KLIMA-WANDEL ALS GEFAHR ENERGIE-WENDE ALS CHANCE



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2008 Magazin der Mütter gegen Atomkraft e.v. Preis 1,50 EUR KLIMA-WANDEL ALS GEFAHR ENERGIE-WENDE ALS CHANCE

3 EDITORIAL Albträume haben den Vorteil beim Aufwachen zu verschwinden, eben weil es sich nur um Träume handelt. Verfi lmte Horrorvisionen sind vielleicht Kassenschlager, in der Wirklichkeit kommen wir sehr gut ohne sie aus. Schrecken erregende Informationen schieben wir gerne beiseite, spalten ihre Bedrohung gewissermaßen von unserem eigenen Handeln ab. Klar, wir wissen, dass viele Energiequellen in absehbarer Zeit erschöpft sein werden. Aber müssen wir deshalb schon mit dem Energiesparen anfangen? Müssen wir tatsächlich soviel Geld ausgeben für ein weltweites Netz an erneuerbaren Energien anstatt mit den bisherigen weiter zu wursteln allen Risiken zum Trotz? Putin, Sarkozy oder Bush tun s doch auch, warum sollen ausgerechnet wir die Atomreaktoren einmotten? Was würde mit dem geschundenen Globus passieren, wenn es uns, die Menschheit, nicht mehr gäbe? Nicht durch langsames Absterben oder regionale Katastrophen, sondern insgesamt und schlagartig. Dieses Szenario ist für den amerikanischen Autor Alan Weisman die zugegebenermaßen sehr fi ktive Ausgangslage seiner Zukunftsvision. Doch belegt er seine Was-wärewenn-Reise durch alle Kontinente immer mit gesicherten Forschungen und Aussagen von Wissenschaftlern verschiedener Sparten wie Geologen, Botanikern, Astrophysikern oder Statistikern. So ist es spannend mit zu verfolgen, was von unseren Taten und Werken wie lange überdauern kann. Kurz gesagt: Dort, wo wir uns die Erde am intensivsten untertan gemacht haben, in den Dschungeln der Großstädte, wird sie am raschesten von den Naturgewalten wieder zerstört. Die U-Bahnschächte New Yorks sind ohne elektrische Pumpen bereits nach zwei Tagen überfl utet, die Fundamente der Wolkenkratzer unterspült, durch Blitzschlag ausgelöste Brände erledigen den Rest. Ähnlich würde es den Atomreaktoren ergehen. Denn schon nach 7 Tagen ohne Treibstoffvorrat bricht deren Kühlkreislauf zusammen und die Kernschmelze fi ndet unge hindert statt. Aber es geht dem Autor bei seiner Beschreibung Die Welt ohne uns gar nicht um eine Abfolge von Schreckensbildern, die den Leser nur abstumpfen lassen. Es klingt vielmehr tröstlich, dass die Natur, also das inhumane Leben, sich vielfältiger und üppiger gestaltet, wenn sie uns und unsere technischen Errungenschaften erst mal abgeschüttelt hat wie einen lästigen Ausschlag. Ihre Cornelia Stadler Alan Weisman. Die Welt ohne uns Reise über eine unbevölkerte Erde 378 Seiten, Piper Verlag 2007, 19,90

4 INHALT Editorial Eine Welt ohne uns... 3 Klima + Energie Geothermie Wärme aus der Erde... 5 EU verlangt mehr erneuerbare Energie... 7 Zauberwort: Vernetzte Öko-Energie bringt Versorgungssicherheit... 8 Hartes Ringen in Bali Bericht von der Klima-Konferenz im Dezember 07... 10 Energiekosten sind größte Preistreiber... 12 Stromwechsel ja aber wohin? Preisvergleich der Ökostrom-Anbieter... 13 Fliegen für die Umwelt tolle Projekte am Gymnasium Gars/Inn... 14 Fördergelder für Energieeffizienz: neue Broschüre... 15 Atomkraft + Uranwaffen VGH-Urteil: längere Laufzeit für Biblis und Brunsbüttel abgelehnt... 16 Wandel eines Medienstars zum Siemens-AKW-Freund... 18 50 Jahre Atomreaktor Garching kein Grund zum Jubeln... 19 TU Garching lässt Plakate abhängen... 20 Bayern ein Bollwerk der Atomwirtschaft... 21 Offener Brief an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel... 23 Kinderspiele im tödlichen Staub... 25 Todesstaub Impressionen zum Film... 27 Kinder + Krebs Wunschtraum eines Kindes... 29 Transparenz beim Spenden sammeln: Aktion Kinder von Tschernobyl... 30 Lauter gute Ideen zum Fundraising... 31 Gleiche Rechte für Frauen und Männer beim Strahlenschutz?... 32 Wie ein Fels in der Brandung: der lange Weg zur Kinder-Krebs-Studie... 34 Gruppen + Mitglieder + Vorstand Geburtstagsgrüße an Gudrun Pausewang... 37 Gruppen berichten aus: Fürstenfeldbruck... 38 Petershausen... 39 Bielefeld... 40 Mangfalltal...41 Nürnberg...41 Neubiberg und Ottobrunn... 42 Pfaffenhofen/Ilm... 44 Unterschleißheim und Haimhausen... 45 Vorstands-Aktionen: Tschernobyltag in München... 47 Wir engagieren uns: Freiwilligen-Messe im Gasteig... 47 Unser neuer Vorstand 2007/08... 48 Veränderung im Büro: von Helga zu Sieghild... 48 Pressemitteilung zur KiKK-Studie von Gina Gillig... 48 Astrid Nielsen zum 100. Geburtstag... 50 Impressum Beitrittserklärung + Spendenkonto... 50

Klima + Energie 5 GEOTHERMIE WÄRME AUS DER ERDE von Dr. Franz Sengl, GEO4- Gesellschaft für Geotechnik und Geophysik mbh, Landstraße 1, 82131 Oberbrunn, www.geo4.de Foto: stormfire/www.pixelio.de Für eine wirklich sinnvolle Nutzung der Tiefengeothermie braucht es nicht nur Investoren, sondern Stadtoder Kommunalwerke in öffentlicher Hand, die nicht ausschließlich aufs Geld schauen, sondern wirklich daran interessiert sind, den Klimawandel aufzuhalten und gleichzeitig ihre Bürger mit günstiger und sauberer Energie versorgen wollen. Geysir auf Island sichtbare Energie Das Innere der Erde ist heiß. Die Menschheit weiß das schon lange, insbesondere das christliche Abendland mit seinen fantasiereichen Vorstellungen von einem ewigen Höllenfeuer, das irgendwo unter uns brennt. Wie heiß es da unten wirklich ist, das ist den wenigsten bewusst. 99 Prozent unseres Planeten sind heißer als 1000 Celsius und das restliche eine Prozent unseres Erdballs ist immer noch heißer als 100 C. Warum man diesen Umstand nicht schon lange als Energiequelle nutzt, hat viele Ursachen. Wäre man ein alternativer Verschwörungstheoretiker, könnte man glauben, dass der Teufel in den Aufsichtsräten der großen Energiekonzerne hockt. Im Verein mit den anderen Managern hat er bis jetzt verhindert, dass sein Höllenfeuer statt zur Unterdrückung von Gläubigen als einfache, saubere, grundlastfähige und notwendigerweise dezentrale Energiequelle genutzt wird. Das Heimatland der geothermischen Nutzung ist Island. Was natürlich daran liegt, dass es dort überall heiße Quellen, Geysire und Vulkane gibt. Trotzdem beginnt auch in Island die Geschichte der technischen Nutzung der Geothermie erst in den 1920er Jahren. Vorher wurde alles mit Kohle geheizt und entsprechend rußig war der Himmel über Reykjavik. Heute ist der Himmel blau und der Schnee weiß. Mit Ausnahme des Autoverkehrs wird Island zu nahezu 100 Prozent mit Energie (Wärme und Strom) aus der Erde versorgt. Sogar das Schneeräumen sparen sich die Isländer: In Reykjavik werden die Straßen und Gehsteige im Winter beheizt, geothermisch versteht sich. Bei uns ist die Nutzung der Geothermie nicht ganz so einfach wie in Island. Doch gemessen am Aufwand, der für Förderung und Transport von Erdöl und Ergas getrieben wird, ist sie weder ein technisches noch ein logistisches und auch kein finanzielles Problem. Vom Aufwand, der schon für ein mittleres Atomkraftwerk notwendig ist, gar nicht zu reden. Die geologischen Voraussetzungen Im Prinzip kann man die Erdwärme überall nutzen. Besonders günstig sind die geologischen Voraussetzungen in Südbayern, sehr vereinfacht stellt sich die Situation hier ungefähr so dar: Zwischen dem Alpennordrand und der Donau erstreckt sich das Molassebecken. Ein Absenkungsbereich, der den Verwitterungsschutt (Molasse) seit dem Ende der Kreidezeit (ca. 70 Mya) von den aufsteigenden Alpen aufnahm (und immer noch aufnimmt). An der Basis der Molasse liegt eine mehrere hundert Meter mächtige Schicht aus Kalk. Dieser Kalk war am Ende der Kreidzeit landfest und ist damals verkarstet, d.h. er enthält viele Hohlräume, die mit Wasser gefüllt sind. Weil das Molassebecken ein Absenkungsbereich ist und der Kalk, der nördlich der Donau die heutige Landoberfl äche, die Fränkische Alb, bildet, ziemlich steil nach Süden hin abtaucht unter München liegt er bereits über 3 km tief ist dieses Wasser heiß. Wie heiß, das ist abhängig von der Tiefenlage des Kalkes. So ergibt sich für die Tiefengeothermie ein günstiger Bereich mit einer Nordgrenze knapp nördlich von München = Wasser noch nicht zu kalt und einer Südgrenze etwa südlich von Seeshaupt = Kalk noch nicht zu tief.

6 Klima + Energie und wie man sie nutzen kann Bohrt man nun innerhalb dieses günstigen Bereiches bis in den Kalk, so trifft man mit großer Wahrscheinlichkeit auf heißes (85 130 C) Wasser, das deswegen und nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren bis fast an die Oberfl äche ansteigt. Aufbau Schema unseres Erdballs man aus früheren Erdölversuchsbohrungen gewonnen hat. Das Molassebecken ist nämlich auch für Erdöl und Erdgas ein höffiges Gebiet und wurde daher vor allem in den 60er und 70er Jahren intensiv erkundet. Da man viel weniger gefunden hat als erhofft, lassen sich die Erdölfirmen wenigstens ihre alten Daten vergolden und brauchen trotzdem oft Monate bis sie welche herausgeben. Quelle: www.leifi.physik.uni-muenchen.de Wo keine Daten vorliegen, macht man auch neue Messungen, wie kürzlich die Stadt München auf der Panzerwiese. Man benötigt aber nicht nur eine Bohrung zum Fördern des Wassers, sondern auch eine 2. zum Wiedereinleiten in den Kalk. Beide Bohrungen müssen fündig sein. Die Bohransatzpunkte legt man so nahe wie möglich zusammen, die Leitungen vom und zum Wärmetauscher sollen ja so kurz wie möglich sein. Damit man nicht das eigene, abgekühlte Wasser wieder fördert, lenkt man die Bohrungen dann in einer Tiefe von mehreren hundert Metern so ab, dass die Endpunkte mindestens zwei Kilometer auseinander liegen. Hört sich einfach an, ist aber schwierig und es gibt auf der Welt nur eine Handvoll Bohrfi rmen die so tiefe Löcher überhaupt bohren können. Und die sind im Moment alle auf lange Zeit ausgebucht und entsprechend teuer, weil überall wie wild nach Erdöl gebohrt wird. Beim momentanen Marktpreis lohnt es sich sogar, Öl mit kochendem Wasser aus den Ölschiefern in Alberta/ Canada auszutreiben. Als gäbe es kein Morgen. Tiefenwärme nicht sinnlos verschleudern Ob man genug Wasser antrifft, hängt von der Verteilung der Karsthohlräume und der tektonischen Störungen im Kalk ab. Um das Fündigkeitsrisiko zu minimieren, wertet man die vielen vorliegenden seismischen Daten aus, die Alle lieben Wärme Foto: Koch/www.pixelio.de Die beiden Bohrungen (geothermische Dublette) kosten im Moment zwischen 8 und 12 Millionen Euro. Und die Preise steigen (siehe oben). Aber es ist nicht nur so, dass nur ganz wenige so was können, man darf überhaupt nur bohren, wenn man das Bergrecht besitzt. Das Bergrecht wird vom Wirtschaftsministerium auf Zeit vergeben. Man muss dazu einen Antrag einreichen, in dem man glaubwürdig nachweist, über die notwendigen technischen und fi nanziellen Mittel und das Fachwissen zu verfügen. Die Bergrechte in dem oben beschriebenen, günstigen Bereich zwischen München und Seeshaupt sind (fast) alle vergeben. Nur ein paar Gemeinden haben sich die

Klima + Energie 7 Rechte auf ihren Gebieten gesichert, der Rest ging, von der Öffentlichkeit fast unbemerkt, an irgendwelche Investoren und natürlich an isländische Firmen. Ein Investor ist darauf aus, sein Geld zu vermehren und das kann er am besten durch geothermische Stromerzeugung. Da braucht man nur die Dublette und eine Dampfturbine und bekommt über das EEG sehr gute Preise. Das Kraftwerk läuft Tag und Nacht (Geothermie ist im Gegensatz zu anderen alternativen Energien grundlastfähig) und kostet gerade mal ca. 30 Millionen Euro, wenn der Eigentümer sich den langwierigen und teuren Aufbau eines Fernwärmenetzes spart. Das Wasser muss zwar für die Wiedereinspeisung unbedingt gekühlt werden und dafür wäre eigentlich ein Fernwärmenetz der ideale Abnehmer, aber ein Kühlturm tut s auch und den kriegt man in Bayern auch im Außenbereich genehmigt. Dass man dabei die Atmosphäre direkt aufheizt (statt über CO 2 -Umweg) ist zwar irgendwie unangenehm, aber nicht für den return on invest. EU verlangt: DEUTSCHLAND MUSS ÖKO-ENERGIE STEIGERN Barroso: Anteil erneuerbarer Energien verdreifachen Nach den Klimaschutzplänen der EU-Kommission soll Deutschland bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien verdreifachen. Kernforderung des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso: Künftig sollen 18 Prozent der gesamten deutschen Energieversorgung aus Öko-Quellen stammen. Gleichzeitig soll die Bundesrepublik ihre Treibhausgas-Emissionen erheblich senken. Die Pläne sehen vor allem für Kraftwerke und Fabriken Verschärfungen vor. Sie sollen zwischen 2013 und 2020 ihre Emissionen um 21 Prozent mindern. Im übrigen Energieverbrauch, also im Verkehr, in Gebäuden, in der Abfallund Landwirtschaft sollen die deutschen Emissionen gegenüber 2005 um 14 Prozent zurückgehen. Mit den Vorgaben will die EU erstmals ihre Klimaziele mit Zahlen unterlegen, aufgeschlüsselt für jeden Mitgliedsstaat. Das ist das weitestreichende Klimaschutzpaket, das in der Welt existiert, sagte Barroso. Die Kosten blieben überschaubar, jeder Bürger müsse wöchentlich drei Euro aufbringen. Die Kosten des Nichtstuns würden weitaus höher liegen. Die EU hatte sich vor gut einem Jahr verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um ein Fünftel zu senken. Sollten andere Industriestaaten mitziehen, will die Union den Ausstoß um 30 Prozent mindern. Der Anteil erneuerbarer Energien soll EU-weit auf ein Fünftel steigen. Vor allem für die Industrie dürften die neuen Vorgaben Folgen haben. Von 2013 an erlaubt die EU ihnen weit weniger Treibhausgas-Emissionen als bisher, Brüssel wird die Menge der Emissionsrechte entsprechend verknappen. Auch sollen Kraftwerke die Rechte nicht mehr kostenlos erhalten; sie müssen sie ersteigern. Die deutsche Industrie warnte vor Milliardenkosten, vor allem durch höhere Strompreise. Auf Drängen unter anderem Deutschlands sollen einzig energieintensive Industrien die Zertifi kate weiter kostenlos erhalten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sprach in Berlin von José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission einem ambitionierten und mutigen Paket. Die Vorgaben entsprächen weitgehend den Zielen, die sich Deutschland selbst mit seinem eigenen Klimapaket gegeben habe. Allerdings dürften die Verhandlungen angesichts der vielen Verteilungsfragen und etlicher Zauderer nicht einfach werden. Sowohl unter den Mitgliedsstaaten als auch im Europa-Parlament braucht das Paket eine Mehrheit. Kritik kam dagegen von Umweltverbänden und Grünen. Umweltverbände kritisierten, dass die EU nicht gleich die ehrgeizigere Zielmarke von minus 30 Prozent angepeilt habe. Auch fehlten Sanktionen, sollten Staaten die Ziele verfehlen. Quelle: SZ vom 24.1.2008

8 Klima + Energie ZAUBERWORT: VERNETZTE ÖKO-ENERGIE Ein angeblich unschlagbares Argument der Kraftwerksgiganten ist seit Herbst 2007 endgültig widerlegt: Die Stromversorgung in Deutschland sei abhängig von einer zuverlässigen Erzeugung durch fossile oder atomare Kraftwerke. Ein Modellversuch beweist, auch hierzulande lässt sich der Strombedarf einer Kleinstadt Tag und Nacht mit alternativer Energie decken. Dafür haben Wissenschaftler des Instituts für solare Energieversorgungstechnik (Iset) in Kassel mehrere regenerative Energie-Anlagen zusammengeschlossen. Mit Erfolg. Jetzt sind weitere Projekte geplant. Auslöser des Versuchs war der Energiegipfel von Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2006. Die meisten Teilnehmer sagten, erneuerbare Energien hätten nicht ausreichend Potential und ließen sich nicht für Vollleistung miteinander verbinden, erinnert sich Ulrich Schmack, Vorstandsvorsitzender von Schmack Biogas. Es hieß, das Netz brauche herkömmliche Kraftwerke, um Ausfallzeiten insbesondere bei der Windkraft auszugleichen. Für die Vertreter der Unternehmen Solarworld (Sonne) Enercon (Windkraft) und Schmack (Biogas) war klar: Sie mussten beweisen, dass sie rund um die Uhr ausreichend Strom produzieren können. Sie holten Kurt Rohrig, Bereichsleiter des Forschungsbereichs Information- und Energiewirtschaft am Iset, ins Boot. Bei ihm liefen alle Fäden und Datenleitungen zusammen. Das gemeinsame Ziel war, die ständige Versorgung eines Zehntausendstels des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu garantieren. Das entspricht dem Bedarf einer Kleinstadt mit 12000 Haushalten. Kombikraftwerk über große Distanzen Das Team aus Wissenschaft und Praxis vernetzte Kraftwerke aus den Bereichen Wind, Sonne, Biogas und Wasser zu einer Einheit mit einer installierten Leistung von 23,1 Megawatt. Wir waren überrascht, dass es mit der vorhandenen Kommunikationsstruktur relativ einfach ging, sagt Rohrig. Denn die Anlagen stehen weit voneinander entfernt. Das Kombikraftwerk erstreckt sich von der Nordseeküste bis Donaueschingen. Es besteht aus drei Windparks, Gemeinsam sind wir stark auch als weltweite Energieverbraucher. 20 Photovoltaik- und vier Biogasanlagen. In Kassel berechnet ein Computer, welches Kraftwerk wie viel Strom beisteuert. Um planen zu können, erhalten die Wissenschaftler Prognosen über den benötigten Strom und das Wetter. Auf dieser Basis kalkulieren sie, welchen Ertrag Wind- und Solarkraftwerke liefern werden. Wir erstellen daraus einen Fahrplan für die Biogasanlagen, denn die springen ein, wenn der Strom aus Wind- und Sonnenenergie nicht ausreicht, erklärt Rohrig das Prinzip. Die Betreiber bekommen damit Richtwerte, wie stark sie ihre Anlage auslasten. Der tatsächliche Wert kann um ein paar Prozent abweichen, falls die Prognosen nicht voll zutreffen. Aber das sei kein Problem. Dieses System reagiert innerhalb von Sekunden und fordert bei Bedarf zusätzlichen Strom von den Biogas-Kraftwerken an. Immer dann, wenn Wind und Sonne nicht genug liefern. Manchmal liefern die aber eher zu viel Energie. Für diesen Fall hat das Iset ein Pumpspeicherkraftwerk simuliert. Foto: Stephanie Hofschläger www.pixelio.de

Klima + Energie 9 Wasserspeicher als zusätzliche Reserve Dabei wird mit dem überschüssigen Strom Wasser in einen Stausee gepumpt und so diese Energie gespeichert. Bei Bedarf können die Energieversorger daraus wieder Strom gewinnen. Die Initiatoren achteten nicht nur darauf, ständig Strom zu erzeugen, sondern auch auf dessen Wirtschaftlichkeit. Da Windstrom derzeit noch günstiger ist als Sonnenstrom machen die Windanlagen mit einer installierten Leistung von 12,6 Megawatt mehr als die Hälfte im vernetzten Kraftwerk aus. Die Produktion von einer Kilowattstunde Strom kostet im Kombikraftwerk acht bis neun Cent, bei einem Kohlekraftwerk mit CO²-Abscheidung sind es acht Cent, sagt Rohrig. Damit ist das Kombikraftwerk konkurrenzfähig. Für eine fl ächendeckende Versorgung ist es dennoch zu früh. Das Problem: Es fehlen Speicher. Zehn Gigawatt wären nötig, sechs sind vorhanden. Platz für weitere Stauseen gibt es nicht. Die Branche setzt daher auf andere Techniken. Eine Möglichkeit ist, Druckluft in unterirdische Kavernen zu pressen, und bei Bedarf Strom daraus zu gewinnen. Auch Pumpspeicherkraftwerke im Ausland, zum Beispiel in Norwegen, sollen ins System integriert werden. Misstrauisch reagierten die Betreiber der Großkraftwerke wie Vattenfall auf den Modellversuch. Dennoch wird weiter experimentiert, auch von großen Energiekonzernen. So beteiligt sich Vattenfall am Projekt Regeneratives Kombikraftwerk Harz. Dieses will die gesamte Region mit Strom aus erneuerbarer Energie versorgen. Die Politik braucht Forschungsprojekte. Immerhin will die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 ein Fünftel des Bedarfs aus regenerativen Quellen decken. Rohrig denkt noch weiter: Bis 2050 sollte ganz Deutschland mit dem sauberen Strom versorgt werden. Unrealistisch ist das nicht, zumal eine Energiequelle bei diesem Projekt noch gar keine Rolle gespielt hat die Geothermie. Vor allem in der Erde schlummert ein riesiges Potential, insbesondere um die Grund last sicherzustellen. Quelle: SZ-Erneuerbare Energien vom 5.3.2008 Foto: Mensi/www.pixelio.de Die Kraft der Sonne genutzt!

10 Klima + Energie HARTES RINGEN UM DIE GLOBALE ZUKUNFT UN-Klimakonferenz 2007 in Bali von Christina Hacker Vom 3. bis zum 14. Dezember 2007 hat die Weltklimakonferenz in Bali, Indonesien, getagt. Circa 12.000 Vertreter/innen aus der ganzen Welt haben sich in dieser Zeit mehr oder weniger bemüht, das Weltklima zu retten. Lange sah es so aus, als würde die Konferenz scheitern, nicht zuletzt am nachhaltigen Blockieren vor allem der USA. Schließlich endete die Konferenz doch noch mit einem Erfolg: Im allerletzten Moment, am Verlängerungstag der Konferenz, lenkten die USA ein und es kam wenigstens noch zu einem Kompromiss. Das Umweltinstitut München e.v. hat an dieser UN-Konferenz mit den Mitarbeiterinnen Karin Wurzbacher und Christina Hacker teilgenommen. Nachfolgend ein Bericht ihrer Aktivitäten vor Ort: Eingeladen von der holländischen NGO Women in Europe for a Common Future (WECF) hat das Umweltinstitut München an der Konferenz mit einer Ausstellung teilgenommen. Unser Thema: Nuclear energy is not a solution for climate change. Mit Postern, unserem Flyer Klimaretter Atomkraft? Mit Volldampf in die Katastrophe, der auch in Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch zur Verfügung stand, und ausführlichen Infos (factsheets) zu speziellen Themenbereichen vom Uranabbau bis zur End lagerung von Atommüll haben wir die Delegierten, die Medien und andere interessierte Teilnehmer/innen darüber informiert, dass die Atomenergienutzung das Klima nicht retten kann, im Gegenteil. In vielen Gesprächen, Fernsehund Radiointerviews konnten wir unsere Positionen darlegen und kontrovers diskutieren. side-events kam es in der Regel zu heftigen Wortwechseln und Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Kritikern. Oftmals knüpften Zuhörer/innen im Anschluss Kontakte mit uns und waren sehr an unseren Infos interessiert. Großes Interesse Das Interesse an unserem Infostand war groß, da wir die einzigen waren, die Atomkraftnutzung im Zusammenhang mit dem Klimawandel kritisch beleuchtet haben. Unter anderem gaben wir auch Interviews für Fernsehteams, wie z. B. den Nachrichtensender Al Jazeera Network und für ein kanadisches Filmteam, das mit einem Video Jugendliche an das Thema kritisch heranführen will. Indonesischer Widerstand Als anti-nuclear experts wurden wir von einer Gruppe indonesischer Atomkritiker MANUSIA zu einem Treffen eingeladen: Sie waren interessiert an unserer Erfahrung, denn Deutschland wird als Ausstiegsland ein gewisser Respekt gezollt. Foto: privat Kritisch eingemischt haben wir uns in mehreren so genannten sideevents, u.a. von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA oder der World Nuclear Association WNA. Allerdings versuchten die Veranstalter, unsere Beiträge abzuwürgen oder uns gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Vor allem nach den Wurzelverästelung des exotischen Baumes auch ein Sinnbild weltweite ökologische Beziehungen.

Klima + Energie 11 Im Gegenzug haben sie von ihrer Arbeit und ihren Aktivitäten erzählt, da ihr Land als aufstrebende Wirtschaftskraft auf Atomenergie setzt. Es sei sehr schwierig, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Atomkraft nicht die Lösung der Energieprobleme sein kann. Mit allen Mitteln werde versucht, sie als sauberen Klimaretter zu verkaufen. Wir haben gerne unsere Unterstützung zugesagt und werden ihnen weiterhin mit Fachinformationen zur Seite stehen. the climate zur Verfügung. Für die Presse war die Spontan-Aktion offenbar eine willkommene Abwechslung: Das Medieninteresse war enorm, unzählige Kamerateams drängten sich um uns, viele Interviews wurden gegeben, u. a. zeichnete auch ein französischer Radiosender ein Interview auf. Die Aktion fand sogar Eingang auf den offi ziellen Web-Seiten der UNFCCC. (http://unfccc.int/meetings/cop_ 13/items/4231.php) Foto: privat Unser Side-Event Im Vorfeld der Konferenz hatte WECF neben der Ausstellung auch ein side-event zum Thema Sicherheit in Atomkraftwerken beantragt, das aber wegen der Fülle der Bewerbungen nicht bewilligt wurde. Um so mehr freuten wir uns, als es uns schließlich vor Ort doch noch gelang, ein side-event mit dem Thema Regio nal experience and information on nuclear energy scientists, witnesses and activists speak out zu organisieren. Neben unserer Physikerin Karin Wurzbacher referierten Natalia Manzurowa, Radiobiologin und Liquidatorin in Tschernobyl, Svitlana Slesarenok, ehemals Anwoh nerin eines Uranabbaugebietes in der Ukraine und Claire Greensfelder, energiepolitische Aktivistin aus den USA. Spontan-Demo Während der Diskussion des sideevents kam die Idee auf, kurzfristig eine Demonstration zu organisieren, um öffentlichkeitswirksam auf Atomkraft und Klimawandel aufmerksam zu machen. Vertreter/innen verschiedener NGOs trafen sich am folgenden Tag und verfassten eine gemeinsame Presseerklärung zur Aktion, die Organisation WISE Amsterdam stellte uns ihre Banner Don't nuke Das steil aufragende Thermometer hat die Delegation von Greenpeace aufs Gelände der Klimakonferenz gestellt. Beim Side-Event saßen auf dem Podium: Karin Wurzbacher von den Müttern gegen Atomkraft e.v., Christina Hacker vom Umweltinstitut München und Natalia Manzurova, Radiobiologin und Zeitzeugin für die Opfer von Tschernobyl, daneben ein Übersetzer (v. links) Foto: privat

12 Klima + Energie Japanische Mogelpackung Als im Laufe der Verhandlungen bekannt wurde, dass Japan die Atomkraft als Clean Development Mechanism (CDM) anerkannt haben will, wiesen wir auf die Unsinnigkeit des Ansinnens hin: In der die Konferenzbegleitenden, täglich erscheinenden NGO-Zeitung eco news letter konnten wir einen Artikel dazu platzieren, in dem wir die Delegierten der Konferenz aufforderten, dies keinesfalls zuzulassen. Nicht nur vor Ort, auch zuhause thematisierten wir dies in einer Pressemitteilung. Einbringen konnten wir diese Forderung auch in einem Beitrag der Gender-Aktivistinnen women for climate justice: Zusammen haben wir einen Appell gegen die Atomkraftnutzung an den Präsidenten der Konferenz und die Delegierten verfasst. Darin haben wir Japans Vorstoß, Atomkraft als CDM anzuerkennen, als schädliches Signal an die Welt kritisierten. Beeindruckende Erfahrung Ob man die Konferenz nun als Erfolg oder als Kompromiss auf kleinstem gemeinsamen Nenner einstuft, für uns Anwesende war sie bis zuletzt spannend. Am vorletzten Abend kam Al Gore und hielt eine fl ammende Rede für den Klimaschutz und gegen seine eigene Regierung. Sein Beitrag war viel beachtet, hatte er doch unmittelbar zuvor zusammen mit Rajendra Pachauri, Leiter der IPCC-Klimastudien (International Panel on Climate Change), den Friedensnobelpreis in Oslo entgegengenommen. Einen Tag zuvor hatte sich Dr. Pachauri von Oslo aus per Video mit einem dringenden Appell an die Delegierten gewandt, der Konferenz zum Erfolg zu verhelfen. Um die Ernsthaftigkeit zu unterstreichen, kam auch er überraschend persönlich nach Bali und bekräftigte Al Gore s Engagement. Vielleicht haben sie damit dazu beigetragen, die Konferenz zumindest nicht scheitern zu lassen. Das Interesse an unseren Beiträgen hat uns bestätigt, dass das Thema Atomkraft und Klima top-aktuell ist. Deshalb werden wir auch weiterhin die falschen Argumente der Atomlobby entlarven und uns dafür einsetzen, die riskante Atomenergienutzung weltweit zu stoppen. Weiteres Info-Material zur Bali-Konferenz finden Sie unter: http://umweltinstitut.org/weltklimakonferenz-2007/allgemeines/factsheets_deutsch-549.html Die Ergebnisse der Konferenz finden Sie auf der Website des UN-Klimasekretariats UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change): http://unfccc.int/meetings/cop_13/items/4049.php ENERGIEKOSTEN sind die größten Preistreiber Die Verbraucherpreise steigen weiter an. Die jährliche Teuerungsrate lag im Februar bei 2,8 Prozent und war damit ebenso hoch wie im Januar 2008. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren vor allem die Energiekosten Preistreiber. Sie waren deutlich höher als ein Jahr zuvor. Obwohl die Ausgaben für Energie nur rund zehn Prozent der Ausgaben der Deutschen ausmachen, sind sie für rund ein Drittel der Preissteigerungen verantwortlich. Auch die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke erhöhten sich im Februar gegenüber dem Vorjahresmonat überdurchschnittlich, nämlich um 7,4 Prozent. Quelle: tagesschau.de und steigt und steigt und steigt: der Preis für Sprit und sonstige Energie Foto: BirgitH/www.pixelio.de

Klima + Energie 13 STROMWECHSEL JA ABER WOHIN? Jeder dritte Stromkunde in Deutschland will einer Umfrage zufolge bei der nächsten Strompreiserhöhung den Anbieter wechseln. 36 Prozent der Befragten hätten sich in diesem Fall wechselwillig gezeigt, erklärte das Marktforschungsinstituts Mindline Energy und der Energie Informationsdienst (EID). Über 60 Prozent der Deutschen ist demnach beim Wechsel der Preis wichtiger als die Umweltfreundlichkeit. Nur bei rund 30 Prozent der Befragten steht der Ökostrom an erster Stelle, ergab die Umfrage. Besonders unzufrieden mit den Preiserhöhungen sind die Menschen in Ostdeutschland, hier wollen 45 Prozent eine weitere Preiserhöhung nicht mehr tatenlos hinnehmen. Rund 57 Prozent der wechselwilligen Verbraucher vertrauen bei Ökostrom eher neuen und kleineren Anbietern. Die großen, etablierten Stromkonzerne halten nur 32 Prozent für vertrauenswürdig. Nach einer Studie des unabhängigen Branchendienstes Verivox vom Dienstag sind die Strompreise in Deutschland seit 2005 um 16,6 Prozent gestiegen. Besonders teuer ist der Strom demnach in Ostdeutschland. EWS Schönau www.ews-schoenau.de LichtBlick www.lichtblick.de Greenpeace Energy PREISVERGLEICH Wir empfehlen folgende, unabhängige, bundesweite Ökostromanbieter: Preis 1500 kwh/jahr 3000 kwh/jahr Grundpreis 6,90 /Monat kwh 21,20 ct 5000 kwh/ Jahr 400,80 718,80 1.142,80 Grundpreis 7,95 /Monat kwh 20,25 ct 399,15 702,90 1.107,90 Grundpreis 8,90 /Monat www.greenpeace-energy.de kwh 19,80 ct 403,80 700,80 1.096,80 Naturstrom AG Grundpreis 7,95 /Monat www.naturstrom.de kwh 20,25 ct 399,15 702,90 1.107,90 Wir lehnen E.ON, EnBW (yello), Vattenfall und RWE ab, weil diese Stromanbieter Atom- und Kohlekraftwerke betreiben zum Beispiel: Grundpreis 7,00 /Monat kwh 18,50 ct 361,50 639,00 1.009,00 E.ON Bayern Basis-Power Mehrkosten billigster Ökostrom zu E.ON Basis-Power/Jahr Stand: 05.01.2008 Zusammenstellung Doris Stadler. 37,65 61,80 87,80 MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT e. V. Frohschammer Str. 14, 80807 München, Tel./Fax 089/355653, www.muettergegenatomkraft.de ENTWICKLUNG NEUER ÖKOSTROMKUNDEN Kunden Okt. 2006 Kunden Jan./Febr. 2008 EWS 36.000 68.000 Greenpeace energy 58.000 80.000 Naturstrom 11.000 23.000 Lichtblick 207.000 400.000 (mit Gaskunden) Die Hotline zur Beratung über Stromwechsel von Atomausstiegselber-machen lautet: 0800-7 62 68 52 (werktags 9.00 17.00 Uhr)

14 Klima + Energie FLIEGEN FÜR DIE UMWELT Ein Paradoxon, das für unsere Schule stimmt von Martin Kern, Gymnasium Gars am Inn Begonnen hat alles mit einem Artikel in der Zeitschrift Schrot und Korn. Dort wurde die Firma Atmosfair vorgestellt, die wie viele andere Institutionen CO 2 -Zertifi kate für Flugreisen verkauft (siehe www.atmosfair. de). Das Ziel, CO 2 - bzw. klimaneutrale Flugreisen zu ermöglichen wird über eine Berechnung der Flugstrecke, Flughöhe und der Anzahl der Zwischenlandungen erreicht. Der Käufer eines für seine Flugreise individuell angepassten Zertifi kats kann davon ausgehen, dass die von ihm durch die Flugreise produzierte Menge CO 2 anderswo in der Welt eingespart wird. Kritiker dieser angeblich klimaneutralen Reisemöglichkeit gibt es natürlich ebenso viele wie Befürworter. In diesem Artikel jedenfalls wurde erwähnt, dass atmosfair seit einem Jahr auch Schulen bei ihren Bemühungen, CO 2 einzusparen, fi nanziell unterstützt. Dies hat mich als AK-Umwelt Betreuer natürlich auf den Plan gerufen und nach ein paar E-Mails und Telefonaten war klar, unsere Schule wird die erste in Bayern geförderte sein. Zunächst musste sich der AK in mehreren Sitzungen klar werden, wie mit einem vertretbaren Einsatz möglichst viel erreicht werden kann. Somit entstand eine lange Liste mit Aktionen, die eher nach zwei als nach einem Schuljahr aussah. Im Folgenden sollen die wesentlichsten Punkte dieser Liste vorgestellt werden. An einem Pädagogischen Tag in der Schule, bei dem Lehrer, Schüler und auch Eltern teilnehmen konnten, wurde unter anderem das Thema Energiesparen am Gymnasium diskutiert. Dazu wurde auch eine Kollegin aus München, die bereits erfolgreich an ihrer Schule Energiesparmaßnahmen durchgeführt hat, eingeladen, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Am Weihnachtsbazar der Schule konnte der AK-Umwelt einen Info- Stand organisieren, an dem Lose mit Energiespartips verkauft wurden. Um die Temperaturen in den Räumen festzustellen wurden von dem zugesagten Geld Thermometer angeschafft, mit denen alle Klassen Messungen durchgeführt haben. Ein Umwelt-Logo wurde von einem Mädchen des AK-Umwelt entworfen, das auf allen Schreiben an die Schüler und Lehrer zu fi nden ist. Dieses Logo wird demnächst im Schulhaus auf jeden Lichtschalter Foto: privat Der Umwelt-Arbeitskreis des Gymnasiums Gars/Inn bekommt die E-Spar-Box. (von links) Alexandra Finke (11. Klasse), gestaltete das Logo, Umweltberater Kaltenhauser-Barth, Andrea Heimann (11. Klasse), Hans Putzer von E.ON, Susanna Mittermair (10.Klasse), AK-Leitung, Oberstudiendirektor Gunter Fuchs (Schulleiter), Julia Dotzauer (11. Klasse), AK-Leitung Michael Bader (10. Klasse), Betreuungslehrer Martin Kern ist selbst nicht auf dem Foto.

Klima + Energie 15 angebracht, der nicht eindeutig einer Lampe zuzuordnen ist. Damit soll unnötiges und energieintensives Ein- und Ausschalten der Raumbeleuchtungen vermieden werden. Professionelle Unterstützung konnten zwei Energieberater geben, die unser Gymnasium besucht und die Heizungsanlagen überprüft haben. Im Moment wird sofern eine Heizungssanierung notwendig wird - eine Umstellung auf erneuerbare Energiequellen geprüft. Während einer vom Landkreis ins Leben gerufenen 1. Bayerischen Klimawoche im Juni 2008 wird einer der beiden Energieberater durch die einzelnen Klassen gehen und Themen wie Energiesparendes Lüften der Klassenzimmer ansprechen. In dieser Woche fi ndet außerdem ein Vortrag des Bund Naturschutz zum Thema Klima und Energie an unserer Schule statt. Zeitgleich konnte eine Ausstellung zur Klimaerwärmung ebenfalls vom Bund Naturschutz organisiert werden. Und zu guter letzt soll in dieser Woche allen Schülerinnen und Schülern der Film An inconvenient truth von Al Gore gezeigt werden. Unabhängig davon, ob der AK- Umwelt es schafft, am Gymnasium viel Energie und damit CO 2 einzusparen, eigentlich geht es um eine Grundhaltung bei den MitschülerInnen und Lehrkräften, eine Bewusstwerdung, dass wir mit der Energie verantwortungsbewusst umgehen müssen. Im Idealfall sollen gute Vorsätze entstehen, die aus dem Gymnasium heraus getragen werden und Entscheidungen sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft beeinflussen. FÖRDERGELD für Energie-Effizienz und erneuerbare Energien von Gina Gillig Eine neu überarbeite und aktualisierte Aufl age über Förderprogramme für Energieeffi zienz und erneuerbare Energien hat das Bundesumweltministerium zusammen mit dem BINE Informationsdienst herausgegeben. Darin werden ca. 900 Förderprogramme der EU, von Bund, Ländern und Kommunen und Energieversorgern vorgestellt. Verbesserte Wärmedämmung, energieeffi ziente Heizungsanlagen und die Nutzung von erneuerbaren Energien lassen erhebliche Ressourcen sparen und entlasten den Geldbeutel. Des Weiteren können Folgeschäden des Klimawandels verringert werden. Diese Broschüre ermöglicht einen schnellen Überblick über die angebotenen Förderprogramme für Energiesparmaßnahmen. Interessierte können mit ihrer Hilfe eine ganz individuelle Förderung für ihren persönlichen Bedarf und ihre Möglichkeiten zusammenstellen. Die Broschüre Fördergeld für Energie-Effizienz und erneuerbare Energien (Bestellnummer 2108) ist kostenlos erhält lich beim Bun desum weltministerium, Postfach 300361, 53183 Bonn, Fax 0228 / 99 305-3356, E-Mail: bmu@broschuerenversand.de. Die Broschüre kann auch im Internet abgerufen werden: www.bmu.de/energie-effizienz/downloads/doc/36207.php Der BINE Informationsdienst informiert Privatpersonen unter der Förderhotline Tel. 0228 / 92379-14 sowie im Internet unter http: //www.energiefoerderung.info. Hier werden auch aktuelle Änderungen angezeigt.

16 Atomkraft + Uranwaffen VGH-URTEIL: LÄNGERE LAUFZEIT FÜR BIBLIS ABGELEHNT Verivox vom 28.02.2008 Kassel (AFP) - Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat eine Verlängerung der Laufzeit für das Atomkraftwerk Biblis A abgelehnt. Die vom Betreiber RWE geforderte Übertragung von 30 Milliarden Kilowattstunden des so genannten Reststrommengen-Kontingents des Atomkraftwerks Mülheim-Kärlich auf Biblis A sei gesetzlich nicht vorgesehen, urteilte das Gericht am Mittwoch in Kassel. Wann Biblis A stillgelegt werden müsste, ist nach RWE-Angaben noch offen. Zudem kündigte RWE eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht an. RWE hatte die Reststrommengen- Übertragung von Mülheim-Kärlich auf Biblis A im September 2006 beantragt. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) lehnte dies aber im Mai vergangenen Jahres mit dem Hinweis ab, die Übertragung stehe im Widerspruch zum Atomkompromiss und zum Atomgesetz. Zur Restlaufzeit von Biblis A sagte der Leiter des AKW Biblis, Hartmut Lauer, nach der Urteilsverkündung, die ursprünglich für 2008 vorgesehene Stilllegung sei durch den einjährigen Stillstand ab Herbst 2007 hinfällig geworden. Auch ohne neue Kontingente dürfe RWE mit Biblis A noch 13 Milliarden Kilowattstunden produzieren. Das reiche bis Ende nächsten Jahres oder sogar noch darüber hinaus. Der gleichzeitige Betrieb der Kraftwerksblöcke Biblis A und B führe zu großen wirtschaftlichen Vorteilen. Noch bis 2009 am Netz? Ob Joschka Fischer, Iris Blaul oder Margarethe Nimsch - alle grünen Umweltminister in Hessen scheiterten beim Versuch, den Reaktor stillzulegen am Einspruch der jeweiligen Bundesumweltminister. Nach den Regierungswechseln in Wiesbaden und Berlin ging das Spiel mit Der damalige Umweltminister Joschka Fischer bei einem Besuch des Kernkraftwerks Foto: vertauschten Rollen weiter. Im Jahr 2006 wurden beide Reaktorblöcke abgeschaltet. Der Grund waren untaugliche Deckendübel. Die Sanierung dauerte über eineinhalb Jahre. Reaktor B liefert ab Dezember 2007 wieder Strom. Seit Februar 2008 läuft auch Block A wieder. Das Atomgesetz sieht vor, dass die Energiekonzerne für ein Atomkraftwerk vereinbarte Strommengen auf neuere Kraftwerke übertragen können. Biblis A ist das älteste noch laufende Atomkraftwerk in Deutschland. Das Kraftwerk Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz ging nach dem Probelauf nie richtig in Betrieb. Eine Fußnote zum Atomgesetz zählt sieben Atomkraftwerke auf, auf die Reststromkontingente von Mülheim- Kärlich übertragen werden können. Biblis A ist nicht darunter. RWE hatte argumentiert, dass dennoch eine Übertragung zumindest mit Genehmigung des Bundesumweltministeriums zulässig sei. Dafür gebe es im Gesetz jedoch keinerlei Anzeichen, erklärte nun der VGH zur Begründung seines Urteils. Auch aus dem Atomkonsens selbst gehe die Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten auf die genannten sechs Kraftwerke eindeutig hervor. Danach komme eine Übertragung lediglich auf die Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim 2, Isar 2, Brokdorf, Grundremmingen B und C sowie bis zu einer Elektrizitätsmenge von 21,45 Terawattstunden auf das Kraftwerk Biblis Block B in Betracht. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Kasseler Richter aber die Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zu. Der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende und frühere Bundes umweltminister Jürgen Trittin bezeichnete Biblis A als Schrottmeiler. Die Ablehnung des dreisten RWE-Antrags sei so begrüßenswert wie selbstverständlich, erklärte Trittin in Berlin. Auch die Energiekonzerne müssten sich an die Gesetze halten.

Atomkraft + Uranwaffen 17 Foto: Dirk Schmidt/www.pixelio.de Kraftwerk Biblis gesehen von Süden. Im Vordergrund die Veloroute Rhein (04-2007). Ein Prozess kostet Geld Unterstützen Sie die Klage mit einer Spende! Aber für die Umweltorganisationen IPPNW (Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges), dem hessischen BUND und Eurosolar geht es nicht mehr nur um die Stilllegung von Biblis A. Denn für sie ist auch das neuere AKW Biblis B (seit 1977 in Betrieb) ein fehlerhaft konstruierter Reaktor mit über 150 Sicherheitsmängeln. Deshalb haben sie eine Klage zur Abschaltung des Reaktors eingeleitet. Die Klage vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel auf Stilllegung von Biblis B ist ein großer Schritt auf dem Weg, die Nutzung der Atomenergie insgesamt zu beenden. Wer die Klage und die begleitende Aufklärung der Öffentlichkeit unterstützen will, kann dies durch eine Spende tun: Spendenkonto: Kontoinhaber: IPPNW e.v. Konto-Nr.: 600 14 859 Kreditinstitut: Sparkasse Rastatt-Gernsbach BLZ: 66 55 00 70 Stichwort: Biblis-Klage Gericht verbietet längere Laufzeit von Brunsbüttel Das Atomkraftwerk Brunsbüttel darf seine im Atomausstieg vereinbarte Laufzeit nicht verlängern. Das Oberverwaltungsgericht in Schleswig wies die Klage der Betreibergesellschaft Vattenfall ab, mit der sie die Übertragung von Reststrom- Mengen des stillgelegten Meilers Mülheim-Kärlich auf Brunsbüttel durchsetzen wollte. Das Atomgesetz lasse eine derartige Übertragung nicht zu, erklärten die Richter und bestätigten damit die Auffassung des Bundesumweltministeriums. Der Konzern will in Revision gehen. Quelle: SZ vom 17.Jan. 08/AP

18 Atomkraft + Uranwaffen WANDEL EINES MEDIENSTARS ZUM SIEMENS-AKW-FREUND von Sabine Klier Ich war am 18.7.07 im Siemens- Forum Erlangen zu einem Vortrag des Münchener Astro-Physikers Prof. Harald Lesch bekannt aus der Sat3 Sendung Alpha Centauri, nachdem er sich zuerst über AKW- Gegner lustig machte: Die Sonne produziert soviel Energie, die auf die Erde strahlt. Die Kernkraftgegner leben also auch von Kernkraft und dann später resümierte, dass wir Einiges ändern müssten, meldete ich mich vor ca. 600 Siemensianern zu Wort und bat um seine Meinung zu AKWs. Da kamen prompt die bekannten Statements CO 2 -schädliche Kohlekraftwerke, wie sollen wir unseren enor men Energiebedarf decken und dann kam s dicke: Unsere AKWs seien die Besten wir sollen kräftig bauen und sie ins Ausland verkaufen. Tosender Beifall der Siemesianer. Ein paar Takte später sagte ein junger Mann dann wahrscheinlich meinte er mich damit, dass er keine Angst vor Kernkraft hätte. Da ruderte der Professor ein bisschen zurück und sprach von der moralischen Verantwortung für kommende Genera tionen. Zuhause setzte ich mich sofort an den PC und schrieb an Professor Lesch nachstehend seine Antwort. Schade, dass so ein Medienmogul, der übers Fernsehen Tausende erreicht, solch eine Meinung hat. Was kann man/frau da machen sollen wir ihm mal das Buch von Frau Pausewang Die Wolke schicken was meint ihr? Chinon, das älteste Atomkraftwerk Frankreichs steht an der Loire. Im Sommer 2007 kam es gehäuft zu Selbstmorden von Mitarbeitern. Sehr geehrte Frau Klier, es tut mir sehr leid, dass Sie meine Antwort als fl apsig und sogar menschenverachtend empfunden haben. Es war überhaupt nicht meine Ansicht, hier irgendjemanden zu verspotten, um Gottes Willen. Ich hatte gehofft, meine Probleme mit der Kernkraft hinreichend deutlich gemacht zu haben, aber auch das Dilemma indem wir stecken: Der Klimawandel ist nämlich ein Faktum, das enorme Herausforderungen an uns stellt. Wie wir diesen Herausforderungen auf dem Wohlstands niveau begegnen wollen ohne Kernkraftwerke ist mir völlig unklar. Ich war genau wie Sie erschüttert über den Gau in Tschernobyl und lange Zeit ein völliger Gegner der Kernenergie, aber die Gefahr einer massiven Erderwärmung lässt mich heute zumindest in Teilen anders denken. Harald Lesch Foto: privat Bestelladresse Broschüre Nr. 2621 Herausgeber: Bundes ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Referat Öffentlichkeitsarbeit D-11055 Berlin Stand: März 2007 0der als PdF: http://www.bmu.de/fi les/pdfs/allgemein/ application/pdf/broschuere_atomkraft_ irrweg.pdf

Atomkraft + Uranwaffen 19 50 JAHRE ATOMREAKTOR GARCHING KEIN GRUND ZUM JUBELN von Gina Gillig Im Jahr 2007 spielte die Zahl 50 eine ganz besondere Rolle. Denn in diesem Jahr gab es herausragende, in der Öffentlichkeit nicht so bekannte 50-jährige Jubiläen in der Atomgeschichte: Majak Im September 1957 ereignete sich östlich des Urals das erste schlimme Atomunglück. In der Plutoniumfabrik Majak, wo der Stoff für die erste sowje tische Atombombe ausgebrütet wurde, explodierte ein Tank radioaktiven Inhalts. Die Strahlung, die sich damals ausbreitete, entspricht mindestens dem radioaktiven Material, das der geborstene Reaktorblock von Tschernobyl drei Jahrzehnte später in die Welt setzte. Nur, dass sich die Spur nach Nordosten zog und nicht in den Westen. Die Öffentlichkeit erfuhr davon allerdings erst am Ende des Kalten Krieges. Zur Zeit läuft dazu ein wissenschaftliches von der EU finanziertes Projekt über die gesundheitlichen Auswirkungen. Sellafield / Windscale Im Oktober 1957 kam es im britischen Atomreaktor Windscale der dortige Atomkomplex wurde mittlerweile um - be nannt und heißt heute Sellafield zu einem sehr schweren Atomunfall. Es kam zur Freisetzung von Radioakti vität, die sich über England und Nordeuropa legte. Erst jetzt, nach 50 Jahren, wurde bekannt dass doppelt so viel radioaktives Material freigesetzt wurde als bisher geschätzt (Atmos pheric Environment 2007; 41:3904ff). Auch die Zahl der Krebsfälle, die das Unglück auslöste, ist deutlich höher als bisher angenommen. Fazit: Sowohl im Osten als auch im Westen kam es vor 50 Jahren zu einschneidenden Ereignissen. Damit kann Garching glücklicherweise nicht glänzen. Garching Doch die Zahl 50 und Garching spielen im Zusammenhang mit der nuklearen Zukunft Deutschlands eine entscheidende Rolle: Am 31. Oktober 1957 wurde mit dem Münchner Atomforschungsreaktor dem Atomei der Startpunkt gesetzt für das nukleare Zeitalter in Deutschland. Das Atomei war der erste Atomreaktor in Deutschland überhaupt und führte zur Errichtung der ersten Leistungsreaktoren, die ab den 60er-Jahren Strom erzeugten. Das Atomei aus den 1950er Jahren erfüllte die Wünsche der Betreiber (Technische Universität München TUM) nicht mehr. Es wurde im Jahr 2000 außer Dienst gestellt. Sein Nachfolger, der Münchner Atom forschungsreaktor 2 (FRM 2), ging im Jahr 2004 in Betrieb. Der FRM 2 ist der erste Atomreaktor- Neubau in Deutschland seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die MÜTTER GEGEN ATOMKRAFT e. V. führten zusammen mit weiteren Umweltorganisationen anlässlich des 50-jährigen Jubiläums sowohl eine Vortragsveranstaltung im Bürgerhaus in Garching durch als auch eine Protestveranstaltung vor dem neuen Atomreaktor auf dem Forschungsgelände. Die Nerven der TU München lagen offensichtlich blank. Der gemeinnützige Verein Bürger gegen Atomreaktor Garching e. V. hatte auf dem Forschungsgelände ordnungsgemäß mit behördlicher Genehmigung auf Plakatständern die Veranstaltungshinweise plakatiert. Die TU München ließ alle Plakatständer entfernen. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Garchinger Atomreaktoren ist bei dieser sogenannten Exzellenzuniversität anscheinend nicht erwünscht. Die Bürgerinitiative erstattete Strafanzeige.

20 Atomkraft + Uranwaffen TU LÄSST PROTEST- PLAKATE ABHÄNGEN Sprecher: Einrichtung des Freistaats muss irreführenden Slogan auf eigenem Grund nicht dulden Nicht schlecht staunten die Verantwortlichen des Vereins, als die schwarz-gelben Poster im Laufe der vergangenen Woche genau dort wieder abmontiert wurden. Vorstandsmitglied Ingrid Wundrak war mächtig sauer: Das ist eine Unverschämtheit. Die Plakate standen auf öffentlichem Grund. Sie habe sich bei der Stadt erkundigt, weil dort am 31. Okto ber auch eine Demonstration gegen die Feierlichkeiten stattfi nden werde. Ferner sei auf den Plakaten eine Telefonnummer angegeben. Bevor man sie also wegräumt, könne man durchaus vorher das Gespräch suchen, fi ndet die Grünen- Stadträtin und Reaktorgegnerin. Völlig anderer Meinung ist Ulrich Marsch, TU-Pressesprecher. Wir sind eine wissenschaftliche Einrichtung, die auf dem Grund des Freistaates Bayern und nicht etwa auf städtischem Grund steht. Die Plakate hätten einer Genehmigung bedurft und die lag nicht vor. Die Negativ-Werbung sei weder im Sinne der TU noch in dem des Freistaates, zumal der Slogan sachlich nicht zutreffend, ja irreführend sei. Wir betreiben keinen Atomreaktor, sondern eine Forschungseinrichtung, sagte Marsch. Dies sei richtig zu stellen und Da müssen wir nicht anrufen. Der Verein habe einen Brief bekommen, wann und wo die Plakate abgeholt werden können. Garching: 50 Jahre Atomreaktor kein Grund zum Jubeln. Mit diesem Slogan macht der Verein Bürger gegen Atomreaktor Garching gerade gegen die Feiern zum Atom ei - Jubiläum mobil. Überall in Garching wurden die Plakate aufgehängt. Auch an der TU, die dieser Tage ja das 50-jährige Bestehen des Forschungsgeländes feiert. Wundrak fordert jetzt, dass die Plakate sofort wieder aufgestellt werden. Sie sei der Meinung gewesen, eine TU, die um internationale Anerkennung bemüht sei, habe ein solch Kindisches Gehabe nicht nötig. Schließlich lebe man hier nicht in einer Diktatur und müsse das Ländern, in denen eine freie Meinungsäußerung nicht erlaubt sei, zeigen. Wer falsch liegt, wird sich wohl erst nach der Veranstaltung am Dienstag zeigen. Der TU-Hausmeister jedenfalls nicht, obwohl er es war, der die Plakate letztlich abschraubte und auch den Brief an die Reaktorgegner unterzeichnete. Er selber war sich da gestern nicht so sicher: Habe ich da wirklich so einen großen Fehler gemacht? maz in SZ_LKN vom23. Okt. 2007