Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 1 9.09 Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Griechenland hat sich dermaßen hoch verschuldet, dass es sich vor über einem Jahr nur mehr zu exorbitanten Zinsen Geld am Finanzsektor borgen konnte. Daraufhin hat Griechenland seine Euro-Partner um Hilfe gebeten. Auf europäischer Ebene, aber auch auf nationaler Ebene ist dann intensiv beraten worden, wie die Hilfe für Griechenland ausschauen kann. Damals wurde in allen Einzelheiten durchgerechnet, was wäre, wenn Griechenland pleiteginge oder wenn man Griechenland pleitegehen lässt: Welche möglichen Folgewirkungen und -kosten hätte das? Was wäre nötig, um Griechenland wieder auf den richtigen Weg zu bringen? Was würde die Sanierung kosten, und wie geht man so eine Sanierung optimal an? So haben die Optionen Anfang 2010, also vor über einem Jahr, ausgesehen. Das Sanierungsprogramm mit Krediten, die die Länder den Griechen gewähren, würde für Österreich, damals berechnet, 2,3 Milliarden kosten. Wie gesagt: Kredite, keine Geldgeschenke! Wenn das Programm funktioniert, neben der Hilfe mit Geld auch Strukturreformen durchzuführen, dann bekommen wir Zinsen und das Geld zurück. Die Variante 2 damals, Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, hätte für uns in Österreich sofort einen Schaden von rund 5 Milliarden bedeutet. Das war damals das Geld, das in Pensionskassen, in Versicherungen, in Investmentfonds an griechischen Anleihen in Österreich war. Damit hätten österreichische Pensionisten, österreichische Versicherungsnehmer, österreichische Sparer über die Investmentfonds sofort Geld verloren. Gleichzeitig wäre bei einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, bei einer Pleite, nicht absehbar gewesen, welche enormen Folgewirkungen das im gesamten Euroraum, bei anderen Ländern beziehungsweise am Balkan gehabt hätte, wo griechische Banken ganz massiv engagiert sind, aber auch unsere Banken stark engagiert sind. Wir hätten nicht absehen können und das ist intensiv diskutiert worden, wie sich die Vertrauenskrise auf die gesamte Eurozone ausgewirkt hätte. Dieses Risiko wurde mit maximal 40 Milliarden eingeschätzt. Man sieht also, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der damals eingeschlagene Weg, nämlich zu helfen und über Reformen zu sanieren, der wesentlich günstigere und auch der mit dem geringeren Risiko war. Natürlich ist dieser
Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 2 eingeschlagene Weg schmerzhaft und birgt immer noch Risiken in sich (Abg. Bucher: Sie sagen, es ist ein Geschäft!), aber es ist unbestritten, dass es unklug gewesen wäre, gleich den teuren Weg zu beschreiten und nicht den Sanierungsweg, der wesentlich günstiger gewesen ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist alles ein Geschäft, haben wir gehört! Also machen wir doch kein Geschäft?) Klar war für uns auch von Anfang an... (Abg. Ing. Westenthaler: Ist es jetzt ein Geschäft oder nicht?) Herr Kollege Westenthaler, ich habe niemals niemals! behauptet, dass es ein Geschäft ist! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. Widerspruch bei BZÖ und FPÖ. Abg. Mag. Stadler:... Alzheimer? Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Geschäft, haben Sie gesagt!) Herr Abgeordneter Westenthaler, ich lasse mir das Wort nicht im Mund umdrehen! Ich habe hier im Hohen Haus gesagt, dass der österreichische Steuerzahler bisher keinen Euro verloren hat, sondern bisher 32 Millionen an Zinsen von den Griechen lukriert hat. Dass Sie mir damals dann in den Mund gelegt haben (Hö!-Rufe beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ), ich hätte behauptet, es wäre ein Geschäft, das müssen Sie verantworten. Ich habe nur klargestellt, dass es den österreichischen Steuerzahler bisher keinen Euro gekostet hat, weil wir Kredite gewähren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Der eingeschlagene Weg für Griechenland hat auch umfasst, dass der Internationale Währungsfonds sich an dieser Sanierung beteiligt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer schreibt denn Ihre Reden?) Der Internationale Währungsfonds hat jahrzehntelange Expertise im Sanieren von maroden Staaten, darin, sie wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Daher habe ich auch hier im Hohen Haus gesagt, Österreich ist mit seiner Hilfe so lange dabei, wie auch der Internationale Währungsfonds dabei ist. Nur wenn der Internationale Währungsfonds Vertrauen in die Maßnahmen der Griechen hat, werden auch wir Vertrauen haben. Sämtliche Programme wurden daher mit dem IWF abgestimmt, und der IWF führt gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank in Griechenland die Kontrolle durch, dass die Maßnahmen auch umgesetzt werden. Welche Maßnahmen sind es? Erstens: ein Schutzschirm über das Finanzsystem mit Krediten, zweitens ein Strukturprogramm, das die Griechen wieder auf Wachstumskurs bringt, und drittens ein Privatisierungsprogramm, ein Budgetkonsolidierungskurs, damit die Griechen selber zum Schuldenabbau beitragen. Wie sieht nun der aktuelle Stand der Griechenlandhilfe aus?
Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 3 Seit vorigem Jahr hat Österreich den Griechen einen Kredit von über 2 Milliarden zugesichert. Davon haben die Griechen bisher 1,2 Milliarden bekommen. Die derzeit aktuelle Tranche, die wir auszahlen sollen, umfasst 156 Millionen. (Abg. Ing. Westenthaler: Zocken!) Es wurde daher in Griechenland eine beispiellose Anstrengung unternommen und da bedanken wir uns auch beim griechischen Volk und bei der griechischen Regierung, dass sie selber so intensiv mit beitragen. (Abg. Mag. Stadler: Wir bedanken uns bei den Griechen, dass sie unser Geld nehmen?! Das ist ja nicht zu fassen!) Wie schmerzhaft das ist, sehen Sie daran, dass auch in Griechenland intensiv darüber diskutiert wird und von einigen Teilen der Bevölkerung dieser Sparkurs auch abgelehnt wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Danke, Griechen! Heiterkeit beim BZÖ.) Aktuell hat die Troika, nämlich die Europäische Zentralbank, der Währungsfonds und die Europäische Kommission, das Paket der Griechen kontrolliert und neue Maßnahmen eingefordert, die von den Griechen am 30. Juni auch beschlossen worden sind. Das heißt, von den Griechen werden jetzt eine konsequente Budgetkonsolidierung, ein Sparkurs, aber auch Strukturreformen gefordert, um der Wirtschaft dort wieder auf die Beine zu helfen. Warum sage ich, dass es auch für das griechische Volk schwierig ist? Ich nenne Ihnen jetzt ein paar Beispiele, und da ist Lächerlichkeit nicht angebracht. Die Griechen müssen mehr Mehrwertsteuer zahlen, künftig 23 Prozent. Es gibt eine Anhebung der Steuern auf Treibstoff, Tabak, Alkohol; es werden da 450 Millionen erwartet. Es gibt eine Kürzung des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Einsparungen: 1,1 Milliarde. Es kommt zu Kürzungen des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes für die Pensionisten. Einsparungen: 1,9 Milliarden. Es gibt Kürzungen bei den höchsten Pensionen. Einsparungen: bis zu 500 Millionen. Die Abschaffung des Inflationsausgleiches für Pensionisten bringt Einsparungen von 100 Millionen. (Abg. Neubauer: Sagen Sie einmal, was es die Österreicher kostet!) Die Einführung einer CO 2 -Steuer bringt Einnahmen von mindestens 300 Millionen. Es kommt zu einer schrittweisen Anhebung des Pensionsalters auch für Frauen auf 65 Jahre. Die Zahl der für eine volle Pension erforderlichen Beitragsjahre wird von 37 auf 40 Jahre angehoben. Ab 2020 soll die Altersgrenze alle drei Jahre im Lichte der steigenden Lebenserwartung überprüft werden.
Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 4 Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein wirklich schmerzhafter Konsolidierungs- und Sparkurs, den die Griechen fahren müssen! Wir fordern aber nicht nur einen Sparkurs, sondern wir fordern auch Strukturreformen. Die Griechen müssen mit Wachstum wieder auf die Beine kommen. Sparen alleine ist nicht ausreichend (Beifall bei ÖVP und SPÖ), daher gibt es neben diesem schmerzhaften Sparkurs auch Offensivmaßnahmen, mit denen die griechische Wirtschaft angekurbelt werden soll und die Wettbewerbsfähigkeit einerseits überhaupt erst hergestellt und auf der anderen Seite gestärkt werden soll. Zwischen 2011 und 2015 wird nur jede zehnte Stelle im öffentlichen Dienst nachbesetzt. Damit wird die Zahl der Staatsdiener um 20 Prozent verringert, von 727 000 auf 577 000. Es gibt Deregulierungen bei Berufszugängen. Griechenland hat eine sehr intensive, fast monopolistische Regulierung in vielen Branchen. Jetzt werden beispielsweise Monopole bei der Berufsausbildung aufgebrochen, und Engpässe bei der Lizenzvergabe werden beseitigt. Es findet auch eine Liberalisierung des Transportwesens statt. Beispielsweise gibt es derzeit ganz strenge Lizenzen für Touristenbusse, und damit verknappt man das System. Das soll aufbereitet werden, damit Wettbewerb entsteht, und es soll eine umfassende Liberalisierung durchgeführt werden. Die Transportkosten für die griechische Wirtschaft werden dadurch gesenkt und Engpässe beseitigt. Ähnliches gilt bei der Lizenzierung von Frächtern und auch in anderen Branchen, die gemäß den Binnenmarktrichtlinien dem Wettbewerb zugeführt werden. Die Griechen bekommen neue Regelungen für Unternehmensgründungen, ein sogenanntes One-Stop-Shop-Prinzip. Damit wird die Dauer auf bis zu einen Tag verkürzt, sodass es rasch geht, wenn man unternehmerische Aktivitäten entfalten will. Die Kostensenkung beträgt dabei bis zu 62 Prozent. Zur Liberalisierung im Energiebereich: Es wird der bisher nicht umgesetzte freie Netzzugang für alle Energieproduzenten realisiert etwas, was europäischer Standard ist, in Griechenland aber nicht umgesetzt war. Dadurch gibt es günstigere Energiepreise für Wirtschaft und Konsumenten. Im Bildungsbereich werden regelmäßig neue Qualitätschecks für Lehrer eingeführt, und die Ganztagsschulen werden ausgeweitet. Die Troika hat weiters vorgeschlagen, das Justizsystem einer umfassenden Reform zu unterziehen, damit es einerseits transparenter wird und andererseits die Verfahren beschleunigt werden.
Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 5 Dann muss Griechenland mit Privatisierungen einerseits zum Abbau der Schulden beitragen, aber auch, was noch viel, viel wichtiger ist, zum Ankurbeln der Wirtschaft. Die Privatisierungen sind ein Schlüsselpunkt im Gesamtpaket. Griechenland verfügt im europäischen Vergleich über überdurchschnittlich hohe Vermögenswerte bei Unternehmensbeteiligungen und bei Grundstücken, und manche Betriebe werden ausschließlich vom Staat betrieben. Die Gelegenheit ist bisher unzureichend genützt worden, da mehr Markt und Wettbewerb und dadurch auch mehr wirtschaftliches Wachstum zu generieren. Eine Fülle von Staatsbetrieben verursacht nur erhebliche Kosten. Das heißt, man kann da zur Budgetkonsolidierung beitragen, aber auch zur Ankurbelung der Wirtschaft. Es gibt also ein Gesamtprogramm, dass Griechenland ein Privatisierungsprogramm durchziehen muss, um seine Staatsschulden um 20 Prozent zu senken und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln. (Abg. Neubauer: Diese Rede müssen Sie in Athen halten!) Was ist davon konkret betroffen? Staatsbanken werden verkauft, der Strom-, Gasund Wassermarkt wird im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie europäisch wettbewerbsfähig gemacht, privatisiert und liberalisiert. Bei der Telekom ist schon ein erster Schritt gelungen, und zwar durch den Verkauf von 10 Prozent der OTE an die Deutsche Telekom, die hilft, mehr Wettbewerb zu bringen. Zur Post: 40 Prozent kann hier der Markt mehr an Wettbewerb generieren. Die Lotterien sollen privatisiert werden, Häfen und Flughäfen werden privatisiert. Dazu gehören insbesondere der Hafen in Piräus und der Flughafen von Athen. Dadurch entsteht mehr Wettbewerb, und der Transportsektor soll die Wirtschaft diesbezüglich ankurbeln. Auch die Autobahnbetreiber werden privatisiert. Das führt ebenfalls zu Kostensenkungen beim Transport und zu weniger Staatsausgaben bei der Infrastruktur, weil sie über den Markt mitfinanziert werden kann. Auch die Europäische Kommission steht Griechenland unterstützend zur Seite. Sie hat angekündigt, dass 1 Milliarde an Zahlungen für Griechenland aus EU-Strukturfonds vorgezogen werden sollen, um den Standort zu stützen. Außerdem will die Kommission den Griechen in der Frage der Kofinanzierung entgegenkommen, sprich: Der Anteil der Griechen soll so gering wie möglich gehalten werden, sodass das Ganze trotz der Budgetprobleme leistbar gemacht wird. Die Troika ich habe es schon erwähnt: Europäische Kommission, Zentralbank und Internationaler Währungsfonds hat diese Maßnahmen der Griechen im Detail analysiert, kontrolliert und in einem Bericht evaluiert. In diesem Bericht haben alle drei
Nationalrat, XXIV. GP 7. Juli 2011 113. Sitzung / 6 gesagt, dass Griechenland jetzt eine Schuldennachhaltigkeit, das heißt eine Rückzahlungsnachhaltigkeit der Schulden, bewerkstelligen kann, wiewohl es etwas mehr Zeit brauchen wird als ursprünglich vorgesehen. Damit hat Griechenland die Ziele, die vorgegeben worden sind, erfüllt, und alle drei Zentralbank, Kommission und IWF empfehlen die Auszahlung der fünften Tranche. Wir werden das tun, soweit der IWF auch seine Auszahlungen vornimmt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, es gibt ein Gesamtpaket: Kreditgewährung, um den Finanzsektor in Griechenland zu stabilisieren, aber auch Strukturreformen, um Griechenland wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen. Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.) 9.25 Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein. Die Redeordnung ist bekannt. Erster Redner ist Herr Klubobmann Strache. Redezeit: 10 Minuten. Bitte.