Hochdeutscherwerb an Schweizer Schulen. Eine linguistische Analyse von vier mündlichen Erstklässlererzählungen



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Transkript:

Germanistik Caroline Seeger-Herter Hochdeutscherwerb an Schweizer Schulen. Eine linguistische Analyse von vier mündlichen Erstklässlererzählungen Studienarbeit

Lic.phil. Caroline Seeger Herter Hochdeutscherwerb an Schweizer Schulen eine linguistische Analyse von vier mündlichen Erstklässler Erzählungen Dreitägige Hausarbeit im Rahmen der Lizentiats-Prüfungen Aktualisiert im Rahmen einer internen Lehrerweiterbildung im Frühjahr 2014 Universität Zürich Deutsche Sprachwissenschaft Lizentiats Prüfung vom 11. 13. Okt.05 1

Inhalt 1 Einleitung... 3 1.1 Hochdeutsch in der Schweiz... 3 1.2 Fragestellung und Korpus... 5 2 Die Aussprache... 6 2.1 Die Klise... 8 3 Verben und ihre Konjugationen... 9 3.1 Präteritum... 9 3.2 Strukturen mit Verdoppelungsverben... 12 3.3 Andere Konjugationsschwierigkeiten... 13 4 Deklination... 14 4.1 Der Artikel/ Kasusverwechslungen... 14 4.2 Pluralbildung... 15 4.3 Pronomen... 15 5 Lexikon... 16 6 Schlussfolgerung... 19 7 Bibliographie... 21 2

1 Einleitung 1.1 Hochdeutsch in der Schweiz 1 Die Diglossie 2 Situation in der Deutschschweiz bringt es mit sich, dass selbst der überzeugteste Dialektsprecher 3 im Laufe seines Lebens immer wieder mit der Standardsprache 4 konfrontiert wird. Während die meisten Deutschschweizer 5 stillschweigend hinnehmen, dass die Sprache, welche sie normalerweise lesen und schreiben, nicht ihre Mundart ist, sieht die Sache ganz anders aus, sobald es darum geht, Hochdeutsch als mündliches Kommunikationsmittel zu gebrauchen. Viele erwachsene Deutschschweizer sind gegenüber der (mündlich verwendeten) Standardsprache nicht nur negativ eingestellt, sondern zeigen auch grosse Hemmungen, sie zu sprechen. Sowohl die Anwendungsbereiche der gesprochenen Standardsprache als auch ihr Erwerb in Rahmen des schweizerischen Schulsystems werden gerade in den letzten Jahrzehnten heftig diskutiert. Nach den schlechten Resultaten, welche die Schweiz im Bereich Deutsch (Lesen und Leseverständnis) regelmässig bei der PISA Studie erzielt, und im Kontext der Einführung einer Fremdsprache (Englisch) ab der ersten Primarklasse, sind die Debatten um den Hochdeutscherwerb an Schweizer Schulen ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Seit einigen Jahren werden in verschiedenen Kantonen 6 zudem Projekte gefördert, die das Hochdeutsch bereits im Vorschulalter in den Unterricht einfliessen lassen. Dadurch soll nicht nur fremdsprachigen Kindern der Einstieg in die Schule und ins Hochdeutsche erleichtert werden, sondern auch Deutschschweizer Kinder sollen ihre bereits angeeigneten Hochdeutschkenntnisse ausweiten und vertiefen können. Dass solche Kenntnisse schon im Vorschulalter vorhanden sind, haben empirische Studien in den letzten dreissig Jahren eindeutig belegt. 7 Den neuen Medien, v.a. Fernsehen, Video und Tonbandkassetten, kommt sicherlich ein wichtiger Platz bei dieser ungesteuerten, vorschulischen Sprachaneignung zu. Inwiefern das Vorlesen von hochdeutschen Bilder und Kinderbüchern den Hochdeutscherwerb in der Praxis nachhaltig beeinflusst, bleibt aber meiner Meinung 1 Längere Einführungen zur Sprachsituation in der Schweiz, v.a. zur Diglossiesituation in der Deutschschweiz, finden sich in praktisch allen wichtigen Arbeiten zum Hochdeutscherwerb in der Schweiz. (cf. U.a. Schmidlin 1999, S 48 64, Sieber/Sitta (Hrsg) 1988, S. 87 102 / Reihl 2009, S. 9 23). Deshalb wird diese Einleitung absichtlich kurz gehalten und erhebt keinen Anspruch, einen annähernd vollständigen Überblick über die Sprachsituation und problematik in der Deutschschweiz zu liefern. 2 Unter Diglossie wird hier das Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Sprachformen mit jeweils verschiedenen Funktionen innerhalb einer Sprachgemeinschaft verstanden. In der Schweiz wird neben den verschiedenen Mundarten im Schriftverkehr, in den Medien, in der Schule und in einer ganzen Reihe anderer, eher formeller Situationen Hochdeutsch verwendet. Das Schweizerdeutsch ist im Schriftverkehr aber auf dem Vormarsch. 3 Unter Dialekt werden die verschiedenen diatopischen Varianten des Schweizerdeutschen verstanden. In dieser Arbeit werden die Begriffe Mundart und Schweizerdeutsch (eigentlich ein Oberbegriff für die in der Deutschschweiz gesprochenen Dialekte) synonym zum Begriff Dialekt verwendet. 4 Die Standardsprache ist normalerweise eine Sprachform, die regionale Sprachformen vereinheitlicht und im ganzen Sprachgebiet verstanden wird. Sie ist normiert und verbindlich festgelegt (normative Grammatiken, Duden), aber trotzdem gibt es nirgendwo ein bis ins kleinste Detail durchwegs einheitliche Standardsprache. In dieser Arbeit werden die Begriffe Standardsprache und Hochdeutsch synonym gebraucht, Schriftdeutsch wird für die schriftliche Realisierung der hochdeutschen Sprache verwendet oder für einen sehr (ja, eher übertrieben) nahe am Schriftlichen angelehnten mündlichen Gebrauch. Binnendeutsch hingegen soll die gesprochene Varietät des Deutschen in Deutschland bezeichnen. 5 Im Folgenden wird die maskuline Form immer stellvertretend für beide Geschlechter genannt. Diese Entscheidung erfolgt aus Gründen der Lesbarkeit des Textes und auch deshalb, weil geschlechtsspezifische Unterschiede im Sprachgebrauch nicht den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit bilden. Eine Erweiterung der vorliegenden Analyse in dieser Hinsicht wäre aber durchaus denkbar und wünschenswert. 6 Zürich, Basel Stadt etc. (Landert 2004:6) 7 U.a. Schneider 1995/1998 und Häcki Buhofer/Burger 1998 etc. 3