Das ESUG auf dem Prüfstand Das vorinsolvenzliche Verfahren ante portas!? 2016
Der Insolvenzplan als Zielkorridor der Sanierung oder was ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung? Rechtsanwalt Robert Buchalik Düsseldorf, den 2. März 2016
Die Ziele des Insolvenzverfahrens sind in 1 Satz 1 InsO ausdrücklich bestimmt. Sind diese Ziele aber wirklich klar definiert? Eingangsparagraphen großer Kodifikationen haben etwas Ouvertürenhaftes. Als Einleitungsparagraph kommt dem 1 InsO Signalwirkung zu. Wohin führt das Signal? 1 InsO führt dazu aus: Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Über allem soll aber die nach den Ausführungen des BGH (Urt. V. 21.04.2005 -IX ZR 281/03, BGHZ 163,32-37, Rn.8) die bestmögliche Gläubigerbefriedigung als Hauptziel des Verfahrens stehen. Das berechtigte Interesse der Gläubiger, aus der Masse Befriedigung ihrer Ansprüche zu erhalten und deshalb die Entstehung von Verbindlichkeiten zu vermeiden, die das zur Verfügung stehende Vermögen schmälern, hat im Rahmen der insolvenzrechtlichen Abwicklung unbedingten Vorrang. So auch die Begründung der Bundesregierung in 1 des Regierungsentwurfs: Dennoch liegt dem Verfahren ein Hauptziel zugrunde: Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung (RegE BT-Drs. 12/2443,108). Die Gläubiger nehmen demnach eine zentrale Rolle ein. Um deren Befriedigung geht es. Was dabei als unmissverständlich erscheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung aber als hinterfragungswürdig. Denn eigentlich geht es um die gerechte Verteilung des noch vorhandenen Restes unter die Gläubiger. Deshalb weichen viele Länder in der EU auch von diesem Primat ab und stellen den Unternehmenserhalt und den Schutz der Arbeitsplätze in den Vordergrund (beispielsweise Frankreich mit dem Code de Commerce und auch England hat zum Ziel des Insolvenzrechtes die Förderung des Unternehmertums erklärt). [ 3 ]
Der Unternehmenserhalt als eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens? Nach Ansicht des BAG (Urt. Vom 28.10.2004-8 AZR 199/04, NZA 2005, 405-408, Rd. 29) stellt die Unternehmenssanierung kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens dar, sondern ist nur neben der Zerschlagung ein gleichwertiges Mittel der Gläubigerbefriedigung. Auch die Sanierung des Schuldnerunternehmens werde als Verwertung begriffen. Aber kann diese Ansicht unter Berücksichtigung des ESUG noch zutreffend sein? Warum sollte der Schuldner frühestmöglich einen Insolvenzantrag stellen, wenn Zerschlagung und Sanierung gleichwertig nebeneinander stehen? Welche Motivation zur Antragstellung gibt es, wenn er damit rechnen muss, dass das oberste Ziel nicht der Unternehmenserhalt, sondern die Liquidation oder der Verkauf seines Unternehmens ist. Hat der Gesetzgeber das wirklich mit dem ESUG beabsichtigt? Dafür spricht: Das immer effizienter (masseanreichender) werdende Anfechtungsrecht als Dauerauftrag für Rechtsanwälte Dagegen: Die Wandlung vom Konkurs (Zusammenlaufen) zur Insolvenz (mangelndes flüssig sein), also der Verschiebung der Perspektive vom Gläubiger zum Schuldner. Mit dem ESUG könnte dieses Gedankengut zum ersten Mal in gelebtes Recht umgesetzt worden sein. [ 4 ]
Hat das ESUG die Ziele des Insolvenzverfahrens modifiziert? Das ESUG ist das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Im Gesetzesentwurf heißt es: Die Fortführung von Unternehmen soll erleichtert und damit der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden (BT- Drs. 17/5712 S.2 unter B) oder Mit der Verbesserung von Sanierungschancen wird zugleich zum Erhalt von Arbeitsplätzen beigetragen (BT-Drs. 17/5712, S.17 unter II) Damit wird auch klargestellt, dass die Sanierung von Unternehmen ein Ziel der Insolvenzordnung ist, wenn es auch beim vorrangigen Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung verbleibt. Aber: Der Erhalt des Unternehmens ist kein Selbstzweck und nur erstrebenswert, wenn der Fortführungswert des Unternehmens den Zerschlagungswert übersteigt, also durch Sanierung Werte erhalten oder geschaffen und nicht vernichtet werden. [ 5 ]
Was ist die bestmögliche Gläubigerbefriedigung? Steht eine Zeitpunktbetrachtung oder eine Zeitraumbetrachtung im Vordergrund? Gemeinhin wird unter bestmöglicher Gläubigerbefriedigung eine möglichst umfassende Befriedigung der Forderungen, möglicherweise eine möglichst hohe Insolvenzquote verstanden. Der Erhalt des Unternehmens soll stets nur ein Mittel zur optimalen Gläubigerbefriedigung sein. Aber: Ist das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten der richtige Ansatz oder ist die Interessenlage in der Praxis nicht u.u. anders? Geht es nicht vielmehr um den Erhalt des Unternehmens und die Rettung von Arbeitsplätzen? Stehen nicht die vollstreckungsrechtlichen sondern die wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Vordergrund? Fordert der 1 InsO wirklich die Gläubigergleichbehandlung oder gar die oft die Wirtschaft schädigende Pflicht des Insolvenzverwalters zur Massemaximierung? [ 6 ]
Die Interessenlage einzelner Gläubiger oder Gläubigergruppen können stark voneinander abweichen. Eine zu hohe Quote ist möglicherweise eine Hypothek auf die Zukunft, die den Sanierungserfolg gefährdet Der Arbeitnehmer will seinen Arbeitsplatz erhalten. Eine quotale Befriedigung hat bei Weitem für ihn nicht das Gewicht einer Fortführung seines Arbeitsverhältnisses. Dieses Interesse teilen die Bundesagentur für Arbeit, die Träger der Sozialversicherung und die Politik. Die Interessen der Bank können ambivalent sein. Einerseits besteht u.u. ein Interesse an der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit einem nunmehr mit einer hohen Eigenkapitalquote ausgestatteten Unternehmen, das auch keine Liquiditätsprobleme mehr hat und operativ saniert ist. Das kann zu Auflösung von Wertberichtigungen oder gar zur Vermeidung von Wertberichtigungen bei der Bank führen. Das setzt aber Vertrauen in den Schuldner und seine Fähigkeit zur operativen Sanierung voraus. Fehlt das Vertrauen, wird die Zerschlagung präferiert, was aber angesichts hoher Verfahrenskosten und langer Verwertungsdauern nicht unbedingt zu einer Besserstellung führt. Eine gut gesicherte Bank präferiert oft die Zerschlagung, insbesondere wenn die Verwertung der Sicherheiten zu einer 100%igen Befriedigung der Bank führen könnte. Das Interesse des Finanzamtes ist mit dem einer Bank vergleichbar. In der Praxis stimmt es aber meist für und nicht gegen eine Fortführung, denn auch hier steht der Erhalt des Steuerschuldners, einschließlich der Arbeitnehmer im Vordergrund. Lieferanten und Dienstleister wollen in erster Linie ihr Produkt absetzen und Umsätze machen. Der Wegfall des Insolvenzschuldners führt dazu, dass sie sich neue Kunden erarbeiten müssen. Wenn das nicht gelingt, kann das für den Lieferanten oder Dienstleister sogar existenzbedrohend sein. Vermieter von Gewerbeimmobilien sind je nach Marktsituation und Lage der Immobilie an einer Weitervermietung denn an einer hohen Quote interessiert. [ 7 ]
Die Beantwortung, was die bestmögliche Gläubigerbefriedigung ist, ist eine Prognoseentscheidung und kann nicht immer mit einem klaren Ja oder Nein beantwortet werden. Die Entscheidung darüber muss den wirtschaftlich Betroffenen, also den Gläubigern, vorbehalten bleiben Eine im Plan angebotene Quote, die unter einer gesicherten Insolvenzquote liegt, kann zur Ablehnung des Planes aus formalen Gründen führen. Verwertungsprognosen führen aber zu keiner gesicherten Quote. Auch eine Erhöhung der Quote durch Zahlung eines Zusatzbetrages durch einen Investor ist keine Gewähr für einen Erhalt des Unternehmens und einer späteren höheren Gläubigerbefriedigung. Die Absichten eines Investors und die Ernsthaftigkeit seines Angebotes sind kaum nachprüfbar. Deshalb muss es zulässig sein, eine Zeitraumbetrachtung einer Zeitpunktbetrachtung gegenüberzustellen. Wenn unter Berücksichtigung des betrachteten Zeitraumes und der in diesem Zeitraum den Gläubigern zufließenden Vorteilen die Fortführung besser ist als die Zerschlagung, müssen die Gläubiger berechtigt sein, sich für die Fortführung zu entscheiden. Im Übrigen wird es bei einer vordergründigen Massemaximierung durch den Insolvenzverwalter zur umfassenden Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen auch gegen die Bank, den Lieferanten oder Vermieter kommen. Der Insolvenzplan ist ein probates Mittel, das zu verhindern oder gar einzuschränken, denn der Sachwalter muss anders als bei einer Zerschlagung oder übertragenden Sanierung Rücksicht auf die Gläubigerinteressen nehmen: Die Bank steht weiter mit Krediten, z.b. Avalen oder Massekrediten, zur Verfügung. Als Gegenleistung ist ein Anfechtungsverzicht denkbar Wichtige Lieferanten werden das Unternehmen ohne Zugeständnisse bei der Anfechtung nicht weiter beliefern [ 8 ]
Die Gläubigerversammlung entscheidet, wie die bestmögliche Befriedigung zu realisieren ist Die Gläubigerversammlung ist das höchste Gremium in der Insolvenz. Es kann den Gläubigern auch nicht verwehrt bleiben, eine vermeintliche Schlechterstellung im Falle einer Fortführung im Rahmen eines Insolvenzplanes zu akzeptieren, wenn sie im Rahmen einer Zeitraumbetrachtung zu einer Besserstellung kommen. Die Abwägung zwischen der Chance auf eine höhere Befriedigung bei Durchführung des Insolvenzplanes und den damit verbundenen Risiken haben allein die Gläubiger durch ihr Selbstverwaltungsorgan, die Gläubigerversammlung, zu treffen. Im Zweifel können und dürfen sich die Gläubiger für den sichereren Weg entscheiden, wenngleich er eine geringere Quote erwarten lässt, als aufgezeigte Alternativszenarien möglicherweise bieten. Es ist Aufgabe des Planverfassers, den Gläubigern eine hinreichende Entscheidungsgrundlage zu bieten. Aber: In diesem Fall gilt das Obstruktionsverbot nicht. Gläubiger, die durch den Plan schlechter gestellt werden als ohne den Plan, können ihn ablehnen, wobei die Ablehnung nicht dazu führen muss, dass der Plan im Übrigen abgelehnt wird. Sie haben einen einklagbaren Anspruch auf Ausgleich der Schlechterstellung ( 251 Abs.3 InsO). Dies führt zu einem angemessenen Interessenausgleich zwischen denjenigen Beteiligten, die aus wirtschaftlichen Gründen an einem Erhalt des Unternehmens interessiert sind, und Denjenigen, für die allein eine möglichst hohe Insolvenzquote entscheidend ist. [ 9 ]
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