Verbraucher in Schubladen gesteckt: Scoring-Verfahren im Praxistest



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Transkript:

Hintergrundpapier: Verbraucher in Schubladen gesteckt: Scoring-Verfahren im Praxistest Berlin, den 23.01.2008 Hintergrund Scoring-Verfahren werden zur Bewertung von Verbrauchern eingesetzt: Unternehmen verwenden in einem zunehmenden Maße personenbezogene Daten, um Verbraucher zu segmentieren und zu bewerten. Die Schlüsseltechnik für die automatisierte Datenverarbeitung stellt das Scoring oder Data- Mining dar. Am bekanntesten ist die Verwendung von Scoring-Verfahren in der Kreditwirtschaft. Hier dienen sie dazu, die Bonität von Verbrauchern einzuschätzen. Diese Bonitätsbewertungen dienen nicht mehr nur für die Bewertung, ob einem Verbraucher ein Kredit gewährt wird, sondern zu welchem Preis. Scoringverfahren werden in immer mehr Bereichen eingesetzt: Anwendungsfelder sind: Abschluss von Telekommunikationsverträgen, Vermietung von Wohnraum oder die Bezahlweise im Versandhandel. In den USA fangen Autoversicherer damit an, Fahrtenschreiber in Autos einzubauen, um die Tarife je nach Fahrweise anzupassen. Es gibt einen wachsenden Markt für Daten über Verbraucher: Allein die Mitgliederliste des Bundesverbands Deutscher Inkasso- Unternehmen (BDIU) zählt 132 Unternehmen, die sich mit der Ermittlung von Risikodaten befassen. Unter den Mitgliedern befinden sich auch die großen Anbieter von Scoring wie Bürgel, EOS, Infoscore, Schufa und Creditreform. Die Schufa hat Daten zu 64 Millionen Personen gespeichert. Mit Scoringverfahren und dem Verkauf von Daten wird gutes Geld verdient: Da der Markt sehr undurchsichtig ist, sind die Umsätze, die mit dem Handel von Verbraucherdaten erzielt werden, schwer einzuschätzen. Der bekannteste Anbieter von Scoring, die Schufa, gehört mit 80,5 Millionen Euro Umsatz (2006) allerdings eher zu den kleinen Anbietern: Schober (135 Millionen Euro), EOS (231 Millionen Euro), Bürgel (474 Millionen Euro) und Creditreform (458 Millionen Euro).

Das Wirtschaftsmagazin Capital hat errechnet, dass allein die vier größten Auskunfteien der Wirtschaft jährlich mehr als 140 Millionen Datensätze liefern Tendenz steigend. Der Markt für individualisiertes Marketing wächst rasant: 2004 gaben Unternehmen in Deutschland 25 Milliarden Euro fürs Direktmarketing aus. Bis 2006 wuchs der Umsatz rasant um knapp 30 Prozent auf 32 Milliarden Euro. Während Auskunfteien mit Daten gutes Geld verdienen, wissen die meisten Verbraucher noch nicht einmal, was sich hinter dem Begriff Scoring verbirgt: 85 Prozent der Verbraucher können mit dem Begriff Scoring nichts anfangen. Lediglich 0,8 Prozent der Befragten wussten, dass Scoringverfahren Auswirkungen auf die Kreditkonditionen haben. Beispiele aus der Praxis Fest angestelltes Arztehepaar wird mit Hinweis auf angeblich mangelnde Bonität vom Telekommunikationsanbieter abgewiesen; Selbstständiger Arzt wird mit Hinweis auf angeblich mangelnde Bonität eine Tankkarte mit geringem Kreditrahmen verweigert. Verbraucher verstehen nicht, warum ihre Kreditangebote deutlich höher sind als in der Werbung angegeben. Risiken in der Verwendung von Scoring-Verfahren Willkür: Scoring-Verfahren bergen ein großes Potential für Willkür, da sie zumeist intransparent benutzt werden: Verbraucher erfahren oft nicht einmal, dass Scoring-Verfahren eingesetzt werden; sie werden nicht über die verwendeten Daten und deren Herkunft informiert; und Verbrauchern wird nicht erläutert, wie die Daten gewichtet werden, da die Gewichtung von den Anbietern als Geschäftsgeheimnis eingestuft wird. Aus diesen Gründen können Verbraucher die Angemessenheit des Scoring- Einsatzes, die Relevanz und Richtigkeit der Daten sowie die Plausibilität der Dateninterpretation nicht überprüfen. Eigene Testanfragen und Testanfragen wie beispielsweise durch Börse Online zeigen, dass die den Scorewert- Berechnungen zugrunde liegenden Daten häufig in entscheidenden Punkten lückenhaft oder gar fehlerhaft sind. Diskriminierung: Die Verwendung von Scoringverfahren birgt die Gefahr einer verdeckten Diskriminierung in sich. Werden Verbraucher beispielsweise in Hinblick auf ihren Wohnort bewertet, besteht das Risiko des redlinings, einer kollektiven geographischen Sippenhaft. Menschen haben viele unterschiedliche Gründe dafür, sich an einem bestimmten Ort niederzulassen. Mobilität ist im heutigen Arbeitsleben ausdrücklich erwünscht. Werden jedoch die Bewohner einer bestimmten Region kollektiv benachteiligt, steigt die Gefahr einer weiteren Benachteilung, die die Entwicklung der Region nachhaltig beeinträchtigen kann. 2

Scheinobjektivität: Die Verwendung von Scoring-Verfahren erweckt den Eindruck einer Objektivierung von Entscheidungsprozessen. Wurden Verbraucher in der Vergangenheit auf Grundlage des Erfahrungswissens des Bankmitarbeiters oder Verkäufers bewertet, ersetzen Scoring-Verfahren diese persönlichen Bewertungsverfahren. Zwar unterscheiden sich Scoring- Verfahren methodisch von Entscheidungen auf Grundlage von Erfahrungen. Ob dies jedoch zu einer Verobjektivierung der Ergebnisse führt, ist fraglich. Aus unserer Sicht können Scoring-Verfahren nur einen Schnelltest darstellen. Jeder Einzelfall ist anders zu interpretieren. Zwar kann es Verhaltenskorrelationen in Gruppen von Personen geben, diese können im konkreten Einzelfall jedoch sehr unterschiedlich begründet sein. Bestes Beispiel hierfür: Aus Anbietersicht stellt die Tatsache, dass eine Person bei mehreren Banken ein Kreditangebot eingeholt hat, ein Indiz dafür dar, dass die Person möglicherweise zwei Kredite parallel aufnehmen möchte oder schon mehrfach abgewiesen wurde. Aus Sicht des Verbrauchers hingegen ist das Einholen unterschiedlicher Angebote sehr plausibel, um sich eine Marktübersicht zu verschaffen und Konditionen zu vergleichen. Verschleierung von Preisen: Werden Scoring-Verfahren auch für die Bestimmung von Preisen verwendet, besteht die Gefahr einer Schwächung der Nachfrageseite des Marktes. Die Vorteile einer Marktwirtschaft wie von niedrigen Preisen, Angebotsvielfalt und Innovationen werden dadurch realisiert, dass Unternehmen in einem Wettbewerb miteinander stehen und dass Verbraucher Preis-/Leistungsvergleiche anstellen und die Produkte wählen, die ihren Bedürfnissen am besten entsprechen und das beste Preis- /Leistungsverhältnis aufweisen. Werden Scoring-Verfahren für die Bestimmung von Preisen verwendet, fehlt es Verbrauchern an einer einfachen Vergleichsmöglichkeit und die Suchkosten der Verbraucher erhöhen sich. Dies führt zu einer Schwächung der Nachfrageseite des Marktes, die sich negativ auf die Effizienz des Marktes insgesamt auswirkt. Grundlegende Anforderungen für den Einsatz von Scoring-Verfahren Beschränkung des Einsatzbereichs von Scoring-Verfahren und branchenspezifische Regelungen: Der Einsatz von Scoring-Verfahren ist dann unverhältnismäßig, wenn es nicht um die Bewertung eines Ausfallrisikos, sondern um die Bewertung eines allgemeinen Vertragsrisikos geht. Ein Ausfallrisiko ist dadurch charakterisiert, dass langfristige Zahlungsverpflichtungen über die Laufzeit eines Vertrags nicht eingehalten werden können. Bei Verträgen, die regelmäßig verrechnet werden wie bei Telekommunikations- oder Energielieferverträgen liegt jedoch kein Ausfallrisiko, sondern lediglich ein allgemeines Vertragsrisiko vor. Dieses ist in finanzieller Höhe überschaubar (ein oder zwei Monatszahlungen) und es besteht auf beiden Seiten. Auch der Verbraucher ist der Gefahr ausgesetzt, dass ein Dienstleister seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Würde es Anbietern gestattet sein, Scoring-Verfahren für die Berechnung eines allgemeinen Vertragsrisikos zu verwenden, würden Verbraucher im Vertragsverhältnis einseitig benachteiligt. Daher sollten Scoring-Verfahren 3

auf die Bewertung von Ausfallrisiken beschränkt und branchenspezifisch geregelt werden. Verwendung nachweislich wissenschaftlicher Verfahren, die eine empirisch geprüfte Prognosefähigkeit aufweisen: Die verwendeten Scoring-Verfahren müssen durch ein Zulassungsverfahren freigegeben und der Einsatz regelmäßig kontrolliert werden. Diese Maßnahmen müssen sicher stellen, dass die Scoring-Verfahren nur Daten berücksichtigen, die bonitätsrelevant und nicht diskriminierend sind, und die Verfahren nachweislich geeignet sind, die individuelle Ausfallwahrscheinlichkeit eines Verbrauchers vorherzusagen. Prognosefähig kann nur ein Verfahren sein, das in allen Bewertungs- und Rechenschritten offengelegt wurde und als solches regelmäßig unabhängig geprüft wird. Das Vermengen eingekaufter Score-Werte, deren Berechnung jeweils als Geschäftsgeheimnis deklariert wurde und somit der Kontrolle entzogen ist, mit weiteren Rechenschritten ist unwissenschaftlich. Denn durch den Einsatz unterschiedlichster Scoring- Verfahren kann niemand mehr nachvollziehen, ob die Vermischung letztlich nicht absurde Ergebnisse erzeugt, weil sich Faktoren unverhältnismäßig verstärken oder gegenseitig aufheben. Transparenter Einsatz von Scoring-Verfahren: Werden Scoring-Verfahren eingesetzt, müssen Verbraucher hierüber informiert werden. Sie müssen eine Möglichkeit erhalten, die Richtigkeit der verwendeten Daten zu überprüfen und es muss ihnen mitgeteilt werden, welche Faktoren den Scorewert maßgeblich beeinflusst haben. Während die Offenlegung der verwendeten Daten unerlässlich ist, um die Voraussetzung für eine adäquate Beurteilung zu überprüfen, ermöglicht die Information über die wesentlichen Faktoren Verbrauchern zu erkennen, ob das Verfahren die richtigen Schlüsse auf seine Person gezogen haben kann. Statistische Annahmen gehen fehl, wenn die Verfahren eine Besonderheit beim Einzelnen nicht erkennen können. Liegen die Annahmen als Ergebnis aber mit offen, kann ein Fehler schnell erkannt und korrigiert werden. Zudem erfährt der Verbraucher, was er tun kann, um seine Ausgangslage für eine bessere Bonität zu verändern beziehungsweise zu entwickeln. Beschränkung auf bonitätsrelevante Daten: Die verwendeten Daten müssen auf solche beschränkt sein, die eine Aussage über das individuelle Ausfallrisiko zulassen und nicht diskriminierend sind. Kostenloser Auskunftsanspruch: Verbraucher müssen automatisch und kostenfrei darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass eine Datenbankabfrage zu ihrer Person erfolgte sowie ein Score errechnet und weitergegeben wurde (unter Nennung des Adressaten). Darüber hinaus müssen Verbraucher einmal pro Jahr einen kostenlosen Einblick in die bei Auskunfteien über sie gespeicherten Daten erhalten. 4

Wesentliche Ergebnisse der Studie Scoring-Verfahren werden zumeist intransparent eingesetzt: o In knapp 50 Prozent der Fälle wurden Verbraucher nicht über den Einsatz von Scoring-Verfahren informiert. o In über 60 Prozent der Fälle wurde ihnen kein Angebot gemacht, die verwendeten Daten zu kontrollieren. o In 90 Prozent der Fälle wurde ihnen der Score nicht mitgeteilt. Gesetze werden missachtet: Eine automatisierte, den Verbraucher benachteiligende Einzelentscheidung ist gesetzlich verboten ( 6a Bundesdatenschutzgesetz). Dennoch verlassen sich Kreditsachbearbeiter in knapp 80 Prozent der Fälle ausschließlich auf das automatisch generierte Kreditangebot, individuelle Prüfung Fehlanzeige. Die Datensammelwut ist enorm und oft ist es nicht ersichtlich, warum die Daten erhoben werden. Beispiele: Staatsangehörigkeit, Wohndauer, Arbeitgeber, berufliche Stellung, Umzugshäufigkeit. Die Scoring-Ergebnisse sind nicht nachvollziehbar und verschleiern Konditionen: Ein und dieselbe Testperson wurde mal als kleines, mal als großes Risiko eingestuft. In einem Fall hätte sie für ein Kreditangebot 7,99 Prozent Zinsen zahlen müssen, dann wieder 13,49 Prozent. Bei solchen Einschätzungsabweichungen fällt es schwer, beim Scoring an ein solides mathematisches Verfahren zu glauben. Die Gründe für die Einteilung bleiben für die Kunden im Dunkeln. Fazit: Der Einsatz von Scoring-Verfahren in der Kreditwirtschaft hat den Praxistest nicht bestanden. Weder haben Verbraucher bessere Konditionen erhalten, noch ist überzeugend nachgewiesen, dass Scoring- Verfahren den Banken selbst nutzen. Die objektive Aussagekraft des Scoring-Verfahrens hat sich nicht bestätigt. Bewertung des Entwurfs für ein neues Datenschutzrecht der Bundesregierung Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, den das Bundesinnenministerium im September 2007 vorgelegt hat, stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, er greift jedoch zu kurz: Es ist zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung des Problems des Scoring- Einsatzes annimmt. Der Entwurf beinhaltet wichtige Vorschläge, die im Lichte der Zunahme automatisierter Entscheidungen sowohl dem Grundrecht der Verbraucher auf informationelle Selbstbestimmung als auch den Grundsätzen der freien Marktwirtschaft wieder stärker Geltung zu verschaffen. Letztere werden beeinträchtigt, wenn eine Marktseite (Kreditwirtschaft und Auskunfteien) die Handlungsfähigkeit der anderen Marktseite (Verbraucher) beeinträchtigt. Die methodische Vorbestimmung des Verbrauchers durch für ihn nicht nachvollziehbare Bewertungsverfahren, macht den Verbraucher zum berechneten Objekt im Markt, der seine subjektiven Gestaltungsrechte nur noch insoweit wahrnehmen kann, wie die andere Marktseite ihm die Teilnahme am Markt erlaubt. Ein Markt lebt aber 5

davon, dass die Teilnehmer im freien Spiel der Kräfte Verträge verhandeln. Verdeckte und für den Einzelnen nicht mehr nachvollziehbare Berechnungsmethoden unterbinden die Handlungsfreiheit der Verbraucher. Die Anbieter zwingen sie in ein Normraster. Das verletzt nicht nur Grundrechte, sondern behindert den wettbewerbsorientierten Markt. Dies auf ein transparentes Maß einzuschränken, ist sowohl wirtschaftliche Notwendigkeit wie auch Verfassungsauftrag. Der richtige Ansatz ist in den bisher diskutierten Details jedoch noch an wichtigen Stellen anzupassen. Sonst drohen trotz richtiger Absicht in der Umsetzung sogar gravierende Verschlechterungen für Verbraucher und regelungsbedürftige Aspekte bleiben außen vor. Positiv: Verbraucher sollen einmal pro Jahr einen unentgeltlichen Auskunftsanspruch bei den Auskunfteien erhalten; die Nutzung und Übermittlung von Daten über Verhaltensweisen der Verbraucher, die der Markttransparenz dienen (zum Beispiel Einholen von Kreditkonditionen), wird verboten; ein Bußgeldtatbestand bei Auskunftsverweigerung soll eingeführt werden. Negativ: Ausweitung des Einsatzbereichs für Scoring auf Geschäfte ohne Ausfallrisiken; unzureichende Rechte für Verbraucher, Einblick in die verwendeten Daten und in die Gewichtung der Daten zu erhalten; zwar sieht der Entwurf Regelungen für einen Einblick der Verbraucher in die Daten und deren Gewichtung vor, diese drohen jedoch ins Leere zu laufen, da eine Reihe von Einschränkungen für diese Auskünfte eingeführt wird; keine Einführung einer Gefährdungshaftung beim Scoring, die dann eintritt, wenn Verbraucher durch den Einsatz von Scoring-Verfahren geschädigt werden; eine Haftung, die der Staat, soweit er solche Verfahren einsetzt, längst wegen der erkannten Gefahr trägt. Hauptforderungen Der Einsatz von Scoring-Verfahren muss auf Ausfallrisiken begrenzt und branchenspezifisch geregelt werden; Scoring-Verfahren müssen von einer neutralen Stelle offiziell zugelassen und regelmäßig auf ihre Plausibilität hin geprüft werden; Anbieter müssen Verbraucher obligatorisch über den Einsatz von Scoring-Verfahren, die verwendeten Daten und deren Gewichtung informieren; bei der Beurteilung des Ausfallsrisikos dürfen nur bonitätsrelevante personenbezogene Daten berücksichtigt werden; Werbung mit Bestpreisen (beispielsweise ab X Prozent ) ist nur zulässig, wenn wenigstens zwei Drittel der Verbraucher diesen Bestpreis auch tatsächlich erhalten. 6

Tipps für Verbraucher Gespeicherte Daten überprüfen: Verbraucher haben ein Recht darauf zu erfahren, welche Daten über sie bei Auskunfteien gespeichert sind. Verbraucher sollten daher bei Auskunfteien wie der Schufa, Bürgel, Creditreform etc. nachfragen, welche Daten über sie gespeichert sind und welcher Scorewert ihnen gegeben wird. Diese Selbstauskünfte sind allerdings in der Regel nicht umsonst. Im Gespräch nachhaken: Erkundigt sich ein Verbraucher über Kreditkonditionen, sollte er die Sachbearbeiter darauf aufmerksam machen, dass es sich nicht um eine Kreditanfrage, sondern um eine Konditionenanfrage handelt. Zudem sollte der Verbraucher nachhaken, welcher Scorewert errechnet wurde und welche Daten hierfür herangezogen und wie gewichtet wurden. Bei Ablehnung nachfragen: Erhält ein Verbraucher aus nicht erklärlichen Gründen keinen Vertrag (z.b. Telekommunikationsvertrag), sollte er nach den Gründen für diese Entscheidung fragen. Im Zweifelsfall können sich Verbraucher an die Verbraucherzentralen oder die Landesdatenschutzbeauftragten wenden. Für weitere Tipps rund um das Thema Datenschutz gibt es den Ratgeber "Datenschutz für Verbraucher - 99+1 Beispiele und Tipps zum Bundesdatenschutzgesetz". 7