Medienmarken offensiv führen MEDIENMARKEN Im zweiten Teil unserer Serie zu Medienmarken beleuchten wir eine Studie der Strategieberatung Zehnvier. Diese zeigt unter anderem, wie es um das Management von Medienmarken bestellt ist. Autoren: Dr. Kerstin Schoegel* und Dr. Clemens Koob* Welche Unternehmen werden punkto Markenmanagement als besonders erfolgreich befunden? Wie ist es heute um das Management von Medienmarken bestellt? Und was sollten Markenverantwortliche beachten, die künftig in einer immer stärker umkämpften Medienlandschaft Erfolg haben wollen? Antworten auf diese Fragen finden sich in der «Branding Excellence»-Studie der Zürcher Strategieberatung Zehnvier. Zum Einsatz kam dabei eine Methodik, die vom Center on Global Brand Leadership der Universitäten Columbia (USA), München (Deutschland), Yonsei (Korea) und Esade (Spanien) entwickelt und für die Schweiz passgenau adaptiert wurde. Im Rahmen der Studie wurden über 0 CEOs, Geschäftsführungsmitglieder, Marketingleiter und Kommunikationschefs verschiedener Branchen und Unternehmensgrössen zum Thema Markenmanagement befragt. Rund 13 Prozent der befragten Markenexperten sind dem Sektor «Medien und Unterhaltung» zuzuordnen (vgl. Grafik 1). In einer Spezialauswertung für das Media Trend Journal wurden ihre Antworten getrennt untersucht und den Antworten der Befragten aus den übrigen Branchen gegenüber gestellt, um gezielte Aussagen über den Stand des Markenmanagements im Medienbereich machen zu können. KEINE EINZIGE MARKE AUS DEM MEDIENSEKTOR IN DEN TOP TEN Eine erste wichtige Frage an die Markenfachleute lautete: «Welche Marken haben Sie im vergangenen Jahr besonders beeindruckt?» Antwortkategorien waren bei dieser Frage nicht vorgegeben, die Nennungen erfolgten ungestützt. Die HEFTVORSCHAU 5-08: Das MTJ beleuchtet auch in der nächsten Ausgabe das Thema Medienmarken. 16 4-08 mtj
Markenverantwortlichen aus dem Medienbereich waren sich in ihren Antworten recht einig; sie zeigten sich vor allem beeindruckt von Emmi (30%), Nespresso (%) und Coop (%). Bei den Markenverantwortlichen der anderen Branchen ist das Bild nicht ganz so klar, insgesamt wurden hier auch mehr Marken genannt. Besonderen Eindruck hinterlassen haben vor allem die Migros (23%), UBS (22%), Emmi (11%) und Swiss (11%), gefolgt von Nespresso und Swisscom (vgl. Grafik 2). Auffällig an diesem Bild sind zwei Dinge: Zum ersten sind die Markenverantwortlichen aus dem Bereich «Medien und Unterhaltung» offensichtlich von anderen Marken beeindruckt als die Verantwortlichen der übrigen Branchen. Zweitens fällt auf, dass sich unter den Top Ten der genannten Marken keine einzige Marke aus dem Mediensektor findet und zwar weder bei den befragten Markenexperten aus dem Medienbereich noch bei den Markenexperten der übrigen Branchen. GEWISSE NACHLÄSSIGKEIT IM MEDIENSEKTOR? Über die genauen Gründe hierfür kann zwar an dieser Stelle nur spekuliert werden, aber die Vermutung liegt doch nahe, dass sich in der jüngeren Vergangenheit im Mediensektor eine gewisse Nachlässigkeit bei der Entwicklung der eigenen Marken breit gemacht hat. Hierzu passt beispielsweise auch die Tatsache, dass bei den diesjährigen Swiss Effie Awards in der Kategorie «Medien» nur eine einzige Kampagne zur Bewertung eingereicht wurde. Als nominierungswürdig wurde allerdings auch dieser einsame Wettbewerbsbeitrag von der 28-köpfigen Jury nicht befunden. Zum Vergleich: Die Kategorie «Dienstleistungen» verzeichnete insgesamt 22 eingereichte Beiträge, gefolgt von «Nahrungsmitteln» mit sowie «Gebrauchsgütern» und «Finanzdienstleistungen» mit je 14 eingereichten Kampagnen. Bei den letzten Swiss Effie Awards im Jahr 06 wurden in der Kategorie «Medien» übrigens immerhin noch drei Beiträge nominiert. Wie ist es also bestellt um das Management der Medienmarken? «Welche Unternehmen haben in der Kategorie Medien und Unterhaltung im letzten Jahr im Markenmanagement Besonderes geleistet?» lautete die entsprechende Frage der «Branding Excellence»-Studie. Das Ergebnis: Als besonders gut wird vor allem das Markenmanagement des Schweizer Fernsehens, von Minuten > Abbildung 1: Teilnehmer der Studie nach Branchen Antwort auf die Frage: «In welcher Branche ist Ihr Unternehmen hauptsächlich tätig?» Nahrungs- und Genussmittel Finanzdienstleistungen Medien / Unterhaltung Tourismus / Reise / Verkehr Handel Chemie / Pharma Sonstige Dienstleistungen Telekommunikation Industrie / Maschinenbau Stiftungen, öffentl. Einrichtungen Mode / Textilien / Bekleidung Transport, Logistik Sonstige Abbildung 2 4,25 3,8 3, 2,66 2,21 6, 7,7 7,7 0 1 2 3 4 5 6 7 8 11 12 13 14 15,2 Angaben in Prozent der Befragten (n = 226) 11,06 14,16 13,72 13,28 Antwort auf die Frage: «Welche Schweizer Marke(n) hat (haben) Sie im vergangenen Jahr besonders beeindruckt?» Offene Fragestellung, maximal 3 Nennungen. 30 Emmi 11 Nespresso Coop 8 UBS 22 Swatch 3 1818 3 Migros 23 Swiss 11 Swisscom Lindt & Sprüngli 8 0 5 15 25 30 35 Abbildung 3 Prozent der Befragten Antwort auf die Frage: «Welche Unternehmen haben in der Kategorie Medien und Unterhaltung im letzten Jahr im Markenmanagement Besonderes geleistet?» Schweizer Fernsehen Minuten ProSieben Apple Sat1 YouTube Ringier 4 4 7 11 17 0 5 15 25 30 35 Angaben in Prozent der Befragten 30 30 17 4-08 mtj
> und ProSieben bewertet, und zwar sowohl von den brancheninternen wie auch den branchenfremden Markenexperten. Weitere Nennungen fielen auf Apple, Sat1, YouTube und Ringier. ES BRAUCHT EINE OFFENSIVE GRUNDHALTUNG Diese Marken machen offensichtlich etwas richtig. Aber was zeichnet das Markenmanagement von Minuten, SF, ProSieben oder Apple aus? Was kann man von diesen Marken lernen? Mit Hilfe der «Branding Excellence»-Studie konnten vier Faktoren identifiziert werden, die ein erfolgreiches Markenmanagement kennzeichnen. Erfolgreiches Markenmanagement ist demnach von einer offensiven Grundhaltung geprägt, auf oberster Managementebene verankert, integriert angelegt und strategisch ausgerichtet. Zugleich belegt die Studie aber auch, dass die Marketingpraxis vieler Schweizer Unternehmen und eben vor allem auch der Unternehmen aus dem Mediensektor heute noch ein ganzes Stück von einem solch offensiven Markenmanagement entfernt ist. Unter dem Stichwort «offensiv» ist die unbedingte Bereitschaft zu verstehen, den Markt anführen zu wollen. Unternehmen mit einem offensiven Markenmanagement versuchen also nicht, der Konkurrenz hinterherzulaufen, sondern sie bestimmen selbst von der Spitze aus das Tempo ganz so, wie es Minuten macht. Die Pendlerzeitung war nicht nur der «first mover» im Bereich der Gratisblätter, sondern hat es auch verstanden, diesen Vorsprung durch ständige Innovationen zu halten. Und ProSieben, mittlerweile auch in der Schweiz einer der beliebtesten Fernsehsender, ist Vorreiter in Sachen emotionaler Gestaltung der eigenen Markenpersönlichkeit. ProSieben war der erste Fernsehsender, der offensiv in den Aufbau des eigenen Markenimages investiert hat. Seine aufwändig produzierten «We love»-trailer haben Standards im Markt gesetzt. Dass sich diese Investitionen gelohnt haben, zeigt sich daran, dass die Marke ProSieben heute von den Zuschauern im Sendervergleich als besonders sympathisch, modern, heiter und kreativ wahrgenommen wird. Abbildung 4 TRANSFER DER MARKE IN NEUE BEREICHE «Offensiv» meint aber auch ein spezifisches Verständnis dessen, was Markenmanagement überhaupt ist. Unternehmen mit einer offensiven Sichtweise haben nicht nur den Mut, mit neuen Methoden im Markenmanagement zu experimentieren. Für sie gehört auch der Transfer der Marke in neue, viel versprechende Bereiche oder die systematische Identifikation relevanter Zukunftstrends zu den Kernaufgaben des Markenmanagements. Apple ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das diesen Transfer exzellent beherrscht. Apple hat sich von einer Computermarke zu einem Brand weiterentwickelt, der inzwischen nicht nur den Musikmarkt revolutioniert hat, sondern im letzten Jahr auch offensiv und mit grossem Erfolg in den Bereich der Telekommunikation vorgedrungen ist. Auf das «next big thing» aus dem Hause Apple darf man gespannt sein. Die «Branding Excellence»-Studie zeigt jedoch, dass die Mehrzahl der Antwort auf die Frage: «Wer entscheidet in Ihrem Unternehmen letztlich über die strategische Ausrichtung der Marke(n)?» Geschäftsleitung CEO Marketing Unternehmensentwicklung Kommunikation / PR Abteilung zur Markenführung Abbildung 5 Vertrieb Andere 0 1 1 3 5 5 13 0 5 15 25 30 35 40 45 2 2 Angaben in Prozent der Befragten Antwort auf die Frage: «Welche Massnahmen werden in Zukunft für das Markenmanagement besonders wichtig sein?» Entwicklung der Markenpositionierung Qualitative Markenbewertung Definition des Markenkerns Zielgruppen-/Kundenanalyse Markentransfer / Markenerweiterung Einheitliches Markenverständnis aller Mitarbeiter Abstimmung Strategie und Markenmanagement Identifikation von Trends für das Markenmanagement Eliminierung wenig bzw. nicht erfolgreicher Marken Finanzielle Markenbewertung 4 7 13 14 14 1 27 2 0 30 40 50 60 33 34 34 Schweizer Medienunternehmen noch weit von einer «offensiven Grundhaltung» entfernt ist. Nur knapp 16 Prozent der befragten Experten aus dem Mediensektor ordnen heute dem Markenmanagement z. B. auch die Aufgabe des zukunftsgerichteten Transfers der Marke in neue Gefilde zu. Zum Trost für die Medienschaffenden sei gesagt, dass es in den übrigen Branchen nicht besser aussieht: Hier sind es sogar nur knapp 13 Prozent der Befragten, die diese Aufgabe des Markenmanagements erkennen. CHEFSACHE MARKENMANAGEMENT Offensives Markenmanagement braucht die Unterstützung durch das Top-Management: Der CEO ist der oberste Botschafter der Marke. Er hat eine Vorbild- 33 40 38 40 Angaben in Prozent der Befragten 45 40 43 53 56 > 18 4-08 mtj
Wie erreicht man Männer, dienurdaseineimkopfhaben? 31526
> funktion gegenüber Mitarbeitern und Kunden. Für ein offensives Markenmanagement ist es daher unerlässlich, das unbedingte Commitment des CEO und des Senior Managements zu haben. Das oberste Management muss die Vision der Marke vorleben und den Mitarbeitern ein Beispiel geben. Mit anderen Worten: Markenmanagement ist Chefsache. Auch hier kann Apple als Vorbild dienen: Der CEO Steve Jobs ist bei Apple so allgegenwärtig, dass er es sich nicht nehmen lässt, jedes einzelne neue Produkt persönlich der Weltöffentlichkeit vorzustellen. Im Gegensatz dazu zeigt die «Branding Excellence»-Studie, dass in dieser Hinsicht bei vielen Schweizer Medienunternehmen noch Nachholbedarf besteht. Lediglich 2 Prozent der befragten Markenexperten aus dem Mediensektor können die Frage, wer in ihrem Unternehmen letzten Endes den Entscheid über die strategische Ausrichtung der Marke trifft, ganz klar mit «der CEO» beantworten. In den übrigen befragten Branchen der Studie sind dies übrigens 43 Prozent immer noch zu wenig zwar, aber doch mehr als bei den Unternehmen aus dem Bereich «Medien und Unterhaltung». MITARBEITER ALS MARKENBOTSCHAFTER Ein offensives Markenmanagement kann nur Realität werden, wenn sich alle Mitarbeiter daran beteiligen. Jeder Mitarbeiter muss nach den Grundsätzen der Marke denken und handeln und so ein integrativer Bestandteil des Markenmanagements werden. Die Studie untermauert einmal mehr, dass die Mitarbeiter einer der zentralen Erfolgsfaktoren des Markenmanagements sind vor allem jene, die an der Front wahrgenommen werden. ProSieben ist ein Beispiel für eine Medienmarke, die besonders durch ihre Mitarbeiter, allen voran Comedy-Anchorman Stefan Raab, verkörpert wird. Gesamthaft gesehen unterschätzen jedoch viele Schweizer Unternehmen nach wie vor die Rolle der Mitarbeiter als Botschafter der Marke nach aussen. Ausserhalb des Mediensektors sehen es nämlich nur 34 Prozent der befragten Marketing Professionals für die Zukunft als besonders wichtig an, ein einheitliches Markenverständnis der Mitarbeiter zu schaffen. Im Bereich «Medien und Unterhaltung» sind es sogar nur Prozent (vgl. Grafik 5). STRATEGISCHE AUSRICHTUNG Einem erfolgreichen Markenmanagement liegt die Einsicht zugrunde, dass hinter einer echten Marke mehr stehen muss als nur ein gefälliges Logo oder eine stringente Corporate Identity. Schliesslich ist die Marke Ausdruck des gesamten Geschäftssystems, sie hat Einfluss auf alle Unternehmensfunktionen und ist zentral für die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen. Erfolgreiches Markenmanagement hat daher eine stark strategische Komponente. Mit anderen Worten: Erfolgreiches Markenmanagement erkennt die Notwendigkeit, Unternehmensstrategie und Markenmanagement aufs engste zu verzahnen, bleibt aber hinreichend beweglich und flexibel, um sich auch an Marktchancen anzupassen, die sich kurzfristig ergeben. Aktuelle Beispiele für eine solche Verzahnung von Unternehmensstrategie und Markenmanagement liefern etwa die Swisscom oder das Schweizer Fernsehen. Die Swisscom beispielsweise hat die neue Unternehmensstrategie «One Swisscom» mit einem konsequenten Re- Branding umgesetzt und die komplette Kommunikation an die veränderten Kundenbedürfnisse und die neue Strategie angepasst. Die bislang an den einzelnen Geschäftseinheiten orientierte Markenarchitektur (Swisscom Fixnet, Swisscom Mobile, Bluewin etc.) wurde überarbeitet und gestrafft und unter der Dachmarke zusammengeführt. Die neue Monomarke stärkt nun die Wahrnehmung der Swisscom als Anbieter für «alles aus einer Hand». Und auch das Schweizer Fernsehen hat sein Markenmanagement erkennbar auf das Strategieziel ausgerichtet, kohärente Angebote auf allen relevanten elektronischen Plattformen zu schaffen. THEORIE GUT, PRAXIS SCHLECHT Trotz dieser positiven Beispiele zeigt die Studie aber, dass zwischen Theorie und Praxis immer noch einige Lücken klaffen. Denn die im Rahmen der Studie befragten Experten sind zwar grundsätzlich der Ansicht, dass das langfristige Denken und Handeln die grösste Herausforderung des Markenmanagements ist, aber nur Prozent der Befragten aus dem Mediensektor (in den übrigen Branchen sind es immerhin 34%) erkennen auch, wie immens wichtig es ist, Unternehmensstrategie und Markenmanagement aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass sich drei von vier Unternehmen beim Markenmanagement vor allem auf Ratschläge ihrer Werbeagentur verlassen. Spezialisierte Marken- und Strategieberatungen werden dagegen lediglich von 37 bzw. 31 Prozent der Unternehmen zu Rate gezogen. Im Mediensektor greifen gar nur 35 bzw. Prozent auf diese Dienstleister zurück. Ein Fehler, denn gerade sie könnten die strategische Komponente einbringen, die für ein erfolgreiches Markenmanagement so entscheidend ist. Gut geführte Marken hinterlassen nicht nur Eindruck, sie sind auch erfolgreich. So kann als Fazit aus der Studie gesagt werden: Zum Erfolg trägt ein Markenmanagement bei, das von einer offensiven Grundhaltung geprägt, auf oberster Führungsebene verankert, integriert angelegt und strategisch ausgerichtet ist. Im Mediensektor gibt es zwar durchaus einige positive Beispiele für erfolgreiches Markenmanagement, im Vergleich zu anderen Branchen hinken vor allem die Schweizer Medienmarken aber noch hinterher. Nun sind vor allem die CEOs gefragt, sie müssen ihre strategische Verantwortung wahrnehmen. < AUTOREN Dr. Kerstin Schoegel und Dr. Clemens Koob sind Managing Directors der Strategieberatung Zehnvier in Zürich. Zehnvier berät Unternehmen an der Schnittstelle von Marketing und Strategie, Beratungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Medien, Tourismus und Food. 4-08 mtj
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