11 / 4. BöV NACHRICHTEN BEHINDERTE UND ÖFFENTLICHER VERKEHR OKTOBER 2011



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Transkript:

BöV NACHRICHTEN BEHINDERTE UND ÖFFENTLICHER VERKEHR Schweizerische Fachstelle Behinderte und öffentlicher Verkehr Froburgstrasse 4 4601 Olten Telefon 062 206 88 40 Fax 062 206 88 89 info@boev.ch www.boev.ch OKTOBER 2011 11 / 4 BehiG-Fristverlängerung knapp abgewehrt öv-verordnungen werden revidiert ChLCD-Anzeigen durch Sehbehinderte getestet Sprachverständlichkeit bei Hörbehinderten Die Konzeption der neuen Doppelstockzüge für den Fernverkehr schreitet zügig voran. Noch sind wichtige Punkte der behindertengerechten Gestaltung zu lösen. Zudem sind zwei Beschwerden gegen die Ausführung der Rollstuhlbereiche vor Gericht hängig. Im Bild die geplante Aussenansicht (Designbild SBB). INTEGRATION HANDICAP Schweizerische Arbeitsgemeinschaft zur Eingliederung Behinderter Zürich AGILE Behinderten- Selbsthilfe Schweiz Bern PROCAP Schweizerischer Invalidenverband Olten PRO INFIRMIS Schweiz Zürich Impressum: Die BÖV Nachrichten erscheinen vier Mal jährlich (deutsch und französisch). Herausgeber: Integration Handicap, AGILE, Procap, Pro Infirmis Redaktion: Beat Schweingruber (BS) Mitarbeiter: Anton Scheidegger (AS), Werner Hofstetter (WH) und Franz Horlacher (FH) Druck: Schönenberger Druck, Wangen bei Olten

2 BöV Nachrichten 11/4 Revision der öv-verordnungen BS. Die AB-EBV (Ausführungsbestimmungen zur Eisenbahnverordnung), welche auch die bahnspezifischen Bestimmungen zur Behindertengerechtigkeit enthält, werden alle 2 Jahre revidiert. Für die nächste Revision per Juli 2012 wurde diesen Frühling die Vernehmlassung durchgeführt. Die Veränderung mit der grössten Tragweite betrifft die taktil-visuellen Markierungen auf Bahnperrons, im Detail geregelt in einem Anhang 2 der AB-EBV. Betroffen sind insbesondere die für Sehbehinderte äusserst wichtigen Abgangsmarkierungen, die seit 9 Jahren quer über die ganze Perronbreite (zwischen den Sicherheitslinien am Rand) gezogen werden, und die ihre wichtige Funktion bisher klaglos erfüllt haben (Bild unten links). Das BAV will nun diese Markierungen auf 60 cm breite Stummel neben der Sicherheitslinie reduzieren. Da dieser schmale Bereich im entscheidenden Moment aber häufig durch die Fahrgäste verstellt ist, die sich zum Einsteigen vor die Türen drängen, müssen die ausgestiegenen sehbehinderten Personen gegen die Perronmitte ausweichen und verpassen den Perronabgang. Was dazu führt, dass sie länger als nötig suchend auf dem Perron umherirren und sowohl sich wie auch andere gefährden. Weil das BAV bereits im Dezember 10 also noch vor der Vernehmlassung eine entsprechende Praxisänderung angekündigt hatte, sind bereits die ersten Bahnhöfe mit der gekappten Markierung aufgetaucht, z.b. in Hedingen und Birmensdorf ZH (Bild). Das BAV begründet die geplante Massnahme mit der Ansicht, zu viele taktile Markierungen auf dem Perron würden dazu führen, dass nicht sehbehinderte Menschen das Gefühl hätten, die taktil-visuelle Sicherheitslinie habe für sie keine Bedeutung, und damit würde deren Sicherheit beeinträchtigt. Untermauern soll dies eine Studie, welche durch die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) nachträglich erstellt wurde. Deren Ergebnisse sind aus unserer Sicht allerdings keineswegs schlüssig. Bei den Sehbehinderten und ihren Verbänden ist die Empörung gross. Sie wollen nicht hinnehmen, dass sie selber benachteiligt und grösseren Gefahren ausgesetzt werden sollen, nur weil eine Gefährdung anderer Personen postuliert wird, die nach ihrer Ansicht kausal nicht belegt ist. Sie sind bereit, mit allen Mitteln gegen diese unsinnige Massnahme ankämpfen. Falls die Sicherheitslinie zu wenig beachtet wird, kann das verschiedene Gründe haben. Mit einer gezielten Informationskampagne wäre da besser Abhilfe zu schaffen. Eine weitere Änderung in den AB-EBV betrifft die minimale Zahl von Rollstuhlplätzen in Zügen. Im Regionalverkehr ist bisher eine angemessene Zahl Rollstuhlplätze verlangt, im Fernverkehr sind es mindestens 3 Plätze. Neu sollen es grundsätzlich mindestens zwei Plätze sein, 3 Plätze für Zugslängen zwischen 205 und 300 m, und 4 Plätze bei 305-400 m Zugslänge (analog europäischem Standard). Änderungen auch in VAböV Gleichzeitig wird auch die VAböV (Verordnung über die Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öv) revidiert. Die wesentlichen geplanten Änderungen: An wichtigen Haltepunkten mit akustischen Informationen müssen für Hörbehinderte sogenannte Hotspots mit einer Sprachverständlichkeit von Bisherige Abgangsmarkierung auf Bahnperrons Verkürzte Markierung gemäss Absicht des BAV

BöV Nachrichten 11/4 3 STI 0,7 eingerichtet werden (vgl. BöV-Nachrichten 11/2). Die Fachstelle verlangte in der Vernehmlassung, dass diese Hotspots an standardisierten Orten eingerichtet werden, damit auch Sehbehinderte sie auffinden können. Zudem soll der STI-Wert von 0,7 auch in den Fahrzeugen gelten, wo er in neueren Zügen schon annähernd erreicht wird. Türdrücker müssen grundsätzlich mit der bekannten taktilen Markierung (zwei Pfeilwinkel) versehen werden. BöV schlägt vor, dass zusätzlich die taktile Markierung, die zulässigen Farben der Umrandung und die Kontrastflächen genauer definiert werden, ebenso der zulässige Kraftaufwand zur Betätigung (entsprechend den internationalen Regeln). Die kontrastreiche Abhebung des Türbereichs muss künftig die Türform klar erkennbar machen Die Fachstelle BöV hat ihre Vernehmlassung im Namen ihrer vier Trägerorganisationen sowie der drei grossen Sehbehindertenverbände eingereicht. BehiG-Fristverlängerung knapp abgewehrt BS. Beinahe unbeachtet von den Medien hat der Nationalrat am letzten Sessionstag einen bemerkenswerten Entscheid gefällt, der vor allem für Gehbehinderte und RollstuhlfahrerInnen von grosser Bedeutung ist. Mit 97:93 Stimmen hat er eine Motion von SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen knapp angenommen, welche den Bundesrat auffordert, auf die geplante Fristverlängerung im Behinderten- Gleichstellungsgesetz BehiG zu verzichten. Bekanntlich gibt das BehiG den Unternehmen des öffentlichen Verkehrs eine Frist bis Ende 2023, um ihre Bauten, Anlagen und Fahrzeuge behindertengerecht zu machen. (Für Fahrgastinformation und Billettautomaten gilt eine Frist bis Ende 2013, diese wird nicht in Frage gestellt.) Als Finanzhilfen stellte das Parlament 300 Millionen zur Verfügung, verteilt auf die 20 Jahre von 2004 bis 2023. Nun hatte der Bundesrat schon lange die Absicht, zwecks Sparens die Anpassungsfrist um ganze 15 Jahre zu verlängern, d.h. von 2023 auf 2038. Gespart würden damit 5 bis 10 Mio.Fr./Jahr. Obwohl die Hauptakteure in diesem Spiel, nämlich die Kantone und die Transportunternehmen, die Fristverlängerung in der Vernehmlassung mehrheitlich ablehnten, hielt der Bundesrat an seinem Vorhaben fest. Aus Behindertensicht wäre die Fristverlängerung eine Katastrophe. Der Druck, die Anpassung vor allem der Infrastrukturen (Bahnhöfe, Haltestellen) anzupacken, wäre dann weg, die Luft draussen, und viele Projekte würden auf die lange Bank gescho ben. Behinderte müssten ab heute 27 Jahre warten, bis die Transportketten geschlossen wären. Deshalb hat Nationalrätin Kiener Nellen ihre Motion eingereicht, welche den Bundesrat auffordert, auf die unsinnige Sparübung auf dem Buckel der Behinderten zu verzichten. Erstaunlicherweise war der Bundesrat dann sogar bereit, die Motion anzunehmen. Ohne Gegenantrag der SVP (Bortoluzzi) wäre die Motion damit stillschweigend angenommen gewesen. So aber musste darüber abgestimmt werden. Die Annahme (also der Verzicht auf die Sparübung) ist bedenklich knapp ausgefallen, trotz einigem Lobbying seitens der Behindertenverbände. Dass die SVP fast geschlossen Nein stimmte, war vorauszusehen. Weniger aber, dass die FDP es ihr gleichtat. Sehr bemerkenswert ist auch, dass die Grünliberalen (alle 3) und die BDP (4 von 5) die Sparübung durchziehen wollten. Die CVP war gespalten, aber mehrheitlich auf der Seite der Behinderten. Nur SP und Grüne stimmten makellos. Wären da nicht 4 SVP-ler positiv ausgeschert die Katastrophe wäre eingetreten. Die Stimmung bei den bürgerlichen Parteien scheint klar zuungunsten der Behinderten gekippt zu sein. Im Dezember muss die Motion noch das Votum des Ständerats überstehen. Zum Gedenken an Ulrich Bikle Im September erreichte uns die Nachricht, dass Ulrich Bikle-Pfirter im Alter von 73 Jahren verstorben war. Ueli Bikle selber Rollstuhlfahrer war einer der wichtigsten Pioniere im Einsatz für die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs. Während seiner beruflichen Tätigkeit bei den damaligen PTT In Basel wirkte er Ende der 80er Jahre im Auftrag der SAEB (heute: Integration Handicap) als Milizler massgeblich an der Erarbeitung und Umsetzung des SBB-Behindertenkonzeptes im Rahmen von Bahn und Bus 2000 mit. Kurz vor der entsprechenden Volksabstimmung im November 1987 lancierte er die Idee eines Stützpunktkonzeptes für die Beförderung von Personen im Rollstuhl, das in der Folge auch umgesetzt wurde. Ueli Bikles Ansichten waren in den eigenen Kreisen nicht unbestritten, doch gelang es ihm, insbesondere die Spitzen der SBB von der Notwendigkeit eines behindertengerechten öv zu überzeugen. Trotz seiner eigenen schweren Behinderung setzte er sich bis zu seinem Rücktritt im Sommer 1991 kompetent und engagiert dafür ein. Mobilitätsbehinderte Personen in der Schweiz haben ihm einiges zu verdanken. Thomas Bickel, Zentralsekretär Integration Handicap

4 BöV Nachrichten 11/4 Neue Doppelstockzüge für den Fernverkehr Von Beat Schweingruber Im August stellte die SBB die künftigen Doppelstockzüge für den Fernverkehr den Medien anhand einer Maquette im Massstab 1:1 vor. Dieselbe Maquette war im Februar auch der Fachstelle BöV und einem Dutzend fachkundiger Sehbehinderter und Rollstuhlfahrer zur Begutachtung vorgestellt worden. Daraus resultierten über 70 Verbesserungsvorschläge, die zurzeit noch bearbeitet werden. Viele davon haben nicht nur den Charakter von Vorschlägen, sondern müssen zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zwingend umgesetzt werden. Es scheint, dass beim Hersteller Bombardier das Know-how für eine behindertengerechte Realisierung eines Fahrzeugs nicht eben im Übermass vorhanden ist. So hatten zum Beispiel die Konstrukteure der Handläufe für die Treppen ins Oberdeck entweder keine Ahnung, dass es hiefür verbindliche Normen gibt, oder sie haben sie schlicht nicht eingehalten. Ebenso mussten wir in der Rollstuhltoilette ziemlich fundamentale Dinge beanstanden. Den Designern scheint das Wissen um ergonomische und behindertengerechte Ausführung beim Bau der ICN in der Firma durchaus noch präsent abhanden gekommen zu sein. In den letzten 5 Jahren haben wir kaum ein Projekt begleitet, bei dem wir so viele elementare Mängel beanstanden mussten. Gerechterweise muss auch gesagt sein, dass die Züge insbesondere für Fahrgäste im Rollstuhl einige grosse Fortschritte bringen. So wird, analog zum Regionalverkehr, mittels intelligenter Schiebetritte der autonome Zugang ab Perron 55 möglich sein. Allerdings wird diese Ein- und Ausfahrt aufgrund internationaler Regelungen und technischer Randbedingungen den RollstuhlfahrerInnen einiges abverlangen (40mm-Absatz beim Eingang und anschliessend ein kurzes 15%-Gefälle im Innern). Zudem wird fast jeder Wagen über ein multifunktionales Abteil verfügen, das einen Rollstuhl oder einen Kinderwagen aufnehmen kann. Neu wird das auch in der 1. Klasse angeboten. Doch auch hier gibt es einen Wermutstropfen: Der verfügbare Raum wird knapper als in den bisherigen Zügen. Es gibt aber noch gewichtigere Aspekte, die uns Sorgen bereiten. Konfliktpunkt 1: Zugang zu Speiseangebot Von den insgesamt 59 bestellten Zügen verfügen 20 (mit der Bezeichnung IC200, für Intercity 200 Meter) über einen Speisewagen, der sich im Gegensatz zu den heutigen, auch doppelstöckigen IC2000 vollständig im Oberdeck befindet. Bereits anfangs 2009, als wir bei der Ausarbeitung des Pflichtenhefts mitwirken konnten, hatten wir die Zugänglichkeit des Speisebereichs auch für Personen im Rollstuhl gefordert. Die SBB weigerte sich, darauf einzugehen, mit der Begründung, dass ein Lift ins Obergeschoss aus räumlichen und technischen Gründen nicht realisierbar sei. Widerwillig beugten wir uns diesem Verdikt, verlangten aber, dass im Unterdeck des Speisewagens eine Zone eingerichtet wird, in der sich Personen im Rollstuhl sowie Gehbehinderte, samt ihren Begleitpersonen, in einer Speisewagen-Atmosphäre verpflegen können. Diese Forderung wurde dann auch aufgenommen. In der definitiven Fassung des Pflichtenhefts die wir nicht mehr zu Gesicht bekamen wurde dieser Verpflegungsbereich unglücklicherweise mit dem eigentlichen Rollstuhlbereich zusammengelegt. Konfliktpunkt 2: Rollstuhlbereiche In den bestehenden Fernverkehrs-Doppelstockzügen IC2000 aus den 90er-Jahren hatte die SBB Rollstuhlabteile eingerichtet, mit denen die betroffenen Fahrgäste sehr zufrieden waren, ebenso in den nachfolgenden Neigezügen ICN. Wir gingen deshalb davon aus, dass dieses bewährte Layout auch für die neuen Züge übernommen würde. In der Version Interregio (IR200) sah es zunächst auch so aus. Allerdings ist der verfügbare Raum im Unterdeck infolge kürzerer Wagen und diverser technischer Einbauten um 3,5 Meter kürzer als im IC2000, was sich negativ auf die Zahl verfügbarer Plätze auswirkt. In der Version Intercity mit Speisewagen (IC200) hingegen wurde versucht, sowohl die geforderten drei normalen Rollstuhlplätze wie auch den erwähnten Verpflegungsbereich mit Restaurant-Atmosphäre für 8 Personen (Rollstuhlfahrer, Gehbehinderte und Mitreisende) auf der ohnehin schon reduzierten Fläche unterzubringen. Das führt aus unserer Sicht zu einer nicht akzeptierbaren Situation. Anfänglich versuchten wir noch, mit eigenen Vorschlägen diesen Wagenlayout zu optimieren, kamen aber zu Schluss, dass sich die beiden Funktionen im knappen Raum nicht kombinieren lassen, ohne dass es beidseitig zu unzumutbaren Qualitätseinbussen kommt. Wir stellten deshalb bereits vor einem Jahr den Antrag, die beiden Funktionen auf zwei benachbarte Wagen aufzuteilen, was aber von der Projektleitung abgelehnt wurde. Ohne weitere Konsultation von BöV reichte die SBB im November 2010 das mit Bombardier überarbeitete Pflichtenheft mit ebenfalls geänderten Ty

BöV Nachrichten 11/4 5 Speisewagen im Oberdeck mit Rollstuhl leider nicht zugänglich. Dafür soll im Unterdeck eine Verpflegungszone eingerichtet werden (Bild SBB) Unser Referenzrollstuhl (mit den maximal zulässigen Dimensionen) beim Test des Zugangs zum Rollstuhl-WC in der Maquette. Resultat negativ. penskizzen beim Bundesamt für Verkehr (BAV) ein, welches diese im Januar 2011 genehmigte. Jetzt erst realisierten wir, dass unterdessen auch der Rollstuhlbereich im IR200 massiv verschlechtert worden war, so dass auch hier keine angemessene Reisequalität mehr angeboten war. Konfliktpunkt 3: Rollstuhltoilette Besonderes Augenmerk richteten wir natürlich auch auf die Rollstuhltoilette. In den ersten Vorschlägen von Bombardier öffnete sie sich zum Fahrgastraum hin, was wir als nicht zumutbar (für Rollstuhlfahrer und Fahrgäste) beurteilten. Später tauchten andere Varianten auf, über die aber nicht weiter diskutiert wurde. Eine dieser Varianten figurierte dann in den vom BAV genehmigten Typenskizzen. Anhand der groben Masse mussten wir davon ausgehen, dass dieses Rollstuhl-WC weder die schweizerischen Normen noch die europäischen (TSI-PRM) erfüllt. Ein Rollstuhl mit den maximal zulässigen Massen käme weder vom schmalen Gang in die Toilette hinein noch könnte er in der Kabine ausreichend manövrieren. Spätere Computersimulationen und praktische Versuche in der Maquette bestätigten diesen Befund. Zumindest in diesem Punkt kann man dem BAV den Vorwurf nicht ersparen, dass es seine Pflicht zur Prüfung der BehiG-Konformität nicht wirklich erfüllt und offensichtliche Mängel nicht erkannt hat. Wären sie erst am gebauten Fahrzeug festgestellt worden, wären sie kaum mehr korrigierbar gewesen. Folge: Zwei Verbandsbeschwerden In dieser Situation befand die Trägerkommission der Fachstelle BöV, eine unserer Trägerorganisationen müsse um am Verfahren teilzuhaben eine Verbandsbeschwerde gegen die Verfügung des BAV erheben. Zumal die Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen in Zürich mit deren Rollstuhl-Experten wir uns laufend beraten hatten ebenfalls Beschwerde erhob Unsere Beschwerde wurde durch Integration Handicap im Februar 2011 beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Beide Beschwerden verlangen, das BAV müsse konkrete Auflagen verfügen bezüglich Rollstuhltoilette (4 Detailanträge) und bezüglich der Rollstuhlbereiche in allen Zugsversionen (10 Detailanträge). Nur die Fachstelle Bauen forderte zusätzlich die Zugänglichkeit des Speisewagens im Oberdeck. Verhandlungen und Vereinbarung Die Einreichung der Beschwerden lösten innerhalb der SBB natürlich nicht eitel Freude aus. Zwei Monate später setzte man sich dann aber zu Verhandlungen zusammen. Im Laufe des Frühlings gelang es in einer konstruktiven Atmosphäre, für den Rollstuhlbereich in den Interregio-Versionen und für die Rollstuhltoilette gemeinsam akzeptierte Lösungen zu finden, die angesichts der sehr eingeengten Raumverhältnisse doch als befriedigend bezeichnet werden können. Diese Lösungen wurden in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen SBB und den beiden Beschwerdeführerinnen detailliert festgehalten. So wurde ein Teilrückzug der Beschwerden in den entsprechenden Punkten möglich. Keine Einigkeit konnte erreicht werden bezüglich der Auftrennung von Rollstuhlbereich und Verpflegungsbereich für Gehbehinderte in der IC-Version. Hier sind wir aber nach wie vor der Meinung, dass die von der SBB verteidigte Kombination aufgrund

6 BöV Nachrichten 11/4 Standard-WC mit blindengerechten Bedienelementen. Über die Detailgestaltung diskutieren wir noch, z.b. blenden die Spiegelleuchten. (Modellbild SBB) der engen Verhältnisse die Reisequalität für Personen im Rollstuhl unzumutbar beeinträchtigen würde. Angesichts des Umstandes, dass diese Intercityzüge in den nächsten 40 Jahren als Flaggschiffe der SBB auf den wichtigsten und stark belasteten Linien verkehren werden (St. Gallen Genf, Romanshorn Brig und Zürich Tessin), wollten die beteiligten Organisationen dies nicht einfach hinnehmen. In diesem Punkt wurden deshalb die Beschwerden aufrecht erhalten. Die Fachstelle für behindertengerechtes Bauen hält zudem an ihrer Forderung nach Zugänglichkeit des Speisewagens im Oberdeck fest. Via Gericht haben verschiedene Schriftwechsel hin und her stattgefunden, wobei die Anwälte der SBB es mit den Fakten nicht so genau nahmen. Dieser Teil ist abgeschlossen. Das Bundesverwaltungsgericht muss sich nun über den Fall beugen und wird ein Urteil fällen, auf das wir gespannt sind. Selbstverständlich werden wir weiter darüber berichten. Ausführungen in Granit. Die nun an den zwei Haltestellen aufgetauchten Granitsteine stammen nicht von der Firma Profilbeton. Es sind Kopien, die zeigen, dass das Prinzip des Kasseler Sonderbordes leider nicht richtig verstanden wurde. Dem Prinzip des Kasseler Sonderbordes liegt die Idee zugrunde, dass Busfahrer möglichst nahe an die Haltekante heranfahren und mit der Pneuflanke sogar den Randstein berühren dürfen, ohne einen übermässigen Pneuverschleiss bzw. -abrieb zu riskieren. Das Querschnittprofil ist aber nur die Hälfte bei diesem Prinzip. Das Profil stellt sicher, dass mit der Ausrundung im Übergang von der Fahrbahn zur Steinflanke ein grosser Teil des Seitendruckes auf das Rad über die Lauffläche des Pneus aufgenommen wird, und nur noch ein Rest über die Pneuflanke abgetragen wird. Und hier zeigt sich die schlechte und unvollständige Kopie zum Nachteil der Pneus. Bei der Kopie ist die Steinflanke sägeroh, d.h. die Oberfläche ist rutschhemmend. Das ist bei den begehbaren Flächen erforderlich, wird aber an der Flanke zum Nachteil. Die Oberfläche gleicht einem Schmirgelpapier, mit der Folge, dass wegen der rauen Steinoberfläche ein hoher Gummiabrieb erfolgt. Damit besteht die Gefahr, dass die Einsatzdauer des Pneus nicht durch den Verschleiss der Laufflächen begrenzt wird, sondern durch jenen der Flanken. Ob ein Aufgummieren der Pneuflanken möglich ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Was ist zu befürchten: Die Chauffeure halten seitlich zuviel Abstand, d.h. das Profil des Kasseler Sonderbords kommt nicht zum Tragen und ist eine reine Geldverschwendung. Ein heute noch allgemein üblicher Bordstein würde vollauf genügen. Was ist zu verbessern: Die potentielle Berührungsfläche Stein-Pneu muss geschliffen und poliert ausgeführt werden, wie es beim echten Kasseler Sonderbord in Granit der Fall ist. Granit-Sonderbord falsch kopiert AS. Die Fachstelle BöV hat zwei Bushaltestellen entdeckt, eine im Kanton Solothurn und eine im Aargau, deren Anlegekanten aus Granitsteinen bestehen, die auf der Fahrbahnseite das Querschnittprofil des Kasseler Sonderbordes aufweisen. Dies ist einerseits erfreulich, scheinen sich doch die Vorteile dieses Profils in immer mehr Köpfen durchzusetzen. Die Firma Profilbeton, Patentinhaberin über das Kasseler Sonderbord, führt in ihrem Sortiment auch Kopiertes Granit-Sonderbord mit rauer Flanke.

BöV Nachrichten 11/4 7 Test mit neuer Anzeigen-Technologie Die beiden getesteten Anzeigen in Gelb/Schwarz (oben) und in Blau/Weiss (unten). Der Test mit Fachleuten und 17 Sehbehinderten im Zürcher Hauptbahnhof BS. Im Hinblick auf eine eventuelle Verwendung bei künftigen Fernverkehrszügen testet die SBB an zwei Fahrzeugen eine neue Technologie für Seitenanzeigen. Es handelt sich um sogenannte cholesterische LCD-Anzeigen (ChLCD). Diese Anzeigen haben einige Vorteile, nämlich einen sehr geringen Stromverbrauch, eine hohe Auflösung (fast wie Bildschirme) und somit gute Darstellungsmöglichkeiten (z.b. verschiedene Schriftgrössen, Symbole usw.). Sie sind reflektiv, d.h. sie brauchen bei Tageslicht keine Beleuchtung, hingegen muss bei Dunkelheit über eine spezielle Folie Licht auf die Anzeigen gebracht werden. Es gibt die Anzeigen in zwei Farbvarianten (gelb/schwarz und blau/weiss, siehe Bild). Allerdings sind die Kontrastwerte eher im kritischen Bereich. Wir haben deshalb im August unter realen Bedingungen mit 17 Sehbehinderten Tests durchgeführt, um herauszufinden, ob und wie gut die Anzeigen für sie lesbar sind. Die meisten Testpersonen hatten eine schlechte Sehleistung. Von den 17 Teilnehmenden hatten 14 eine funktionelle Sehschärfe teilweise deutlich unter 0,1 (Visus 0,1 gilt international als der Grenzwert, bei dem visuelle Informationen noch lesbar sein sollten). Demgegenüber fiel auf, dass die meisten Testpersonen ihr reduziertes Sehpotential sehr gut zu nutzen wussten. Das heisst, die meisten konnten die Anzeigen noch lesen, wenn auch teilweise nur mit einer Lesedistanz von 20 cm und auch nicht alle Schriftgrössen. Als erstes Ergebnis können wir sagen, dass die Anzeige schwarz/gelb klar besser ist. Dies zeigen auch die gemessenen Kontrastwerte: Kontrast um 0,5 herum, gegenüber 0,3 für blau/weiss. Mit anderen Worten, die Variante blau/weiss kommt schon von den gesetzlichen Anforderungen her nicht in Frage (Mindestkontrast 0,4). Die Präferenz für helle Schrift oder dunkle Schrift ist nicht so eindeutig. Von den Messungen her sieht dunkle Schrift auf hellem Hintergrund etwas besser aus. Hingegen wird subjektiv eher hell auf dunkel bevorzugt. Hier sind noch weitere Auswertungen nötig. Ebenso muss noch ausgewertet werden, welche Schriftgrössen notwendig sind. Auf den Anzeigen hatten wir solche von 17 bis 36 mm. Sprachverständlichkeit bei Hörbehinderten AS. Über den Abschluss der Studientrilogie Verbesserung der Sprachverständlichkeit für hörbehinderte Personen im öffentlichen Verkehr wurde bereits in den BöV Nachrichten 11/2 informiert. Dort wurde als eines der wichtigsten Ergebnisse des 3. Teils festgehalten, das für Hörbehinderte ein STI-Wert von 0,7 erforderlich ist (STI = Speech Transmission Index oder Sprach-Übertragungsindex). Ebenfalls wurde festgestellt, dass Hörgeräte bei Hörbehinderten deren Sprachverständlichkeit nicht immer auf das Niveau von Normalhörenden heben können. Die fol

8 BöV Nachrichten 11/4 gende Detailbetrachtung soll diese Aussagen etwas verdeutlichen. Getestet wurde die Sprachverständlichkeit Hörbehinderter mit Hörgeräten am Beispiel von Sätzen bei Nachhall. Gemessen wurde in neun Schritten bei STI-Werten von 0,48 bis 0,75. Der Streubereich der Sprachverständlichkeit von Sätzen (Anzahl verstandener Sätze in Prozent aller vorgetragenen Sätze) ergab bei einem STI von 0.51 eine relativ gleichmässige Verteilung im Bereich 30% bis 100%. Bei einer Erhöhung des STI auf 0.75 stieg die Verteilung der Messergebnisse ungleichmässig nach oben. Tendenziell erzielten hochgradig hörbehinderte Personen durch die Steigerung des STI einen grösseren Gewinn als leicht hörbehinderte, ohne aber dasselbe Niveau zu erreichen. Das Niveau der Guthörenden, d.h. 100% Sprachverständlichkeit, wird aber selbst bei einem STI-Wert von 0,75 nur von wenigen Einzelfällen erreicht. Auch hat sich gezeigt, dass ab einem STI-Wert von 0,7 für Hörbehinderte keine grosse Verbesserung mehr zu erwarten ist. Folgerungen für Fahrzeuge Auf der Seite der Fahrzeuge haben die Untersuchungen an den drei Fahrzeugtypen Flirt, IC 2000 und DTZ (Siemens Doppelstockzüge S-Bahn Zürich) bei allen untersuchten Situationen STI-Werte von 0,67 bei tiefem und 0,63 bei hohem Fahrgeräuschpegel ergeben. Hier besteht also vorläufig kein Handlungsbedarf bezüglich der Qualität der Beschallungsanlage, dafür teilweise bei der Schulung des sprechenden Personals, bei den Mikrofonen oder bei der Bearbeitung der Sprachkonserven. Ob das erreichte hohe Niveau der Sprachverständlichkeit in Zukunft auch bei einem Übertragungsweg ab einer Zentrale ausserhalb des Fahrzeuges gehalten werden kann, muss dannzumal überprüft werden. Folgerungen für Bahnhöfe Ein komplett anderes Bild zeigt sich bei den Bahnhöfen. Das eine Problem ist die sehr grosse Streuung der STI-Werte innerhalb des Bahnhofs. Ferner hat sich gezeigt, dass kein Messpunkt unter Berücksichtigung des Grundstörgeräusches auch nur annähernd einen STI-Wert von 0,7 erreicht hat. Die Streubereiche der Messwerte sind in der Regel so gross, dass sogar für Normalhörende die Verständlichkeit vom jeweiligen Standort abhängt. Diese Aussagen berücksichtigen nur die im Bahnhof im Normalfall vorhandenen Grundstörpegel. Messungen bei Durchfahrten von Güter- oder Personenzügen wurden durchgeführt, die Resultate sind aber wie nicht anders zu erwarten vernichtend. Die Studie zeigt auf, dass die Beschallungsanlagen in den Bahnhöfen nicht genügen und zu verbessern sind. Die Schaffung von flächenmässig kleinen Hotspots mit einem STI-Wert von 0,7 wird bereits in der laufenden Revision der Verordnung VAböV vorgeschlagen. Es muss aber geprüft werden, ob nicht zusätzlich grössere zentrale Bereiche (nicht der gesamte Perronbereich) mit einem STI-Wert von mindestens 0,5 beschallt werden sollten. Hotspots auch für Sehbehinderte Bei der Einrichtung der genannten Hotspots ist zu berücksichtigen, dass es auch Sehbehinderte mit Hörbehinderung gibt. Das heisst, dass die Hotspots in standardisierten Positionen anzuordnen sind, so dass sie auch von Sehbehinderten ohne zusätzliche taktile Markierungen gefunden werden. Beispielsweise auf der Perronfläche zwischen den beiden Aufgängen aus der Unterführung. Dies ist auch ein Ort, wo wartende Personen am wenigsten in Konflikt mit sich bewegenden Menschenströmen geraten. Billettautomaten: Standard für 4-Quadrantenmodus BS. In zunehmendem Masse werden neue Billettautomaten mit Touch-Screen mit dem 4-Quadranten- Modus (4QM) für Sehbehinderte ausgerüstet, dies vor allem bei Verkehrsverbünden. Leider wird dieser 4QM nicht überall nach demselben Standard ausgeführt. So sind z.b. bei der A-Welle (Aargau) die Seiten für Vollzahler und Ermässigte vertauscht. Bei anderen Automaten sind die oberen Ecken beim Auswahl-Bildschirm nicht aktiv, oder es muss (zu) lange gedrückt werden. Ausserdem ist nicht allen Betreibern bewusst, dass der 4QM für blinde Personen nur mit Hilfe einer Sprachunterstützung bedienbar ist. Auch diese Sprachausgabe muss nach einheitlichen Kriterien funktionieren. Die Fachstelle BöV hat deshalb ein detailliertes Standard-Dokument für den 4-Quadranten-Modus ausgearbeitet, mit Angaben über die detaillierten Bedienabläufe für die visuelle und die akustische Version. Nur wenn die Billettautomaten überall nach demselben Standard funktionieren, kann der 4QM auch als teilweise Lösung für die geforderte Behindertengerechtigkeit anerkannt werden. Zudem haben wir das Anforderungsprofil für Billettautomaten (aus dem Jahr 2006) generell überarbeitet. Das neue Anforderungsprofil und der Standard 4QM sind ab Mitte November auf unserer Webseite www.boev.ch > Fachinformation > Billettautomaten zu finden.