Die Besteuerung von schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen im internationalen Vergleich



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Transkript:

Die Besteuerung von schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen im internationalen Vergleich Masterarbeit in Corporate Finance am Institut für Banking und Finance bei Prof. Dr. Alexander F. Wagner und Dr. Marcel Widrig Verfasser: Giannina Sievi Abgabedatum: 14. März 2011

Abstract In dieser Arbeit soll geklärt werden, inwiefern die Verrechnungssteuer ein Hemmnis für den Fondsstandort Schweiz darstellt, um anschliessend mögliche Lösungsansätze in Bezug auf die Umgestaltung der Verrechnungssteuer zu erarbeiten, welche die Attraktivität des schweizerischen Fondsplatzes steigern könnten. Während die Verrechnungssteuer selbst bereits ein Sondernis im Vergleich zum Ausland darstellt, wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz durch die Einführung von Art. 12 Abs. 1 ter VStG gar weiter geschwächt. Von den vorgeschlagen Lösungsansätzen scheinen der Übergang vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip sowie die Abschaffung der Sockelsteuer auf Dividendenerträge in den schweizerischen DBA und die Ersetzung der Verrechnungssteuer für ausländische Anteilsinhaber durch eine Abgeltungssteuer jene Möglichkeiten zu sein, welche in der Realität am ehesten umsetzbar sein könnten.

I Executive Summary I Problemstellung Die schweizerische Verrechnungssteuer stellt im Vergleich mit anderen bedeutenden Fondsplätzen eine Eigenart dar. Direkte Konkurrenten des Fondsplatzes Schweiz wie Luxemburg, Fürstentum Liechtenstein oder auch Irland kennen keine Quellensteuer auf Vermögenserträgen von kollektiven Kapitalanlagen, 1 wodurch die Verrechnungssteuer ein nicht zu verachtender Standortnachteil für die Schweiz darstellt. 2 Durch die Einführung von Art. 12 Abs. 1 ter VStG wurde ein weitere Standortnachteil geschaffen, da die Verrechnungssteuer bei thesaurierenden kollektiven Kapitalanlagen neu jährlich erhoben wird, 3 ohne dass es dabei zu einem eigentlichen Mittelabfluss aus der Kapitalanlage kommt. Die Folgen davon sind fehlende Neugründungen von Thesaurierungsfonds in der Schweiz, wobei die ohnehin geringe Anzahl bestehender thesaurierender kollektiver Kapitalanlagen ihren Sitz ins Ausland verlegen oder sich in eine ausschüttende kollektive Kapitalanlage umgestalten. 4 Ein weiteres Hemmnis stellt der Umgang mit dem Rückforderungsanspruch der Verrechnungssteuer ausländischer Anteilsinhaber von kollektiven Kapitalanlagen dar. Haben diese Investoren ihren Wohnsitz/Sitz in einem Land, mit welchem die Schweiz ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen hat, können sie die von ihren Vermögenserträgen abgezogene Verrechnungssteuer aufgrund des anwendbaren DBA zurückfordern. Jedoch sieht Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-Musterabkommen (OECD-MA) eine schweizerische Sockelsteuer von 15% vor, 5 wodurch die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gegebenenfalls nur teilweise erfolgt. Können sich die Anteilsinhaber nicht auf ein DBA berufen, so stellen die 35% Verrechnungssteuer gar eine definitive Belastung dar. 1 Vgl. EFAMA (Hrsg.) 2006, S. 27-31, und Valartis Fund Management (Hrsg.), 26.2.2011. 2 Vgl. Oesterhelt / Winzap 2008, S. 270. 3 Vgl. Dall o 2009, S. 21. 4 Vgl. Dall o 2009, S. 21. 5 Vgl. Art. 10 Abs. 2 lit. b OECD-MA.

II II Zielsetzung In dieser Arbeit soll geklärt werden, inwiefern die schweizerische Verrechnungssteuer ein Hemmnis für den Fondsstandort Schweiz darstellt, um anschliessend mögliche Lösungsansätze in Bezug auf die Umgestaltung der Verrechnungssteuer zu erarbeiten, welche die Attraktivität des schweizerischen Fondsplatzes steigern könnten. Dabei soll zusätzlich die Frage geklärt werden, ob die Erhebung der Verrechnungssteuer im Sinne einer Sicherungssteuer für die Einkommens-, Gewinn-, Vermögens- und Kapitalsteuer bei kollektiven Kapitalanlagen in sämtlichen vom Verrechnungssteuergesetz vorgeschriebenen Fällen notwendig ist. III Vorgehen Nach einer kurzen Einführung in die schweizerischen kollektiven Kapitalanlagen und einer weiteren Einführung in die Grundsätze der Verrechnungssteuer als Basis für die weiteren Kapitel dieser Arbeit soll beurteilt werden, inwieweit der Sicherungszweck der Verrechnungssteuer auf kollektive Kapitalanlagen anzuwenden ist. Dies soll durch die Untersuchung von Sinn und Zweck der Verrechnungssteuer erreicht werden. Das Hauptgewicht liegt dabei auf der Erforschung der Objektkongruenz zwischen der Verrechnungssteuer und der Einkommenssteuer. Durch eine zusätzliche Ermittlung der Umstände, unter denen eine tatsächliche Entreicherung der kollektiven Kapitalanlagen erfolgt, kann eine Aussage bezüglich derjenigen Steuertatbestände gemacht werden, bei welchen auf die Erhebung einer Sicherungssteuer verzichtet werden könnte. Mit diesem erarbeiteten Wissen wird anschliessend die verrechnungssteuerliche Erfassung der kollektiven Kapitalanlagen sowie die Rückerstattung der Verrechnungssteuer an die Anteilsinhaber genauer betrachtet, um abschliessend mögliche Lösungsansätze zur Förderung des Fondsplatzes Schweiz zu unterbreiten. Diese Lösungsansätze sollen dabei auf den möglichen Problembereichen aufbauen, auf die im Verlauf dieser Arbeit gestossen wird.

III IV Resultate Die Verrechnungssteuer auf geldwerte Leistungen von kollektiven Anlagen stellt auch weiterhin ein grosses Hemmnis für die Attraktivität des schweizerischen Fondsplatzes dar. Durch die Einführung von Art. 12 Abs. 1 ter VStG, welche die Erhebung der Verrechnungssteuer auf thesaurierte Vermögenserträge im Zeitpunkt der Gutschrift regelt, wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gar weiter geschwächt. Durch die Untersuchung der Identität der Steuerobjekte der Verrechnungssteuer und der allgemeinen Einkommenssteuer sowie der Entreicherung des Schuldners wird zudem ersichtlich, dass die Erhebung der Verrechnungssteuer auf thesaurierte Vermögenserträge und Liquidationsgewinne aus einer Sitzverlegung ins Ausland gemäss ihrer Sicherungsfunktion theoretisch nicht nötig wäre. Bei beiden Steuertatbeständen liegt weder eine eigentliche geldwerte Leistung an den Anteilsinhaber noch eine Entreicherung der kollektiven Kapitalanlagen vor. Von den in dieser Arbeit vorgeschlagen Lösungsansätzen scheinen der Übergang vom Schuldner- zum Zahlstellenprinzip sowie die Abschaffung der Sockelsteuer auf Dividendenerträge in den DBA der Schweiz und die Ersetzung der Verrechnungssteuer für ausländische Anteilsinhaber gegen eine Abgeltungssteuer jene Möglichkeiten zu sein, welche in der Realität am ehesten umsetzbar sein könnten.