Warum (immer noch) partizipative TA?



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Transkript:

Warum (immer noch) partizipative TA? Leonhard Hennen Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse Karlsruher Institut für Technologie Elfte österreichische TA-Konferenz 20 Juni 2011, Wien

TA als pragmatisches Modell der Politikberatung Partizipation als unverzichtbares Element von TA Kritik 1: Impact? Mangelnde Wirkung Kritik 2: Instrumentalisierung von Partizipation Kritik 3: Verzerrung der Laienperspektive

TA als Politikberatung Dezisionistisches vs. Technokratisches Modell der Politikberatung Trennung von Fakten und Werten Pragmatisches Modell: Kooperation von Politik und Wissenschaft Normative Ansprüche und Wissenschaftliches Wissen bewerten sich wechselseitig ist notwendig auf Öffentlichkeit verwiesen TA als Politikberatung: participatory policy analysis unter Einbeziehung von Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit Problem des pragmatischen Modells: Bedingungen seiner Möglichkeit sind prekär: Transparenz, Responsivität, informierte öffentliche Debatte Entscheidend ist: ob ein folgenreicher Wissensstand nur in der Verfügung technisch hantierender Menschen geleitet oder zugleich in den Sprachbesitz kommunizierender Menschen eingeholt wird (Habermas 1963)

Kritik an Partizipation Von der Binnenperspektive zur Außensicht Partizipative TA als Gegenstand sozialwissenschaftlicher Beobachtung Drei Motive der Kritik: Partizipative TA bringt nichts. Unklare politische Rolle, marginale Wirkung PTA wird missbraucht: Instrumentalisierung für innovationspolitische Ziele statt technological citizenship PTA konterkariert die eigentl. Ziele von Partizipation: Verzerrung der Laienperspektive

Kritik 1: Mangelnder Impact PTA teilt das Schicksal begrenzter sichtbarer Effekte auf Entscheidungen mit unabhängiger wissenschaftlicher Beratung (im Unterschied zu mandated science ) Bedingungen politischer Resonanz von PTA: Charakter und Stand gesellschaftlicher Debatten Institutionelles Setting Problem von PTA-Verfahren: unklare Rolle im Entscheidungsprozess mangelndes Commitment von Entscheidungsträgern

Instrumentalisierung PTA ein Instrument symbolischer Politik? Beispiel EU: New forms of science and technology governance reine Rhetorik? Partizipation konkurriert mit weiterhin dominierenden innovationspolitischen Zielen wie z.b auch das precautionary principle PTA ist eine Form von Governance; nicht der Mobilisierung von Protest; new forms of governance ist keine reine Rhetorik

Instrumentalisierung Instrumentalisierung ist eine Gefahr für Experten- wie für partizipative Beratungsprozesse (A. Stirling) Schließung statt Öffnung von Technikdebatten durch Steuerung von Beratungsprozesssen It seems clear that the apparent normative democratic credentials of participatory appraisal do not themeselves confer immunity to instrumental pressure for the justification of powerful interests (Stirling 2007) Aber: es gibt Regeln guter wisssenschaftlicher Praxis wie auch Regeln guter PTA Praxis Laienberatungen erzielen Ergebnisse, die durchaus im Widerspruch zu den Erwartungen von Eliten stehen (Dryzek et al 2009)

Verzerrung der Laienperspektive Authentische Laienperspektive Formelle Entscheidungsverfahren: Ansprüche von Bürgern werden durch die Regeln des Verfahrens systematisch enttäuscht Restriktive Definition von technological citizenship In PTA Verfahren wird eine authentische Laienperspektive systematisch durch den Expertendiskurs unterdrückt Zuschnitt der Fragestellung Unterdrückung von Argumenten Streamlining im Hinblick auf ein vernünftiges Endprodukt

Verzerrung der Laienperspektive Experten- und Laien sind komplementäre Rollen in technisierten Gesellschaften Entlastung vs. Minimierung des Sachverstandes : authentische Laienperspektive lässt sich nur im Verhälnis zu Expertenwissen definieren Zentrales Problem technisierter Gesellschaften: Ein spezialisiertes System von Experten (wissen) konfrontiert die Gesellschaft (die Laien) kontinuierlich mit Innovationen (die riskant sind, ambivalent im Hinblick auf Werte des guten Lebens ) Ziel von PTA: Laien in die Lage versetzen, sich ein informiertes Urteil über die die jeweils neuesten Errungenschaften des Expertenwissens zu verschaffen Simulierung dessen, worauf das pragmatische Model verwiesen ist: informierte öffentlichen Debatte Nicht Meinungsumfrage unter Ahnungslosigkeit Eine authentische Laienperspektive (informierter Bürger) muss sich im Zuge eines PTA Verfahrens erst entwickeln

Schluss PTA ist eine Element von civic epistemologies neben anderen PTA im Kontext der Politikberatung ist keine Partizipation an Entscheidungen ist aber auch nicht auf wissenschaftliche Erhebung öffentlicher Meinung einzugrenzen Entscheidungsbezogene Beratung unter öffentlicher Beobachtung mit dem Anspruch von Transparenz und Wertinklusion

Ein anspruchsvolles Modell partizipativer TA Partizipative TA ist eine qualitative wissenschaftliche Methode, die Einstellungen, Interessen und Argumentationsmuster von Laien im Hinblick auf komplexe Fragen der Wissenschafts -und Technologiepolitik zu erheben und soll in dieser Hinsicht die Wissensgrundlage politischer Entscheidungen verbessern. Als auf Deliberation verpflichtete mini publics müssen partizipative TA-Verfahren sich als Element der allgemeinen Öffentlichkeit positionieren, für öffentliche Beobachtung zugänglich sein und öffentliche Technikdebatten anregen und informieren d.h. zu einem informierten öffentlichen Diskurs beitragen. Partizipative TA wird sich somit auch immer der Erwartung ausgesetzt sehen, die Responsivität des politischen Systems zu verbessern, Perspektiven, die in politischen Debatten und Entscheidungsprozessen nicht oder nur unzureichend repräsentiert sind, eine Stimme zu verschaffen.