Fallstricke der Endokrinologie in der Hausarztpraxis



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Transkript:

31. Winterthurer Fortbildungskurs Fallstricke der Endokrinologie in der Hausarztpraxis Donnerstag, 4. Juni 2009 Winterthur Organisation: Dr. med. D. Kappeler www.winterthurerfortbildungskurs.ch

I I Vorwort zum 31. Winterthurer Fortbildungskurs Liebe Freunde und treue Besucher der Winterthurer Fortbildungskurse Zum 31. Winterthurer Fortbildungskurs ist das Thema neu einmal nicht nur ein Gebiet der Endokrinologie, sondern eine bunte Mischung aus verschiedenen Gebieten. Das verbindende Element sind die kleinen Fallstricke. Es handelt sich praktisch durchgehend um Themen, bei denen es immer wieder zu Fehlinterpretationen oder kniffligen Fragen zum Vorgehen kommen kann. Beispielsweise, dass bei einem ACTH-abhängigen Cushing nicht einfach ein MRI der Hypophyse gemacht und ein in der Bildgebung vielleicht gefundenes Adenom operiert werden kann, sondern mittels aufwändigem ACTH-Sampling die wirkliche Quelle des ACTH-Exzesses gesucht werden muss. Solche und andere knifflige, aber für den Praxisalltag relevante Spezialsituationen sollen in diesem Jahr das Medizinische Programm am Winterthurer Fortbildungskurs prägen. Ich hoffe daher, dass es für alle etwas Interessantes und Lehrreich- Nützliches dabei haben wird. Und natürlich wird der übrige Rahmen mit einer abwechslungsreichen Ausstellung durch die Chemische Industrie im Foyer, die Kaffee- und Mittagspause und das kulturelle Programm zu Beginn des Nachmittags auch in diesem Jahr nicht fehlen. Ich hoffe daher, dass Sie Alle den Tag in Winterthur geniessen werden und freue mich über Ihre rege Teilnahme. Herzliche Grüsse Dirk Kappeler

II Inhaltsverzeichnis Seiten Dr. med. B. Schwegler Abklärung des Hypercortisolismus 1-5 PD Dr. med. M. Brändle Inzidentalom der Nebenniere 6-10 Dr. med. B. Müller Echte und falsche Hyperprolaktinämie 11-15 Prof. Dr. med. P. M. Suter Endokrine Abklärung bei arterieller Hypertonie 16-22 PD Dr. med. P. Wiesli Hypoglykämie beim Nichtdiabetiker 23-25 Prof. Dr. med. U. Keller Update zur Therapie der Hyperlipidämie 26-31 Frau Dr. med. K. Schiessl Androgenüberschuss der Frau 32-36 Dr. med. V. Pavli ek Androgenmangel beim Mann 37-41 Prof. Dr. med. U. Eiholzer Kleinwuchs beim Kind 42-47 PD Dr. med. K. Laederach-Hofmann Polydipsie und Diabetes insipidus 48-52 Frau Dr. med. M. Maier-Wölfle Sinn und Unsinn der Langzeitthyreostatikagabe 53-56 Prof. Dr. med. E. Christ Hypercalcämieabklärung 57-61 Dank an die Sponsoren 62

1 Abklärung des Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom) Beat Schwegler; Endokrinologie/Diabetologie, Zuger Kantonsspital Einleitung Der Hypercortisolismus (Cushing-Syndrom) fasst eine grosse Gruppe von verschiedenen klinischen Zeichen und Symptomen zusammen, welche eine verlängerte und hohe Exposition von Glukokortikoiden am Gewebe reflektieren. Der häufigste Grund für einen Hypercortisolimus ist iatrogen, verursacht durch das Verschreiben von Kortikosteroiden, währenddem das endogene Cushing-Syndrom eine seltene Störung darstellt. Die Inzidenz beträgt zwischen zwei bis drei Fälle /1 Mio Einwohner pro Jahr (1,2). Obwohl das Cushing Syndrom bei ausgeprägtem Krankheitsbild unverwechselbar ist, zeigt sich ein breites Spektrum bei der klinischen Präsentation, und die Diagnose kann insbesondere in milden Fällen eine Herauforderung darstellen. Gute klinische Hinweise für ein Cushing Syndrom sind Striae rubrae > 1 cm, Mondgesicht, Plethora, proximale Muskelschwäche und easy bruising. Häufig jedoch bestehen auch bei der Gesamtbevölkerung gewisse Zeichen eines Hyperkortisolismus, welche aber nicht mit einer endogenen Cortisolüberschuss einhergehen (Adipositas, Depression, Diabetes mellitus oder Menstruationsunregelmässigkeiten). Dies und die Tatsache, dass unter gewissen Bedingungen (siehe Tab 1) wohl ein gewisser Hypercortisolismus ohne eigentliches Cushing-Syndrom (Pseudocushing) bestehen kann, verlangt nach einer sorgfälltigen Evaluation der notwendigen Abklärungsschritten. Screening und Diagnostik bei Verdacht auf Cushing-Syndrom (Fig. 1) Bevor erste diagnostische Schritte unternommen werden, muss eine exogene Glukokortikoid-Exposition ausgeschlossen werden. In der Diagnostik muss primär das Cushing-Syndrom laborchemisch gesucht und bestätigt werden. In einem zweiten Schritt wird (primär ebenfalls laborchemisch) die Quelle des endogenen Hypercortisolismus gesucht. Wer sollte gestestet werden? Ein Screening sollte nur bei Patienten mit klinischen Hinweisen durchgeführt werden. Meist ist ein Vergleich mit älteren Fotos hilfreich. Ein Screening ist somit empfehlenswert bei: - Patienten mit vielen und progressiven Zeichen eines Hypercortisolismus, insbesondere Zeichen, die prädiktiv für ein Cushing-Syndrom sind (s.o). - Patienten mit für das Alter untypischen Befunden (z.b. Osteoporose, arterielle Hypertonie) - Patienten mit einem Inzidentalom im Bereich der Nebenniere? - Kinder mit Gewichtszunahme und verlangsamtem Wachstum? Wie sollte primär getestet werden? Die Bestimmung des Plasma Cortisol ist kein geeigneter Screening-Test. Zur Abklärung kann einer der folgenden Tests gewählt werden: - Cortisol im 24 h Urin (normal < 250 300 nmol/l) - 1 mg Dexamethason Hemmtest (normal < 50 140 nmol/l) - Late night Speichelkortisol (normal < 4 6 nmol/l)

2 Ein normales Resultat schliesst ein Cushing-Syndrom aus, wobei der absolute Wert abhängig vom gewählten Labor-Assay ist. Abnormale Testresultate? Bei pathologischen Werten empfiehlt sich ein endokrinologisches Konsilium. Anhand der Anamnese und der Klinik nochmalige Durchführung einer der obigen Tests oder zusätzliche Abklärungen mittels Dexamethason-CRH Test oder allenfalls Mitternachts-Serum-Cortisol. Auf jeden Fall qualifiziert ein pathologisches Testresultat beim Screening noch nicht für bildgebende Abklärungen. Wie weiter nach Bestätigung des Cushing-Syndroms? Nach bestätigtem Cushing-Syndrom kann mittels Bestimmung des ACTH die Ursache des endogenen Hyperkortisolismus evaluiert werden. Bei einem ACTH < 5 ng/l besteht fast ausschliesslich ein ACTH-unabhängiges Cushing-Syndrom. Ein ACTH > 15 ng/l spricht für ein ACTH-abhängiges Cushing-Syndrom (Tab. 2). Bei einem ACTH zwischen 5 ng/l und 15 ng/l können unter Umständen weitere Tests (8 mg Dexamethason Hemmtest, CRH-Test) Auskunft über die Ursache des Hypercortisolismus geben. Bei einem ACTH-unabhängigen Cushing-Syndrom versucht man anschliessend bildgebend mittels Computertomographie der Nebenieren Aufschluss über die genaue Pathologie zu erfahren. Bei einem ACTH-abhängigen Cushing-Syndrom unterscheidet man zwischen dem Morbus Cushing (ACTH-Produktion in der Hypophyse) und einer ektopen ACTH-Produktion. Diese relative seltene Manifestation einer ACTH-Ueberproduktion findet man vor allem beim Karzinoid der Bronchien, beim kleinzelligen Bronchus-Karzinom oder einem neuroendokrinen Tumor des oberen Gastrointestinaltraktes (5). Die Anamnese ist meist kurz, oft ist ein Malignom bereits bekannt, und das ACTH ist sehr hoch. Bei einem Morbus Cushing findet man oft eine längere Anamnese und das ACTH ist nur mässig erhöht. Bei anamnestischem, klinischem und vor allem laborchemischem Verdacht auf einen Morbus Cushing wird ein MRI der Hypophyse durchgeführt. Nicht selten ist der Tumor der Hypophyse im MRI aufgrund der geringen Grösse nicht sichtbar. Zur exakten Lokalisation oder falls die Diskriminierung zwischen Morbus Cushing und ektoper ACTH- Produktion noch nicht möglich war, wird ein Sinus petrosus inferior sampling durchgeführt. Zusammenfassung Ein Screening für Hypercortisolismus sollte nur bei klinischem Verdacht erfolgen. Ein normaler Screening Test schliesst ein Cushing-Syndrom aus. Die Bestimmung des Plasmacortisols ist kein Screeningtest. Cave: falsche positive Tests (Pseudocushing). Zur Lokalisationdiagnostik ist eine Ueberweisung an Endokrinologen sinnvoll. Referenzen 1 Etxabe J, Vazquez JA. Clin Endocrinol (Oxf) 1994;40:479-84 2 Lindholm J, Juul S, Jorgensen JO et al. J Clin Endocrinol Metab 2001;86:117-23 3 Niemann LK et al. J Clin Endocrinol Metab 2008;93(5):1526-40 4 Newell-Price J. Clinical Medicine 2008;8:204-8 5 Newell-Price J. Arq Bras Endocrinol Metab 2007;51:1199-206

3 Tab.1: Zustände assoziiert mit Hypercortisolismus ohne Cushing-Syndrom (Pseudo-Cushing) Unter Umständen mit einigen klinischen Zeichen eines Cushing-Syndroms Schwangerschaft Depression Alkoholabhängigkeit gg Glukokortikoid-Resistenz Morbide Adipositas Schlecht eingestellter Diabetes mellitus Klinische Zeichen eines Cushing-Syndroms unwahrscheinlich Physischer Stress (Hospitalisation, Operation, Schmerzen) Intensive, chronische h körperliche Belastung Hyopthalamisch bedingte Amenorrhoe Hyopthalamisch bedingte Amenorrhoe modifziert nach 3

4 Fig 1: Algorithmus bei Verdacht auf Cushing-Syndrom Verdacht auf Cushing-Syndrom (Konsultation beim Endokrinologen in Betracht ziehen) Ausschluss von exogener Glukokortikoidgabe Durchführung einer der folgenden Tests Cortisol im 24 h Urin 1 mg Dexamethason Late night Speichel- ( 2 Tests) Hemmtest Cortisol ( 2 Tests) Abnormale Resultate normal: Cushing-Syndrom unwahrscheinlich Ausschluss Pseudo-Cushing (Tab 1) Konsultation ti beim Endokrinologen Nochmalige Durchführung von 1 oder 2 Tests (s.o) Diskrepante Teste Abnormale Resultate t normal: Cushing-Syndrom (zusätzliche Abklärungen) unwahrscheinlich Cushing-Syndrom modifziert nach 3

5 Tab.2: Aetiologie des Cushing-Syndroms Ursachen % Frau : Mann ACTH-abhängig Morbus Cushing (Hypophyse) 70 35 3,5 : 1 ektopisches ACTH 10 1:1 1 nbekannte Q elle des ACTH 5 5 1 unbekannte Quelle des ACTH 5 5 : 1 ACTH-unabhängig gg Nebennierenadenome 10 4:1 Nebennierenkarzinome 5 1 : 1 makronoduläre Hyperplasie < 2 PPNAD < 2 McCune Albright Syndrom < 2 modifziert nach 4

6 Inzidentalom der Nebenniere PD Dr. med. Michael Brändle, M.Sc., Fachbereichsleiter Endokrinologie/Diabetologie, Kantonsspital St. Gallen 1. Einleitung Unter einem Inzidentalom der Nebenniere versteht man einen Nebennierentumor, der zufällig im Rahmen einer nicht auf die Nebenniere zielenden Diagnostik entdeckt wird. Aus diesem Grund wird im englischen Sprachraum für ein sogenanntes Nebennieren-Inzidentalom auch der Begriff clinically inapparent mass verwendet. Mit der weitverbreiteten Anwendung von Abdomen- Sonographie, Computertomographie und Magnet-Resonanz-Tomographie hat die Inzidenz der Nebennieren-Inzidentalome deutlich zugenommen und ein neues diagnostisches und therapeutisches Dilemma geschaffen. In zahlreichen Autopsie-Studien wurde die Häufigkeit von Nebennieren-Inzidentalomen untersucht. Dabei betrug die Prävalenz je nach Definition der minimalen Knotengrösse zwischen 1.4 bis 8.7%. Mit den neuen Schnittbildverfahren können bei 0.6 bis 4.4% aller untersuchten Personen adrenale Raumforderungen detektiert werden. Die Prävalenz nimmt mit steigendem Alter zu. So ist bei Personen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr die Wahrscheinlichkeit einen Nebennierentumor bei einer CT-Untersuchung zu finden mit 0.2% sehr tief. Bei Personen, die über 70 Jahre alt sind, beträgt die Prävalenz einer zufällig entdeckten Nebennierenraumforderung fast 7%. Die Differentialdiagnose adrenaler Raumforderungen ist sehr breit. Mit Abstand am häufigsten handelt es sich dabei um Nebennierenadenome, die in der Mehrheit endokrin inaktiv sind (Tabelle 1). Tabelle 1: Histologische Ursachen von Nebennieren-Inzidentalomen (Mantero F et al. JCEM, 2000) Nebennierenadenom 52% Phäochromozytom 11% Myelolipom 8% Ganglioneurom 4% Nebennierenzyste 5% Nebennierenkarzinom 12% Metastase 2% Andere (u.a.hämatom,tbc, Zysten) 6% 2. Diagnostik Bei der diagnostischen Abklärung eines Nebennieren-Inzidentaloms stellen sich zwei Kardinalfragen: 1. Produziert und sezerniert der Tumor zu viel Hormone ist der Tumor endokrin aktiv? 2. Ist der Tumor maligne oder benigne? Endokrinologische Diagnostik Circa 5-12% aller Inzidentalome der Nebenniere sind endokrin aktiv. Am Anfang jeder endokrinologischen Diagnostik steht die sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung um Hinweise eines Hormonexzesses zu finden. Damit wird die Interpretation der anschliessend

7 erhobenen Laborresultate einfacher bzw. können die Laborbestimmungen eingeschränkt werden. Insbesondere sollte nach Anhaltspunkten für ein Cushing-Syndrom, ein Phäochromozytom oder einen primären Hyperaldosteronismus gesucht werden (Tabelle 2). Tabelle 2: Anamnestische und klinische Hinweise auf adrenalen Hormonexzess Erkrankung Symptome Befunde Cushing-Syndrom Gewichtszunahme, v.a. stammbetont; Proximale Muskelschwäche, vermehrte Verletzlichkeit der Haut, psychische Veränderungen, Schwitzen, Nykturie- Polyurie; Infertilität, Impotenz Arterielle Hypertonie Striae rubrae, Ekchymosen, Hirsutismus. Rubeosis faciei, supraklavikuläre Fettpolster, Knöchelödeme; Osteoporose, Diabetes mellitus Phäochromozytom Anfallsartige Kopfschmerzen, Palpitationen, Schwitzen. Blässe, innere Unruhe, Angst, Tremor Arterielle Hypertonie: anhaltend oder paroxysmal Hyperaldosteronismus Bei Hypokaliämie: Muskelkrämpfe Arterielle Hypertonie; Eventuell Hypokaliämie Nach der klinischen Beurteilung werden verschiedene Screening-Untersuchungen zum Ausschluss eines Hormon-Exzesses empfohlen. Diese Screening-Untersuchungen sollten insbesondere bei klinischem Verdacht auf einen Hormonexzess durchgeführt werden. Zum Screening nach einem Hypercortisolismus kann ein Dexamethason-Hemmtest (1mg Dexamethason zwischen 23.00h und 24.00h) durchgeführt, eine Cortisol-Bestimmung im 24h-Urin veranlasst oder das Speichel-Cortisol um Mitternacht bestimmt werden. Sind folgende Grenzwerte überschritten sollte eine Cushing-Diagnostik in die Wege geleitet werden und ein Endokrinologe beigezogen werden: Morgen-Cortisol nach 1mg Dexamethason > 140 nmol/l; Speichelcortisol-Wert um Mitternacht >6.0 nmol/l (2x bestimmt); Cortisol im 24h-Urin > 90 µg/24h (>250 nmol/24h) (2x bestimmt). Wird nach Einnahme von 1mg Dexamethason am Vorabend ein Morgen-Cortisol-Wert <140 nmol/l gemessen, ist ein Cushing-Syndrom mit grosser Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Unter dem Begriff subklinisches Cushing-Syndrom beschreibt man Patienten, die sich klinisch nicht mit einem typischen Cushing-Syndrom manifestieren, jedoch biochemisch gewisse Hinweise auf eine autonome Cortisol-Sekretion aufweisen. Bei den obengenannten Screening-Untersuchungen liegen die Resultate oft im Graubereich. Das Krankheitsbild ist allerdings schlecht beschrieben und wir haben bisher keine Informationen über den Spontan-Verlauf des subklinischen Cushing- Syndroms und ob eine Adrenalektomie einen Benefit für diese Patienten ergibt. Da ein Patient mit einem Phäochromozytom nicht immer unter den typischen Beschwerden (Trias: Kopfschmerzen, Palpitationen, Schwitzen) leiden muss, sollte beim Vorliegen eines Nebenniereninzidentaloms immer nach einem Phäochromozytom gesucht werden. Dabei können entweder die Katecholamine im 24h-Urin (mit gleichzeitiger Kreatinin-Bestimmung) oder die freien Metanephrine im Plasma bestimmt werden. Die Messung der Plasma-Metanephrine ist fehleranfällig und wird zurzeit nur in wenigen Labors in der Schweiz zuverlässig bestimmt. Bei Personen mit arterieller Hypertonie und insbesondere bei therapieresistenter Hypertonie sollte auch der primäre Hyperaldosteronismus gesucht werden. Als Screening-Methode hat sich die gleichzeitige Bestimmung von Renin und Aldosteron in sitzender Position mit Berechnung Aldosteron-Renin-Quotienten bewährt. Liegt der Quotient > 90 pmol/mu bzw. > 150 pmol/ng sollten weitere diagnostische Untersuchungen nach einem primären Hyperaldosteronismus eingeleitet werden. Bei jeder hormonellen Diagnostik ist der Einfluss von gleichzeitig eingenommenen Medikamenten zu beachten. Diese sollten wenn möglich abgesetzt bzw. bei der Interpretation der Testergebnisse berücksichtigt werden. Es sollten insbesondere Aldosteronantagonisten 4 Wochen und β-blocker mindestens 2 Wochen vor Bestimmung von Aldosteron und Renin gestoppt werden. Trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika, nicht-selektive α-blocker, MAO-Hemmer, Sympathomimetika und Koffein und Teophyllin-haltige Substanzen beeinflussen die Bestimmung der Katecholamine und Metanephrine.

8 Diagnostik hinsichtlich Dignität Bei einem neu diagnostizierten Nebennieren-Inzidentalom stellt sich auch immer die Frage, ob es sich um einen malignen Tumor handeln kann. Generell ist es wichtig zu wissen, dass Nebennieren- Karzinome sehr selten sind. Die Inzidenz beträgt 1:600 000 bis 1:1 600 000 Personen pro Jahr und das Risiko bei bekanntem Nebennierentumor beträgt 1:4 000. Die zwei wichtigsten Prädiktoren für einen malignen Nebennieren-Tumor sind die Tumorgrösse und der radiologische Befund. Eine homogene Struktur mit glatter Abgrenzung und einem Absorptionswert von weniger als 10 HU (Hounsfield units) im CT bzw. ein hoher Fettgehalt im chemical shift-mri (fehlendes Signal im outof-phase - Bild) sowie eine Grösse unter 4 cm sprechen deutlich für einen gutartigen Nebennieren- Tumor. Eine Tumorgrösse über 4 cm detektiert ein adrenokortikales Karzinom mit einer Sensitivität von 90%, allerdings liegt die Spezifität nur bei 24%. Bei einem Nebennieren-Inzidentalom mit einer Grösse über 6 cm beträgt das Risiko für einen malignen Nebennieren-Tumor ca. 25%. Die Feinnadelpunktion (FNP) hat aufgrund der schwierigen Unterscheidung zwischen malignen und benignen Nebennierenzellen keinen Stellenwert in der Routinediagnostik der Nebennieren- Inzidentalome. Besteht der Verdacht auf eine Metastase kann - nach Ausschluss eines Phäochromozytoms eine Feinnadelpunktion in Betracht gezogen werden. 3. Therapie Follow-up Endokrin aktive Nebennierentumore, Raumforderungen über 6 cm und Raumforderungen über 4 cm mit unklarem radiologischem Befund sollten in der Regel operiert werden. Die Operation erfolgt bei kleineren, benignen Tumoren in der Regel videoendoskopisch; bei Verdacht auf Malignität und sehr grossen Tumor wird meist eine offene Adrenalektomie durchgeführt. Die Empfehlungen zur Operationsindikation sind allerdings vernünftig zu interpretieren, insbesondere sind das Alter des Patienten und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen. So können auch grosse Tumoren über 4 cm bei älteren Personen nachkontrolliert oder ein unklarer 3.5 cm grosser Befund bei einem jungen Patienten operiert werden. Ein Conn-Adenom bei einem 70-jährigen Patienten muss ebenfalls nicht zwingend operiert werden, sondern kann auch medikamentös mit Spironolacton behandelt werden. Für endokrin inaktive Nebennieren-Inzidentalome mit einem Durchmesser unter 4 cm sowie von 4-6 cm ohne Vorliegen von Malignitätskriterien sollte eine Wiederholung der CT nach 6 Monaten erfolgen. Zeigt sich keine Grössenzunahme ist unseres Erachtens keine erneute Grössenkontrolle mehr erforderlich. Es gibt jedoch Gesellschaften und Autoren die regelmässige Verlaufskontrollen über mehrere Jahre empfehlen. Verlaufskontrollen über 4 Jahre zeigten, dass 5 bis 20% aller Nebennieren-Inzidentalome an Grösse zunehmen und bis 5% der Tumore an Grösse abnehmen. Unter den grössenprogredienten Tumoren wurde in zwei prospektiven Serien nur ein einziges adrenokortikales Karzinom detektiert. Als Verlaufsuntersuchungen bezüglich der hormonellen Aktivität werden von verschiedenen Gruppen die Durchführung eines Dexamethason-Hemmtests sowie die Urinkatecholamin-bzw. die freie Plasma Metanephrin-Bestimmung jährlich über einen Zeitraum von 4 Jahren empfohlen. Allerdings ist die Progressionsrate über die Jahre von einem endokrin inaktiven Nebennierentumor zu einem Tumor mit Hormonexzess sehr gering (1.7% bis 5%), weshalb wir ein solches Vorgehen nicht empfehlen und nur bei klinischem Verdacht auf einen Hormonexzess eine erneute endokrinologische Re-Evaluation als sinnvoll erachten. Ein möglicher Algorithmus für die Diagnostik und Therapie ist in der Figur 1 dargestellt.

9 Figur 1: Diagnostik und Therapie des Nebennieren-Inzidentaloms 4. Offene Fragen Ausblick Bis anhin besteht keine solide Evidenz bezüglich der Häufigkeit und der Zeitspanne der Verlaufskontrollen bei endokrin inaktiven, benigne erscheinenden Nebennieren-Inzidentalomen. Die meisten Gesellschaften bzw. Review-Artikel geben meines Erachtens zu extensive Empfehlungen für die Diagnostik und Nachkontrolle der Nebennieren-Inzidentalome ab, obwohl nur sehr wenige Personen im Verlauf einen Hormonexzess oder ein adrenokortikales Karzinom entwickeln. Der Nutzen und die Kosten-Effektivität dieser Empfehlungen sind bis jetzt nicht geklärt. Aus diesem Grund sollte versucht werden, folgende Punkte in den nächsten Jahren zu klären: 1. Wie ist der natürliche Verlauf von endokrin inaktiven, radiologisch unauffälligen Nebennieren- Inzidentalomen? 2. Was ist die optimale Strategie in der Verlaufskontrolle für Personen mit Nebennieren- Inzidentalomen? 3. Können Personen mit einem hohen Risiko für ein adrenokortikales Karzinom frühzeitig identifiziert werden?

10 Literatur 1. Mansmann G, Lau J, Balk E, Rothberg M, Miyachi Y, Bornstein SR. The clinically inapparent adrenal mass: update in diagnosis and management. Endocr Rev. 2004;25:309-40. 2. Grumbach MM, Biller BM, Braunstein GD, Campbell KK, Carney JA, Godley PA, Harris EL, Lee JK, Oertel YC, Posner MC, Schlechte JA, Wieand HS. Management of the clinically inapparent adrenal mass ("incidentaloma"). Ann Intern Med. 2003;138:424-9. 3. Young WF. Clinical practice. The incidentally discovered adrenal mass. N Engl J Med. 2007 Feb 8;356:601-10. 4. Nawar R, Aron D. Adrenal incidentalomas -- a continuing management dilemma. Endocr Relat Cancer. 2005;12:585-98. 5. Mantero F, Terzolo M, Arnaldi G, Osella G, Masini AM, Alì A, Giovagnetti M, Opocher G, Angeli A. A survey on adrenal incidentaloma in Italy. Study Group on Adrenal Tumors of the Italian Society of Endocrinology. J Clin Endocrinol Metab. 2000;85:637-44 6. Barzon L., Sonino N, Fallo F., Palu` G., Boscaro M. Prevalence and natural history of adrenal incidentalomas. Eur J Endocrinology. 2003;149: 273 285 7. E. Vassilatou, A. Vryonidou, S. Michalopoulou, J. Manolis, J. Caratzas, C. Phenekos, I. Tzavara. Hormonal activity of adrenal incidentalomas: results from a long-term follow-up study. Clinical Endocrinology. 2009;70, 674 679. 8. Bulow B; Jansson S; Juhlin C; Steen L; Thoren M; Wahrenberg H; Valdemarsson S; Wangberg B; Ahren B; Adrenal incidentaloma - follow-up results from a Swedish prospective study. Eur J Endocrinol. 2006;154:419-23

11 Echte und falsche Hyperprolaktinämie Bruno Müller www.derendokrinologe.ch Allgemeines Die Hyperprolaktinämie kann asymptomatisch oder mit Symptomen verbunden sein. Klassische Symptome sind: Zyklusstörungen bei der Frau, Amenorrhoe, Galaktorrhoe und Libidoverminderung. Die Differentialdiagnose ist breit. Physiologische Hyperprolaktinämien werden gesehen bei Stress, ekzessivem Körpertraining und Schwangerschaft. Häufigste Ursachen einer unphysiologischen Hyperprolaktinämie sind Hypophysenerkrankungen (Mikro- und Makroprolaktinome, Hypophysenstielkompression bei nicht prolaktinbildenden Hypophysentumoren, Empty-sella-Syndrom) und Medikamente (Neuroleptika, Antidepressiva, Metoclopramid, Domperidon, östrogenhaltige Präparatenpräparate, u.a.). Seltenere Ursachen sind die Hypothyreose, die Niereninsuffizienz, das Polycystische Ovarsyndrom PCO, und anderes. In ca. 5% aller Fälle kann keine Ursache festgestellt werden (sogenannt idiopathische Hyperprolaktinämie). Eine kaum bekanntes Krankheitsbild ist die Makroprolaktinämie, definiert als Prolaktinerhöhung als Folge von endogener Antikörperbildung gegen Prolaktin. Die Makroprolaktinämie wird auch als falsche Hyperprolaktinämie bezeichnet. Methoden zur Bestimmung von Makroprolaktin Ein Beispiel: Bestimmung der Autoantikörper mittels PEG-Präzipitationstest: 200 l Polyethylenglycol (PEG; Molekulargewicht 6000) werden mit einem identischen Volumen Serum gemischt und während 30 Minuten auf 3000 rpm zentrifugiert. Prolaktin wird vor sowie (im Überstand) unmittelbar nach PEG-Präzipitation bestimmt. Die sogenannte Prolaktin-Recovery wird danach nach folgender Formel berechnet: [immunoreaktives Prolaktin nach PEG-Präzipitation /

12 immunoreaktives Prolaktin vor PEG-Präzipitation] x 100. Die Diagnose Makroprolaktinämie gilt dann als gesichert, wenn in einem Serum das Prolaktin-Recovery < 40% beträgt. In ausgewählten Fällen basiert die Diagnose Makroprolaktinämie zusätzlich auf einer durch Gel- Filtrationschromatographie-Methode. Was ist Makroprolaktin? Das Glykoprotein Prolaktin zirkuliert im Kreislauf zur Hauptsache als 23 kda schweres monomerisches Molekül. Interessanterweise haben chromatographische Untersuchungen aber gezeigt, dass 2 weitere, davon abweichende Prolaktin-Moleküle zirkulieren, die ein erheblich höheres Molekulargewicht aufweisen (50 respektive >100 kda Molekulargewicht), und daher bigprolactin und big-big-prolactin genannt werden. Diese Prolaktine werden auch als Makroprolaktin bezeichnet. Die (chromatographische) Heterogenität ist seit 1974 bekannt [1,2,3]. Der Makroprolaktinentstehung liegen gegen Prolaktin gerichtete Autoantikörper zugrunde, wie 1992 gezeigt werden konnte. Es wurden bei Patienten mit big-big-prolactin Anti-Prolaktin- Antikörper der Klasse IgG mit niedriger Rezeptoraffinität festgestellt [4,5,6,7]. Derartige Autoantikörper führen zur Zusammenlagerung von Prolaktin-Monomeren zu makromolekularem Prolaktin (Makroprolaktin oder big-big-prolactin ). Problematischerweises beeinflusst Makroprolaktin die herkömmlichen Radio-Immunoassays für quantitative Prolaktin-Bestimmung, wobei das Ausmass der Beeinflussung von der Messmethode abhängig ist [8,9]. Zur Illustration dient die in Tabelle 1 analysierte Serumprobe mit einem effektiven Wert für monomerisches Prolaktin von 7.1 g/l und einem Makroprolaktinanteil von 93%. Die mittels 5 verschiedenen Radio-Immunoassays bestimmten Prolaktinwerte schwanken zwischen 26 und 143 g/l (siehe Tabelle 1.).

13 Tabelle 1. Prolaktinwerte aus einer einzigen Serumprobe mit einem Makroprolaktinanteil von 93% (und einem tatsächlichen Wert für monomerisches Prolaktin von 7.1 g/l), bestimmt mit 5 verschiedenen Radio-Immunoassays (Fahie-Wilson, persönliche Mitteilung). Assay Prolaktin-Wert ( g/l) Bayer/Chiron ACS 26 BioMerieux Vidas 37 Roche Cobas Core 47 Abbott AxSYM 95 Roche Elecsys 143 Wie aus der Tabelle 1 hervorgeht, werden nicht alle Radio-Immunoassays durch Makroprolaktin gleich stark beeinflusst. 2 der 3 grössten privaten Medizinlaboratorien und 4 der 5 Universitätslaboratorien der Schweiz verwenden aber Assays für qantitative Prolaktinbestimmungen, welche durch Makroprolaktin stark beeinflusst werden und zu falschhohen Prolaktinwerten führen können. Aus allerdings nur wenigen epidemiologischen Untersuchungen geht hervor, dass es sich bei der Makroprolaktinämie insgesamt um ein seltenes Phänomen handelt. Klinisch eigentlich interessanter sind Daten zur Prävalenz in einem selektionierten Patientengut mit Hyperprolaktinämie. Gestützt auf ein Kollektiv von 1430 Patienten mit Hyperprolaktinämie umfassende gepoolte Daten kann geschätzt werden, dass in etwa 19% der Fälle mit erhöhtem Prolaktin keine echte Hyperprolaktinämie sondern eine Makroprolaktinämie vorliegt (siehe Tabelle 2.). Insgesamt darf also davon ausgegangen werden, dass in spezialisierten Sprechstunden das Phänomen Makroprolaktinämie vergleichsweise häufig ist, oft aber verkannt und beispielsweise als idiopathische Hyperprolaktinämie verkannt wird.

14 Tabelle 2. Untersuchungen zur Prävalenz der Makroprolaktinämie bei (selektionierten) Patienten mit bekannter Hyperprolaktinämie (gemischter Aetiologie) N Prävalenz Hattori, 1992 (Ref. 4 ) 20 a) 25% Hattori, 1994 (Ref. 7 ) 208 b) 8% Hattori, 1996 (Ref. 11 ) 105 c) 3% Fahie-Wilson, 1997 (Ref.14 ) 69 25% Ahlquist, 1998 (Ref. 15 ) 340 16% Olukoga, 1999 (Ref. 16) 188 15% Total 1430 19% a) alle Patienten mit idiopatischer Hyperprolaktinämie b) 75 der 205 Patienten hatten eine idiopatische Hyperprolaktinämie: darunter 16% mit Makroprolaktinämie c) unselektionierte schwangere Frauen Klinische Relevanz Welches ist nun die klinische Relevanz von Makroprolaktin? In vivo hat Makroprolaktin - wenn überhaupt - nur eingeschränkte Aktivität. Zahlreiche Patienten mit dokumentierter Makroprolaktinämie haben keine Hyperprolaktinämie-spezifischen Symptome. Anderseits sind auch Fälle beschrieben, bei welchen eine Makroprolaktinämie mit Zyklusstörungen und/oder Galaktorrhoe vergesellschaftet gewesen ist. Grund für die verminderte oder gar fehlende Bioaktivität könnte sein, dass Endothelverbände für Makroprolaktin nicht durchlässig sind. Möglicherweise also verbleibt Makroprolaktin im intravasalen Kompartiment und gelangt gar nicht erst an die Prolakinrezeptoren. Eine Makroprolaktinämie muss deshalb vor allem dann vermutet werden, wenn bei erhöhtem Prolaktin keine assoziierbaren klinischen Symptome vorliegen, oder wenn die vorhandenen Leitsymptome durch die Hyperprolaktinämie nicht befriedigend erklärt werden können. Von sehr grosser klinischer Relevanz ist sicher die Vernachlässigung der Makroprolaktinämie in der Differentialdiagnose der Hyperprolaktinämie. Selbst endokrinologische Textbücher erwähnen die Makroprolaktinämie kaum und in Übersichtsarbeiten wird nur in Ausnahmefällen darauf

15 eingegangen [17,18], was dazu führt, dass selbst Spezialisten wie Gynäkologen und Endokrinologen die Makroprolaktinämie kaum je in den work-up einer Hyperprolaktinämie mit einbeziehen. Naheliegende und nachteilige Folgen sind unnötige Weiterabklärungen wie beispielweise Hypophysen-MR-Untersuchungen, falsche Behandlungsansätze und überflüssige Nachsorgeuntersuchungen. Es muss davon ausgegangen werden, dass eine erhebliche Zahl von Fällen mit Makroprolaktinämie noch heute unentdeckt bleibt. Warum ist dem so? Hauptgrund dürfte sicher sein, dass das Phänomen Makroprolaktin zuwenig bekannt ist. Ein weiterer Grund stellt die Diagnostik dar. Bis vor kurzem konnte Makroprolaktin nur mit vergleichsweise teuren und aufwendigen Labormethoden nachgewiesen werden (wie beispielsweise die Gel-Filtrationschromatographie), was in Einzelfällen möglicherweise entscheidende Weiterabklärungen verhindert hat. Mit der PEG- Präzipitationstechnik steht nun aber eine im Vergleich zum Goldstandard (chromatographische Methoden) einfache, rasche und günstige Methode zum Nachweis von Makroprolaktin zur Verfügung. Zusammenfassend ist die Makroprolaktinämie in einem selektionierten Patientengut mit Hyperprolaktinämie relativ häufig, wird aber kaum je in den work-up, respektive die Differentialdiagnose mit einbezogen, was problematische Folgen wie Fehlbehandlung, unnötige Abklärungen und Nachsorgeuntersuchungen nach sich zieht. Alle Patienten mit sogenannter idiopathischer Hyperprolaktinämie sollten auf Makroprolaktin hin untersucht werden. Laboratorien, welche Prolaktin-Bestimmungen anbieten, sollten die technischen Voraussetzungen für die Makroprolaktinabklärung schaffen, wobei einfache Methoden wie PEG-Präzipitationstechnik ausreichend sind. Literatur: beim Autor

16 Endokrinologische Abklärungen bei arterieller Hypertonie Paolo M. Suter, Hypertonie-Sprechstunde, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universitätsspital, 8091 Zürich paolo.suter@usz Die arterielle Hypertonie gehört zu den häufigsten Diagnosen im Praxisalltag. Dabei handelt es sich meist um essentielle Hypertonien, d.h. primäre Hypertonien, ohne eine identifizierbare Ursache. Bei letzteren Formen der Hypertonie erübrigt sich in der Regel eine endokrinologische Aufarbeitung. Ob zusätzliche endokrinologische Abklärungen bei einem Hypertonie Patienten gemacht werden müssen, wird je nach dem Verdachtsmoment betreffs dem Vorliegen einer sekundären Hypertonieform bestimmt. Die Liste der sekundären Hypertonieformen umfasst eine Vielzahl an ursächlichen Krankheitsbildern, welche jedoch in der Regel in der internmedizinischen Aufarbeitung des Patienten meist diagnostiziert werden. Probleme machen eigentlich nur die sogenannten häufigen sekundären Hypertonieformen, welche verpasst werden, weil sich diese einerseits ohne besondere Begleitsymptome oder mit einem atypischen klinischen Bild einhergehen. Zu dieser Gruppe gehören 3 sekundäre Hypertonieformen: 1) Nierenarterienstenose (NAS) 2) Primäre Hyperaldosteronismus 3) Phäochromocytom Inzidentalom Abklärung (Young WF NEJM 2007)

17 Zusammenfassende Take-Home Messages: Bei allen Analysen Präanalytik beachten (allenfalls Zuweisung für die Blutentnahme in die Hypertoniesprechstunde KPIM, USZ) Endokrinologische Laboranalysen ergänzen klinische Befunde und den klinischen Verdacht Immer Renin & Aldosteron gleichzeitig bestimmen, nach Möglichkeit unter Normokaliämie Eine Normokaliämie schliesst einen primären Hyperaldosteronismus nicht aus Medikamentöse Interaktionen beachten Plasma oder Urin Metanephrine zur Diagnostik des Phäochromocytoms (sobald allgemein verfügbarer wird die Plasma-Analyse die Urinanalyse wahrscheinlich ersetzen) Sensitivität Metanephrine > Katecholamine Macht keinen Sinn die Plasma und Urin Metanephrin-Bestimmungen gleichzeitig zu bestimmen Vanillinmandelsäure soll mit der Fragestellung Phäochromocytom Screening nicht bestimmt werden Mehrmalige Analyse sind allenfalls notwendig zum sicheren Ausschluss von falsch positiven Resultaten Mehrmalige Ergänzung und Vervollständigung der Anamnese Literatur: Young WF. 2007. The incidentally discovered adrenal mass. NEJM 356:601 Pivonello R, De Martino MC, de Leo M et al. 209. Cushing s Syndrome. Endocrinol Metab Clin N Am 37:135 Pacak K, Eisenhofer G, Ahlman H e al. 2007. Pheochromocytoma: recommendations for clinical practice from the First International Symposium. Nature Clin Pract Endocrionology & Metabolism 3:92 Funder JW, Carey RM, Fardella C et al. 2008. Case detection, diagnosis, and treatment of patients with primary aldosteronism: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 93:3266 Grouzmann E, Drouard-Troalen L, Baudin E et al. 2009. Performance of free and total metanephrines in plasma and fractionated metanephrines in urine for the diagnosis of pheochromocytoma. (in press) Yu R, Nissen NN, Chopra P et al. 2009. Diagnosis and treatment of pheochromocytoma in an academic hospital from 1997 to 2997. Am J Med 122:85 Hickmann PE, Leong M, Chang J et al. 2009. Plasma free metanephrines are superior to urine and plasma catecholamines and urine catecholamine metabolites for the investigation of pheochromocytma. Pathology 41:173 Koneth I, Suter PM, Vetter W. 2000. Arterielle Hypertonie und erhöhte Urin- Katecholamine. Praxis 89:1252-1256

18 ENDOKRINE HYPERTONIE Endokrine Abklärungen bei Hypertonie Bild d Manometer e rf Frau Skizze Paolo M. Suter Klinik & Poliklinik für Innere Medizin UniversitätsSpital Zürich paolo.suter@usz.ch 044-255 56 61 1 Screening für sekundäre endokrine Hypertonieformen Daran denken bei Schwierig einstellbare HT Therapieresistenz Plötzlicher Blutdruckanstieg HT bei Jungen Klinik endokriner Erkrankungen (unprovozierte Hypokaliämie) Andere 2 SEKUNDÄRE HYPERTONIE Endokrine Hypertonie-Formen Katecholamin Exzess Mineralokortikoid Exzess Glukokortikoid Exzess Hyperparathyreoidismus Hyper- / Hypothyreose Akromegalie Diabetes mellitus / Adipositas Östrogen-induzierte HT Schwangerschafts-HT Reninom Kongenitale adrenale Hyperplasie Andere 3 HYPERTONIE ABKLÄRUNG Laborchemische Basisdiagnostik Labor Parameter Konstellation Krankheit Natrium / Kalium Na / K Hyperaldosteronismus Kalzium Ca Hyperparathyreoidismus Kreatinin (Cystatin C) Glukose Diabetes mellitus Tot Chol / HDL / LDL / TG TSH (ft4 / ft3) TSH & ft4 Hyperthyreose Mikroalbuminurie / Sediment Hämatologie 4 Prof. PM Suter - Winterthur 4. Juni 2009 1 t

19 Biochemische Basis-Work-up Cushing Syndrom CUSHING VERDÄCHTIGE KLINIK Primärer Hyperaldosteronismus (pha) Normal supprimiert nicht erhöht erhöht nicht supprimiert erhöht Engramm Hypokaliämische Hypertonie > 20 40% der pha Patienten haben Normokaliämie > 20% der essenzielle Hypertoniker haben Hypokaliämie 5 MERKE: Normokaliämie 6 schliesst einen Hyperaldosteronismus nicht aus INDIKATION Bestimmung von Plasma Renin & Aldosteron (nicht-provozierte) Hypokaliämie (mit HT) Schwer einstellbare Hypertonie (Th-Resistenz) NN Inzidentalom Schwere Hypertonie (Stufe 2 & 3) Junge Hypertoniker ( early onset HT FA+ für CVI) 1. gradige Verwandte eines 1 Hyperaldo Verdacht sekundäre Hypertonie Andere 7 ABKLÄRUNG Primärer Hyperaldosteronismus Procedere (nicht-provozierte) Hypokaliämie (mit HT) Schwierig einstellbare Hypertonie (Th-Resistenz) NN Inzidentalom Schwere Hypertonie Junge Hypertoniker Verdacht sekundäre Hypertonie Plasma Renin Aktivität (PRA) Plasma Aldosteron (PA) Bestättigung Typisierung Case-Finding Zentrum: - Aldosteron Suppressions Tests - Nebennieren-Venen-Blut Bestimmung - Subtypisierung (GRA) vor 10:00 h liegend (>30 Min) normales Kalium PRA & Aldosteron (PA : PRA Ratio) Bildgebung (CT / MRI) Adenom? Hyperplasie? 8 Prof. PM Suter - Winterthur 4. Juni 2009 2

20 Hyperaldosteronismus Abklärung DD Renin (PRA) Verdächtiger Patient PRA & Aldosteron Konfirmationstest KEINE CHIRURGIE NN - CT Bilateral CHIRURGIE AVS Orales Salzloading IV Salzlaoding Fludrocortison Suppression Captopril Test Unilateral Adenom Hyperplasie unilateral bilateral ERHÖHT ERNIEDRIGT High Renin Hypertonie ( trockener Patient ) Sek. Hyperaldosteronismus Nierenarterienstenose Diuretika (Diuretika / Spironolakton / Eplerenon) Antihypertensiva (ACEI / AT2A) Reninom Andere Low Renin Hypertensie ( feuchter Patient ) Primärer Hyperaldosteronismus Pharmaka: beta-blocker Alter Salzreiche Kost Prolongierte Bettruhe Liddle Syndrom Aldosteron Antagonist Adrenalektomie 9 10 AVS: Adrenal-Venöse Bestimmung Young et al / Funder et al / Rossi et al Pharmaka & Renin-Angiotensin-Aldosteron System Wann soll man ein Phäochromocytom suchen? Pharmaka Hormon ACE-I ARB DRI (Aliskiren) Ang-I Ang-II Renin PRA Aldosteron Klinischer Verdacht! Blutdruck Krisen / Anfälle Schwer einstellbare Hypertonie Inzidentalom Trias (HT-Kofpschmerz-Schwitzen) Spezifische Begleitkonstellation (FA+ eines Syndroms welches mit Phäo assoziiert ist) ACE-I ACE-Hemmer ARB Angiotensin II rezeptor Blocker PRA Plasma Renin Aktivität DRI Direkte Renin Inhibitoren 11 12 Prof. PM Suter - Winterthur 4. Juni 2009 3

21 COMT: Catecholamine-O-Methyl-Transferase (...) MAO: Monoamineoxidase (----------) Katecholaminabbau Diagnostische Sensitivität Metanephrine > Katecholamine 13 Verteilung von Metanephrin u. Normetanephrin PLASMA URIN Dg Phäo od Paraganglion Normale (Tu ausgeschlossen) 14 Pacak et al (2007) METANEPHRIN BESTIMMUNG Urin versus Plasma? Labordiagnostik beim Phäochromozytom Fraktionierte Urin Metanephrine Etabliert / verfügbar Einfache Methode Billig Nachteile: Dekonjugation: konjugierte Metabolite 24h-Urin Zuverlässigkeit? Niereninsuffizienz (Diät) Freie Plasma Metanephrine relativ neue Methode Freie Metabolite Für Patienten einfach Auch bei Niereninsuffizienz (Diät) Nachteile : Schwierige Analyse Aufwändige Präanalytik Limitierte Verfügbarkeit 15 Aktueller Consensus: BEIDE MEDIEN für SCREENING Reisch et al (2009), Lenders et al (2002), Pacak et al (2007), Rossi et al (2008), Whiting et al (2009) 16 Prof. PM Suter - Winterthur 4. Juni 2009 4

22 Präanalytik Metanephrine / Katecholamine Fraktionierte Urin Metanephrine Patienteninstruktion Angesäuerter Urin Vollständigkeit der Sammlung (mmol/kreatinin) Nierenfunktion? (Diät / Ernährung) Freie Plasma Metanephrine Ruhe nüchtern (> 4h) < 15 Min liegende Venflon Auf Eis & zentrifugieren Analytische Interferenzen? (Nierenfunktion / Diät) Plasma Metanephrine & Katecholamine: Überweisung in Hypertonie Sprechstunde zur Blutentnahme 17 (KEIN FREITAG) (Analysen bei PD Dr. Grouzmann, CHUV) SPEZIALTESTS 18 adaptiert nach Reisch et al (2009) PHARMAKA Falsch Positive Metanephrine/Katecholamine Paracetamol-assoziierte Interferenz in einem HPLC-ECD Assay 2/3 des zirkulierenden Normetanephrins aus Noradrenalin des sympathischen Nervensystem Ohne Paracetamol Paracetamol 2 x 500 mg Noradrenalin-Reuptake Hemmung Adrenerge Rezeptor Blockade Monoamino-Oxidase (MAO) Hemmer Freizeit-Drogen Andere 19 Davidson DF (2004) 20 Prof. PM Suter - Winterthur 4. Juni 2009 5

23 Hypoglykämien beim Nicht-Diabetiker PD Dr. Peter Wiesli, Leitender Arzt Medizinische Klinik, Kantonsspital Frauenfeld In der Therapie des Diabetes mellitus sind Hypoglykämien für Patienten und Aerzte ein häufiges, wichtiges und zum Teil unterschätztes Problem. Dagegen sind Hypoglykämien bei Patienten ohne Diabetes sehr selten. Die Definition der Hypoglykämie als Whipple`sche Trias ist auch heute noch gültig. Die Whipple`sche Trias beschreibt, dass neben einer erniedrigten Blutglukose auch Symptome einer Hypoglykämie bestehen müssen, welche nach Zufuhr von Glukose reversibel sind. Aus diesem Grund ist in der Anamnese bei Patienten, bei welchen eine Hypoglykämie vermutet wird, die Symptomatik besonders wichtig. Berichtet ein Patient über neuroglykopene Symptome, ist eine Weiterabklärung bezüglich möglicher Hypoglykämie gerechtfertigt und unbedingt zu empfehlen. Berichtet ein Patient hingegen ausschliesslich über autonome Symptome, ist eine relevante Hypoglykämie als Ursache der Beschwerden unwahrscheinlich und eine Weiterabklärung meist unergiebig. Oft handelt es sich dabei um Patienten mit ausschliesslich autonomen Symptomen postprandial; diese sogenannten reaktiven Hypoglykämien haben keinen Krankheitswert. Wenn nicht Symptome sondern tiefe Blutzuckerspiegel das Motiv für eine Abklärung auf Hypoglykämie sind, muss primär die Validität der tiefen Blutzuckerspiegel in Frage gestellt werden. Die Bestimmung der Blutglukose mit ambulanten Blutzuckermessgeräten ist im tiefen Bereich ungenau; tiefe Blutzuckerwerte bei asymptomatischen Patienten (ohne Diabetes) sind daher meist Fehlmessungen. Idealerweise wird bei Verdacht auf eine Hypoglykämie die Plasmaglukose aus einen Natriumfluorid-Röhrchen (Vacutainer grau) bestimmt. Die Bestimmung der Plasmaglukose aus Heparinröhrchen kann ebenfalls zu falsch tiefen Glukosewerten führen, wenn die Probe nicht sofort verarbeitet wird (Glykolyse). Besteht aufgrund der Anamnese der Veracht auf neuroglykopene Symptome im Zusammenhang mit erniedrigten Blutzuckerwerten, ist der 72Stunden Fastentest der erste Schritt der Weiterabklärung. Der Fastentest erfolgt ausschliesslich stationär. Dabei ist es das Ziel, die Whipple`sche Trias zu dokumentieren. Während dem Fastentest ist der Patient sorgfältig auf das Vorliegen neuroglykopener Symptome zu untersuchen, z.b. mit dem MiniMental Status oder dem Uhrentest. Beim Auftreten einer kognitiven Verschlechterung wird eine Blutentnahme zur Bestimmung der

24 Plasmaglukose (Vacutainer grau) sowie Insulin, C-Peptid und Sulfonylharnstoffe durchgeführt und erst danach Glukose zugeführt. Mit den Resultaten der Blutentnahme zum Zeitpunkt der symptomatischen Hypoglykämie kann unterschieden werden, ob die Hypoglykämie durch Insulin vermittelt wird oder nicht. Sind die Insulinspiegel während der Hypoglykämie supprimiert, reagiert das Pankreas des Patienten adäquat auf die Hypoglykämie und ein Insulinom ist ausgeschlossen. In diesen Fällen kommen Krankheiten wie eine Nebennieren-, Hypophysenvorderlappen- oder Leberinsuffizienz, Urämie, Mangelernährung, Alkohol oder eine Tumorhypoglykämie (big IGF II) als Ursache der Hypoglykämie in Frage. Sind die Insulinspiegel während der Hypoglykämie inadäquat hoch (also nicht supprimiert), muss in erster Linie ein Insulinom als Ursache vermutet werden (Ausschluss Sulfonylharnstoffe, Glinide, Insulininjektion). Die Bestimmung von Insulin, C-Peptid und Sulfonylharnstoffen während der Hypoglykämie erlauben die Differenzierung. Erhöhte Insulin- und C-Peptid-Spiegel während der Hypoglykämie ohne Hinweise für die Einnahme von Sulfonylharnstoffen oder Gliniden sind suggestiv für das Vorliegen eines Insulinoms. Die präoperative Lokalisation des Insulinoms erfolgt mittels CT und/oder MRI. Mit dem ASVS-Test (arterielle Calcium Stimulation und venöses Sampling) erlaubt eine funktionelle Lokalisation der Insulinquelle, dabei kann auch eine diffuse Inselzellhyperplasie oder Nesidioblastose als seltene Ursache einer Hypoglykämie erkannt werden. Therapie der Wahl eines Insulinoms ist die chirurgische Resektion des meist gutartigen Adenoms. Sehr selten berichten Patienten über neuroglykopene Symptome ausschliesslich postprandial. Meistens sind dies Patienten, welche sich einem Eingriff am oberen Gastrointestinaltrakt (inklusive bariatrische Chirurgie) unterzogen haben. Es kann auch vorkommen, dass Patienten mit einem Insulinom oder anderen endokrinen Tumoren (z.b. Somatostatinom) ausschliesslich postprandial (neuroglykopene) Symptome haben. Hypoglykämien durch Insulin-Autoantikörper treten meist nur bei Patienten mit einer anderen Autoimmunkrankheit auf (z.b. Lupus erythematodes) Referenzen Cryer PE, Axelrod L, Grossman AB, Heller SR, Montori VM, Seaquist ER, Service FJ (2009) Evaluation and Management of Adult Hyppglycemic disorders: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab 94:709-728.

25 Wiesli P, Brändle M, Schwegler B, Lehmann R, Spinas G A, Schmid C (2002) A plasma glucose concentration below 2.5 mmol/l is not an appropriate criterion to end the 72-hour fast. J. Intern. Med. 252:504-509 Wiesli P, Schwegler B, Schmid B, Spinas GA, Schmid C (2005) Mini-Mental State Examination is superior to plasma glucose concentrations in monitoring patients with suspected hypoglycaemic disorders during the 72-hour fast. Eur. J. Endocrinol.152: 605-610 Wiesli P, Brändle M, Schmid C, Krähenbühl L, Furrer J, Keller U, Spinas G A, Pfammatter T (2004) Selective arterial calcium stimulation and hepatic venous sampling in the evaluation of hyperinsulinemic hypoglycemia: potential and limitations. J. Vasc. Interv. Radiol. 15:1251-1256 Giger U, Michel JM, Wiesli P, Schmid C, Krahenbuhl L (2006). Laparoscopic surgery for benign lesions of the pancreas. J Laparoendosc Adv Surg Tech A. 16:452-457 Wiesli P, Schmid C, Perren A, Pfammatter T, Spinas G A, Keller U (2004) Hypoglycaemia in response to glucose and glucagon in insulinoma patients with a negative prolonged fast: functional and morphological properties. J. Endocrinol. Invest. 27:832-838

26 Update zur Therapie der Hyperlipidämie 31. Winterthurer Fortbildungstag, 4. Juni 2009 Ulrich Keller, Prof. Dr. med. FMH Endokrinologie-Diabetologie, 4055 Basel; ulrich.keller@unibas.ch Bedeutung Erhöhtes LDL-Cholesterin und erniedrigtes HDL-Cholesterin sowie erhöhte Triglyzeride sind unabhängige kardiovaskuläre Risikofaktoren. Eine medikamentöse Lipidsenkung, insbesondere mit Statinen, verringert die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität und die Gesamtmortalität bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko. Erhöhte Serumtriglyzeride (>10 mmol/l) bedeuten ein Risiko für akute Pankreatitis. Diagnostik zur Klassifikation der Dyslipidämien Unterscheidung in isolierte Hypercholesterinämien (Erhöhung von Gesamtcholesterin und LDL-C), kombinierte Hyperlipidämien (Gesamtcholesterin- und Triglyzeriderhöhung) und isolierte Hypertriglyzeridämien. Zusätzlich soll zwischen primären oder sekundären Dyslipidämien unterschieden werden. Abklärung mittels Bestimmung von Gesamtcholesterin [TC], Triglyzeriden [TG], und HDL- Cholesterin. Das LDL-Cholesterin wird meist aus TC, TG und HDL-C berechnet (Friedewald- Formel). Bei TG > 4.5 mmol/l ist die Anwendung dieser Formel nicht mehr zulässig. Einteilung der Hyperlipidämien Primäre Hyperlipidämien Hypercholesterinämie (TC > 5 mmol/l, TG < 1.7mmol/l) Familiäre Hypercholesterinämie und Familiär defektes Apoprotein B Autosomal-dominant vererbt, LDL-Rezeptor oder Apo B Defekt Heterozygote: 1:500 KHK-Risiko Dg: LDL-C > 7.5 & Familienanamnese; tendinöse Xanthome. Polygene Hypercholesterinämie Häufig (10% der Bevölkerung.) Polygene Erkrankung LDL-C und Gesamtcholesterin erhöht. Kombinierte Hyperlipidämie (TC > 5 mmol/l, TG > 1.7) Familiär Kombinierte Hyperlipidämie Autosomal-dominant vererbt. VLDL-Überproduktion 10-20% mit frühzeitiger KHK Dg: Apoprotein B > 1.25 g/l, TG > 2.0 mmol/l & positive Familienanamnese (FA). Familiäre Dysbetalipoproteinämie (Remnant Disease) Selten (1:10'000) KHK-Risiko TC. und TG ~ gleichsam erhöht Handlinienxanthome Dg: Apo E Genotyp (E2/E2) Hypertriglyzeridämie (TG > 1.7, normales LDL-C) Familiäre Hypertriglyzeridämie Autosomal-dominant vererbt, selten. TG-Überproduktion KHK-Risiko umstritten Dg: TG > 2.0 mmol/l, pos. FA bzgl. Isolierter Hypertriglyzeridämie, (Apo B < 1.25 g/l). Lipoproteinlipase und Apoprotein CII Mangel Sehr selten, Manifestation im Kindesalter Chylomikronensyndrom (Pankreatitisgefahr) Geringes KHK-Risiko 1

27 Wichtig sind auch die Familienanamnese und die klinische Untersuchung. In ausgewählten Fällen können auch Apoprotein B-Konzentration, Apoprotein E Genotypisierung (V.a. Fam. Dysbetalipoproteinämie [Remnant-Hyperlipidämie]) bestimmt werden. Suche nach sekundärer Dyslipidämie bei Verdacht (z.b. TSH, Glukose, Urinstatus, Leberwerte). Sekundäre Hyperlipidämien Hypercholesterinämie Hypothyreose: TC bis 10 mmol/l! Cholestase LpX, massive TC-Erhöhung möglich Nephrotisches Syndrom; Niereninsuffizienz TC, TG Akute intermittierende Porphyrie Medikamente: Cyclosporin Thiazide (hohe Dosen); Schleifendiuretica Kombinierte Hyperlipidämie oder Hypertriglyzeridämie Metabolisches Syndrom und DM Typ2 TG, HDL, LDL, aber small, dense; LDL Dyslipidämie; KHK-Risiko. Häufig! Alkoholabusus; exzessiver Zuckerkonsum (Fruktose!) Lipodystrophien Hämatologische Systemerkrankungen; Medikamente: Steroide Proteasehemmer Isoretinoin Oestrogene (hohe Dosen),Tamoxifen, Betablocker (unselektive) Abschätzung des kardiovaskulären Risikos: Definition eines hohen Risikos: Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarktes oder Tod infolge eines koronaren Ereignisses > 20% in 10 Jahren (Definitionen der AGLA und IAS). Patienten mit einem hohem kardiovaskulären Risiko haben die grösste Risikoreduktion bei Behandlung, d.h. Patienten mit atherosklerotischen Erkrankungen (Sekundärprävention - KHK, PAVK, CVI), Diabetes mellitus (Typ 2, Typ 1 mit Mikroalbuminurie), multiplen Risikofaktoren oder sehr ausgeprägtem einzelnen Risikofaktor (z.b. Familiäre Hypercholesterinämie). Das Risiko kann mit einem Rechner (www.agla.ch) geschätzt werden. Es braucht dazu individuelle Angaben (Daten) zum kardiovaskulären Risiko. Das Risiko ist die Grundlage zur Therapie-Indikationsstellung. Neben den Lipiden werden zur Abschätzung des Gesamtrisikos aktueller Nikotinabusus, Hypertonie, HDL-Cholesterin < 1 mmol/l, Alter: Männer > 45 J., Frauen > 55 Jahre, Familienanamnese für frühzeitige KHK als Risikofaktoren eingerechnet. Risikorechner beruhen auf Daten aus prospektiven Kohortenstudien. Der AGLA-Score beruht auf Daten der PROCAM-Studie (Deutschland). Wegen des in der Schweiz geringeren kardiovaskulären Risikos wird jeweils das PROCAM-Risiko mit Faktor 0.7 multipliziert- dieser Faktor wurde aus epidmemioloigschen Vegleichsdaten abgeleitet. Therapieziel je nach Gesamtrisiko und Ausgangs-LDL-C: Bei einem 10-J Risiko (gemäss AGLA-Score www.agla.ch) von: >20% (hohes Risiko)*: LDL-Zielwert unter Therapie:<2.6 mmol/l Patienten mit KHK und/oder anderer Manifestation einer Atherosklerose, sowie Diabetiker Typ 2 gehören a priori in diese Kategorie. 2