FORUMNr. 2 2015. Worte reichen nicht. Flüchtlingspolitik. Migration Antidiskriminierung Fördermittel Selbsthilfe Pflege Tag des Paritätischen NRW

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FORUMNr. 2 2015 Zeitschrift des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes NRW Flüchtlingspolitik Worte reichen nicht Migration Antidiskriminierung Fördermittel Selbsthilfe Pflege Tag des Paritätischen NRW

2 Inhalt Editorial 3 3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, 13 4 Migration Flüchtlinge gehen alle an Flüchtlingspolitik neu denken Beratung ist Integration Ein Flüchtlingsheim macht Schule Wir haben es satt, Türöffner zu sein Politik im Gespräch Hermann Zaum der Paritätische setzt sich in diesem Jahr bundesweit mit seinen Werten auseinander. Tolerant, offen, vielfältig. Diese Werte haben wir uns in den 1980er Jahren auf die Fahnen geschrieben. Wir würden sie auch heute immer wieder unterschreiben. Doch was mir wichtig ist: Wir dürfen diese Werte nicht nur hoch halten, wir müssen sie auch leben, sie als Maßstab unserer Arbeit in unseren Einrichtungen, Diensten und Initiativen setzen. Mehr Menschlichkeit in der Flüchtlingspolitik, wir brauchen eine Willkommenskultur für Flüchtlinge auch das würden wir alle unterschreiben. Doch was ist, wenn eine große Flüchtlingsunterkunft in meiner Straße eröffnet werden soll? Ist Willkommenskultur auf einmal mehr als ein schönes Wort? 14 Antidiskriminierung Zwischen Pegida und Homo-Ehe Vielfalt statt Einfalt 18 Kurz notiert 20 Aktuelles 22 Fördermittel Wo eine Idee ist 24 Lauter Leute 25 Selbsthilfe Gemeinsam lernen Was ist, wenn ich als Erzieherin an meine Grenzen komme, weil ein Drittel der Kinder in meiner Gruppe kein Deutsch spricht? Wenn ich nie gelernt habe, mit traumatisierten Kindern umzugehen und nun Kinder kommen, die Schlimmes erlebt haben? Tolerant, offen, vielfältig. Es ist nicht immer einfach, unsere Werte im Alltag zu leben. Oft reicht nicht unser eigenes Engagement, es braucht auch einen entsprechenden Rahmen. Eine Migrantenselbstorganisation, die sich aus ehrenamtlichem Engagement und Selbsthilfe gegründet hat, und nun mit viel Herzblut ein Übergangsheim für Flüchtlinge betreibt. Oder die Flüchtlingsberatungsstelle, die nun auch Berater der Berater ist, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit anderen Bereichen der sozialen Arbeit teilt. Die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es gilt, sich für die Rechte von Flüchtlingen stark zu machen auch wenn man sich damit nicht immer beliebt macht. Oder die Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit von Mitgliedsorganisationen für gesellschaftliche Vielfalt. Die Beispiele in diesem Heft machen Mut. Tolerant, offen, vielfältig. Nehmen wir uns ernst damit aus Haltung Handeln wird! 26 Pflege Pflege zukunftsfest machen 27 Neu im Paritätischen Impressum Hermann Zaum Landesgeschäftsführer

4 Migration 5 Flüchtlinge gehen alle an Steigende Flüchtlingszahlen kommen nicht überraschend. Doch Bund, Land und Kommunen hinken hinterher. Flüchtlinge suchen bei uns eine neue Perspektive und wir können sie dabei unterstützen. Markus Mainka - Fotolia.com Info Flüchtlingsarbeit im Paritätischen NRW 13 Träger aus NRW erhielten 2015 ins gesamt 110 000 Euro zur Koordinierung, Qualifizierung und Förderung der ehrenamtlichen Unterstützung von Flüchtlingen über das Fachgebiet Migration durch den Gesamtverband. Die Landesmittel zur Sozialen Beratung von Flüchtlingen wurden für die Freie Wohlfahrtspflege insgesamt von 3,5 auf 7 Millionen Euro aufgestockt. Die Zuwendung erhöhte sich auf 42 000 Euro pro Vollzeitstelle, 52 000 Euro für medizinisch-therapeutisches Personal. Hinzu kommt eine Sachkostenpauschale von 4 000 Euro. Das Projekt Q Qualifizierung der Flüchtlingsberatung der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender e. V. (GGUA) wird anteilig mit eineinhalb Stellen finanziert. Zusätzlich zu den sieben bestehenden werden sechs weitere Mitgliedsorganisationen als neue Flüchtlingsberatungsstellen gefördert. Zahlreiche Mitgliedsorganisationen des Verbandes unterstützen Flüchtlinge mit ihren Hilfeleistungen. Um diese Aufgabe besser wahrnehmen zu können, sind Veränderungen in der Flüchtlingspolitik notwendig. Aus vielen Orten dieser Welt kommen Menschen zu uns nach Deutschland, um ein Leben in Sicherheit zu führen und für sich und ihre Familien neue Perspektiven zu finden. Sie sind aus ihren Heimatländern vor bewaffneten Konflikten, Bürgerkriegen, Folter, Vergewaltigung oder anderen Notsituationen geflohen. Hauptherkunftsländer der Flüchtlinge sind Albanien, der Kosovo und Syrien zusammen mit der Arabischen Republik. Flüchtlinge willkommen heißen Aber egal, aus welchen Beweggründen Menschen ihre Heimat verlassen, als Gesellschaft, die die Menschenrechte als Grundlage ihres Denkens und Handelns in Artikel 1 des Grundgesetzes klar definiert, sind wir dazu verpflichtet, Flüchtlinge bei uns willkommen zu heißen. Wir sollten ihnen unsere bestmögliche Unterstützung geben und sie in unsere Gemeinschaft integrieren. Schließlich bereichern sie mit ihrer Vielfalt unser Leben, so Janine Metelmann, Fachreferentin Migration beim Paritätischen NRW. Anstieg nicht überraschend Rund 203 000 Menschen haben im vergangenen Jahr in Deutschland Asyl beantragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seine Prognose für das Jahr 2015 von 250 000 auf 400 000 erwartete Erstantragsteller deutlich erhöht, für NRW wären das knapp 85 000. Janine Metelmann: Dass die Flüchtlingszahlen stetig steigen, ist nicht überraschend. Bund und Länder hätten auf diese Situation vorbereitet sein und im Sinne der betroffenen Menschen entsprechende Hilfsmaßnahmen und Angebote im Vorfeld entwickeln müssen. Die Statistik erfasst die Zahl der Antragsteller, nicht die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Deutschland. Mit Blick auf die Gesamtzahl aller Asylanträge in der EU ist Deutschland mit einem Drittel aller Anträge auf Platz 1. Setzt man die Zahl der Asylsuchenden allerdings in Relation zur Größe der Bevölkerung, liegt Deutschland nur auf Platz 8, weltweit lediglich auf Platz 13. Notwendige Hilfestrukturen schaffen Zahlreiche Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW insbesondere die Träger von Flüchtlingsberatungsstellen und die Migrantenselbstorganisationen unterstützen Flüchtlinge tagtäglich. Mit ihren vielfältigen Angeboten und Dienstleistungen schaffen sie notwendige Hilfestrukturen, bieten muttersprachliche Beratung sowie Begleitung zu Ämtern und Ärzten an und stehen als kompetente Ansprechpartner/-innen zur Verfügung. Für die Unterstützung und weitere Qualifizierung der örtlichen Beratungsstellen müssen jedoch dringend weitere finanzielle Mittel bereitgestellt werden, fordert Janine Metelmann. Beratungsangebote fördern Gerade die Migrantenselbstorganisationen bieten aufgrund der Mehrsprachigkeit, der eigenen Erfahrungen und durch die vielfältige Zusammensetzung der Mitarbeiterschaft eine gute Anlaufstelle für Flüchtlinge. Oft führen diese Träger ihre Arbeit rein ehrenamtlich aus. Auch hier ist der Ausbau von landes- und kommunal geförderten Beratungsangeboten unbedingt erforderlich. Aber nicht nur die Einrichtungen des Fachgebiets Migration beschäftigen sich mit dem Thema Flüchtlinge. Viele Mitgliedsorganisationen des Verbandes nehmen Querschnittsaufgaben im Bereich der Flüchtlingsarbeit wahr. Dazu gehören unter anderem die Träger der Kinderund Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Frauen- und Mädchenorganisationen sowie die Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger. Verantwortung annehmen Neben der Forderung nach einer Neuausrichtung der Aufnahmepolitik mit Sicherstellung eines fairen und zügigen Asylverfahrens setzt sich der Paritätische NRW gemeinsam mit den anderen Wohlfahrtsverbänden für die Festlegung verbindlicher Standards bei der örtlichen Unterbringung der Flüchtlinge ein sowie für eine längere Verweildauer in den Erstunterbringungen des Landes (mehr dazu auf den Seiten 6 7). Janine Metelmann: Wichtig ist jetzt, dass die Verantwortlichkeiten für eine angemessene Finanzierung der Flüchtlingsarbeit nicht mehr vom Bund auf die Länder und von da auf die Kommunen und umgekehrt abgewälzt werden. Ein weiteres Anliegen des Fachgebiets Migration ist es, die Träger auch über den Migrationsbereiche hinaus bei ihrer Flüchtlingsarbeit auch künftig angemessen zu unterstützen sowie die Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene auszubauen. Aufruf Bitte um Rückmeldung! Wenn Sie in den Verteiler zur Flüchtlingsarbeit aufgenommen werden möchten, schreiben Sie bitte eine E-Mail mit Ihren Aktivitäten in diesem Bereich an: Janine Metelmann Fachreferentin Migration Der Paritätische NRW Kreisgruppe Düsseldorf Telefon: (02 11) 9 46 00-18 metelmann@paritaet-nrw.org

6 Migration Flüchtlingspolitik neu denken Willkommenskultur? Der vom Land NRW angekündigte Paradigmenwechsel muss dringend vollzogen werden. 7 Um die Situation der Flüchtlinge zu verbessern, besteht dringender Handlungsbedarf bei der kommunalen Unterbringung und Betreuung. Auch ihre besondere Schutzbedürftigkeit muss festgestellt und Konsequenzen daraus gezogen werden. FORUM sprach mit Janine Metelmann und Volker Maria Hügel über notwendige Änderungen in der Flüchtlingspolitik. FORUM: Wie ist die Situation der Flüchtlinge nach den Flüchtlingsgipfeln? u Volker Maria Hügel: Der von der Landesregierung angekündigte Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik hat bisher nicht wirklich stattgefunden. Die Unterbringungsbedingungen haben sich nicht maßgeblich verbessert. Die Kommunen sind dringend aufgefordert, Wohnverhältnisse zu schaffen, die menschenwürdig sind und Privatsphäre ermöglichen. Mittelfristiges Ziel muss es sein, kleinere Einrichtungen und Privatwohnungen zu bauen, keine Großunterkünfte. u Janine Metelmann: Wichtig ist auch, dass die Flüchtlinge vom ersten Tag an optimal medizinisch-therapeutisch versorgt werden, Zugang zu Sprachkursen sowie eine kompetente, aufenthalts- und asylrechtliche Beratung erhalten. Zudem muss der angekündigte Paradigmenwechsel hin zu einer Willkommenskultur vollzogen und gesellschaftlich umgesetzt werden. Berücksichtigt die europäische Flüchtlingspolitik die Bedürfnisse der Flüchtlinge? u Metelmann: Nein, das Asylsystem in der gesamten EU funktioniert nicht. Der Paritätische fordert hier eine grundlegende Neuausrichtung im Sinne einer solidarischen Verantwortungsteilung. Asylsuchende sollten nicht nach Quoten verteilt werden, sondern das Land frei wählen können, in dem sie in ihrer Not Zuflucht suchen. Darf ein Flüchtling dort hingehen, wo er auf die Unterstützung seiner Familie oder Gemeinschaft bauen kann, führt dies von Beginn an zu einer besseren Integration, Partizipation und selbstbestimmten Lebensführung. u Hügel: Dramatisch ist, dass geltendes Recht nicht angewendet wird zu Lasten der Menschen, die besonders verletzlich sind und unseren Schutz benötigen. Das Janine Metelmann ist als Fachreferentin Migration beim Paritätischen Wohlfahrtsverband NRW seit 2011 für den Bereich Flüchtlingsarbeit zuständig. Sie vertritt den Verband auch im Fachausschuss für Flüchtlinge und im Arbeitsausschuss Migration der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen. www.paritaet-nrw.org gemeinsame europäische Asylsystem muss in ganz Europa funktionieren, die EU-Aufnahmerichtlinie bis Mitte 2015 ins deutsche Recht übertragen werden. Daher ist es notwendig, ein unabhängiges Verfahren zu garantieren, das die speziellen Bedürfnisse besonders von schutzbedürftigen Flüchtlingen direkt nach ihrer Einreise feststellt. Zu diesen Menschen gehören unter anderem alle Minderjährigen, Ältere, Schwangere, Alleinerziehende, Menschen mit einer Behinderung sowie Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen von Gewalt erlitten haben. Volker Maria Hügel ist Mitgründer der Gemeinnüt zigen Gesellschaft zur Unterstüt zung Asylsuchender (GGUA) und des Flüchtlingsrats-NRW. Er ist im Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL und Mitglied der Härtefallkommission beim NRW-Innenministerium. Bei der GGUA leitet er das Projekt Q Qualifizierung der Flüchtlingsberatung. www.ggua.de www.einwanderer.net Weder bei Familienzusammenhalt noch Aufenthaltsbeendigung ist das Kindeswohl bisher aufenthaltstrechtlich beachtet worden. Welche Rechte gelten für Kinder? u Hügel: Die UN-Kinderrechtskonvention betont die Vorrangigkeit des Kindeswohls und Beachtung des Kindeswillens. Die derzeitige Unterbringungsund Betreuungssituation wird dem nicht gerecht. Aspekte wie Freizeitgestaltung, Spielmöglichkeiten oder die Gewährleistung der Mobilität müssen dringend berücksichtigt werden. Aufenthaltstrechtlich ist das Kindeswohl bisher gar nicht beachtet worden weder beim Familienzusammenhalt noch bei der Frage der Aufenthaltsbeendigung. Problematisch ist, dass mit Erreichen der Volljährigkeit die Aufenthaltsbeendigung droht, da der Schutz aus der UN-Konvention nicht mehr greift. Hier muss frühzeitig geplant werden, um eine Perspektive für die jungen Flüchtlinge zu schaffen und ihnen vor Vollendung des 18. Lebensjahrs eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Was passiert, wenn ein Flüchtling traumatisiert ist? u Hügel: Traumatisierungen sind nicht direkt erkennbar. Unabhängige Experten müssen konsultiert werden, eine enge Zusammenarbeit mit kultursensiblen und muttersprachlichen Fachleuten ist notwendig. Gemeinsam müssen staatliche und nichtstaatliche Akteure überlegen, wie sie den betroffenen Menschen am besten unterstützen. Braucht sie/er eine Therapie? Benötigt sie/er eine spezielle und damit teurere Verpflegung? Hat sie/ er Zugang zu Betreuungs- und Beratungseinrichtungen? u Metelmann: In diesem Zusammenhang ist auch die qualitative und quantitative Verbesserung der Erstunterbringung des Landes wichtig. Dort beträgt die durchschnittliche Verweildauer der Asylsuchenden derzeit zwei Wochen, danach erfolgt die Zuweisung auf die Kommunen. Das ist jedoch viel zu kurz. Der Flüchtling kann sich nicht in Ruhe auf seinen Asylantrag und die Erstanhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorbereiten. In den Einrichtungen des Landes stehen ihm zudem qualifizierte Asylverfahrensberater/-innen zur Seite. Diese gibt es in den Kommunen leider selten. Daher fordern alle Wohlfahrtsverbände eine Verweildauer von mindestens acht Wochen in den Erstaufnahmestellen. Was ist entscheidend für eine Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik? u Hügel: Der Mensch mit seinen Bedürfnissen muss im Zentrum aller Betrachtungen und Aktivitäten stehen, das ist derzeit nicht der Fall. Mit der Umsetzung der EU-Aufnahmerichtlinie gibt es zumindest eine Grundlage, die den Weg dorthin bereitet. Aber solange das Ministerium für Inneres und Kommunales, das auf Ordnungs- und Abwehrrecht ausgerichtet ist, für Flüchtlingsfragen zuständig ist, und nicht das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW, kann es nur suboptimale Ergebnisse geben. umetelmann: Bei der Flüchtlingsarbeit muss es um eine frühzeitige Integration gehen. Die bisherigen Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge sind jedoch durch Abschreckung und Ausgrenzung gekennzeichnet. Das muss sich ändern. Darüber hinaus brauchen wir auf kommunaler Ebene qualifizierte Beratungsstellen. Das Projekt Q der GGUA zur Qualifizierung der Flüchtlingsberatung nimmt dabei eine wesentliche, auch bundesweite Bedeutung ein. GGUA e.v.

8 Migration 9 Beratung ist Integration Schulungen zur Qualifizierung der Beratung und ehrenamtliches Engagement sind wichtige Bausteine in der Flüchtlingsarbeit. Die GGUA in Münster ist hier Vorreiter. Für mehr Durchblick im Paragraphendschungel: Auch Berater brauchen Beratung. Freie Wohlfahrtspflege NRW Seit 36 Jahren vertritt die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) die Interessen von Flüchtlingen. Ihre individuellen Bedürfnisse und besonderen Lebenssituationen stehen dabei stets im Mittelpunkt allen Handelns. Beratung, Begegnung und Politik mit diesen Schlagwörtern lässt sich unsere Arbeit am besten beschreiben, betont Volker Maria Hügel, Vorstandsmitglied des Vereins. Der Verein berät Flüchtlinge und Asylsuchende in Münster. Mitarbeiter/-innen unterstützen bei Themen wie Asylverfahren, Aufenthaltssicherung, Familiennachzug und dem Anspruch auf soziale Leistungen. Auf der Internetseite stehen Materialien zum Migrations- und Sozialrecht zum kostenlosen Download zur Verfügung: www.einwanderer.net Begegnungen schaffen Mit verschiedenen Aktivitäten, wie zum Beispiel gemeinsamen Festen oder Projekten, in denen sich Freiwillige engagieren können, fördert der Verein Begegnungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, um größeres Verständnis für die jeweils andere Kultur oder Religion zu schaffen. Darüber hinaus informiert die GGUA die Öffentlichkeit über die aktuelle Asylpolitik, die Lebenssituation der Flüchtlinge in Deutschland und Ursachen für ihre Flucht. Die Vernetzung mit verschiedenen Partnern und Institutionen sowie die Lobbyarbeit auf Bundesund Landesebene gehören ebenfalls zu den vielfältigen Aufgaben des Vereins. Rechtliche Grundlagen vermitteln Anfangs lag der Fokus auf der Beratung vor Ort. Dann erhielt die GGUA das Angebot, bundesweite Schulungen zur Qualifizierung der Flüchtlingsberatung durchzuführen: Der Grundstein für das gleichnamige Projekt Q war gelegt. Unter der Leitung von Volker Maria Hügel bietet das Projektteam Fortbildungen und Seminare zum Aufenthalts-, Asyl-, Migrations- und Sozialrecht an. Ein komplexes und unübersichtliches Rechtsgebiet, in dem sich relevante Beim Patenschaftsprojekt Schlauberger unterstützen Freiwillige die Flüchtlingskinder beim Lernen oder machen Ausflüge mit ihnen. GGUA, Münster Glaser - Fotolia.com Gesetze laufend verändern. Um die Flüchtlinge kompetent und verlässlich beraten zu können, müssen die hauptund ehrenamtlichen Berater/-innen unbedingt den Überblick behalten, erklärt Volker Maria Hügel. Lernpatenschaften für Kinder Neben der Qualifizierung der Flüchtlingsberatung hat das Ehrenamt einen hohen Stellenwert bei der GGUA. Zur weiteren Unterstützung seiner Klientinnen und Klienten arbeitet der Verein derzeit mit rund 240 Freiwilligen zusammen, gut die Hälfte von ihnen engagiert sich im Patenschafts-Projekt Schlauberger für Kinder mit Flüchtlings- und Migrationshintergrund. Dreh- und Angelpunkt des Projekts ist die individuelle Einszu-eins-Betreuung: Eine Patin oder ein Pate unterstützt für mindestens ein Jahr jeweils ein Kind beim Deutsch lernen und bei den Hausaufgaben, unternimmt mit ihm auch gemeinsame Ausflüge, Zoooder Theaterbesuche. Diese Kinder müssen sich häufig mit besonderen Lebensumständen auseinandersetzen. Sprachschwierigkeiten, ein unsicherer rechtlicher Status, Armut sowie die Sorgen und Ängste ihrer Eltern belasten sie. Daher ist es wichtig, dass die Freiwilligen sensibel mit ihnen umgehen und konstante Ansprechpartner/-innen für sie sind, erläutert Projektkoordinatorin Saskia Zeh. Freiwillige als Multiplikatoren Ein positiver Nebeneffekt des Engagements ist, dass die Freiwilligen zu Botschaftern und Multiplikatoren werden: Sie geben ihre Erfahrungen aus der Arbeit an ihr Lebensumfeld weiter und tragen so zu mehr Akzeptanz von Flüchtlingen in unserer Gesellschaft bei. Die ehrenamtlichen Aktivitäten werden von einer hauptamtlichen Mitarbeiterin koordiniert und begleitet. Überflüssig werden Ehrenamt muss auf Augenhöhe stattfinden und benötigt eine funktionierende Infrastruktur. So erhalten die Freiwilligen die nötige Unterstützung und Wertschätzung und fühlen sich nicht überfordert, so Saskia Zeh. Auch in Zukunft wird die Lobbyarbeit Daueraufgabe des Vereins bleiben. Volker Maria Hügel: In gewisser Weise wünschen wir uns, dass unsere Arbeit irgendwann überflüssig wird. Das passiert aber erst, wenn alle Flüchtlinge einen sicheren Hafen in Deutschland gefunden haben. Info In Kürze Seit ihrer Gründung im Jahr 1979 hat die Gemeinnützige Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA) mehr als 25 000 Menschen aus über 75 Ländern in Fragen des Ausländerrechts beraten. Dabei kamen bei der Mitgliedsorganisation des Paritätischen NRW in den Jahren mehrere tausend ehrenamtliche Unterstützer/-innen zum Einsatz. GGUA e. V. Hafenstraße 3 5 48153 Münster Telefon: (02 51) 1 44 86-0 info@ggua.de www.ggua.de www.einwanderer.net

10 Migration 11 Ein Flüchtlingsheim macht Schule Der VMDO ist bundesweit der erste Migranten-Dachverband, der ein kommunales Flüchtlings-Übergangsheim betreibt. Der Dortmunder Verein ist im Quartier gut vernetzt. Auf dem Hof des Übergangsheims: Christina Kaiser (Mitte), Leiterin Adler-Haus, und Ümit Koşan (re.), Geschäftsführer VMDO, mit Flüchtlingen. Viola Grafenstein, Langenfeld Die Tür im Eingangsbereich klappt ständig auf und zu. Kleine und große Kinder laufen rein und raus. Es ist laut und turbulent im Eingangsbereich des Adler-Hauses in Dortmund. Das Haus ist eine ehemalige Realschule, die in ein Flüchtlings-Übergangsheim umgewandelt wurde. Träger ist der Verbund sozial-kultureller Migrantenorganisationen Dortmund (VMDO). Christina Kaiser begrüßt morgens um 10 Uhr eine Flüchtlingsfamilie mit zwei kleinen Jungen. Sie schaut außerdem nach einer Syrerin, die in einer Ecke sitzt und telefoniert. Sie kam vor ein paar Wochen traumatisiert hierher und vermisst ihre Kinder und ihre Familie. Sie ist überhaupt nicht ansprechbar, sagt Christina Kaiser, die die Notunterkunft Adler-Haus seit 2014 leitet. Flüchtlingskinder im Blick Die Atmosphäre ist herzlich. Wir begegnen hier jedem mit Respekt, denn jeder hat seine eigene Geschichte. Wir schauen immer auf die Problemlagen und Bedürfnisse der Flüchtlinge. Das ist uns ganz wichtig. Vor allem die Kinder liegen der Leiterin am Herzen. Wir versuchen ihnen den Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu machen, so Kaiser. Um die Kinder zu beschäftigen, gibt es vielfältige Angebote wie Kinobesuche, Sprachunterricht, Fußball, Tischtennis, Koch-, Mal- und Bastelkurse. Die meisten Flüchtlinge bleiben durchschnittlich sechs Monate, andere gehen sogar schon nach drei Tagen. Das Beste daraus gemacht Ziel des kommunalen Übergangsheimes ist es, die Flüchtlinge zu beraten, sie zu Behörden und Ärzten zu begleiten, ihnen Deutschunterricht zu erteilen und sie so schnell wie möglich in Wohnungen zu vermitteln. Die leerstehende Realschule in der Adlerstraße in Dortmund wurde in einem Zeitraum von nur drei Monaten in ein Flüchtlings-Übergangsheim umfunktioniert. Das war eine große Herausforderung. Es ist noch nicht alles perfekt hier, aber die Leute kommen hier sehr gerne hin, so Kaiser. Bis zu 120 Flüchtlinge haben hier Platz. Zurzeit gibt es etwa 90 Flüchtlinge, die von 20 Festangestellten im Wechsel betreut werden. Die Unterkunft ist auf große Familien ausgerichtet. Wir haben Zehnbettzimmer, da passen sehr große Familien rein, sagt Christina Kaiser. Was noch fehle, seien Stellwände für jeden Einzelnen, um ein bisschen mehr Privatsphäre zu schaffen. Aber auch Mutter-Kind-Gruppen sollen noch eingerichtet werden. Wir haben wirklich etwas sehr Gutes aus den Gegebenheiten hier vor Ort gemacht, betont Kaiser. Stadtteilorientierter Ansatz Das Betreuungskonzept des Adler-Hauses basiert auf einem stadtteilorientierten Integrationsansatz. Die Dortmunder im Quartier wurden vorher genau aufgeklärt und unterstützen uns mit Spenden und Hilfe sehr intensiv, sagt Christina Kaiser. Als es darum ging, die Realschule zu einem Übergangsheim umzufunktionieren, gab es zunächst Bedenken. Wir dachten, wir könnten auf Ablehnung in diesem Stadtteil treffen, aber das Gegenteil war der Fall. Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern an einem runden Tisch im Vorfeld sei sehr wichtig gewesen, um Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Ehrenamtliche aus dem Quartier Rund 150 Helferinnen und Helfer überwiegend deutscher Herkunft kümmern sich darum, dass die Flüchtlinge sich im Adler- Haus zumindest für eine Zeit lang wohlfühlen. Die Ehrenamtlichen machen mit ihnen zusammen Sport, backen Waffeln, feiern Feste oder erteilen ihnen Deutschunterricht. Ein Bewohner sitzt im Rollstuhl. Der junge Mann aus Afghanistan ist schon ein halbes Jahr da. Er ist sehr begabt, nimmt am Sprachunterricht teil und will unbedingt etwas lernen. Wir versuchen ihm dabei mit Bildungsangeboten zu helfen, sagt Ümit Koşan, Geschäftsführer des VMDO. Was die Menschen hier brauchen, sind in erster Linie ein Gefühl von Sicherheit sowie eine Perspektive für ihr Leben, sagt Christina Kaiser. Materielle Dinge erhält die Notunterkunft über eine Facebookgruppe, die sich für die Flüchtlinge im Adler-Haus einsetzt. Über unsere große Facebook-Gruppe bekommen wir relativ schnell benötigte Sachen von Helfenden geschenkt, sagt Kaiser. Bundesweit einmalig Das Adler-Haus wird von dem Migrantendachverband VMDO mit der von ihm gegründeten ggid mbh in einer gemeinsamen Trägerschaft geführt. Wir haben der Stadt unser Konzept vorgelegt und unsere Hilfe angeboten, weil wir glauben, dass wir als Migrantinnen und Migranten die Flüchtlinge einfacher mit vorhandenen Strukturen vertraut machen können. Außerdem kennen wir viele Kulturen und können bis zu 40 Sprachen anbieten. Das hat die Stadt Dortmund überzeugt, sagt Ümit Koşan. Der VMDO ist der erste Migranten-Dachverband bundesweit, der ein kommunales Übergangsheim betreibt. Der Geschäftsführer des VMDO, Ümit Koşan, war es auch, der 2008 den Dachverband in Dortmund gegründet hatte. Es sollte eine lokal verankerte Struktur mit einem Ansprechpartner geben, der die Migrantenorganisa tionen unterstützt und die Organisationen mitein ander vernetzt. Vorbild für andere Kommunen Die Kommunen haben gesehen, dass der kommunale Integrations- und Handlungsansatz eine enge Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen fordert, sagt Koşan. Deshalb wurde kommunal vom Rat der Stadt beschlossen, dass der Dachverband einer Migrantenorganisation das Haus der Vielfalt selbst verwalten und betreiben darf, was bundesweit einmalig ist. Das Haus der Vielfalt bietet Beratungen und Projekte für Migrantinnen und Migranten an. Der VMDO wird unterstützt und kann kommunal mitgestalten. Die Kommune traut uns wichtige gesellschaftliche Aufgaben zu. Das ist für alle Seiten eine Win-Win- Situation, sagt Ümit Koşan. Der Verein ist mittlerweile sogar Vorbild für andere Kommunen geworden und berät diese bundesweit. Info Der Verein in Kürze Der VMDO ist ein Dachverband von zurzeit 40 Migrantenvereinen mit 34 Nationalitäten in Dortmund. Der 2008 gegründete Verein ist politisch unabhängig, anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und Mitglied im Paritätischen NRW. Die Handlungsfelder reichen von Flüchtlingsarbeit über Kinder- und Jugendarbeit, soziale Beratung, Sprachkurse, Projekte zur beruflichen Integration benachteiligter junger Menschen und arbeitsloser Frauen, Kunst- und Kulturprojekte bis hin zu Maßnahmen zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit. info@vmdo.de Telefon: (02 31)2 86 78-240 info@vmdo.de www.vmdo.de

12 Migration Politik im Gespräch 13 Info 30 Jahre Multikulti in Lünen Von 154 Mitgliedsorganisationen im Bereich der Migrations- und Integrationsarbeit im Paritätischen NRW sind 89 Migrantenselbstorganisationen. Das Multikulturelle Forum in Lünen ist ein Paradebeispiel für die Professionalisierung einer Migrantenselbstorganisation unter dem Dach des Paritätischen. Vom Sofa im Wohnzimmer bis zu fünf Geschäftsstellen und mehr als 70 hauptamtlichen Mitarbeitenden reicht die Entwicklung der Organisation in den vergangenen 30 Jahren. Seit 1985 setzt sich der Verein für die berufliche, soziale und politische Förderung und Integration von Migrantinnen und Migranten ein. www.multikulti-forum.de Die Teams des Paritätischen NRW (Fachbereich Migration) und des Multikulturellen Forums. Wir haben es satt, Türöffner zu sein Migrantenselbstorganisationen (MSO) wollen sich weiter professionalisieren. Dabei brauchen sie Unterstützung. Um die Professionalisierung von Migrantenselbstorganisationen (MSO) ging es bei einer Fachtagung im Mai, zu dem der Paritätische NRW und das Multikulturelle Forum in Lünen eingeladen hatten. Gemeinsam gingen der Verband und seine Mitgliedsorganisation der Frage nach, was es braucht, um die Entwicklung von MSO voranzutreiben. MSO sind längst und vielerorts äußerst professionelle Anbieter sozialer Arbeit. Sie sind örtlich gut vernetzt, leisten fachlich gute Arbeit und haben Zugänge zu Zielgruppen, die andere Anbieter sozialer Arbeit nicht haben, stellte Hermann Zaum, Landesgeschäftsführer des Paritätischen NRW gleich zu Beginn der Veranstaltung mit rund 90 Teilnehmenden fest. Mehr als kleine ehrenamtliche Vereine Allerdings werden MSO auch immer wieder mit dem Bild konfrontiert, nur kleine, ehrenamtliche Vereine von und für Migranten zu sein. Als Türöffner zur Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten seien sie gefragte Akteure vor Ort. Jedoch fordern MSO, endlich auch als tatsächlich gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Strukturelle Förderung ist notwendig Dafür und auch um eine weitere Professionalisierung von MSO die zwar in Teilen, aber längst noch nicht in der Breite erfolgt ist zu ermöglichen, reichen Anschubund Projektförderungen nicht aus. Zaum: MSO brauchen Regel- und Strukturförderungen. Viele hangeln sich auch heute noch von Projekt zu Projekt. Unter diesen Bedingungen kann eine Professionalisierung kaum gelingen. Auch die im neuen MSO-Förderkonzept des Landes NRW eingeführte Ausschlussregelung (keine gleichzeitige Antragstellung für Zentrum- Vorhaben über den Verband und MSO- Förderung) erschwert nach Ansicht des Paritätischen die angestrebten Entwicklungsprozesse. Hier sieht der Verband Nachbesserungsbedarf seitens der Politik. Zaum: Wer es ernst meint mit dem anerkennenden Dialog auf Augenhöhe, der muss auch dazu befähigen. Multikulturelles Forum e. V. Geschlechtersensibler Übergang von Schule und Beruf Christine Lehmann (links) vom Handwerkerinnenhaus Köln, Mitglied im Paritätischen NRW, leitete anlässlich des diesjährigen Girls Day und Boys Day im April einen Workshop im NRW-Ministerium für Emanzipation, an dem auch Ministerin Barbara Steffens (3. v. links) teilnahm. Alle Akteurinnen betonten dabei die Wichtigkeit einer nachhaltigen, geschlechtersensiblen Umsetzung des NRW-Programms Kein Abschluss ohne Anschluss. Tag des Paritätischen NRW Was wirklich wichtig ist Handwerkerinnenhaus Köln e. V. Gemeinsam für einen Passiv- Aktiv-Transfer eintreten Zum sozialpolitischen Gespräch haben sich der NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (4. v. links) und Vertreter/- innen des Paritätischen NRW im April in der Landesgeschäftsstelle des Paritätischen getroffen. Verabredet wurden dabei gemeinsame Anstrengungen des NRW-Arbeitsministeriums (MAIS) und des Paritätischen auf Bundesebene für einen sozialen Arbeitsmarkt und einen Passiv- Aktiv-Transfer beim Arbeitslosengeld. Am Freitag, den 27. November 2015, treffen sich zum 34. Mal die Mitgliedsorganisationen zum Tag des Paritätischen NRW in der historischen Stadthalle in Wuppertal. Neben der Mitgliederversammlung mit Wahl des Landesvorstandes stehen folgende Fachforen auf dem Programm: 1. Beteiligung, ja sicher! Aber bei uns? Teilhabe in der Kinder- und Jugendhilfe. 2. Gemeinnützig oder eigennützig: Was unterscheidet uns von anderen Anbietern? 3. Tolerant, offen, vielfältig. Wie aus Haltung Handeln wird. Bitte merken Sie sich schon heute diesen Termin vor! Studierendenwerke sind Rückgrat der Hochschulen Bei der Eröffnung eines Symposiums zur Zukunft der Studierendenwerke im Mai sagte NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (3. v. links), die Studierendenwerke seien Garanten für eine funktionierende soziale Infrastruktur und das soziale Rückgrat der Hochschulen. Zahlreiche Studierendenwerke und ihre Einrichtungen in NRW sind Mitglied im Paritätischen. Im Bild: Vertreter/-innen von Studierendenwerken, Hochschulen, Politik und Verwaltung. AKAFÖ

14 Antidiskriminierung 15 Zwischen Pegida und Homo-Ehe Die deutsche Gesellschaft ist offen wie nie, das Familienbild des Paritätischen und seiner Mitgliedsorganisationen bunt. Doch das gefällt nicht allen. Irland und die USA ermöglichen die Homo-Ehe. Und in Deutschland gehen Pegida und die Besorgten Eltern auf die Straße. In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? FORUM sprach mit Barbara Kanne und Benjamin Kinkel über verkrustete Familienbilder, gesellschaftliche Offenheit und parteipolitische Blockaden. FORUM: Auf dem Weg zur Homo-Ehe oder zurück zu alten Werten wo steht unsere Gesellschaft? u Benjamin Kinkel: Ich glaube grundsätzlich, dass die Bevölkerung offen für Vielfalt ist. Die Blockade gegen die Ehe für alle sehe ich zunächst einmal als eine parteipolitische Blockade. Was Pegida oder auch die Besorgten Eltern angeht, so ist es sicherlich bedenklich, welche Meinungen dort auf die Straße gehen. Und noch viel bedenklicher, wie viel Aufmerksamkeit sie in den Medien bekommen. Mehrheitsfähig ist es aber derzeit nicht. Nun müssen wir dafür sorgen, dass das auch so bleibt, müssen einstehen für unsere gemeinsamen Werte. Für Selbstbestimmung lohnt es zu kämpfen. Welche Werte sind das? u Benjamin Kinkel: Alle Menschen haben das Recht, für sich zu bestimmen, wer sie sind und was sie fühlen. Niemand darf sagen: Du darfst nicht schwul sein oder du darfst nicht das Geschlecht angleichen, weil du dich anders fühlst. Kurz gesagt: Zentral sind für mich Selbstbestimmung und die Gleichwertigkeit von Lebens entwürfen. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. u Barbara Kanne: Das kann ich nur unterschreiben. Zwar ist die Offenheit insbesondere gegenüber Lesben und Schwulen in den vergangenen Jahren gewachsen. Aber sobald es an das Thema Familiengründung geht, ist es oft dahin mit der Offenheit. Bei Adoption und künstlicher Befruchtung müssen sich Gesellschaft und Politik noch bewegen, braucht es neue rechtliche Grundlagen. Wir müssen das verkrustete, heteronormative Familienbild aufbrechen und durch ein modernes ersetzen. Barbara Kanne ist Fachreferentin für Psychosoziale Beratung beim Paritätischen NRW und Koordinatorin des Fachgesprächs Lesben- und Schwulenprojekte. Telefon: (02 02) 28 22-258 Mobil: 0173 3 785 655 kanne@paritaet-nrw.org www.paritaet-nrw.org Welches Familienbild ist das? u Barbara Kanne: Ein-Eltern- oder Regenbogenfamilien haben genauso ihre Berechtigung wie die traditionelle Familie mit heterosexuellen Eltern. Ich stehe hinter der seit Jahren bei uns im Paritätischen genutzten Definition: Familie ist da, wo Kinder sind. Welche Lebensform gewählt wird, sei den Familien überlassen. Ich glaube, dass alle gleichberechtigt nebeneinander existieren können und den besonderen Schutz des Grundgesetzes genießen sollten. Diese Vielfalt ist eine Bereicherung für unsere Gesellschaft. Benjamin Kinkel hat Politikwissenschaft studiert, ist der Landeskoordinator von SchLAu NRW und im Bundesvorstand Queere Bildung e. V. sowie im Fachbeirat der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld engagiert. Telefon: (02 21) 2 57 28 49 info@schlau-nrw.de facebook.com/schlaunrw Das Projekt SchLAu NRW steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung und geht für ein vielfältiges NRW auch mal auf die Straße. Wer ist nun gefragt? u Benjamin Kinkel: Wir müssen ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aufbauen. Ziel ist ein vielfältiges und buntes Deutschland. Und damit das gelingt, müssen wir über den Tellerrand schauen, müssen Menschen und Organisationen aus ganz verschiedenen Bereichen zusammenarbeiten. Seien es LSBTTI*-Projekte 1), Menschen mit Behinderung oder Flüchtlinge, Gewerkschaften oder die Wohlfahrtsverbände. Und natürlich ist auch die Politik gefragt, sie muss die Zivilgesellschaft unterstützen. Da würde ich mir mehr wünschen. Denn wir können nur dann eine starke Antwort auf die Proteste von Besorgten Eltern und Co. geben, wenn wir ausreichend ausgestattet sind. Welche Rolle spielt hier die NRW-Landesregierung? u Barbara Kanne: Wir haben eine Landesregierung mit einer klaren Haltung, einer Offenheit für vielfältige und bunte Lebensformen. Und es gibt auch einen Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Nach zwei Jahren haben unsere LSBTTI*-Organisationen eine Zwischenbilanz gezogen. Die Ziele sind nach wie vor richtig und wichtig, auch wurden wesentliche Maßnahmen auf den Weg gebracht. Die Stärkung der selbsthilfeorientierten Infrastruktur und spezialisierter Regelstrukturen ist als Ziel im Aktionsplan festgehalten. Doch die vorhandenen Finanzmittel zum Erhalt und Ausbau der Strukturen reichen nicht aus. Hier ist das Land gefragt. Das Land ist gefragt. u Benjamin Kinkel: Ich sehe das bei SchLAu NRW. Bei uns arbeiten in erster Linie Ehrenamtliche. Das ist wichtig, weil sie authentisch aus ihrer Lebenswelt berichten können. Gleichzeitig sind das nicht irgendwelche Leute, sondern sie werden ausgewählt und qualifiziert. Und das kostet. Aktuell können wir keine neuen SchLAu-Gruppen mehr aufbauen, obwohl der Bedarf überall da ist. Hier muss die Landesregierung nachlegen. Info SchLAu NRW Das Projekt SchLAu steht für Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung und bietet Workshops für Jugend liche an. An 18 Standorten in NRW besuchen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans* ehrenamtlich Schulen und Jugendeinrichtungen. In Methoden zu Antidiskriminierung und Vielfalt werden auch die Fragen der Jugendlichen beantwortet, wie z. B. Wie merkt man, ob man lesbisch oder schwul ist? oder Ist man als Trans* hetero- oder homosexuell? Durch SchLAu können Vorurteile wirkungsvoll hinterfragt und abgebaut werden: Damit nicht mehr über uns geredet wird, sondern mit uns! www.schlau-nrw.de SchLAu NRW 1) L Lesben, S Schwule, B Bisexuelle, T Transsexuelle, T - Transgender, I Intersexuelle, * Vielfalt geschlechtlicher und sexueller Identitäten

16 Antidiskriminierung 17 Vielfalt statt Einfalt Trans*Menschen sorgen in einer Gesellschaft, die auf Zweigeschlechtlichkeit setzt, häufig für Irritation und damit Konflikt potenzial. Obwohl alle Seiten immer wieder Vielfalt fordern, sind es gerade wir Trans*Menschen, die oft versuchen, sich an das heterosexuelle Zweigeschlechtermodell anzupassen. Warum viele von uns das tun? Wir wollen, genau wie alle anderen, leben, wie wir uns fühlen. Das Grundgesetz versichert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Die Realität schüchtert jedoch viele ein. Bis Trans*Menschen aus dem gesamten Spektrum der Geschlechter Frau und Mann, aber auch allem dazwischen, sowie homo- oder bisexuelle Trans*Menschen sich trauen, offen zu leben, scheint es noch ein weiter Weg zu sein. Deshalb versucht die Trans*Vernetzung NRW gemeinsame Ziele aller Organisationen zu bündeln und gegenüber Politik und Gesellschaft zu vertreten. Bei der Vielzahl an Gruppierungen mit unterschiedlichsten Trans*Definitionen ist das nicht immer einfach. Denn es ist ein bunter Teppich aus Selbsthilfegruppen und Vereinen. Diese Diversität hat auch etwas Schönes: Sie birgt viele gute Ideen, Lernmöglichkeiten und gemeinsame Stärken. Lasst uns deshalb den weiten Weg zu einem NRW der Vielfalt gemeinsam gehen. Wir fordern die volle Gleichstellung von allen Trans*Menschen! Unsere Gesellschaft ist bunt oder? Stimmen aus Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW. Die Erklärung der Menschenrechte von 1948 sagt eigentlich alles: Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. ( ) ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Haut farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand. Und im Grundgesetz steht: Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt. Damit dürfte klar sein, dass Menschen trotz und wegen ihrer Unterschiedlichkeit sehr vielfältig sind und manchmal auch ganz schön einfältig Einzelne dürfen das auch sein, aber niemals das Ganze! Seit unserer Gründung setzen wir uns für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ein. Dazu gehören auch die Gleichstellung der Geschlechter, der sexuellen Orientierung und die freie Wahl der Lebensform. Unsere langjährige Praxiserfahrung zeigt, wie notwendig sexuelle Bildung ist, um Diskriminierung und Mobbing zu vermeiden. Heutige Sexualaufklärung ist ohne die Berücksichtigung von vielfältigem Beziehungs- und Sexualleben nicht denkbar. Ariane Bourchard Trans*Vernetzung NRW AG Trans* Dortmund 7er Gremium der LAG Lesben Gabriele Bischoff Landesgeschäftsführerin LAG Lesben in NRW e. V. Andrea Krieger Trans*Vernetzung NRW Schwul Lesbisch Bi Trans* Aufklärung Sprecherin SchLAu NRW Lenus Winkelmann Trans*Vernetzung NRW Trans*: Jugendtreff, Beratung, Auf klä rungsund Vernetzungsarbeit im together mülheim des SVLS e. V. In Vielfalt steckt Viele. Es braucht viele Menschen mit vielen individuellen Lebenserfahrungen und -entwürfen, um Vielfalt zu ermöglichen. Dafür ist es nötig, jeden einzelnen stark zu machen. Stark in Bildung, stark im Beruf, stark in seinen Wünschen und Erwartungen ans Leben aber auch stark in seiner kulturellen, sexuellen oder körperlichen Einzigartigkeit. Somit gehen der Vielfalt erst einmal identitätsstiftende, egoistische Schritte voraus. Es ist deshalb wichtig, diese zu fördern, aber auch Raum zu schaffen, damit aus Individualitäten ein respektvolles und bereicherndes Ganzes wird ein vielfältiges Ganzes. Partizipation und das Miteinander aller Gruppen der Älteren sind Maßstab für eine moderne, diversity orientierte Senior_innenarbeit. Ältere Lesben und Schwule gehören selbstverständlich dazu. Im Straßenbild und in den Medien wird oftmals nur die junge Generation wahrgenommen. Deshalb haben wir Immer dabei als Slogan unserer landesweiten Vernetzung bewusst gewählt. Und mit dem Konzept Queer im Quartier geben wir Impulse für eine Quartiersentwicklung, die auch im Alter ein lesbisches und schwules Leben in vertrauter Umgebung möglich macht. Verständnislos stehen wir vor den Bestrebungen einzelner Gruppierungen, etwa der Besorgten Eltern, die fordern, die Aufklärung über von der Heteronormativität abweichende Lebensentwürfe in Schulen wieder abzuschaffen, weil sie vermeintlich gegen das Elternrecht oder religiöse Empfindungen verstoßen. Bürgerrechte und Freiheitsrechte hören doch auf der Schulbank nicht auf. Wie soll denn mit einer solch weltfremden Sicht HIV-Prävention vermittelt werden, wenn es schon an der Akzeptanz verschiedener Lebensentwürfe mangelt? Markus Johannes Landesgeschäftsführer Schwules Netzwerk NRW Familie wird immer noch mit Heterosexualität assoziiert. Regenbogenfamilien müssen mit den Folgen gesellschaftlicher Marginalisierung und mangelnder Akzeptanz umgehen. Im Alltagsleben ergibt sich für Lesben, Schwule und Trans* mit Kindern ein erhöhter Erklärungsaufwand u. a. zu Familiengenese, -struktur und Rollenverteilung. Die Familienkonstellationen sind oft mit der Aufteilung der juristischen, leiblichen und sozialen Elternschaft auf mehr als zwei Personen verbunden. Dafür existieren kaum gesellschaftliche Rollenvorbilder und unzureichende Rechtsinstitute. Unter anderem deshalb haben Regenbogenfamilien häufig einen erhöhten Beratungsbedarf.

18 Kurz notiert 19 BRANDSCHUTZ Was tun, wenn s brennt? Rund 75 Menschen mit Behinderung haben am 28. Mai in Kamen die Gelegenheit genutzt, sich zum Thema Brandschutz auf den neuesten Stand zu bringen. Gemeinsam mit dem Verein Mission Sicheres Zuhause hat die Fachberatung Wohnen für Menschen mit Behinderung des Paritätischen NRW den Aktionstag organisiert. An den Mitmach-Stationen gab es zahlreiche Gelegenheiten, in die Arbeit von Feuerwehreinheiten hineinzuschnuppern: Löschen mit dem Schlauch, Evakuierungsmethoden für körperlich stark eingeschränkte Menschen und Erste- Hilfe-Übungen. Viele der Workshops wurden in Leichter Sprache durchgeführt, damit alle die Informationen gut verstehen konnten. www.mission-sicheres-zuhause.de INKLUSION UND FAMILIE Kurzfilme sind gefragt Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe ruft Amateur-Filmteams aller Art auf, Beiträge zum neuen Wettbewerb Familiale 2016 einzureichen. Menschen mit und ohne Behinderung, Familien mit behinderten Angehörigen und solche ohne, Wohnstätten- und Freizeitgruppen können ihre maximal zwölf Minuten langen Kurzfilme zum Thema Familie beisteuern. Zur Planung und Produktion der Filme bleibt noch reichlich Zeit: Die Einsendung ist vom 1. Februar bis zum 31. Mai 2016 möglich. www.lebenshilfe.de/familiale Lebenshilfe AUSZEICHNUNG Nachhaltig unternehmen Die Paritätische Akademie NRW erhält das Siegel Demografie Aktiv. Denn seien es anstehende Rentenaustritte, gesundheitliche Aspekte oder die Belastung im Arbeitsalltag: Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelte die Akademie eine betriebliche Strategie, die eine ganzheitliche, gute Unternehmensführung und die Personalentwicklung nachhaltig verfolgt. Verliehen wird das Siegel vom NRW-Arbeitsministerium, den Unternehmerverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund. www.paritaetische-akademie-nrw.de LOTTERIE Neue Saison gestartet HELFEN+ GEWINNEN Hier gibt s Die Lotterie der Freien Wohlfahrtspflege Lose! Seit dem 1. Mai 2015 läuft die aktuelle Saison der Lotterie der Wohlfahrtsverbände HELFEN & GEWINNEN. Die Lotterie ermöglicht den Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, sich zusätzliche Mittel zu beschaffen. Einrichtungen, die Lose verkaufen, behalten 40 Cent je verkauftem Los für sich. Bestellen können Sie die Lose bei der Lotteriegeschäftsstelle in 300-Stück- Einheiten. Zusätzlich stehen Werbemittel und Verkaufshilfen kostenlos zur Verfügung. info@wohlfahrtslotterie.de PFLEGEVERSICHERUNG FLÜCHTLINGE AUSZEICHNUNG MENSCHEN MIT BEHINDERUNG HOMOSEXUALITÄT MISSBRAUCHSPRÄVENTION Durchblick in der Pflege Spielräume nutzen Preiswürdige Toleranz Nischen und Umwege Sensibel pflegen Neue Homepage Rubicon Köln Durchblick Pflegeversicherung, ein Ratgeber für pflegebedürftige Menschen und pflegende Angehörige, ist in der vierten Neuauflage erschienen. Herausgegeben wird die Broschüre von der Familien- und Krankenpflege Essen, Mitglied im Paritätischen NRW. Auch Pflege-Profis finden in diesem Nachschlagewerk hilfreiche Tipps, um Patientinnen und Patienten kompetent zu beraten. Durchblick Pflegeversicherung kann für 6,90 Euro über die Internetseite des Vereins oder im Buchhandel bestellt werden. www.fuk-essen.de/durchblick.php5 Das Bündnis Junge Flüchtlinge in NRW appelliert an die Ausländerbehörden, ihre Spielräume zu nutzen, um jungen Flüchtlingen die Teilnahme an Ferienfreizeiten zu ermöglichen. Gleichzeitig begrüßt das Bündnis, an dem sich auch das Paritätische Jugendwerk NRW beteiligt, den Wegfall der Residenzpflicht durch die neuen Beschlüsse des Asylkompromisses von Bund und Ländern: Wer länger als drei Monate im Land ist, darf sich uneingeschränkt bewegen. Schwierig bleiben jedoch Reisen ins Ausland. www.pjw-nrw.de Gleich mehrere Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW erhielten vom Bündnis für Demokratie und Toleranz den Preis Aktiv für Demokratie und Toleranz. Im Juni 2015 wurden ausgezeichnet: der Planerladen aus Dortmund, das Jugend- und Begegnungszentrum Alte Feuerwache aus Wuppertal sowie Schule der Vielfalt Schule ohne Homophobie, ein Projekt, an dem die zwei Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW Rosa Strippe und Rubicon beteiligt sind. www.buendnis-toleranz.de Die Selbsthilfe-Kontaktstelle in Hamm hat gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Behinderte in Hamm eine Broschüre herausgegeben, in der Menschen mit Behinderung aus ihrem Leben erzählen. Von Nischen und von Umwegen ist die Rede, die Menschen mit Behinderung gehen, um ein für sie sinnvolles und zufriedenes Leben führen zu können. Die Broschüre Menschen mit Behinderung in Hamm erzählen aus ihrem Leben ist gegen Erstattung des Portos bei der Selbsthilfe-Kontaktstelle Hamm erhältlich. www.selbsthilfe-hamm.de Rubicon, eine Mitgliedsorganisation des Paritätischen NRW, hat im Rahmen des vom Land Nordrhein-Westfalen geförderten Projektes zur kultursensiblen Pflege für Lesben und Schwule eine Informationsbroschüre erarbeitet. Sie richtet sich an Pflegekräfte, insbesondere in der Altenpflege, und soll zu einem professionellen Umgang der Pflegenden mit homosexuellen Menschen beitragen. Die Broschüre kann kostenfrei auf der Internetseite von Rubicon heruntergeladen werden. www.rubicon-koeln.de Zartbitter Köln, Mitglied im Paritätischen NRW, hat eine Internetseite ins Leben gerufen, die Materialien zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen Jugendliche und junge Erwachsene bündelt. Denn für die Zielgruppe der Jugendlichen ab zwölf Jahren aufwärts gibt es bislang nicht genügend Präventionsmaterialien. Auf der Internetseite finden sowohl junge Menschen als auch Fachkräfte wertvolle Tipps, um sexualisierte Gewalt zu verhindern. Alle Materialien stehen kostenlos zur Verfügung. www.sichere-orte-schaffen.de

20 Aktuelles 21 Erzieherstreik Große Verantwortung für kleine Kinder: Erzieher/-innen sind unterbezahlt. Der Paritätische NRW unterstützt ausdrücklich die Forderung nach einer Aufwertung des Erzieherberufs. Die in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Verantwortung für die frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung muss nicht zuletzt auch bei der Bezahlung der Erzieher/-innen berücksichtigt werden. Kita-Finanzierung anpassen Doch das bestehende Finanzierungssystem in NRW gibt dies nicht her. Bereits jetzt fehlt in der Kita-Finanzierung in NRW insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. Lohn- und Sachkosten sind in den vergangenen Jahren erheblich stärker gestiegen als die im Kinderbildungsgesetz KiBiz verankerten Kind-Pauschalen. Es klafft eine Lücke von zehn Prozent. Unabhängig vom konkreten Ergebnis der Tarifverhandlungen sind nun Land und Kommunen gefordert. Die Kita-Finanzierung in NRW muss grundsätzlich überarbeitet werden, um auch Kindertagesstätten in freier Trägerschaft eine angemessene Bezahlung ihres Personals zu ermöglichen. Die 1 300 Kindertageseinrichtungen unter dem Dach des Paritätischen NRW sind ohnehin strukturell unterfinanziert und arbeiten seit Jahren am Limit. Weiter steigende Kosten werden sie nicht auffangen können. Die Armut ist weiblich Eine neue Broschüre des Paritätischen NRW zeigt Armut aus einem weiblichen Blickwinkel. Nicht alle Kommunen sind schlecht auf den demografischen Wandel vorbereitet. Das ist das Ergebnis einer Studie des Sozialverbands VdK NRW, Mitglied im Paritätischen NRW. Arnsberg, Bielefeld, Hattingen, Herten, Köln, Langenfeld, Münster, Neuss und Siegen sowie Wenn in den Medien über Armut berichtet wird, kommt der weibliche Blickwinkel in der Regel zu kurz. Bessere Bildungsabschlüsse junger Frauen, Gender Mainstreaming in der Arbeitswelt und Elternurlaub sind zwar Meilensteine auf dem Weg zur Gleichstellung von Frauen und Männern, aber sie gaukeln uns eine heile Welt vor, die es für viele Frauen gar nicht gibt. Die neue Broschüre des Paritätischen NRW Die Armut ist weiblich rückt den spezifisch weiblichen Blickwinkel auf das Thema Armut in den Fokus. Denn Frauen sind in praktisch allen Lebenslagen häufiger von Armut betroffen als Männer. Kostenfrei bestellen Die Broschüre kann kostenfrei gegen Erstattung der Versandkosten per E-Mail bei Anita Petter vom Paritätischen NRW bestellt werden. Außerdem steht sie als barrierefreie PDF-Datei zum Download auf der Internetseite des Paritätischen NRW zur Verfügung. petter@paritaet-nrw.org www.publikationen.paritaet-nrw.org Gute Konzepte für den Wandel Der Sozialverband VdK hat eine Studie zum demografischen Wandel vorgelegt. die Kreise Borken und Euskirchen sind laut der Studie bestens für die Herausforderungen des demografischen Wandels gerüstet. Demografie als Chance Die von uns beauftragte Studie macht deutlich, dass der demografische Wandel nicht nur Risiken birgt, sondern in erster Linie als gesamtgesellschaftliche Chance gesehen werden sollte, so Karl-Heinz Fries, Vorsitzender des VdK NRW. Wenn wir jetzt die richtigen Weichen stellen, können wir entscheiden, wie wir in Zukunft leben und alt werden wollen. Als Sozialverband setzen wir uns daher nachdrücklich für eine soziale Demografiepolitik sowie bessere Lebensbedingungen auf kommunaler Ebene ein. www.vdk.de/nrw Vorsicht Vielfalt! Beim Initiativenpreis des Paritätischen Jugendwerks geht es dieses Jahr um Vielfalt: Gesucht werden Organisationen und Initiativen aus dem Bereich Jugendarbeit, die es schaffen, möglichst viele unterschiedliche Menschen teilhaben zu lassen. Bis September bewerben Das Preisgeld von insgesamt 3 500 Euro wird unter den drei Gewinnern aufgeteilt. Teilnahmeberechtigt sind organisatorisch eigenverantwortlich strukturierte Initiativen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit in NRW. Die Gruppen oder Vereine müssen selbstständig und inhaltlich unabhängig sein. Die weitere Trägerstruktur ist dabei unerheblich. Die Prämierung findet Ende des Jahres statt, am Ort der Initiative, die den ersten Preis Gegen Sanktionsregelung Die Freie Wohlfahrtspflege NRW begrüßt die Überprüfung der derzeit geltenden Sanktionsregelungen (SGB II) durch den Bundestags-ausschuss Arbeit und Soziales und wiederholt ihre Forderung auf Abschaffung der Sanktionen bei den unter 25-Jährigen. Die Leistungen von Unterkunft und Heizung müssen in jedem Fall und stets unangetastet bleiben. Sanktionen fördern nicht Die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Sanktionen muss vom Ausschuss beantwortet werden und sollte sinnigerweise zu einer Abschaffung der Sanktionen führen, plädiert Ludger Jutkeit, der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. So führten Kürzungen der Bezüge häufig zu Mietschulden, die wiederum Ausschreibung Vorsicht Vielfalt! Beim Initiativenpreis 2015 werden gute Beispiele für den Umgang mit Vielfalt prämiert. gewonnen hat. Einsendeschluss für Bewerbungen ist der 30. September 2015. Alle Infos zum Anmeldeverfahren und den Teilnahmebedingungen stehen auf der Internetseite des Initiativenpreises. www.inipreis15.pjw-nrw.de Sanktionen können dazu führen, dass Arbeitslose den Kontakt zum Jobcenter abbrechen. zum Verlust der Wohnung führen können. Unter 25-Jährige würden häufig nach Sanktionen den Kontakt zum Jobcenter abbrechen und fielen somit aus den für sie notwendigen Hilfesystemen heraus. Damit sei keinem gedient. www.freiewohlfahrtspflege-nrw.de luxorphoto fotolia.com Ausgezeichnet Die ausgezeichneten Organisationen dürfen das Logo der Orte des Fortschritts führen. Drei Mitgliedsorganisationen des Paritätischen NRW sind von der Landesregierung als Orte des Fortschritts ausgezeichnet worden. Der PariSozial Minden- Lübbecke/Herford, dem Multikulturellen Forum Lünen und dem Servicehaus Stemwede gelingt es in ihrer Arbeit, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte unter einen Hut zu bringen. Drei Gewinner aus dem Verband Die PariSozial Minden-Lübbecke/Herford betreibt gemeinsam mit der örtlichen Diakonie das DemenzNetz im Kreis Minden-Lübbecke. Es bietet unter anderem eine Netzwerkkarte, die über die Angebote der Gesundheitsversorgung für Menschen mit Demenz im Umkreis informiert. Das Servicehaus Stemwede hat sich zum Ziel gesetzt, für Menschen mit Behinderung Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Zu dem Integrationsunternehmen gehören unter anderem ein Bau- und Floristik-Service sowie eine Tankstelle. Das Multikulturelle Forum Lünen deckt in seiner täglichen Arbeit unterschiedliche Themenfelder ab. Schwerpunkte sind dabei die Bereiche Arbeit und Qualifizierung, Bildung und Weiterbildung sowie die Beratungsdienste. www.ortedesfortschritts.nrw.de