Die wichtigsten Antibiotika in der Praxis



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Transkript:

Die wichtigsten Antibiotika in der Praxis Philip E.Tarr a,mona Schweizer a,markus Lampert b,caroline Chapuis-Taillard c, Enos Bernasconi d,laurence Senn e Quintessenz P Der Praktiker beschränkt mit Vorteil seine Antibiotikaverschreibungen auf wenige Medikamente, die er gut kennt. P Der empirische Antibiotikaeinsatz ist bei Pneumonie und Erysipel/ Zellulitis gut etabliert. P Beim Harnwegsinfekt () nimmt die Wichtigkeit von Urinkulturen wegen der zunehmenden Antibiotikaresistenzen zu. P In komplexen Situationen ist die mikrobiologische Diagnostik einer empirischen Antibiotikatherapie vorzuziehen: immunsupprimierter Patient, Schwangerschaft, Fremdmaterial assoziierte Infekte, postoperative Wundinfekte. Philip Tarr Es lohnt sich für den Praktiker, nur wenige verschiedene Antibiotika einzusetzen: Diese wird er gut kennen und somit seine Patienten gut beraten können bezüglich Indikationen, Wirksamkeit und Nebenwirkungen (Tab. 1 p). Meist erfolgt die Antibiotikatherapie empirisch Oft hat sich in der Praxis eine empirische Antibiotikaanwendung bewährt, also aufgrund eines klinischen Syndroms (Pneumonie, Harnwegsinfekt usw.), aber ohne Kenntnis des Keims. In heiklen Situationen stösst der empirische Antibiotikaeinsatz an seine Grenzen (Tab. 2 p). Hier ist vor Antibiotikabeginn eine mikrobiologische Diagnostik wichtig. Denn eine einzige Antibiotikadosis kann bakterielle Kulturen negativieren und eine gezielte antibiotische Behandlung verunmöglichen. In der Schwangerschaft lohnen sich die Diskussion mit der Frauenärztin oder dem Infektiologen und die Verwendung von als sicher geltenden Antibiotika wie Amoxicillin, Amoxicillin Clavulansäure oder Cotrimoxazol (letzteres wegen Kernikterusgefahr nicht kurz vor Termin). Zunehmende Antibiotikaresistenzen lactamase» (ESBL )produzierende Darmbakterien werden gehäuft bei ambulanten Patienten zum Problem, v.a. bei. Als Risikofaktor gilt neu z.b. auch eine Reiseanamnese: ESBL und andere hochresistente Erreger sind in gewissen Ländern (z.b. Balkan, Spanien, Frankreich) deutlich häufiger als in der Schweiz. Geographische Unterschiede sind auch punkto MRSA wichtig gehäuft in der Romandie, im Tessin und Ausland; weniger in der Deutschschweiz. Am besten kurz und heftig Bei unkomplizierten Infektionen setzt sich aktuell ein Trend zu kürzerdauernden Antibiotikatherapien durch (Tab. 3 p), dies um die Resistenzentwicklung durch andauernden antibiotischen Selektionsdruck zu minimieren. Quinolone zurückhaltend einsetzen Ein beunruhigender Trend ist der zunehmende Einsatz von Quinolonen in der ambulanten Medizin in den letzten Jahren. Setzt sich diese Tendenz fort, so müssen wir mit einem Wirkungsverlust dieser wichtigen Antibiotikaklasse rechnen, denn auf Quinolone werden Bakterien vergleichsweise leicht resistent. Dies würde nicht nur die Antibiotikawahl bei Harn und Atemwegsinfekten beeinträchtigen, sondern auch in komplexen Situationen (Osteomyelitis, Infektionen von Prothesenmaterial). In Ländern wie Frankreich, wo Quinolone jahrelang grosszügig und oft ohne klare Indikation (Erkältung, Bronchitis) eingesetzt wurden, sind diese heute beim Harnwegsinfekt oft unwirksam, da typische Erreger wie E. coli hohe Resistenzraten aufweisen. Bei unkomplizierten ambulanten Infektionen sollten Quinolone also nur in ausgewählten Fällen eingesetzt werden. Infektionen der oberen Luftwege Weitaus am meisten Antibiotika werden sowohl nötig als auch unnötig für Infekte der oberen Luftwege ver Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag haben. An einen resistenten Keim soll gedacht werden, falls der Patient in den letzten drei Monaten bereits Antibiotika eingenommen hat oder hospitalisiert war. Diese alte Faustregel ist heute weniger zuverlässig, denn hochresistente Keime wie «extended spectrum beta a Infektiologie und Spitalhygiene, Medizinische Universitätsklinik, Kantonsspital Bruderholz; b Spitalapotheke, Kantonsspital Bruderholz; c FMH Innere Medizin und Infektiologie, Vidy Med, Lausanne; d Servizio di Medicina Interna, Ospedale Regionale di Lugano; e Service de Médecine Préventive Hospitalière, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), Lausanne CME zu diesem Artikel finden Sie auf S. 288 oder im Internet unter www.smf-cme.ch. Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 290

Tabelle 1. Die wichtigsten Antibiotika in der Praxis. (Teil 1) Amoxicillin Amoxicillin- Clavulansäure Cefuroxim Clindamycin Azithromycin Clarithromycin Doxycyclin Markenname Clamoxyl Augmentin, Co-Amoxicillin Zinat Dalacin Zithromax Klacid Vibramycin Klasse Penicilline Penicilline Cephalosporine Lincosamide Makrolide Makrolide Tetracycline Dosierung p.o. 750 mg 1-1-1 1 g 1-0-1 oder 625 mg 1-1-1 250 mg 1-0-1 (Pneumonie 500 mg 1-0-1) 300 mg 2-2-2 500 mg 1x/Tag 250 500 mg 1-0-1 100 mg 1-0-1 Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz* 500 mg 1-0-1 625 mg 1-0-1 250 mg 1-0-1 300 mg 2-2-2 Limitierte Daten bei GFR <40 ml/min 250 mg 1-0-1 100 mg 1-0-1 Indikationen Obere Luftwegsinfektionen Lyme-Borreliose Das «Arbeitstier» für viele Situationen, inkl. Pneumonie, Haut- und Weichteilinfekte, Abszesse, akuter Divertikulitis Alternative zu Amoxicillin-Clavulansäure bei Allergie ohne Anaphylaxie Alternative zu Amoxi-Clav bei schwerer Allergie Haut-, Weichteilinfekte, Osteomyelitis (gut knochengängig) Abszess/Anaerobierinfektion oberhalb Diaphragma (z.b. Zahnabszess, Aspirationspneumonie) Atypische Pneumonie Sexuell übertragbare Infektionen (Chlamydien, Mycoplasmen, Ureaplasmen; 1-g-Einzeldosis) Atypische Pneumonie Atypische Pneumonie Lyme-Borreliose Sexuell übertragbare Infektionen (Chlamydien, Mycoplasmen, Ureaplasmen) Häufigste Nebenwirkungen (1 10%) Ausschlag, Durchfall Ausschlag, Durchfall Leberwertanstieg Ausschlag, Durchfall, Photosensibilität Übelkeit, Erbrechen, Durchfall Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Kreatininanstieg, Durchfall, Photosensibilität (Sonnencreme schützt nicht zuverlässig) Kommentar Kinder: 50 mg/kg/tag in 2 Dosen Kinder: 45 mg/kg/ Tag in 2 Dosen Kinder: 20 mg/kg/tag in 2 Dosen Nur grampositive und anaerobische Aktivität Pneumokokken sind in ca. 20% resistent! Pneumokokken sind in ca. 20% resistent! Nicht in Schwangerschaft und nicht bei Kindern Bei anaerobem Infekt Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol Lange Halbwertszeit (3 Tage Anwendung entspricht einer ca. 5-tägigen Therapie) Achtung: medikamentöse Interaktionen (Cytochrom P450) Nicht gleichzeitig mit Ca-, Mg-, Fe- oder Zn-Präparaten * Dosisanpassungen gelten für eine glomeruläre Filtrationsrate von 10 30 ml/min, falls nichts anderes angegeben. Bei GFR <10 ml/min Konsultation der Fachinformation. Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 291

Tabelle 1. Die wichtigsten Antibiotika in der Praxis. (Teil 2) Norfloxacin Ciprofloxacin Levofloxacin Cotrimoxazol Nitrofurantoin Fosfomycin Metronidazol Rifampicin Markenname Noroxin Ciproxin Tavanic Bactrim, Nopil Furadantin, Monuril Flagyl Rimactan, andere Uvamin Klasse Quinolone Quinolone Quinolone Sulfonamide Nitrofuranderivat Fosfonsäurederivat Nitroimidazolderivat Rifamycine Dosierung p.o. 400 mg 1-0-1 250 mg 1-0-1 bei unkompliziertem ausreichend 500 mg 1-0-0 bis 1-0-1 (Pneumonie 750 mg 1-0-0) Eine Forte-Tablette (800/160 mg) 1-0-1 100 mg 1-0-1 bis 1-1-1 3 g Einzeldosis 500 mg 1-0-1 bis 1-1-1 300 450 mg 1-0-1 500 mg 1-0-1 bei Pyelonephritis Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz* 400 mg 1x/Tag GFR 30 60 ml/min: normale Dosis GFR 10 30 ml/min: max. 500 mg/tag 500 mg/tag an Tag 1, dann 250 mg/tag bei GFR 20 50 bzw. 125 mg/tag bei GFR 10 20 GFR 15 30 ml/min: 400/80 mg 1-0-1 Kontraindiziert bei GFR <60 ml/min Kontraindiziert bei GFR <80 ml/min 500 mg 1-0-1 bis 1-1-1 300 mg 1-0-1 Indikationen Nur unkomplizierter Harnwegsinfekt Osteomyelitis, orthopädischer Fremdmaterialinfekt (Kombination mit Rifampicin) Pneumonie (Alternative bei Penicillin-Allergie) Akute Divertikulitis (Kombination mit Metronidazol 500 mg 1-1-1) Unkomplizierter Unkomplizierter Abszess/Anaerobierinfektion v.a. unterhalb Diaphragma (z.b. Divertikulitis), Giardia, Amöben Meist in Kombination z.b. mit Ciprofloxacin Tuberkulose Orthopädischer Fremdmaterialinfekt Nebenwirkungen Übelkeit, Leberwerterhöhung, Kreatininanstieg Ausschlag, Übelkeit, Durchfall, Beim älteren Patienten: Verwirrtheit, Senkung der Krampfschwelle Ausschlag, Übelkeit, Durchfall, Beim älteren Patienten: Verwirrtheit, Senkung der Krampfschwelle Übelkeit, Durchfall, Ausschlag, Photosensibilität Übelkeit, Ausschlag Durchfall Übelkeit, Metallgeschmack im Mund, Antabusreaktion Übelkeit, Ausschlag, Cholestase, interstitielle Nephritis Viele Interaktionen: Prednisonwirkung um ca. 50% reduziert, Marcoumar, Methadon rascher abgebaut, Antibabypille evtl. unwirksam Auf orangen Urin/Tränen hinweisen Kommentar Ungenügende Parenchymkonzentration (bei Pyelonephritis nicht verwenden) Ungenügende Aktivität gegen Pneumokokken Bei anaerobem Infekt Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol Orthopädischer Fremdmaterialinfekt: 750 mg 1-0-1, in Kombination mit Rifampicin Bei anaerobem Infekt Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol Bei anaerobem Infekt Kombination mit Clindamycin oder Metronidazol Ungenügende Parenchymkonzentration (bei Pyelonephritis nicht verwenden) Vorsicht bei G6PD-Mangel Verlangsamt Abbau von oralen Antikoagulantien Dosisreduktion bei Leberinsuffizienz Nicht als Monotherapie ausser bei latenter Tuberkulose Orthopädischer Fremdmaterialinfekt: Kombination z.b. mit Quinolon * Dosisanpassungen gelten für eine glomeruläre Filtrationsrate von 10 30 ml/min, falls nichts anderes angegeben. Bei GFR <10 ml/min Konsultation der Fachinformation. Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 292

Tabelle 2. Situationen, in denen eine empirische Antibiotikatherapie nicht empfohlen ist. Heikle Infektsituation Nichtansprechen auf empirische Antibiotika, Rezidiv nach initialer Besserung Fieber ohne Fokus, v.a. falls Persistenz über mehrere Tage Seltener oder resistenter Keim in Anamnese, Antibiotika oder Hospitalisation in letzten 90 Tagen Patient verwirrt, allein zuhause, schlechter Allgemeinzustand Orale Antibiotikaeinnahme unsicher (Erbrechen) Asymptomatische Bakteriurie, in Schwangerschaft Möglicher Infekt von Gelenk-, Gefässprothese, Schrittmacher, anderes Fremdmaterial Immunsupprimierter oder postoperativer Patient Mögliche Empfehlung Keine zweite empirische Antibiose 3 mikrobiologische Diagnostik Blutkulturen, weitere Diagnostik Möglicher resistenter Keim 3 mikrobiologische Diagnostik Diagnostik + Antibiotika auf Notfallstation oder stationäre Behandlung bis Besserung Rücksprache mit Gynäkologie: Diagnostik, Sicherheit des Antibiotikums Rücksprache mit Operateur, Infektiologe 3 mikrobiologische Diagnostik Mikrobiologische Diagnostik + Rücksprache mit Infektiologe, Operateur Tabelle 3. Empfohlene Antibiotikadauer. Infektion Streptokokkentonsillitis Akute, unkomplizierte Sinusitis Ambulant erworbene Pneumonie Unkomplizierter Harnwegsinfekt Pyelonephritis Erysipel, Zellulitis Empfohlene Dauer 10 Tage (Penicillin) 5 Tage (Amoxicillin, Cefuroxim) 3 Tage (Azithromycin) 5 Tage 3 5 Tage nach Entfieberung, im Minimum 5 Tage. Mind. 14 Tage bei Legionellose oder Staph. aureus 3 Tage (Cotrimoxazol) 5 Tage (Nitrofurantoin) Einzeldosis (Fosfomycin) 7 Tage (Quinolone) 14 Tage (andere Antibiotika) 5 10Tage (mind. 3Tage nachentfieberung) schrieben. Diese sind bekanntlich meist viralen Ursprungs, sprechen also nicht auf Antibiotika an und heilen spontan aus. Eine gute Strategie ist eine engmaschige, eventuell tägliche Nachkontrolle und gute Erreichbarkeit: Der Patient soll anrufen, falls es schlechter geht. Sind Antibiotika indiziert, z.b. bei Streptokokkentonsillitis, Otitis media oder klinischer Verschlechterung, ist Amoxicillin oder Amoxicillin Clavulansäure eine gute Wahl. Letzteres ist auch bei chronischer Sinusitis und bei Abszessen im ORL Bereich indiziert. Pneumonie Amoxicillin Clavulansäure ist auch bei der Pneumonie oft Mittel der Wahl [1]. Es deckt die «atypischen» Pneumonieerreger nicht ab, was aber meist kein Nachteil ist, da atypische Pneumonien oft spontan abheilen (Mykoplasmen, Chlamydia pneumoniae) oder wegen des schwereren Verlaufs eine Hospitalisation erfordern (Legionellose). Makrolide und Doxycyclin decken typische und atypische Erreger ab. Der Nachteil ist die Resistenzwahrscheinlichkeit von ca. 20% beim häufigsten Erreger, den Pneumokokken [2]. Die Aspiration führt meist nur zu einer «chemischen», durch den sauren Mageninhalt bedingten, aber nicht infektiösen «Pneumonitis». Mit einer Antibiotikatherapie kann 4 5 Tage gewartet werden, denn so lange dauert es, bis sich die Pneumonitis bessert (Mehrheit) oder bis eine infektiöse Pneumonie auftritt (Minderheit). Diese kann mit anaerobierwirksamen Antibiotika behandelt werden, z.b. Amoxicillin Clavulansäure oder einer Kombination eines Cephalosporins plus Clindamycin oder Metronidazol. Beim zahnlosen Patienten spielen Anaerobier keine Rolle. Harnwegsinfekt (), Prostatitis, Urethritis Der unkomplizierte war bisher eine typische Indikation für einen empirischen Antibiotikaeinsatz: Beim ersten Auftreten der altbekannten Symptome beginnt die zuverlässige Patientin die Antibiotikatherapie selbst, ohne Arztbesuch. Ansprechraten auf Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 293

Tabelle 4. Besondere Situationen bei Haut- und Weichteilinfekten. Situation Schnelle Progredienz des Befundes, exquisite Schmerzen, v.a. bei Diabetes, schlechtem AZ, Nieren-, Herzinsuffizienz, Immunsuppression, Asplenie Salzwasserkontakt Süsswasserkontakt Katzenbiss Hundebiss Furunkel, v.a. falls rezidivierend Erythema migrans Mögliche Empfehlung Chirurgischer Notfall: nekrotisierende Fasziitis? Débridement, intravenöse Antibiotika + Doxycyclin (Vibrio vulnificus) + Ciprofloxacin (Aeromonas, Pseudomonas sp.) Häufig infiziert 3 grosszügig prophylaktische Antibiotika (z.b. Amoxicillin-Clavulansäure oder Clindamycin plus entweder Ciprofloxacin oder Cotrimoxazol); engmaschige Nachkontrolle Weniger häufig infiziert als Katzenbiss; meist Nachkontrolle ohne empirische Antibiotika Meist Staph. aureus 3 Abstriche, evtl. Dekolonisation (Details: Rücksprache mit Infektiologe) Zeckenstich nicht immer erinnerlich, Borrelienserologie meist noch negativ 3 Doxycycylin (ab 9 Jahren), alternativ Amoxicillin Quinolone waren in der Schweiz bisher gut. Quinolonresistente Keime bereiten aber zunehmend Kopfzerbrechen (Prävalenz in der Schweiz aktuell ca. 15% [2]). Die Optionen sind das altbewährte Cotrimoxazol [3] esist selbst bei resistentem E. coli (Prävalenz aktuell ca. 20%) wegen der extrem hohen Urogenitalkonzentrationen in ca. 50% wirksam! Alternativen sind (bei sensiblem Keim) ein Cephalosporin, Nitrofurantoin und Fosfomycin. Die Wichtigkeit von Kulturen (des «Mittelstrahlurins», ohne lokale Desinfektion) wird wegen der Resistenzproblematik wohl deutlich zunehmen. Kulturen sind essentiell bei Immunsuppression, Schwangerschaft, resistenten Bakterien in der Anamnese, rezidivierenden oder komplizierten Infekten und bei Pyelonephritis (Flankenschmerz, Fieber, Erbrechen). Alarmierend ist die seit ein paar Jahren dramatische Zunahme von ESBL. Oft machen diese eine intravenöse Behandlung (z.b. mit Ertapenem) nötig. Die asymptomatische Bakteriurie ist bei Katheterträgern quasi obligatorisch. Eine Behandlung ist nur in der Schwangerschaft und evtl. bei immunsupprimierten Personen indiziert, nicht aber bei Diabetikern. Zur Diagnose der Prostatitis sind Urinkulturen essentiell. Bei chronischer Prostatitis werden diese vor und nach Prostatamassage durchgeführt; ein bakterieller Infekt findet sich aber nur in <10% der Fälle. Zur Behandlung werden meist Quinolone eingesetzt. Bei Gonorrhoe werden Quinolone wegen Resistenzen nicht mehr empfohlen. Mittel der Wahl ist Ceftriaxon (250 mg Einzeldosis i.m.) oder Cefixim (400 mg Einzeldosis p.o.). Urogenitale Infektionen mit Chlamydien, Mycoplasmen oder Ureaplasmen werden mit Azithromycin (1 g Einzeldosis) oder Doxycyclin (100 mg 1 0 1 für 7 Tage) behandelt. Diese Keime werden mittels PCR diagnostiziert (Erststrahlurin, Anal, Pharyngealabstrich) und bei Gonorrhoe empirisch mitbehandelt. Bei allen sexuell übertragbaren Krankheiten sind eine HIVund Syphilisserologie sowie die Evaluation und/oder Behandlung der Sexpartner indiziert. Erysipel, Zellulitis Therapeutisch bietet sich Amoxicillin Clavulansäure an [4]. Je nach Anamnese (Tab. 4 p) lohnt sich eine Erweiterung des antibiotischen Spektrums. Spricht der Patient nicht auf die initiale Therapie an, so ist eine Osteomyelitis zu erwägen, v.a. beim «diabetischen Fuss» und anderen hartnäckigen Ulzera. Die mikrobiologische Diagnose (am besten mittels Gewebebiopsien) ist hier essentiell. Zahneingriffe,Träger von Fremdmaterial, Endokarditisprophylaxe Bei Zahnextraktionen und als Prophylaxe bei Zahnimplantatchirurgie scheint eine präoperative antibiotische Einzeldosis (2 g Amoxicillin; bei Allergie 600 mg Clindamycin) indiziert; eine postoperative Fortsetzung der Antibiotika ist nicht evidenzbasiert. Bei Trägern von Gelenk, Herzklappen, Gefässprothesen und Schrittmachern lohnt sich die sorgfältige Behandlung von Haut, Zahn, Urin und Atemwegsinfekten, welche via Bakteriämie zu einem hämatogenen Fremdmaterialinfekt führen können. Eine generelle Antibiotikaprophylaxe beim Gang zum Zahnarzt oder vor invasiven Eingriffen wird nicht mehr empfohlen. Eine Endokarditisprophylaxe bei Zahneingriffen ist heute nur noch bei prothetischen Herzklappen, Endokarditis in der Vergangenheit und gewissen seltenen Indikationen empfohlen [5]. Besondere Antibiotika Gewisse Antibiotika werden nur in besonderen Situationen eingesetzt, z.b. Rifampicin bei Fremdmaterialinfekten (immer kombiniert mit einem zweiten Antibiotikum). An Bedeutung gewinnen werden ambulante, intravenöse Therapien mit einmal täglich applizier Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 294

baren Antibiotika wie Ceftriaxon, Ertapenem oder Daptomycin. Diese können in der Praxis, evtl. via Spitex oder im Ambulatorium eines Spitals verabreicht werden. Was tun bei Penicillinallergie Handelt es sich «nur» um einen Ausschlag, so wird mit ca. 95% Wahrscheinlichkeit ein Cephalosporin (z.b. Cefuroxim) vertragen. Bei möglicher anaphylaktischer Reaktion kommen Clindamycin (Haut, Zahn, Weichteilinfekte), ein Makrolid (Atemwegsinfekte), Doxycyclin (Pneumonie, Katzenbiss) oder ein Quinolon (, Pneumonie, Divertikulitis, hier in Kombination mit Metronidazol) in Frage. Danksagungen Die Autoren danken Dr. Astrid Wallnöfer De Jong, FMH Innere Medizin, Muttenz, Herrn Dr. Thomas Goetz, FMH Innere Medizin, Reinach, Dr. pharm. Andrea Studer (Kantonsspital Bruderholz), Dr. Katia Boggian, Leitende Ärztin Infektiologie, Kantonsspital St. Gallen, und Dr. Annelies Zinkernagel, Oberärztin Infektiologie, UniversitätsSpital Zürich, für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Korrespondenz: PD Dr. PhilipTarr Leitender Arzt Infektiologie und Spitalhygiene Medizinische Universitätsklinik Kantonsspital Bruderholz CH-4101 Bruderholz philip.tarr@unibas.ch Literatur 1 Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung der Pneumonie der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie sind auf www.sginf.ch frei zugänglich. 2 Antibiotikaresistenzdaten sind einsehbar unter www.anresis.ch, der Website des Schweizerischen Zentrums für Antibiotikaresistenzen. 3Fihn SD. Acute uncomplicated urinary tract infections in women. N Engl J Med. 2003;349:259 66. 4 Swartz MN. Cellulitis. N Engl J Med. 2004;350:904 12. 5 Wilson W, Taubert KA, Gewitz M, et al. Prevention of infective endocarditis: guidelines from the American Heart Association. Circulation. 2007;116:1736 54. Schweiz Med Forum 2011;11(16 17):290 295 295