2. Anatomie und Physiologie der Netzhaut



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Transkript:

8 2. Anatomie und Physiologie der Netzhaut Die histologisch-anatomischen Strukturen der Netzhaut des Menschen wurden detailliert durch den Neuroanatomen Ramon y Cajal 1892 beschrieben 22. Die Grundlagen für Cajals Arbeiten lagen in den 1885 von Camillo Golgi eingeführten Färbetechniken. Polyak wies 1941 darauf hin, daß es verschiedene Arten der Bipolarzelle gäbe 23. Mit dem Fortschritt der Untersuchungsmöglichkeiten und der Einführung neuer Techniken wie z.b. der Elektronenmikroskopie, kamen neue Erkenntnisse durch die Arbeiten von Dowling und Boykott 24 hinzu. Detaillierte Studien zeigen den Aufbau der Retina 25-28. 2.1. Aufbau der Netzhaut Die Netzhaut entsteht embryologisch aus einer Ausstülpung des Zwischenhirns. Es entwickelt sich in ihr aus einer zweischichtigen Ausgangslage eine ähnliche Schichtenbildung wie in der Hirnrinde. Histologisch können 10 Schichten unterschieden werden (Abb. 2.1), von denen 3 Zellkörper enthalten, während die anderen Schichten Strukturen wie Dendriten und Axone enthalten. Dazwischen finden sich sowohl als Makroglia die von den Rezeptoren bis zu den Nervenfasern reichenden Müllerschen Stützzellen, die eine Transport- und Kanalfunktion für den Interzellulärraum einnehmen und zusätzlich die Mikroglia. Innen wird die Netzhaut durch die Membrana limitans interna begrenzt. Sie bildet den Abschluß zum Glaskörper und stellt eine Art Basalmembran dar.

9 Glaskörper As Innere Grenzmembran Nervenfaserschicht G G G VA G Ganglienzellschicht Innere plexiforme Schicht B A B H M I B B Innere Körnerschicht Äußere plexiforme Schicht S Z S Z S Z Bruch sche Membran Äußere Körnerschicht Äußere Grenzmembran Rezeptoraußensegmente Retinales Pigmentepithel Abb. 2.1: Schematischer Aufbau der Netzhaut in mehreren Schichten mit den wesentlichen Zellverbindungen sowie den angrenzenden Strukturen des Glaskörpers und des retinalen Pigmentepithels. S - Stäbchen, Z - Zapfen, H - Horizontalzellen, B - Bipolarzellen, I - Interplexiforme Zellen, M - Müller Zellen, A - Amakrine Zellen, VA - Verlagerte amakrine Zellen, G - Ganglienzellen, As - Astrozyten. (Schema modifiziert nach DOWLING & BOYCOTT 1966 und BLANKS 1989). Innerhalb der Netzhaut lassen sich funktionell drei Neurone und zwei Synapsenschichten unterscheiden. Die Photorezeptoren sind das erste Neuron der Sehbahn. Das zweite Neuron wird durch die Bipolarzellen dargestellt, während das dritte Neuron von den multipolaren Ganglienzellen gebildet wird. Deren Neuriten verlaufen mit dem Sehnerv zum Corpus geniculatum laterale und werden dort auf das vierte Neuron umgeschaltet. Neben den zentralwärts bestehenden Verschaltungen gibt es in der Netzhaut auch horizontale Verbindungen. In der äußeren plexiformen Schicht sind es vor allem die Horizontalzellen, deren Neuriten bis zu 1000 µm lang werden können und damit zahlreiche Photorezeptoren kontaktieren. In der inneren plexiformen Schicht liegen

10 die amakrinen Zellen, die sowohl mit den Dendriten der Ganglienzellen als auch mit denen der Bipolarzellen Synapsen bilden. Der strukturelle Zusammenhalt des Netzhautgewebes wird durch die Müller Zellen erreicht, die die Netzhaut radiär durchziehen und die Membrana limitans externa aufbauen. Sie haben nicht nur mechanische Aufgaben, sondern sind auch für die retinalen Stoffwechsel- und Austauschprozesse wichtig. Die Membrana limitans externa, die die Perikarien der Photorezeptoren und die inneren Netzhautschichten von der Stäbchen-Zapfenschicht (Außensegmente) trennt, ist keine Basalmembran, sondern eine Zone desmosomaler Verknüpfungen zwischen den Zellmembranen der Müller Zellen und der Photorezeptoren. Durch die Einstülpung des embryonalen Augenbläschens zum Augenbecher sind die Photorezeptoren an die lichtabgewandte Seite der Retina invertiert, so daß die Auflösungsqualität der Netzhaut von den eigenen inneren Schichten vermindert wird. Daher entwickelte sich bei den höheren Primaten eine Macula lutea und eine Fovea centralis (Stelle des schärfsten Sehens), in der die inneren Netzhautschichten bis auf die Photorezeptoren auf die Seite verlagert sind, so daß das Licht die Sinneszellen direkt erreichen kann. Außerdem ist die Dichte der Photorezeptoren im fovealen Bereich stark erhöht, wodurch die Auflösung vergrößert und die Bildqualität verbessert wird. Es lassen sich zwei Rezeptorarten in der Retina voneinander unterscheiden: Stäbchen und Zapfen. Die Stäbchen (ca. 110-125 Millionen 29 ) sind hochempfindliche Hell-Dunkel-Rezeptoren (Dämmerungssehen, Helligkeitsempfindlichkeit) und haben die höchste Dichte bei einer Exzentrität von ca. 18. Die Zapfen (ca. 6,4 Millionen 29 ) vermitteln das Farbensehen, das Tagessehen und wegen der hohen Dichte in der Fovea die zentrale Sehschärfe. Die Fovea, die einen Durchmesser von 1,5 mm hat, enthält ausschließlich Zapfen (ca. 10% aller Zapfen). Es lassen sich drei verschiedene Zapfenarten voneinander unterscheiden: blauempfindliche Zapfen (Absorptionsmaximum bei 440-450 nm), grünempfindliche Zapfen (Maximum bei 530-540 nm) und rotempfindlichen Zapfen (Maximum bei 560-580 nm). Die Photorezeptoren werden durch die Bipolarzellen und Ganglienzellen zu Schalteinheiten zusammengefaßt (Reizfelder), die peripher größer sind als zentral.

11 Dadurch wird zwar in der Netzhautperipherie die Lichtempfindlichkeit gesteigert, das Bildraster aber vergröbert und das Auflösungsvermögen verringert. In der Mitte der Retina ist dagegen die projektive Erregungsleitung auf wenige Elemente beschränkt und die rezeptiven Felder sind relativ klein. Dies hat eine Steigerung des Auflösungsvermögens, eine Verfeinerung des Bildrasters, anderseits aber auch eine Herabsetzung der Empfindlichkeit zur Folge. Wesentlich für die erhöhte Leistung des retinalen Apparates in der Netzhautmitte ist auch die Kontrastüberhöhung unterschiedlich heller Gegenstandspunkte, die durch laterale Hemmung mittels der Horizontalzellen und der amakrinen Zellen erreicht wird. Die Aufhebung des Konvergenzprinzips der Reizverschaltung in der Makularegion sowie die Kontraststeigerung durch die Horizontalverknüpfung macht die Fovea funktionell zur Stelle des schärfsten Sehens. Die Photorezeptoren sind aus Innen- und Außensegmenten aufgebaut. Im Innensegment finden sich die Zellkerne der Photorezeptoren. Die Außengliedscheiben der Photorezeptoren enthalten die Photopigmente und sind daher die eigentlichen lichtempfindlichen Elemente. Die Innenglieder sind sehr stoffwechselaktiv und erzeugen durch energieverbrauchende Membranprozesse ein Generatorpotential, das aber nicht durch Belichtung, sondern durch Dunkelheit entladen wird. Lichteinfall bewirkt in den Außengliedern der Photorezeptoren eine Veränderung der Natriumpermeabilität, woraus eine Hyperpolarisation resultiert. Im Dunklen findet an den Synapsen der Photorezeptoren eine kontinuierliche Transmitterfreisetzung statt, die durch Belichtung gestoppt wird. Der differenzierte Stop des Transmitterflusses führt dann in den nachgeschalteten Neuronen zu einer Erregung, die bei den Zapfen direkt über eine Bipolarzelle der Ganglienzelle zugeleitet wird, bei den Stäbchen indirekt über eine amakrine Zelle an die Ganglienzelle weitergegeben wird, so daß beim Stäbchenkanal primär 4 retinale Neurone, beim Zapfenkanal nur 3 involviert sind (Abb. 2.2).

12 2.2. Aufbau und Funktion der Bipolarzellen Die Bipolarzellen liegen zwischen den Photorezeptoren, also Zapfen und Stäbchen, und den Ganglienzellen, die den Nervus opticus bilden und die Information nach zentral weiterleiten. Histologisch lassen sich mit der Golgifärbung neun Bipolarzelltypen 28, 30 in der Netzhaut unterscheiden, davon sind acht für den Zapfenkanal und nur ein Typ für den Stäbchenkanal zuständig. Durch die größere Menge an Stäbchen gegenüber Zapfen, sind auch die Bipolarzellen der Stäbchen zahlenmäßig in einem größeren Ausmaß vorhanden als die Bipolarzellen der Zapfen. In der zentralen Netzhaut werden 15-20 Stäbchen durch die Dendriten (ca. 15 µm) einer Bipolarzelle konvergent verbunden. In der Netzhautperipherie stehen ca. 40-50 Stäbchen mit den Dendriten (hier ca. 30 µm) einer Bipolarzelle in Kontakt. Eine Bipolarzelle, die erregt wird, wenn der Rezeptor mehr Licht absorbiert, wird ON- Bipolarzelle genannt. Die OFF-Bipolarzelle, wird dadurch erregt, daß der Rezeptor weniger Licht absorbiert 27 und kommt nur im Zapfensystem vor. Bei den Stäbchen sind nur ON-Bipolarzellen nachgewiesen worden. Die Stäbchenamakrinen stehen in einer horizontalen Verbindung mit den ON- und OFF- Bipolarzellen der Zapfen. Somit ist die Funktion der Bipolarzellen zum einen die konvergente Zusammenführung der Informationen aus Zapfen und Stäbchen und zum anderen die interneuronale Modulation durch das optimale Ausnutzen der durch die Zapfen gegebenen Informationen in Form des ON- bzw. OFF-Antwort-Kanals (Abb. 2.2). Das durch die Bipolarzellen in die Verschaltung der Netzhaut eingeführte ON- und OFF-System, setzt sich in der Schicht der Ganglienzellen fort. Hier werden ein tonischer langsamer ON- und OFF- Kanal von einem phasischen schnellen ON- und OFF- Kanal unterschieden. Die rotempfindlichen Zapfen und günempfindlichen Zapfen verfügen im Gegensatz zu den blauempfindlichen Zapfen über direkte Verschaltungen zu den tonischen ON- und OFF- Ganglienzellen. Die Bipolarzellen der Stäbchen treten mit den phasischen ON- und OFF- Ganglienzellen in Verbindung, wobei diese durch die Stäbchenamakrinen noch beeinflußt werden.

13 Abb. 2.2: Schematischer Aufbau der neuroretinalen Verschaltung mit den unterschiedlichen Verschaltungen bei Zapfen und Stäbchen. Der Stäbchenkanal verfügt nur über ON- Bipolarzellen, die den Zapfenkanal mit ON- und OFF Bipolarzellen über Stäbchenamakrine Zellen (SA) beinflussen. Der Zapfenkanal hat für die drei verschiedenen Zapfenarten (blau (S), grün (M), rot (L)) separate ON- und OFF-Bipolarzell-Kanäle; jedoch sind nur den M- und L- Zapfen der Fovea auch eigene ON- und OFF- Ganglienzellen nachgeschaltet. A = amakrine Zellen, SA = Stäbchenamakrine, H = Horizontalzellen, IP = Interplexiforme Zellen. (Schema modifiziert nach GOURAS 1994) In den Synapsenzonen zwischen Zapfen und Bipolarzellen findet man auch Horizontalzellen; zwischen Zapfen-Bipolarzellen und Ganglienzellen sind horizontale Verbindungen mit Amakrinen zu finden.

14 2.3. Erregungsleitung Die optischen Signale werden durch die Photorezeptoren in elektrische Signale gewandelt und danach über die Bipolarzellen und die Ganglienzellen nach zentral geleitet. Mit dem Elektroretinogramm (ERG) läßt sich diese Transmission nachweisen. Die Reizantwort im Standard-Elektroretinogramm besteht vorwiegend aus der corneanegativen A- und der corneapositiven B-Welle (Abb. 4.1). 2.3.1. A-Welle Die A-Welle (Abb. 4.1) wird auf die Potentialänderungen der Photorezeptoren zurückgeführt 12, 14. Hierbei kommt es zu einer Hyperpolarisation des Photorezeptors durch Aktivität der Na-K- ATPase bei Lichteinwirkung. Die Hyperpolarisation führt selbst zu einer Freisetzung von Transmittern mit folgender Signalweiterleitung. Bei Reduktion der A-Welle wird daher eine Schädigung der retinalen Rezeptoren angenommen. 2.3.2. B-Welle Die B-Welle (Abb. 2.1) hat ihren Ursprung in der Membranpotentialänderung der retinalen Bipolarzellen 15, 16. Der Beginn der B-Welle wird durch die ON- Bipolarzellen bestimmt 17. Die Membranpotentialänderung der Bipolarzellen führt über die Änderung der interzellulären Ionenkonzentrationen zu einer Spannungsänderung an der Membran der Müller Zellen. Deren Spannungsänderung geht dem Verlauf der B-Welle parallel 20. Die B-Welle entspricht somit einer Potentialänderung der retinalen Gliazellen, die aufgrund der Potentialänderung der Bipolarzellen entsteht. Die B-Welle ist daher ein elektrophysiologischer Funktionsbeleg für die intraretinale Transmission. Sie kann sowohl von Stäbchen als auch von Zapfen induziert werden, wobei die zapfeninduzierte B-Welle einen rascheren Verlauf hat als die stäbcheninduzierte. Bei hellen Reizleuchtdichten bei Dunkeladaptation überlagern sich beide Antworten 15.

15 Die Funktion der Photorezeptoren ist Voraussetzung für die Entstehung der B-Welle. Eine Schädigung der inneren Netzhautschichten kann zu einer alleinigen Reduktion der B-Welle bei normaler A-Welle führen, was sich in der Ausbildung eines B/A Quotienten von = 1 äußern kann. 2.3.3. ON- und OFF-Antwort ON- und OFF-Antworten lassen sich im Standard-ERG nicht zeigen. Um diese nachweisen zu können benötigt man lange (>50 ms) Lichtreize. Damit kann die B- Welle in die ON und OFF Antwort der Bipolarzellen geteilt werden 16. Die ON- Antwort reflektiert die depolarisierende Aktivität der Bipolarzellen bei Belichtung, die OFF-Antwort die durch Wegfall des Lichtes entstehende Hyperpolarisierung 15. Die ON- und OFF- Antworten sind daher mit der Funktion der de- und hyperpolarisierenden Bipolarzellen verbunden. Dennoch könnte eine Veränderung der ON- und OFF Antwort auch durch Schädigung der Photorezeptor-Synapsen zu Bipolarzellen, Müller-Zellen oder der extrazellulären Matrix bedingt sein.