Oliver Heinekamp Die strafbefreiende Selbstanzeige Schnittstelle zwischen Straf- und Steuerrecht TeleLex, ein Gemeinschaftsunternehmen von DATEV eg und Verlag Dr. Otto Schmidt KG
Oliver Heinekamp Die strafbefreiende Selbstanzeige Schnittstelle zwischen Straf- und Steuerrecht
TeleLex GmbH Virnsberger Str. 63 90329 Nürnberg 2014 Alle Rechte, insbesondere das Verlagsrecht, allein beim Herausgeber. Dieses Buch und alle in ihm enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung der TeleLex GmbH unzulässig. Im Übrigen gelten die Geschäftsbedingungen der TeleLex GmbH. Printed in Germany Mandelkow GmbH, 91074 Herzogenaurach (Druck) Joh. Leupold GmbH & Co.KG, 91126 Schwabach (Umschlagdruck) Angaben ohne Gewähr Stand: September 2014 Artikelnummer: 15608/2014-09-01 E-Mail: service@telelex.de
Der Inhalt im Überblick 1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens 7 1.1 Beteiligte Personen und Behörden 7 1.1.1 Beschuldigter 7 1.1.2 Steuerberater oder Rechtsanwalt als Verteidiger 8 1.1.3 Steuerfahndung ( SteuFa ) 9 1.1.4 Bußgeld- und Strafsachenstelle ( BuStra ) bzw. Strafsachenund Bußgeldstelle ( StraBu ) 11 1.1.5 Staatsanwaltschaft ( StA ) 11 1.1.6 Strafgerichte 12 1.2 Der Ablauf des Steuerstrafverfahrens 13 1.2.1 Abschluss des Ermittlungsverfahrens 14 1.2.2 Strafbefehl ( 407 ff. StPO) 14 1.2.3 Anklage 15 1.2.4 Zwischenverfahren 16 1.2.5 Hauptverhandlung 17 1.2.6 Rechtsmittel 20 1.3 Vorstrafenregister 20 1.4 Sonstige Auswirkungen einer Verurteilung 21 2 Materielles Steuerstrafrecht 23 2.1 Pflicht zur Abgabe richtiger und Korrektur unrichtiger Steuererklärungen 23 2.2 Überblick 23 3
2.3 Steuerhinterziehung, 370 AO 23 2.3.1 Erster Taterfolg: Steuerverkürzung 24 2.3.2 Kompensationsverbot, 370 Abs. 4 S. 3 AO 25 2.3.3 Höhe der verkürzten Steuer 26 2.3.4 Zweiter Taterfolg: Nicht gerechtfertigter Steuervorteil 26 2.3.5 Vollendung der Tat 27 2.3.6 Tathandlungen 27 2.3.7 Vorsatz 28 2.3.8 Schuld 28 2.3.9 Täter, Anstifter, Gehilfe 28 2.3.10 Versuch 30 2.3.11 Strafe 31 2.3.12 Strafe bei besonders schwerem Fall 34 2.4 Folgen der Strafbarkeit 34 2.4.1 Haftung für hinterzogene Steuer, 69 ff. AO 35 2.4.2 Hinterziehungszinsen 35 2.4.3 Haftung für Hinterziehungszinsen 36 2.4.4 Verlängerte steuerliche Festsetzungsfrist 36 2.5 Leichtfertige Steuerverkürzung 36 3 Die strafbefreiende Selbstanzeige 38 3.1 Einmalige Ausnahmeerscheinung 38 3.2 Inhalt 38 3.3 Form der Selbstanzeige 42 3.3.1 Schriftform 42 3.3.2 Exkurs: Übersendung von Bankunterlagen aus dem Ausland 43 4
3.3.3 Keine Bezeichnung als Selbstanzeige 47 3.4 Strafrechtliche Verjährung 48 3.5 Die Person des Anzeigeerstatters 49 3.6 Adressat der Selbstanzeige 51 3.7 Nachzahlung der Steuer und des Solidaritätszuschlags 51 3.8 Sperrgründe des 371 Abs. 2 AO 53 3.8.1 Sperrgrund: Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach 196 AO, 371 Abs. 2 Nr. 1 a) AO 53 3.8.2 Sperrgrund: Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens, 371 Abs. 2 Nr. 1 b) AO 54 3.8.3 Sperrgrund: Erscheinen eines Prüfers, 371 Abs. 2 Nr. 1 a AO 55 3.8.4 Sperrgrund: Tatentdeckung, 371 Abs. 2 Nr. 2 AO 56 3.8.5 Sperrgrund: Hinterziehungsbetrag über 50.000 Euro, 371 Abs. 2 Nr. 3 AO 56 3.9 Selbstanzeige trotz Sperrwirkung? 57 3.10 Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung 57 4 Ausblick auf geplante Gesetzesänderungen ab 2015 58 5 Risiken bei Beraterfehlern 60 5.1 Handwerkliche Fehler bei Selbstanzeige 60 5.2 Strafrechtliche Risiken 61 5
5.2.1 Steuerhinterziehung 61 5.2.2 Geldwäsche, 261 StGB 62 5.2.3 Verletzung von Privatgeheimnissen, 203 StGB 62 5.2.4 Strafvereitelung, 258 StGB 63 5.3 Haftung für Steuern und Hinterziehungszinsen 63 5.4 Zivilrechtliche Haftung gegenüber dem Mandanten 63 6 Checklisten für die Praxis 65 6.1 Checkliste: Selbstanzeigeberatung 65 6.2 Checkliste: Durchsuchung beim Mandanten 66 6.3 Checkliste: Durchsuchung in der Anwalts- oder Steuerberatungskanzlei 67 6.4 Checkliste: Übersicht Verjährung 69 6
1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens 1.1 Beteiligte Personen und Behörden Auch wenn bei einer erfolgreichen Selbstanzeige das Ziel der Straffreiheit des Mandanten erreicht wird, ist es für den Berater unerlässlich, einen Überblick über die im Strafverfahren handelnden Personen sowie die einzelnen Verfahrensschritte im Ablauf eines Strafverfahrens zu behalten, um verschiedene Situationen rechtssicher einschätzen zu können. Dazu ist zunächst erforderlich, sich über die im Steuerstrafverfahren beteiligten Personen und agierenden Behörden sowie deren Funktion und Rolle im Verfahren Klarheit zu verschaffen. 1.1.1 Beschuldigter Die wichtigste Rolle spielt für den Berater natürlich sein Mandant, der Beschuldigte in einem Steuerstrafverfahren. Dabei steht im Raum, dass der Mandant selbst Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung ist, wobei auch die Mittäterschaft oder eben die Teilnahme als Anstifter oder Gehilfe in Frage kommt (vgl. 25 bis 27 StGB). Nicht erforderlich ist dabei, dass die Steuerhinterziehung zu eigenen Gunsten begangen wird. So kann beispielsweise der steuerliche Berater, der bewusst an der Erstellung einer falschen Einkommensteuererklärung mitgewirkt hat, als Täter, Mittäter oder Gehilfe strafrechtlich belangt werden, je nach seinem Tatbeitrag. Der Beschuldigte hat in einem Strafverfahren keine Pflicht, sich selbst zu belasten, sondern kann nach 136 StPO die Aussage verweigern. Allerdings haben wir es im Steuerstrafrecht mit zwei parallel anwendbaren rechtlichen Regelungsbereichen zu tun. Zum einen mit dem Straf- und Strafprozessrecht und zum anderen mit dem (formellen und materiellen) Steuerrecht. Denn bei der Aufarbeitung von Steuerhinterziehungsfällen geht es nicht nur um die Frage der strafrechtlichen Ahndung, sondern auch darum, Besteuerungssachverhalte zutreffend zu erfassen und einer steuerlichen Veranlagung zuzuführen. Deshalb be- 7
1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens stehen neben den strafrechtlichen Regelungen auch die steuerlichen Rechte und Pflichten. Grundsätzlich haben Steuerpflichtige Mitwirkungspflichten nach der Abgabenordnung und müssen Steuererklärungen richtig und vollständig abgeben und bei nachträglichem Erkennen von Unrichtigkeiten auch berichtigen. Diese Mitwirkungspflichten kollidieren, wenn ein Steuerstrafverfahren eingeleitet ist, mit den Rechten als Beschuldigter aus 136 StPO, sich nicht selbst belasten zu müssen. Diesen Konflikt löst die Abgabenordnung durch 393 AO, wonach die steuerlichen Mitwirkungspflichten, die weiterhin bestehen, nicht mehr mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können. Ein Beschuldigter hat zudem in den verschiedenen strafrechtlichen Verfahrensstadien Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. z. B. 163a, 115, 118, 128, 201, 243 Abs. 2 und 3, 257 StPO) und auch über seinen Verteidiger Anspruch auf Akteneinsicht gemäß 147 StPO. 1.1.2 Steuerberater oder Rechtsanwalt als Verteidiger In Steuerstrafverfahren können Rechtsanwälte, Steuerberater, vereidigte Buchprüfer und Wirtschaftsprüfer als Verteidiger tätig werden. Allerdings ist die Möglichkeit der (nur) steuerberatenden Berufe zur Tätigkeit als Verteidiger insoweit eingeschränkt, als diese nur tätig werden dürfen, soweit das Verfahren von der Finanzbehörde selbstständig geführt wird (vgl. 392 AO). Soweit ein Verteidiger tätig wird, der nicht über die Qualifikation als Rechtsanwalt verfügt, ist insbesondere darauf zu achten, dass dessen Rechtshandlungen wirksam sein müssen. So ist umstritten, ob ein Steuerberater als alleiniger Verteidiger wirksam Einspruch gegen einen Strafbefehl einlegen darf, weil im Moment der Strafbefehlseinlegung das Verfahren eben nicht mehr selbstständig nur von der Finanzbehörde geführt, sondern vom Gericht übernommen wird. Es ist deshalb zu empfehlen, sicherheitshalber in einem solchen Fall einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen oder einfach den Mandanten selbst Einspruch einlegen zu lassen. 8
1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens Insgesamt ist bei der Auswahl des Verteidigers auf eine entsprechende fachliche Eignung zu achten, da häufig Strafverteidiger wenig Kenntnisse vom materiellen Steuerrecht und anders herum Steuerberater häufig wenig Kenntnisse vom Straf(verfahrens-)recht haben. Gerade aber die Kenntnis der entscheidenden Vorschriften im formellen und materiellen Bereich auf beiden Rechtsgebieten ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Verteidigung. 1.1.3 Steuerfahndung ( SteuFa ) Die Steuerfahndung ist häufig in Finanzämter eingegliedert oder wird als separates Finanzamt für Steuerfahndung organisiert. Diese Organisation unterscheidet sich in einzelnen Bundesländern. Grundsätzlich ist die Steuerfahndung eine unselbstständige Dienststelle der Landesfinanzbehörde, zu deren Aufgaben gemäß 208 AO insbesondere gehört, Steuerstraftaten und -ordnungswidrigkeiten zu erforschen, die Besteuerungsgrundlagen bei Steuerstraftaten zu ermitteln und unbekannte Steuerfälle aufzudecken oder zu ermitteln. Auch hier zeigt sich wieder die Parallele zwischen Besteuerungsverfahren und Strafverfahren, da zu den Aufgaben der Steuerfahndung eben die Ermittlung strafrechtlicher Taten, aber auch die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen gehört. Die Steuerfahndung ist deshalb zu vergleichen einerseits mit der Kriminalpolizei im normalen Strafverfahren, die strafrechtlich relevante Vorgänge ermitteln soll, andererseits mit der Betriebsprüfungsstelle im Finanzamt, die für die Ermittlung und Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen eingesetzt wird. Im strafrechtlichen Sektor hat die Steuerfahndung dabei Befugnisse wie die Polizei nach der StPO. Es handelt sich bei den Steuerfahndungsbeamten um Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (vgl. 152 GVG). Die Steuerfahndung ist gemäß 404 AO insbesondere befugt, Beschuldigte und Zeugen zu vernehmen, Durchsuchungen und Beschlagnahmen durchzuführen sowie bei Gefahr im Verzug auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen selbst anzuordnen. Sie darf ferner an Beschuldigte oder Steuerpflichtige bzw. sogar auch an Dritte Auskunftsersuchen (auch mündlich) richten und darf verlangen, sich Urkunden vorlegen zu lassen, sowie Einsicht in Unterlagen nehmen. 9
1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens Als Strafverfolgungsbehörde unterliegt die Steuerfahndung den Weisungen der Staatsanwaltschaft bzw. der Bußgeld- und Strafsachenstelle. Î Hinweis Nicht zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehört es, über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens oder die Höhe einer strafrechtlichen Sanktion bei Steuerhinterziehung zu entscheiden. Dies wird vielfach von Betroffenen in Stresssituationen übersehen. Ï Praxistipp Häufig erhofft sich ein Steuerpflichtiger (oder gar sein Berater) im Rahmen einer Durchsuchungsmaßnahme ein schnelles Ende oder ein mildes Einlenken damit, gegenüber der Steuerfahndung sein Herz auszuschütten und reinen Tisch zu machen. Hiervon ist aus Sicht der Strafverteidigung aber dringend abzuraten. In der Stresssituation einer Durchsuchungsmaßnahme sollte niemals zum Schuldvorwurf eine inhaltliche Stellungnahme abgegeben werden. Ob und mit welchem Inhalt eine Stellungnahme gegenüber den Ermittlungsbehörden abgegeben wird, sollte erst nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakten und einer ausführlichen Erörterung des Sachverhaltes zwischen Betroffenem und Verteidiger entschieden werden. In keinem Falle kann die Steuerfahndung Vergünstigungen zum Verfahrensablauf oder gar zur Strafhöhe zusagen, da dies schlicht nicht in ihren Aufgabenbereich fällt. 10
1 Grundlagen und Ablauf des Steuerstrafverfahrens 1.1.4 Bußgeld- und Strafsachenstelle ( BuStra ) bzw. Strafsachen- und Bußgeldstelle ( StraBu ) Je nach Bundesland gibt es in den Finanzämtern Bußgeld- und Strafsachenstellen ( BuStra ) bzw. Strafsachen- und Bußgeldstellen ( StraBu ). Diese Bußgeld- und Strafsachenstelle hat die Funktion der Staatsanwaltschaft im Finanzamt (vgl. 386 Abs. 1 AO), d. h. sie leitet das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren. Dieses wird von ihr grundsätzlich selbstständig geführt. Dabei hat die Bußgeld- und Strafsachenstelle das Legalitätsprinzip nach 152 Abs. 2 StPO zu beachten, ist also verpflichtet, gegenüber jedem Verdächtigen eine Strafverfolgung einzuleiten und Anklage zu erheben, soweit die Voraussetzungen dafür bestehen. Es ist diese Bußgeld- und Strafsachenstelle (und nicht die Steuerfahndung), die auch selbstständig über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens entscheidet, insbesondere also darüber, ob das Verfahren (möglicherweise gegen Zahlung einer Geldauflage) eingestellt, ob ein Strafbefehl beantragt oder ob eine Anklage erhoben wird. Die Grenzen des Aufgabenbereichs der Bußgeld- und Strafsachenstellen sind dort gegeben, wo es sich nicht mehr nur um steuerstrafrechtliche Verfahren handelt. Wenn z. B. auch andere Straftaten wie Urkundenfälschung durch Fälschung von Belegen etc. vorliegen, ist eine Überleitung an die Staatsanwaltschaft vorgesehen. Ebenso ist die Staatsanwaltschaft bei Haftsachen zuständig. Auch ansonsten ist allerdings jederzeit die Abgabe des Strafverfahrens von der Bußgeld- und Strafsachenstelle an die Staatsanwaltschaft zulässig. Anders herum kann die Staatsanwaltschaft auch jederzeit Ermittlungsverfahren an sich ziehen (sog. Evokationsrecht der Staatsanwaltschaft). 1.1.5 Staatsanwaltschaft ( StA ) Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich die Herrin des Ermittlungsverfahrens und kann das Strafverfahren von der Einleitung der Ermittlungen bis zu deren Abschluss führen. Häufig werden bei Gerichten Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Steuerhinterziehungsdelikte oder 11