zeitschriften herangezogen, um aktuelle Debatten betreffend alternativer Ausbildungsmöglichkeiten im Kommunikationsbereich, der Praxisrelevanz des Studiums oder der Anwendbarkeit publizistik- und kommunikationswissenschaftlicher Forschungsergebnisse in der Praxis ausschnittsweise abzubilden. Die sich sehr stark unterscheidenden thematischen Zugänge, Entstehungszusammenhänge, Stichprobengrößen und -zusammensetzungen der herangezogenen Quellen schränken eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse wie schon erwähnt stark ein. Rückschlüsse werden daher mit der gebotenen Vorsicht gezogen. 1.3 Selbstverständnis Zur Klärung eines Begriffs Da in der (psychologischen) Fachliteratur der Begriff des Selbstverständnisses kaum verwendet wird, sollen Definitionen des verwandten Begriffes Selbstkonzept zur Annäherung dienen. Städtler definiert den Begriff des Selbstkonzepts als Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen der eigenen Persönlichkeit oder des Selbst. Der Begriff ist einerseits weiter als derjenige der Persönlichkeit, da er nicht nur Eigenschaften zum Inhalt hat, andererseits enger, da er lediglich die subjektive Sicht der Persönlichkeit beinhaltet. 11 Etwas spezifischer scheint Hans Dieter Mummendeys Definition, nach der unter dem Begriff des Selbstkonzepts die Gesamtheit der auf die eigene Person bezogenen Beurteilungen und Bewertungen eines Individuums, also die Gesamtheit der Einstellungen zu sich selbst 12 zu verstehen sind. In der vorliegenden Arbeit vor allem von Interesse ist in Anlehnung an Städtler die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen der eigenen 9 vgl. Wöhrle 2003, S. 28. 10 vgl. ebd, S. 35f. 11 Städtler, Thomas: Lexikon der Psychologie. Wörterbuch, Handbuch, Studienbuch, Stuttgart, 1998, S. 969. 12 Mummendey, Hans Dieter: Psychologie des Selbst. Theorien, Methoden und Ergebnisse der Selbstkonzeptforschung. Göttingen u. a., 2006, S. 7. 11

Persönlichkeit als Studierender am Wiener Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. 1.4 Selbstverständnis der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als akademische Disziplin 13 Eine sehr ausführliche Bestandsaufnahme des Selbstverständnisses der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft liefert Bernd Semrad in seiner Diplomarbeit aus dem Jahr 2001. Die Komplexität des Selbstbildes leitet Semrad historisch ab: Er zeigt, wie der mediale und gesellschaftliche Wandel dazu führten, dass aus dem Fach mit dem engen Horizont Zeitung 14 rasch ein Fach mit einem sehr weiten Anspruch wurde: Eine Weiterentwicklung zur Publizistikwissenschaft und schließlich zur Kommunikationswissenschaft war die Folge. 15 Während sich das Interesse der Zeitungswissenschaftler eindeutig auf die Presse gerichtet hatte, war die weitere Entwicklung des Faches durch Entgrenzung gekennzeichnet 16 laut Saxer eine Entgrenzung der Disziplin ins grenzenlos Undisziplinierte. 17 Divergierende Selbstkonzepte und widersprüchliche Auffassungen über die Ausrichtung des Faches ermöglichten keine eindeutige Ausbildung einer Identität. Dies sei [f]atal nicht nur in der internen Kommunikation, sondern vor allem in der Außenwirkung. 18 Auch Klagen über die zu geringe Outputorientierung des Faches seien daher zu verstehen, denn [j]e mehr man ausbildet, je mehr Absolventen man produziert, desto unantastbarer scheint die Identität. 19 Gerade die hohe Anzahl Studierender und Absolventen bringe es auf der anderen Seite aber mit sich, dass die Kommunikationswissenschaft zu einer Manövriermasse sehr heterogener Interessen 13 Da sich Argumentationslinien dieser Selbstverständnisdiskussion mit Argumentationslinien der Studierenden des Faches nur punktuell überschneiden, sollen an dieser Stelle lediglich die Hauptdiskursstränge skizziert werden. 14 Ins Leben gerufen wurde die akademische Disziplin von Nationalökonom Karl Bücher, der 1916 in Leipzig das erste Institut für Zeitungswissenschaft gründete. Vgl. Semrad 2001, S. 42. 15 Die Begrifflichkeiten unterscheidet Semrad dabei wie folgt: Kommunikationswissenschaftler interessieren sich für Interaktionen, Publizistikwissenschaftler für die Öffentlichkeit. Auch das Terrain der Medienwissenschaft steckt Semrad an dieser Stelle ab: Sie interessieren sich für die (Medien-)Sprache. Vgl. Semrad 2001, S. 36. 16 vgl. Semrad 2001, S. 77. 17 Saxer, Ulrich: Von wissenschaftlichen Gegenständen und Disziplinen und den Kardinalsünden der Zeitungs-, Publizistik-, Medien-, Kommunikationswissenschaft. In: Schneider, Beate /Reumann, Kurt / Schiwy, Peter (Hg.): Publizistik. Beiträge zur Medienentwicklung. Festschrift für Walter J. Schütz, Konstanz, 1995, S. 39, zit. nach Semrad 2001, S. 75. 18 Semrad 2001, S. 29. 19 ebd., S. 30. 12

werden könnte bzw. wird. 20 Auch Haas und Rust sahen die Konsolidierung des Faches 1991 als noch nicht abgeschlossen an. Dies sei der Grund dafür, dass die PKW (bislang) nicht zu den in der Öffentlichkeit anerkannten, meinungsführenden Studien zähle, die für das jeweilige praktische Feld wissenschaftliche Definitionspotentiale besitzen: Die Kommunikationswissenschaft nimmt eine Zwischenposition zwischen pragmatischer Orientierung auf Berufsfelder (die ihrerseits nur schwach definiert sind) und einer auf die analytische Durchdringung und kritische Distanz der Wirklichkeit gerichteten Funktion ein. 21 Erschwert wird eine Standortbestimmung der akademischen Disziplin für die beiden Autoren auch dadurch, dass zu den meisten Berufen der Medien- und Kommunikationsbranche ein freier, ungeregelter Zugang besteht die Absolvierung eines kommunikationswissenschaftlichen Studiengangs ist daher nicht zwingend erforderlich. 22 Um Identität und Integrität des Faches eindeutig zu klären, wurde Ende der 1990er Jahre von der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ein Selbstverständnisausschuss gegründet. Laut dem von den Mitgliedern des Ausschusses erarbeiteten Selbstverständnispapier geht die DGPuK davon aus, dass es sich trotz einer verwirrenden Vielfalt von Fachbezeichnungen im deutschsprachigen Raum 23 um ein Fach handelt, das an unterschiedlichen Standorten etwas unterschiedlich ausgeprägt ist, sich aber mit ähnlichen Problemen und Gegenständen beschäftigt. 24 Im Zentrum des Fachs steht laut Definition des Selbstverständnispapiers die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation. Die damit verbundenen Produktions-, Verarbeitungs- und Rezeptionsprozesse bilden den Mittelpunkt des Fachinteresses. 25 Weiters wird festgehalten, dass sich die Kommunikationswissenschaft im Kern als eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen versteht und einen dreifachen Praxisbezug hat: Der analytische wird besonders in der universitären Forschung und Lehre vollzogen, der pragmatische innerhalb von 20 vgl. Ruhrmann et al.: Im Osten was Neues? Ein Beitrag zur Standortbestimmung der Kommunikationsund Medienwissenschaft. In: Publizistik, Jg. 45/2000, Heft 3, S. 283-309, hier S. 283. 21 Haas/Rust 1991, S. 12. 22 vgl. ebd. 23 Seit der Entstehung der Medienwissenschaft in den 1970er Jahren werden u. a. die Fachbezeichnungen Kommunikationswissenschaft, Medienwissenschaft und Publizistikwissenschaft parallel verwendet. Vgl. Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft: Die Mediengesellschaft und ihre Wissenschaft. Herausforderungen für die Kommunikations- und Medienwissenschaft als akademische Disziplin, München, 2001. In: http://www.dgpuk.de/allgemein/selbstverstaendnis.htm, abgerufen am 05.03.2008. 24 vgl. ebd. 25 ebd. 13

Entwicklungs- und Beratungsprojekten und der edukative vor allem in der Ausbildung der Studierenden. 26 1.5 Eckdaten des PKW-Studiums in Wien Im Wintersemester 2007 zählte das Studium der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien 5.147 aktive Studierende. 27 Davon waren 71,1 Prozent weiblich, 28,9 Prozent männlich. Etwa zwei Drittel (3.428 Studierende) studierten in dem im Wintersemester 2003 eingeführten Bakkalaureatsstudienplan, nur knappe zehn Prozent (488 Studierende) waren bereits im darauf aufbauenden Magisterstudium inskribiert. Noch knappe 20 Prozent der PKW-Studierenden (1.001 Studierende) waren im auslaufenden Diplomstudienplan inskribiert 28, nur 4,5 Prozent (233 Studierende) betrieben ein Doktoratsstudium. 1.182 Studierende und damit ein knappes Viertel befand sich zum Zeitpunkt der Erhebung im ersten Semester des Bakkalaureats. Laut Universitätsbericht 2005 kam es zwischen 1981 und 2001 zu einer Verachtfachung der jährlichen Studienabschlüsse, konkrete Zahlen werden allerdings nicht genannt. 29 Dem Hochschulbericht 2002 kann jedoch entnommen werden, dass im Studienjahr 1999/2000 30 288 Studierende der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft einen Erstabschluss erreichten. 31 Zwar ist anzunehmen, dass die Anzahl der Erstabschlüsse vor allem durch die Einführung des Bakkalaureatsstudienplans im Studienjahr 2002/03 gestiegen ist, dennoch kann vermutet werden, dass die Zahl der Studienabbrecher nach wie vor hoch ist. Nur 3,9 Prozent der Studierenden des Studienjahres 1999/2000 schlossen ihr Studium in der gesetzlich vorgesehenen Mindeststudiendauer ab, die durchschnittliche Studiendauer betrug 13,6 Semester. 26 DGPuK, 2001. In: http://www.dgpuk.de/allgemein/selbstverstaendnis.htm, abgerufen am 05.03.2008. 27 Mit der Menge der aktiven Studierenden werden Scheinzulassungen eliminiert. Ebenfalls nicht enthalten sind beurlaubte Studierende. 28 Dieser konnte von 1984 bis 2002 immatrikuliert werden. 29 vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hg.): Universitätsbericht 2005. Band 1, Wien, 2005, S. 94. 30 Zu diesem Zeitpunkt war der Bakkalaureats-Studienplan noch nicht implementiert, Erstabschlüsse können sich daher nur auf den Abschluss eines Diplom- oder eines Dissertationsstudiums der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft beziehen. 31 vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Hg.): Hochschulbericht. Band 2, Wien, 2002, S. 267. 14

2 Forschungsfragen und Thesen Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung bezieht sich im Wesentlichen auf die Beantwortung der folgenden Fragen: Wie schätzen PKW- Studierende den Schwierigkeitsgrad ihres Studiums ein? Welchen Stellenwert haben Wissenschaft und Forschung für die Studierenden? Inwieweit bereitet das PKW-Studium aus der Sicht der Studierenden auf eine spätere Berufstätigkeit vor? Welchen Einfluss hat das Sammeln beruflicher Erfahrungen auf die Wahrnehmung des Studiums durch die Studierenden? Wie schätzen die Studierenden ihre Berufschancen ein? Wie gehen die Studierenden mit Kritik Außenstehender am PKW-Studium um? Aufgrund des qualitativen Zugangs zur Thematik wurden vor Beginn der Untersuchung keine Hypothesen herausgearbeitet. Dies sollte möglichst große Offenheit und Unvoreingenommenheit gegenüber den individuellen Meinungen und Einstellungen der Befragten sichern. Dennoch waren nach fünf Jahren PKW-Studium in Wien selbstverständlich einige Thesen zum Selbstverständnis meiner Studienkollegen vorhanden, die hier offengelegt werden sollen. Diese lauteten wie folgt: Die befragten Studierenden lassen sich relativ klar in zwei Gruppen einteilen: Eine berufsorientierte Gruppe mit pragmatischer Herangehensweise an das Studium sowie eine eher idealistische Gruppe, die den Inhalt des Studiums mehr in den Vordergrund stellt und der wissenschaftlichen Ausbildung höhere Wertschätzung entgegenbringt. Studierende, die am IPKW beruflich tätig sind, beispielsweise Fachtutoren, identifizieren sich stärker mit dem PKW-Studium als andere Studierende. Jene Studierenden, die von einem Studium vor allem wissenschaftliche Ausbildung erwarten, identifizieren sich stärker mit dem PKW-Studium als andere Studierende. Die Studierenden stehen dem Studium im Allgemeinen sehr kritisch gegenüber und beziehen ihre Kritik vor allem auf die Rahmenbedingungen des Studierens am IPKW. Die befragten Studierenden schätzen ihre Berufsaussichten eher pessimistisch ein. 15

3 Untersuchungsdesign 3.1 Methodenwahl: Die qualitative Befragung Während quantitative Forschung durch die Perspektive des Forschers dominiert wird, ist qualitative Forschung an der Subjektperspektive, an den Sinndeutungen des Befragten interessiert und damit sehr gut geeignet, das Selbstverständnis einer Personengruppe zu untersuchen. Soziale Phänomene, die außerhalb eines Fragerasters und vorgegebener Antwortkategorien liegen, werden in quantitativen Befragungen aus dem Blickfeld der Forschung ausgeblendet. 32 Mit einem standardisierten Messinstrument könnten Fragen wie etwa jene nach einer Identifikation mit dem Studium daher kaum differenziert erarbeitet werden. Die vorliegende Arbeit behandelt darüber hinaus eine eher unkonventionelle Fragestellung, die noch nicht Gegenstand empirischer Studien war und über die noch keine detaillierten Erkenntnisse vorliegen. Die qualitative Befragung dient daher vor allem Explorationszwecken und hat nicht zum Ziel, konkrete Forschungshypothesen zu überprüfen. 33 3.1.1 Gruppendiskussion Morgan definiert die Gruppendiskussion als Erhebungsmethode, die Daten durch die Interaktionen der Gruppenmitglieder gewinnt, wobei die Thematik durch das Interesse des Forschers bestimmt wird. 34 Orientierungen und Erfahrungen, die für ein bestimmtes Milieu typisch sind, können aufgrund von individualisierten Erhebungsinstrumenten nur sehr schwer rekonstruiert werden: Kollektive, milieuspezifische Erfahrungen kommen vor allem dort zur Artikulation, wo Angehörige des Milieus in einen wechselseitigen Diskurs eintreten. 32 vgl. Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 9. Auflage, Reinbek, 2002, S. 444. 33 vgl. ebd. 34 vgl. Morgan: O.T, 1997, o.s., zit. nach Lamnek, Siegfried: Gruppendiskussion. Theorie und Praxis, Weinheim und Basel, 2. Auflage, 2005, S. 27. Diese Definition hat den Vorteil, relativ klare Abgrenzungen zu anderen gruppenspezifischen Erhebungsinstrumenten wie etwa der Beobachtung von Realgruppen zu erlauben. 16

Geht man davon aus, dass Studierende der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft eine ein spezifisches Milieu 35 bildende Gruppe darstellen, ist die Erhebungsmethode der Gruppendiskussion daher für die Exploration von deren Einstellungen sehr gut geeignet. 36 Im Vergleich zum Einzelinterview haben Gruppendiskussionen darüber hinaus den Vorteil, ein breiteres Meinungsspektrum und einen größeren Bereich von Reaktionsweisen zu erfassen. Sie schaffen eine freundlichere, entspanntere Atmosphäre und provozieren spontanere Reaktionen. Gruppendiskussionen erlauben Einsichten in Struktur und Prozesse individueller und kollektiver Stellungnahmen. Darüber hinaus haben sie eine größere Nähe zu alltäglichen Gesprächen, geben Gelegenheit, auch Widerspruch zu äußern, und produzieren detailliertere und gründlichere Äußerungen. Die Teilnehmer von Gruppendiskussionen lenken gegenseitig ihre Aufmerksamkeit auf bisher vernachlässigte Themenaspekte und regen sich zu freimütigen, offenherzigen Beiträgen an. 37 Nachteile der Gruppendiskussion betreffen soziale und sprachliche Barrieren, die einer gleichmäßigen Beteiligung aller Teilnehmer am Gespräch entgegenstehen. Beeinträchtigt wird die Gültigkeit der Ergebnisse weiters dadurch, dass sich im Laufe von Gruppendiskussionen meist Schweiger und Vielredner herausbilden und gruppendynamische Gesetzmäßigkeiten vielfach bedeutsamer für den Diskussionsverlauf sind als inhaltliche Aspekte. Darüber hinaus behindern Anpassungsmechanismen der Teilnehmer die individuelle Meinungsäußerung, es bilden sich Meinungsführer heraus. Meinungspolarisierungen schränken die Vielfalt möglicher Äußerungen ein, inhaltliche Kontroversen führen zu Abschweifungen vom Thema. Zudem werden die Befragten durch die quasi-öffentliche Atmosphäre daran gehindert, allzu private Meinungen und Erfahrungen zu äußern. Schließlich bergen Gruppendiskussionen die Gefahr, dass Lernprozesse das individuelle Meinungsbild verfälschen. Abgesehen von den inhaltlichen Nachteilen kommt es bei Fokusgruppen oft zu hohen Ausfällen, da Gruppendiskussionen höhere Anforderungen an die Kooperationsbereitschaft der Teilnehmer stellen als Einzelinterviews. 38 35 Milieus sind in der Definition Bohnsacks dadurch charakterisiert, dass ihre Angehörigen, ihre Träger durch Gemeinsamkeiten des Schicksals, des biographischen Erlebens, Gemeinsamkeiten der Sozialisationsgeschichte miteinander verbunden sind. Vgl. Bohnsack, Ralf: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden, 5. Auflage, Opladen, 2003, S. 111, zit. nach Lamnek 2005, S. 81. 36 Vgl. Lamnek 2005, S. 81f. 37 vgl. Kromrey, Helmut: Gruppendiskussionen. Erfahrungen im Umgang mit einer weniger häufigen Methode empirischer Sozialwissenschaft. In: Hoffmeyer-Zlotnik, Jürgen H.P. (Hrsg.): Qualitative Methoden in der Arbeitsmigrantenforschung, Mannheim, 1986, S. 109-132, S. 110. 38 vgl. ebd, S.111. 17

3.1.2 Einzelinterview Zur Ergänzung der im Rahmen der Gruppendiskussionen erhobenen Daten sowie zur Kontrolle eventueller methodischer Besonderheiten der Gruppendiskussion, die zu Ergebnisabweichungen führen könnten, wurden zusätzlich unter Zuhilfenahme desselben Leitfadens drei mündliche Einzelinterviews geführt. 3.2 Ablauf der Untersuchung 3.2.1 Eingrenzung der Grundgesamtheit Die Grundgesamtheit der Untersuchung wurde auf Diplomanden 39 bzw. Studierende des neuen Magisterstudienplans 40 eingegrenzt 41. Diese Einschränkung erfolgte auf Basis der Überlegung, dass Studierende, die sich in einem fortgeschrittenen Stadium ihres Studiums befinden, im Allgemeinen eine ausgereiftere und differenziertere Wahrnehmung ihres Studiums haben und sich mit den im Rahmen der Untersuchung behandelten Themen bereits intensiv auseinandergesetzt haben. 3.2.2 Rekrutierung der Untersuchungsteilnehmer Zunächst wurden mehrere Leiter von Diplomanden- bzw. Magisterseminaren per E-Mail kontaktiert und um die Möglichkeit gebeten, mein Forschungsvorhaben in ihren Lehrveranstaltungen persönlich vorzustellen, wozu sich die meisten von ihnen bereit erklärten. Im nächsten Schritt wurden die Lehrveranstaltungen aufgesucht, die Untersuchung vorgestellt und um Teilnahme an den Gruppendiskussionen und Einzelinterviews gebeten. Die Bereitschaft der Studierenden, an der Untersuchung teilzunehmen, erwies sich als relativ gering. Auffallend war, dass sich viele eher vorstellen konnten, einzeln interviewt zu werden, als an einer Gruppendiskussion teilzunehmen. Mehrere Studierende gaben an, dass eine Teilnahme an den Gruppendiskussionen für sie aus terminlichen Gründen nicht möglich sei. Die flexible zeitliche und örtliche Festlegung der Einzelinterviews war somit 39 Studierende gelten ab dem Zeitpunkt, zu dem sie ein für die Diplomarbeit zu bearbeitendes Thema offiziell angemeldet haben, als Diplomanden. Auch Studierende, die bereits alle Lehrveranstaltungen des Studiums abgeschlossen haben und sich in der Phase der Themenfindung befinden, wurden in die Grundgesamtheit einbezogen. 40 Die Zulassung zum Magisterstudium setzt den Abschluss des Bakkalaureatsstudiums Publizistik- und Kommunikationswissenschaft bzw. den Abschluss eines anderen fachlich in Frage kommenden Bakkalaureatsstudiums voraus. In: http://spl.univie.ac.at/index.php?id=4229, abgerufen am 07.03.2008. 41 In weiterer Folge wird für beide Gruppen der Begriff Diplomanden verwendet. 18