Bildschirmarbeitsplatz Michael Schurr TK Lexikon Gesundheit im Betrieb 25. Juni 2014 Bildschirmarbeitsplatz HI663679 Zusammenfassung LI1721816 Begriff Bildschirmarbeitsplatz ist der räumliche Bereich im Arbeitssystem einschließlich der unmittelbaren Arbeitsumgebung, der mit einem Bildschirmgerät sowie ggf. mit Zusatzgeräten und sonstigen Arbeitsmitteln ausgerüstet ist. Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung Grundlegend ist die Bildschirmarbeitsverordnung von 1996. Für die aktuelle Praxis sind die Anforderungen darin jedoch überholt, denn weder Flachbildschirme, noch Notebooks, Smartphones oder das ipad waren damals erfunden. Der Stand der Technik ändert sich hier um Lichtjahre schneller als die dazugehörigen Regeln. Gem. 4 Nr. 3 ArbSchG ist die Berücksichtigung des Standes der Technik und der wissenschaftlichen Erkenntnis eine Verpflichtung für den Unternehmer, sich der rasanten Entwicklung anzupassen. Hilfreich sind hier die Informationen der Verwaltungs-BG, v. a. die DGUV-I 215-410. Sie umfasst auch die aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Je nach Thema ist aber hier auch mit einer Reaktionszeit auf die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und den Stand der Technik zu rechnen. Die wichtigsten offiziellen Positionen finden Sie in den folgenden DGUV-Informationen: DGUV-I 215-410 "Bildschirm- und Büroarbeitsplätze" BGI 5001 "Büroarbeit sicher, gesund und erfolgreich" DGUV-I 215-441 "Büroraumplanung" BGI 5018 "Gesundheit im Büro Fragen und Antworten" 1 Was ist ein Bildschirmarbeitsplatz? HI2704432 Ausgangspunkt ist die Definition des Bildschirmgerätes: Bildschirmgerät ist ein Bildschirm zur Darstellung alpha-numerischer Zeichen oder zur Grafikdarstellung, ungeachtet des Darstellungsverfahrens ( 2 Abs. 1 BildscharbV). In Abs. 2 und 3 sind die Begriffe Bildschirmarbeitsplatz und Beschäftigter am Bildschirmarbeitsplatz definiert: Bildschirmarbeitsplatz: Arbeitsplatz mit einem Bildschirmgerät, Beschäftigte am Bildschirmarbeitsplatz sind Mitarbeiter, die gewöhnlich bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen. Heute ist fast jeder Büroarbeitsplatz auch ein Bildschirmarbeitsplatz und darüber hinaus sind viele weitere Arbeitsplätze in der Produktion gem. der Bildschirmarbeitsplatzdefinition ein Bildschirmarbeitsplatz. Nicht nur hier ist zu überlegen wie die Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet werden können: Mit der explosionsartigen Verbreitung mobiler Geräte (z. B. ipad, Smartphones) muss deren vermehrte Nutzung unter Arbeits- und
Gesundheitsschutzaspekten kritisch begleitet werden. Es gilt, die Mitarbeiter in einen gesundheitsgerechten Umgang zu schulen (Verhaltensergonomie Verhaltensprävention). Mobile Arbeitsplätze gesund und sicher der Umgang entscheidet Es ist inzwischen also mehr eine Frage, ob mobile Nutzungen mit Notebook, ipad und Smartphone als Arbeiten am Bildschirmarbeitsplatz verstanden werden müssen? Wenn dies bejaht wird, dann müssten diese entsprechend den Anforderungen der Bildschirmarbeitsplatzverordnung mit einer externen Tastatur, Maus und Bildschirm ausgestattet werden. Sicher ist heute schon, dass längeres Arbeiten mit mobilen Geräten Augen (Bildschirmgröße und Sehabstand), Hände (kleine oder virtuelle Tastatur) und Rücken (Zwangshaltung auf dem Schoß, im Zug oder Hotel) wesentlich mehr belastet als die Arbeit an einem ergonomisch gestalteten Bildschirmarbeitsplatz. Hier gilt es besonders auf den regelmäßigen Gebrauch von Notebooks im Büro zu achten, denn auch wenn die Bildschirmdarstellung und Qualität moderner Notebooks normalerweise üblichen Flachbildschirmen entspricht, hat das Arbeiten mit Notebooks folgende Nachteile: Durch die feste Verbindung zwischen Bildschirm und Tastatur ist eine flexible Anordnung nicht möglich, was Zwangshaltungen Vorschub leistet. Die Notebooktastaturen sind kleiner als normale Tastaturen, sie haben keinen separaten Nummernblock und zahlreiche Doppelbelegungen einzelner Tasten, die mit Funktionstasten abgerufen werden müssen. Bei länger dauernder Eingabetätigkeit am Notebook führt die umständlichere Tastenbedienung zu schnellerer Ermüdung. Wenn aus betrieblichen Gründen regelmäßig auch an einem Büroarbeitsplatz gearbeitet werden muss, ist mind. eine separate Tastatur erforderlich, besser ist jedoch eine Dockingstation mit separatem Bildschirm und separater Tastatur. Benutzen Beschäftigte ihr Notebook gewöhnlich bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit, ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Untersuchung der Augen und des Sehvermögens (Untersuchung nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 37) und DGUV-I 250-008 anzubieten (Abschn. 2.1 2.3 "Gesundheit im Büro - Fragen und Antworten"). Wichtig Leichte und schnelle ergonomische Integration von Notebooks nötig Die technische Integrationslösung muss mit einem Griff oder Klick einfach und schnell möglich sein, z. B. Dockingstation oder USB-Hub. Je aufwendiger der Anschluss ist (z. B. alle Peripheriegeräte müssen einzeln angeschlossen werden), desto weniger wird dies vom Mitarbeiter auch wirklich genutzt. Ist ja nur für kurze Zeit, das lohnt sich nicht so der Verstand des Mitarbeiters. Doch oft kommt es anders, als man denkt und es sind dann doch längere Arbeiten. 2 Bildschirmarbeitsplatz: Gefahrfreier Ort? HI2704433 Die gemeinhin als risikolos eingeschätzte Arbeit am Bildschirmarbeitsplatz ist nicht frei von Unfall- und Gesundheitsgefahren besonders wenn Grundsätze der Sicherheitstechnik und Ergonomie ignoriert werden. Mängel in der Ergonomie von Arbeitsplatz und Umgebung, aber auch der Ergonomie widersprechende Arbeitshaltungen und Arbeitsgewohnheiten können Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit der Angestellten im Büro und unterwegs gefährden. Es ist eine Frage der Anthropometrie, also der Anpassung der Arbeitsmittel an die Körpermaße und natürlichen Bewegungsabläufe des mit diesen Arbeitsmitteln arbeitenden Menschen. 3 Der Bildschirmarbeitsplatz ist mehr als die Summe seiner Einzelteile HI2704434
Für beschwerdefreies Arbeiten müssen folgende Grundvoraussetzungen erfüllt werden: ein systemergonomisch gestalteter (Verhältnisergonomie, -prävention) und sachgerecht (Verhaltensergonomie, - prävention) genutzter Bildschirmarbeitsplatz mit benutzerfreundlicher Software (Software-Ergonomie), einem hochwertigen Monitor und einem auf den Benutzer und die Arbeitsaufgabe abgestimmten Eingabesystem (Tastatur, Maus). Unerlässlich neben der optimalen Gestaltung: Jeder Mitarbeiter muss umfassend informiert und unterwiesen werden, wie er die Arbeitsmittel richtig und optimal nutzt (Bildschirmkompetenz-Training). Erst mit dem Bewusstsein, dass das Arbeitssystem nur so leistungsfähig ist wie das schwächste Glied und dem Blick, wo Problembereiche entstehen können (Abb. 1) ist es möglich, aus den Schnittstellen Nahtstellen zu machen (Abb. 2). Abb. 1: Der Bildschirmarbeitsplatz ist so gut wie das schwächste Glied Abb. 2: Schnittstellen erkennen Mit diesem Blick ergeben sich so die wichtigsten Schnittstellen im Büro: Stuhl und Benutzer
Tisch und Stuhl Bildschirmabstand und Tischtiefe Anordnung des Arbeitsplatzes zu Fenstern und Beleuchtung Anordnung des Arbeitsplatzes zu Tür und Zugquellen Ein optimaler Bildschirmarbeitsplatz ist nur eine notwendige aber keine hinreichende Voraussetzung für erfolgreiche Büroarbeit. Ein guter Büroarbeitsplatz wird für die Mitarbeiter nie der gleiche Motivationsfaktor sein, wie z. B. eine wertschätzende und faire Behandlung durch eine Führungskraft oder eine erfüllende Arbeitsaufgabe. [ 1 ] So wird das Thema Wertschöpfung durch Wertschätzung durch eine gesunde Führung an Bedeutung gewinnen. 3.1 Die Elemente eines Büroarbeitsplatzes HI2704435 Zentrales Kriterium für den richtig gestalteten Bildschirmarbeitsplatz ist die Anordnung der Arbeitsmittel gem. Anhang der Bildschirmverordnung und Abschn. 7. 2 DGUV-I 215-410, die regelt wie Monitor, Tastatur und Vorlage bei unterschiedlichen Arten der Bildschirmarbeit effizient platziert werden. Neben der Anordnung der Arbeitsmittel ist aufgrund der zunehmenden Probleme durch das sog. RSI-Syndrom der Fokus auf die Eingabemittel zu legen. RSI (Schädigung durch wiederholte Belastung) wird hauptsächlich verursacht durch die extrem schnellen Bewegungen und extrem häufige sich ständig wiederholende gleichartige Bewegungen (Tastatur- und Mausarbeit, Klick/Doppelklick), zigtausendfache Wiederholungen (Repetitionen), fehlende Pausen, fehlende Mischarbeit, den überwiegenden Teil der Arbeitszeit am Bildschirm. Nicht nur die Hände müssen so Schwerstarbeit leisten, sondern besonders das Auge. Zur Entlastung der Augen ist ein angemessener Sehabstand zum Bildschirm einzuhalten. Die ideale Distanz zum Monitor variiert je nach Mitarbeiter, Bildschirmgröße und Tätigkeit. Bei mittlerer Größe von Bildschirm und Zeichen sollte der Abstand mind. 50 cm betragen. Ein noch größerer Sehabstand ist fast immer empfehlenswert und deutlich angenehmer für den Beschäftigten. Bei Dialogarbeit (Blick v. a. auf dem Monitor) liegt der als angenehm empfundene Sehabstand bei durchschnittlich 74 cm (variiert von 50 bis 100 cm), bei einem häufigen Wechsel zwischen Display und Vorlage bei durchschnittlich 64 cm (variiert von 50 bis 70 cm). Dies ergab eine repräsentative Studie. Der Arbeitstisch im Büro soll nicht nur ein hohes Maß an Beinfreiheit bieten, er soll zudem in der Höhe verstellbar sein. Grundregel: Zuerst den Stuhl richtig einstellen, dann die Tischhöhe. Unterarm und Oberarm sollten etwa einen Winkel von 90 Grad bilden der Unterarm sollte locker auf der Arbeitsfläche aufliegen. Auch andere Arbeitsflächen, wie Beistell- oder Besprechungstische, manchmal auch Container oder Sideboards, sollten so groß sein, dass sich alle Arbeitsmittel entsprechend den jeweiligen Arbeitsaufgaben flexibel und belastungsarm anordnen lassen. Trotz ausgezeichneter Stühle sitzen sich viele Menschen im Büro krank, weil sie u. a. nicht wissen, wie man den eigenen Bürostuhl perfekt einstellt, und falsche, für das Wohlbefinden fatale Sitzgewohnheiten pflegen. Hier hilft ein entsprechendes Sitz-Kompetenz-Training, das dem Mitarbeiter nicht nur das Tisch-Stuhl-System anpasst, sondern die einzelnen dynamischen Elemente erklärt, z. B. die Rückenlehnen. Generell sollte man beim Sitzen starre Dauerhaltungen vermeiden und sich stattdessen möglichst viel bewegen. Dynamisch sitzen heißt die Devise: so oft wie möglich variieren zwischen vorgeneigter, aufrechter und zurückgelehnter Sitzhaltung. Neue Sitzkonzepte entkoppeln die Sitzfläche, sodass keine statische Sitzbelastung mehr möglich ist. So kann der Körper in seinen
eigenen Schwingungen dynamisch bleiben und das Gehirn ist zusätzlich wesentlich wacher. Moderne Büroarbeitsplätze ermöglichen den Wechsel zwischen Sitzen und Stehen während der Arbeit (Sitz-Steh-Dynamik): durch einen bis Stehhöhe verstellbaren Tisch (Flächenkonzept), einen zusätzlichen Steh-Arbeitsplatz (Zonenkonzept) oder ein im Arbeitsplatz integriertes Stehpult. Grundlage für angenehmes Sehen und für eine belastungsarme Körperhaltung am Bildschirmarbeitsplatz ist ein einwandfreies Sehvermögen des Beschäftigten gerade im Nahbereich von 50 bis 100 cm. Deswegen schreibt 6 BildscharbV sowohl regelmäßige Sehtests der Beschäftigten vor als auch entsprechende Sehhilfen. 3.2 Das Arbeitsumfeld HI2704436 Jeder Beschäftigte ist einer Vielzahl von Einflussfaktoren aus der unmittelbaren Arbeitsumgebung ausgesetzt. Diese Einflussfaktoren können Leistung und Motivation des Mitarbeiters fördern, aber auch belasten. Dies gilt besonders für die Umgebungsfaktoren Beleuchtung, Raumklima und auditive bzw. visuelle Reizsituation. Auf sie reagiert jeder Beschäftigte hoch sensibel! Neben diesen "harten" Umgebungseinflüssen rücken die eher "weichen" immer mehr ins Blickfeld: ästhetische Einflüsse (Farbgestaltung, Corporate Identity), soziale Faktoren (Kommunikationssituation, Kontaktmöglichkeiten zu Kollegen) und psychologische Aspekte (Raumpsychologie, Personalisierung, Privatsphäre). Konzentriertes Arbeiten erfordert: in erster Linie ein lärmarmes wie visuell ruhiges Umfeld (Raumakustik, akustische und visuelle Abschirmung), v. a. bei anspruchsvollen Sehaufgaben eine perfekt auf die Tätigkeit und das Mitarbeiteralter abgestimmte, individuell steuerbare Beleuchtung z. B. Indirekt-Direkt-Beleuchtung, einen individuellen, verstellbaren Sonnenschutz, einen richtig platzierten Bildschirm (Blickrichtung parallel zum Fenster). 4 Wichtige Institutionen HI2704437 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) Deutsches Netzwerk Büro: Veröffentlicht die Leitlinie Qualitätskriterien für Büro-Arbeitsplätze L-Q 2010. Sie definiert die Anforderungen, die zeitgemäße Büro-Arbeitsplätze erfüllen müssen. Herausgeber der Leitlinie sind 5 unabhängige Institutionen, die sich der Erhöhung der Qualität der Büroarbeit verschrieben haben und mit QUALITY OFFICE gemeinsam ein Zeichen setzen wollen. Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) [ 1 ] Kleinhenz, Der Büroarbeitsplatz, Handbuch für die Gestaltung von Arbeitsplätzen im Büro, 2011.