Beurteilung der Gesamtsituation der invasiven gebietsfremden Krebse und Fische im Land Berlin. Abschlussbericht. Auftraggeber

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Transkript:

Beurteilung der Gesamtsituation der invasiven gebietsfremden Krebse und Fische im Land Berlin Abschlussbericht Auftraggeber Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Berlin Abteilung Klimaschutz, Naturschutz und Stadtgrün Ausführende Stelle Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin Dr. Christian Wolter Berlin, Dezember 2020

Inhalt Aufgabenstellung... 2 Aktualisierung der Ausbreitungssituation... 2 Datenrecherche... 2 Befischungen... 3 Ergebnisse... 6 Verbreitung nicht einheimischer Fischarten... 6 Verbreitung nicht einheimischer Krebsarten... 13 Bewertung der Vorkommen... 17 Managementempfehlungen... 19 Öffentlichkeitsarbeit... 19 Schulung und Kontrolle der ungewollten Einbringung durch Besatzmaßnahmen... 22 Umgang mit Beifängen... 23 Ablassen oder Verfüllen und Neuanlage von Stillgewässern... 24 Entnahme sowie ggf. vorübergehende Zulassung der kommerziellen Nutzung... 26 Gezielte Förderung von natürlichen Gegenspielern... 27 Weitere Maßnahmen... 28 Maßnahme-Priorisierung... 28 Literatur... 30 Anhang I: Vorkommen nicht einheimischer Fisch- und Krebsarten in Berliner Gewässern... 33 Anhang II: Ergebnisse der im Rahmen des Projektes durchgeführten Befischungen... 38 1

Aufgabenstellung Mit der Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten (EU 1143/2014 vom 22. Oktober 2014) wurde in der Europäischen Union erstmals der Umgang mit invasiven gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten rechtsverbindlich geregelt. Diese Verordnung wurde zwei Jahre später mit einer Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung, der sog. Unionsliste (EU 2016/1141 vom 03. August 2016) unterlegt, welche seitdem durch zwei weitere Durchführungsverordnungen aktualisiert und erweitert wurde (EU 2017/1263 vom 12. Juli 2017 und EU 2019/1262 vom 25. Juli 2019). Die Unionsliste führt aktuell 66 invasive Tier- und Pflanzenarten auf, darunter drei Fischarten, die Wollhandkrabbe und fünf weitere Groß- bzw. Zehnfußkrebsarten (Decapoda). Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei wurde im Juni 2020 beauftragt, die Situation der invasiven gebietsfremden Krebse und Fische im Land Berlin zur Durchführung von Management-Maßnahmen im Rahmen der o.g. Verordnung EU 1143/2014 zu beurteilen. Im Rahmen der Aufgabenstellung waren i) die aktuelle Ausbreitungssituation der nicht einheimischen Fische und Krebse in Berliner Gewässern zu recherchieren, ii) bis zu 20 Berliner Gewässer auf das Vorhandensein nicht einheimischer Fische und Krebse zu untersuchen sowie iii) die Vorkommen zu bewerten und Managementempfehlungen abzuleiten. Die Erfassung der nicht einheimischen Fischarten beschränkte sich nicht auf die Unionsliste, sondern schloss alle Arten ein, die gemäß der Definition von Neozoen des Bundesamts für Naturschutz (BfN) erst nach 1492 eingeführt wurden. Aktualisierung der Ausbreitungssituation Datenrecherche Im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung erfolgte bereits 2016 eine umfangreiche Inventarisierung aquatischer Neobiota in Berliner Gewässern (Müller et al. 2016), die 2018 erstmals fortgeschrieben (Müller et al. 2018) und mit diesem Projekt für die Gruppen der Fische und Großkrebse noch einmal aktualisiert wurde (Arbeitsstand November 2020). Eine zwischenzeitliche Aufarbeitung der Ausbreitung speziell des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses Procambarus clarkii in Berlin erfolgte durch Felz (2019). Eine Überprüfung des Fortbestandes älterer Nachweise war im Rahmen dieses Projektes nicht vorgesehen. Das Fischereiamt Berlin führt nicht nur selbst regelmäßig Fischbestanderfassungen durch oder beauftragt diese, es führt auch seit 2016 ein sehr umfangreiches Krebsmonitoring in Berliner Gewässern durch. Deshalb resultiert der Großteil der aktuellen Daten aus den Arbeiten des Fischereiamtes, die dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurden. Da auch sämtliche Elektrofischereigenehmigungen für Dritte eine Meldepflicht der Ergebnisse an das Berliner Fischereiamt einschließen, gelangten auch auf diesem Weg weitere Nachweise nicht einheimischer Fischarten zur Kenntnis. Obwohl alle Informationen zu Befischungen in Berliner Gewässern beim Fischereiamt vorliegen sollten, wurden parallel über die Kontaktliste des interdisziplinären Forschungsverbunds Ökologisches Potential urbaner Gewässer (https://urban-waters.org/) die Umwelt- und Naturschutzämter sämtlicher Berliner Stadtbezirke angefragt, ob in ihrem Verantwortungsbereich Gewässeruntersuchungen und Gutachten mit Gewässerbezug vorliegen. Erwartungsgemäß kamen kaum Rückmeldungen und nur wenige Informationen, die nicht schon vom Fischereiamt bereitgestellt wurden. 2

Darüber hinaus wurden alle in Berlin Angelnden gebeten, Fänge nicht einheimischer Fischarten und Beobachtungen von Krebsen zu melden. Die Benachrichtigung erfolgte über die Präsidien des Landesverbands Berlin im DAV und des VDSF Berlin-Brandenburg sowie über die Geschäftsstelle des Dachverbands, des Deutschen Angelfischerverbands. Auf der Internetseite des Dachverbands wurde eine Meldeplattform für nicht einheimische Arten eingerichtet. Meldungen nicht einheimischer Arten waren auch direkt an das IGB oder über den IFV Urbane Gewässer möglich. Über die Anglermeldungen wurden vor allem Informationen zum Auftreten nicht einheimischer Fischarten in den größeren, beangelbaren Berliner Gewässern erwartet; hier insbesondere zur aktuellen Ausbreitung der seit 2015 in Berlin präsenten Schwarzmundgrundel Neogobius melanostomus. Die Vielzahl der Berliner Kleingewässer unterliegt dagegen keiner anglerischen Bewirtschaftung und auch keiner obligaten Umweltüberwachung. Fischbestandsdaten für diese Gewässer liegen deshalb nur sporadisch vor, wenn das Fischereiamt oder die Stadtbezirke dementsprechende Untersuchungen beauftragen. Allerdings gelingen auch bei der Erfassung von Amphibien, welche insbesondere die Kleingewässer besiedeln, gelegentlich Beobachtungen von Fischen und Krebsen. Deshalb wurden in Berliner Gewässern aktive Amphibien-Kartiererinnen und Kartierer um Hinweise und Beobachtungen zu nicht einheimischen Fischen und Krebsen gebeten, u.a. die hier besonders aktive Koordinierungsstelle Fauna der Stiftung Naturschutz Berlin. Darüber hinaus wurden angefragt: die Fachgruppe Feldherpetologie des NABU Landesverband Berlin, die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde Landesverband Berlin, die Berliner Geschäftsstelle des BUND, die Naturschutzstation Malchow sowie in Berlin tätige Gutachterbüros. Über diese Fachgruppen wurden insbesondere Hinweise auf das Vorkommen nicht einheimischer Fisch- und Krebsarten, insbesondere der relativ leicht vom Ufer aus zu beobachtenden Arten Goldfisch Carassius auratus, Sonnenbarsch Lepomis gibbosus und Roter Amerikanischer Sumpfkrebs Procambarus clarkii in Berliner Kleingewässern erwartet. Ergänzt wurde die Datenerhebung durch eine Recherche der Fachliteratur sowie die Sichtung diverser Internetquellen und Angel-Blogs, wie z.b. timetofishberlin, Stadt-Angler, Fischroute, Simfisch, City-Angler, anglermap und fisch-hitparade, um noch die eine oder andere zufällige Fangmeldung zu finden, wie z.b. den Fang eines 10 cm langen Sonnenbarsches beim Streetfishing im Kupfergraben im Juli 2019. Die Internet-Recherche war nicht systematisch. Befischungen Neben der Recherche vorhandener Daten sollten bis zu 20 bislang unbearbeitete Gewässer auf das Vorkommen nicht einheimischer Fisch- und Krebsarten untersucht werden. Die erste Auswahl von Gewässern orientierte sich an der Vorschlagsliste der Bezirke für das Projekt Blaue Perlen für Berlin, weil bei diesen Gewässern auch ein Interesse an der Umsetzung von möglichen Managementmaßnahmen vorausgesetzt wurde. In einem ersten Schritt wurden all die Gewässer ausgeschlossen, für die Befischungsergebnisse vorlagen (unabhängig vom Nachweis nicht einheimischer Fischarten) bzw. Vorkommen nicht einheimischer Fisch- und Krebsarten bereits bekannt waren. Bei den verbleibenden Gewässern wurde mit Hilfe von Satellitenaufnahmen geprüft, inwieweit sie nach nunmehr drei sehr niederschlagsarmen Jahren noch Wasser führen und potenziell befischbar sind. Dabei wurde die Auswahl um Gewässer ergänzt, die nicht auf der Vorschlagsliste der Bezirke standen, aber laut Satellitenaufnahmen Wasser führen und für die weder Befischungsdaten noch sonstige Nachweise von Fischen oder Krebsen vorlagen. 3

Die so ermittelte finale Vorauswahl umfasste 25 Gewässer (Tab. 1), für die beim Fischereiamt die Elektrofischereigenehmigung und bei den Bezirken die Genehmigung zum Befahren, Betreten der Ufer, Zugang etc. beantragt wurden. Nach Vorlage der Befischungsgenehmigung wurden auftragsgemäß 20 Gewässer in der Reihenfolge des Eintreffens der sonstigen Zugangsgenehmigungen bearbeitet. Nicht untersucht wurden am Ende der Gutsteich Falkenberg, der Große Zingerteich, das Mittelfeldbecken und das Birkholzbecken. Tab. 1: Auswahl der potenziell auf das Vorhandensein nicht einheimischer Fisch- und Krebsarten zu untersuchenden Gewässer, von denen die 21 nummerierten Gewässer beprobt wurden. Nr. Gewässer Bezirk Ort Gutsteich Falkenberg Lichtenberg Stegeweg; Gutspark Falkenberg 1 Kraatz-Tränke Graben Lichtenberg Sewanstr. 2 Marzahn-Hohenschönhauser Grenzgraben Lichtenberg Rhinstr. 3 Mühlengrundteich Lichtenberg Wartenberger Str. 4 Reiherpfuhl Lichtenberg Hauptweg 5 Südbecken Lichtenberg Allee der Kosmonauten 6 Hamsterpfuhl Marzahn-Hellersdorf Wilhelmsmühlenweg 7 RHB Körnerteich Marzahn-Hellersdorf Kohlisstr. 8 RHB nördlich Gärten der Welt Marzahn-Hellersdorf Prötzeler Ring 9 Rohrpfuhlgraben Mahlsdorf Marzahn-Hellersdorf Hultschiner Damm 10 Schleipfuhl Marzahn-Hellersdorf Nossener Str. 11 Schlossteich Biesdorf Marzahn-Hellersdorf Im Schlosspark Biesdorf 12 Springpfuhl Marzahn-Hellersdorf Märkische Allee, Springpfuhlpark 13 Weiher südöstl. Elsensee Marzahn-Hellersdorf Margaretenstr. 14 Sperlingsee Mitte Windhuker Str. 15 Bitburger Teiche Pankow Bitburger Str. Großer Zingerteich Pankow Heilkräuterweg Mittelfeldbecken Pankow Senftenberger Ring, 16 Zingergraben Pankow Am Zingergraben Birkholzbecken Reinickendorf Alte Fasanerie 17 Bäketeich Steglitz-Zehlendorf Dalandweg 18 Dreipfuhl Steglitz-Zehlendorf Leichhardtstr. 19 Vierling Steglitz-Zehlendorf Fischerhüttenstr. 20 Dorfteich Bohnsdorf Treptow-Köpenick Dorfplatz 21 Dorfteich Karolinenhof Treptow-Köpenick Rehfeldtstr. Die Fischerfassung erfolgte in allen Gewässern mittels Elektrobefischung, in den Standgewässern entlang der gesamten Uferlinie, in den Fließgewässern auf einer Länge von 200-300 m. Die Elektrobefischungen erfolgten jeweils tagsüber, je nach Wasser- und Sedimenttiefe vom Boot aus oder watend, mit einem 8 kw Gleichstromaggregat Typ FEG 8000 (EFKO Fischfanggeräte Leutkirch), ausgerüstet mit einer 40 cm Durchmesser Handanode. Diese Gerätekonfiguration ist zur repräsentativen Erfassung von Fischen ab etwa 5 cm Körperlänge im Uferbereich geeignet. Das effektive elektrische 4

Fangfeld der Anode hatte einen Durchmesser von rund 5 m, bei kleinen Fischen weniger. Kleine und Jungfische <<4 cm Länge werden nahe der Anode zwar ebenfalls betäubt, ihre Dichten aber nicht quantitativ erfasst. Alle gefangenen Fische wurden auf Artniveau identifiziert, ihre Totallänge (von der Maulspitze bis zum längsten Teil der Schwanzflosse) gemessen und die Tiere, mit Ausnahme der nicht einheimischen Arten anschließend schonend zurückgesetzt. Nicht einheimische Fische wurden waidgerecht getötet und später im IGB fachgerecht der Tierkörperverwertung zugeführt. Eine Übersicht der kompletten Befischungsergebnisse (insgesamt 2035 Fische aus 16 Arten) findet sich im Anhang II. Bei jeder Befischung wurden zudem die Wasserparameter Temperatur, Leitfähigkeit, ph-wert, Sauerstoffgehalt und Sauerstoffsättigung gemessen. Die Erfassung der Krebse erfolgte überwiegend mittels Handkescher und künstlichem Licht bei Nacht, da Großkrebse nachtaktiv sind. In den tieferen Standgewässern wurden je nach Gewässergröße jeweils vier bis acht beköderte Kleinreusen eingesetzt (Abb. 1). Die Reusen wurden im Anschluss an die Elektrobefischungen gesetzt und am nächsten Morgen wieder gehoben. Gefangene Krebse wurden entnommen, in sprudelnd kochendem Wasser getötet und ebenfalls der Tierkörperverwertung zugeführt. Abb. 1: zum Ausbringen vorbereitete Krebsreusen (Bitburger Teiche). 5

Ergebnisse Den nachfolgenden Ausführungen zur Verbreitung der nicht einheimischen Arten in Berliner Gewässern ist insgesamt voranzustellen, dass es sich um einen aktuellen Arbeitsstand handelt, der nicht ausschließt, dass das eine oder andere Vorkommen insbesondere in den Kleingewässern übersehen wurde. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Angeln oder Beobachten von Fischen nicht bei allen Arten möglich ist und nur mehr oder weniger zufällige Nachweise liefert. Belege für das Vorkommen oder Fehlen bestimmter Arten in einem Gewässer sind nur durch gezielte Fisch- und Krebsbestandsuntersuchungen möglich. Darüber hinaus ist Befragungsaktionen eine mehr oder weniger große Quote nicht Antwortender inhärent, so dass lokal bekannte Vorkommen nicht einheimischer Arten möglicherweise nicht gemeldet wurden. Verbreitung nicht einheimischer Fischarten An dieser Stelle wird auf die Beschreibung der nicht einheimischen Arten, ihrer Ökologie, Herkunft und Einbürgerungsgeschichte in Berlin verzichtet und dafür auf Müller et al. (2018) verwiesen. Seit 2018 hat sich die Verbreitung der meisten nicht einheimischen Fischarten nicht wesentlich verändert (Tab. 2). Die Arten Bachsaibling, Gras-, Marmor-, Silberkarpfen und Schwarzer Zwergwels werden im Folgenden nicht detaillierter erläutert, weil es sich bei diesen, bis auf den Zwergwels, um Fänge einzelner Individuen handelt, die in den Nachweisgewässern keine etablierten Populationen bilden. Hier ist bereits kurzfristig mit einem völligen Erlöschen der Nachweise zu rechnen. Der Schwarze Zwergwels bildet im Karpfenpfuhl an der Britzer Straße eine etablierte Population, wo die Art vergesellschaftet mit Sonnenbarsch und Goldfisch sowie den einheimischen Fischarten Giebel, Moderlieschen und Rotfeder vorkommt. Zwei Arten, Schwarzmundgrundel und Sonnenbarsch, sind in aktiver Ausbreitung begriffen, insbesondere entlang der Spree und der innerstädtischen Kanäle. Tab. 2: Anzahl der nachgewiesenen Vorkommen nicht einheimischer Fischarten (fett= Arten der Unionsliste). Fischart Anzahl der Vorkommen Differenz 2018 2020 Bachsaibling 1 1 0 Blaubandbärbling 2 4 +2 Goldfisch 11 22 +11 Graskarpfen 3 3 0 Marmorkarpfen 2 2 0 Schwarzmundgrundel 8 20 +12 Silberkarpfen 4 4 0 Sonnenbarsch 8 19 +11 Schwarzer Zwergwels 1 1 0 6

Im Rahmen der durchgeführten Befischungen wurden je ein Vorkommen des Blaubandbärblings (Dorfteich Bohnsdorf) und des Sonnenbarsches (Körnerteich) sowie vier Goldfischvorkommen (Bitburger Teiche, Dorfteich Bohnsdorf, Körnerteich, Weiher südöstlich Elsensee) festgestellt, allesamt in isolierten Kleingewässern. Wenn auch nicht auf Berliner Stadtgebiet, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass im Jahr 2019 in der Müggelspree bei Neu Mönchwinkel die Schwarzmundgrundel Neogobius melanostomus nachgewiesen wurde und in diesem Jahr zusätzlich die Marmorgrundel Proterorhinus semilunaris. Ein Vorkommen der Marmorgrundel im Kalksee bei Rüdersdorf ist seit 2016 bekannt. Mit dem Nachweis der Art in der Müggelspree ist auch mittelfristig ihr Auftreten in Berliner Gewässern zu erwarten. Blaubandbärbling Pseudorasbora parva Der Blaubandbärbling ist eine Art der Unionsliste, die bereits vor 2015 in Deutschland weit verbreitet war, überwiegend nicht vorsätzlich eingebracht wurde und sich jetzt auch natürlich ausbreitet, weshalb bundesweit keine Maßnahmen zur sofortigen Beseitigung nach Artikel 17 der Verordnung EU 1143/2014) erfolgen (Nigmann & Nehring 2020). Nehring & Skowronek (2020) geben als Gefahren durch die Art Nahrungskonkurrenz mit einheimischen Fischarten sowie starke Prädation auf Zooplankton, Wirbellose und Fischlaich an. In Berlin sind aktuell vier Vorkommen bekannt (Abb. 2), von denen zwei vollständig isoliert sind (Dorfteich Bohnsdorf und Lichtenrader Dorfteich). Das Vorkommen im Papenpfuhlbecken könnte sich über den Marzahn-Hohenschönhauser Grenzgraben weiter ausbreiten; aus dem Fließgraben kann die Art den Malchower See erreichen. Ob das Vorkommen im Fließgraben (ein Einzelfund vom 11.07.2007) überhaupt noch besteht, wurde im Rahmen des Projektes nicht überprüft. Bei 2017 durchgeführten Befischungen des Malchower Sees sowie aktuell im Marzahn-Hohenschönhauser Grenzgraben wurden keine Blaubandbärblinge nachgewiesen. 7

Abb. 2: Nachweise des Blaubandbärblings in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) Gegewärtig waren In keinem der Nachweisgewässer Blaubandbärblinge so häufig oder gar dominant, dass die o.g. Konkurrenzwirkungen und Beeinträchtigungen einheimischer Arten zu erwarten sind. Goldfisch Carassius auratus Die Anzahl der bekannten Goldfischvorkommen hat sich gegenüber 2018 verdoppelt (Abb. 3). Da die Vorkommen überwiegend in isolierten Gewässern liegen, ist der Zuwachs vor allem auf neue Meldungen dieser äußerlich auffälligen Fischart zurückzuführen, weniger auf deren zunehmende Ausbreitung. Vier Neunachweise erfolgten, wie bereits dargestellt, bei den im Rahmen des Projektes durchgeführten Befischungen. Bei den Befischungen wurden auch etablierte Vorkommen festgestellt, bei denen die Tiere unauffällig gefärbt und nur noch durch ihre übergroßen Flossen ( Schleierschwanz ) als Goldfisch-Nachkommen zu erkennen waren. Mit Ausnahme von Kindelfließ, Neuenhagener Mühlenfließ und Wuhle, liegen alle Vorkommen in stehenden, isolierten Kleingewässern. Eine aktive Ausbreitung der Art ist daher nicht zu erwarten. Haupteintragspfad für Goldfische sind private Freisetzungen aus Aquarien und Gartenteichen. 8

Abb. 3: Nachweise des Goldfischs in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) Der Goldfisch ist keine Art der Unionsliste, wurde aber in Deutschland als potenziell invasiv bewertet (Nehring et al. 2015). Diese Bewertung beruht auf der großräumigen Verbreitung der Art und den Annahmen, dass Goldfische durch Prädation einheimische Amphibienarten gefährden und durch Hybridisierung einheimische Fischarten, bei letzteren vor allem die Karausche (Nehring et al. 2015). Hinweise auf Hybridisierung mit einheimischen Arten wurden in den befischten Gewässern nicht gefunden. In diesen waren Goldfische auch nicht sehr häufig. Aus Beobachtungen vom Ufer lassen sich i.d.r. keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit der Art ziehen, außer es halten sich zufällig große Schwärme dicht unter der Wasseroberfläche auf, wie am 05.08.2020 im Roetepfuhl (Abb. 4). 9

Abb. 4: große Goldfischschwärme dicht unter der Wasseroberfläche des Roetepfuhls am 05.08.2020 Schwarzmundgrundel Neogobius melanostomus Die Schwarzmundgrundel ist bundesweit und in Berliner Gewässern die sich aktuell am schnellsten ausbreitende, nicht einheimische Fischart. Sie breitet sich insbesondere im Netz der Bundes- und Landeswasserstraßen aktiv aus, weil dort die Standard-Ufersicherungen Blocksteinwurf für Höhlenlaicher wie die Schwarzmundgrundel ideale Fortpflanzungsbedingungen bieten. In Berlin hat die Grundel seit ihrem Erstfund im Jahr 2015 alle Hauptfließgewässer und Kanäle besiedelt und ist heute im Spreeverlauf bis zum Müggelsee, in Ober- und Unterhavel sowie im Teltow- und anderen Kanälen häufig (Abb. 5). Auffällig sind lediglich die zwei isolierten Vorkommen im Nordosten Berlins, bei denen es sich um den Teich Am Luchgraben und die Laake handelt. Aus dem Teich Am Luchgraben stammt der auf Besatz zurückzuführenden Erstfund der Art in Berlin. Die Schwarzmundgrundel wird per Definition auch künftig nicht auf der Unionsliste stehen, weil die Art in Teilen Europas, im Einzugsgebiet des Schwarzen Meeres einheimisch ist. In Deutschland wurde die Schwarzmundgrundel als invasive Art bewertet, was vor allem auf ihre großräumige Verbreitung, die als erwiesen betrachtete Konkurrenz mit und Verdrängung von einheimischen Fischarten sowie die angenommene Gefährdung einheimischer Muschelarten durch Prädation zurückzuführen ist (Nehring et al. 2015). 10

Abb. 5: Nachweise der Schwarzmundgrundel in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) Sonnenbarsch Lepomis gibbosus Die Anzahl der bekannten Sonnenbarsch-Vorkommen hat sich seit 2018 mehr als verdoppelt, was vor allem auf eine aktive Ausbreitung der Art entlang der Spree und der Kleinen Wannseekette zurückzuführen ist, aber auch auf Meldungen von Vorkommen in Kleingewässern (Abb. 6). Ein Vorkommen im Regenrückhaltebecken Körnerteich wurde bei den im Rahmen des Projektes durchgeführten Befischungen festgestellt. Im Gegensatz zur Schwarzmundgrundel wurden bei den Fangnachweisen, z.b. entlang der Spree, fast immer nur Einzelfische erbeutet. Lediglich im Wilhelmsruher See und im Karpfenpfuhl an der Britzer Straße wurden Individuen-stärkere Bestände festgestellt. Der Sonnenbarsch wird seit der dritten Fortschreibung (EU 2019/1262) als Art der Unionsliste geführt. Als von dieser Art ausgehende Gefahren werden starke Nahrungskonkurrenz zu einheimischen Fischarten genannt, starke Prädation auf Laich und Jungfische sowie auf das Zooplankton, wodurch Eutrophierungseffekte verstärkt werden können (Nehring & Skowronek 2020). In den Nachweisgewässern waren die Sonnenbarsche allerdings nirgends so häufig oder gar dominant, dass gegenwärtig Konkurrenzwirkungen, Beeinträchtigungen einheimischer Arten oder gar Eutrophierung verstärkende Effekte zu erwarten sind. 11

Abb. 6: Nachweise des Sonnenbarschs in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) 12

Verbreitung nicht einheimischer Krebsarten Analog zu den Fischen wird auch für die Beschreibung der nicht einheimischen Krebsarten, ihrer Ökologie, Herkunft und Einbürgerungsgeschichte in Berlin auf Müller et al. (2018) verwiesen. Der Kamberkrebs Orconectes limosus ist bereits seit mehr als 120 Jahren in den Berliner Gewässern etabliert und wurde von Müller et al. (2018) als weit verbreitet und häufig beschrieben. Die Art ist aktuell in allen größeren, verbundenen Gewässern vertreten und darüber hinaus auch in vielen isolierten Kleingewässern. Aktuell in Ausbreitung begriffen sind Marmorkrebs Procambarus fallax und Roter Amerikanischer Sumpfkrebs (Tab. 3). Der Galizische Sumpfkrebs Astacus leptodactylus wurde am 08. März 2017 durch das Fischereiamt im Lietzensee nachgewiesen (Müller et al. 2018). Es ist weiterhin das einzige aus Berliner Gewässern bekannte Vorkommen. Die ebenfalls in Berlin regelmäßig, aber nicht häufig angetroffene Wollhandkrabbe Eriocheir sinensis ist auf die Reproduktion im Brackwasser angewiesen und damit auf regelmäßige Wanderungen entlang von Havel und Elbe, bis in das Elbe- Ästuar. Ihre Population in Berliner Gewässern ist unstetig, klein und wird deshalb, analog zu den nicht etablierten Fischarten, hier nicht weiter behandelt. Tab. 3: Anzahl der nachgewiesenen Vorkommen nicht einheimischer Krebsarten (fett= Arten der Unionsliste, ka= keine Angabe). Krebsart Anzahl der Vorkommen Differenz 2018 2020 Galizischer Sumpfkrebs 1 1 0 Kamberkrebs ka 72 Marmorkrebs 7 12 +5 Roter Amerikanischer Sumpfkrebs 12 20 +8 Im Rahmen der durchgeführten Befischungen wurden zwei Kamberkrebs-Vorkommen (Dorfteich Bohnsdorf, Springpfuhl) neu festgestellt. Im Neuenhagener Mühlenfließ, im Einlauf des Klärwerks Münchehofe wurde in diesem Jahr ein Marmorkrebs gefangen (Thomas Geißler, BA Treptow-Köpenick), was ein rasches Ausbreiten der Art im Südosten der Berliner Gewässer erwarten lässt. Kamberkrebs Orconectes limosus Wie schon erwähnt wurden Kamberkrebse bereits Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt und auch in Berliner Gewässern ausgesetzt, um den Rückgang des einheimischen Edelkrebses fischereilich zu kompensieren. Der kleinere Kamberkrebs erfüllte allerdings die Ertragserwartungen der Krebsfischerei nicht. Darüber hinaus gelangte mit dem Krebs der Erreger der Krebspest, der Fadenpilz Aphanomyces astaci nach Europa, welcher das großflächige Verschwinden der einheimischen Großkrebse besiegelt hat. Seit dieser Zeit hat sich der Kamberkrebs in alle miteinander verbundenen Gewässer Berlins ausgebreitet und kommt darüber hinaus auch in zahlreichen isolierten Kleingewässern vor (Abb. 7). Allerdings sind seine Bestände nicht sehr Individuen-stark. 13

Wie auch die übrigen nicht einheimischen Decapoda-Arten ist der Kamberkrebs auf der Unionsliste genannt, wenn auch die meisten Bundesländer der Umsetzung von Maßnahmen gegen diese Art keine Priorität einräumen, aufgrund ihrer langen und großräumigen Etablierung (Nigmann & Nehring 2020). Ungeachtet dessen ist der Kamberkrebs ein potenzieller Überträger der Krebspest und damit eine Gefahr sowohl für Restbestände des einheimischen Edelkrebses Astacus astacus, als auch für Projekte zu seiner Wiederansiedlung. Abb. 7: Nachweise des Kamberkrebses in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) Marmorkrebs Procambarus fallax Der Marmorkrebs hat sich gegenüber 2018 weiter ausgebreitet und wurde in weiteren, mit den Grunewaldseen in Verbindung stehenden Gewässern nachgewiesen (Abb. 8). Besonders auffällig waren zwei Vorkommen, ein Individuen-starkes im Groß Glienicker See, der keinerlei Verbindung zu den Grunewaldseen hat sowie ein Einzelnachweis im Auslauf des Klärwerks Münchehofe, welcher in das Neuenhagener Mühlenfließ entwässert. Wenn sich der Marmorkrebs im Neuenhagener Mühlenfließ etabliert, woran kein Zweifel besteht, eröffnet sich der Art ein zweiter Besiedlungsweg der Berliner Gewässer aus östlicher Richtung. In den Nachweisgewässern ist der Marmorkrebs die dominierende Krebsart und z.t. häufig (Groß Glienicker See). Wie der Kamberkrebs ist auch der Marmorkrebs eine invasive Art der Unionsliste und ein potenzieller Überträger der Krebspest, mit den o.g. Wirkungen auf den einheimischen Edelkrebs. 14

Abb. 8: Nachweise des Marmorkrebses in den erfassten Gewässern. Der kleine rote Pfeil rechts im Bild bezeichnet den Fundort am Auslauf des Klärwerks Münchehofe in Brandenburg. (Kartenerstellung: M. Venohr) Roter Amerikanischer Sumpfkrebs Procambarus clarkii Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs ist in seinen Vorkommen längst nicht mehr auf die Gewässer des Britzer und des Tiergartens beschränkt. Gegenüber 2018 wurden acht neue Gewässer mit Vorkommen der Art entdeckt und nahm deren Ausbreitung auch innerhalb der Hauptfließgewässer substantiell zu. So wird aktuell u.a. die Spree bis über die Rummelsburger Bucht hinaus besiedelt, der Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal, Hohenzollernkanal, Landwehrkanal und wahrscheinlich die Unterhavel (Abb. 9). Ein aus dem Jahr 2018 datierender Fund bei Lindwerder ist noch zu verifizieren. Mit der erfolgreichen Besiedelung der Hauptfließgewässer ist auch die weitere Ausbreitung der Art innerhalb Berlins zu erwarten. Die Sumpfkrebse sind häufiger als die mit ihnen vergesellschafteten Kamberkrebse und zeigen lokal auch Massenentwicklungen (Gewässer im Britzer und Tiergarten, Roetepfuhl). Wie Kamber- und Marmorkrebs ist auch der Rote Amerikanische Sumpfkrebs eine invasive Art der Unionsliste und potenzieller Überträger der Krebspest, mit den o.g. Wirkungen auf den einheimischen Edelkrebs. Darüber hinaus fungiert er nachgewiesenermaßen als Wirt für den Amphibienpathogenen Chytrid-Pilz Batrachochytrium dendrobatidis und kann so auch zur Gefahr für Amphibien-Bestände werden (McMahon et al. 2013, Oficialdegui et al. 2019). 15

Abb. 9: Nachweise des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses in den erfassten Gewässern (Kartenerstellung: M. Venohr) 16

Bewertung der Vorkommen Bundesweit werden neben den Fischarten der Unionsliste, auch die hier näher erläuterten, nicht gelisteten Arten und der Schwarze Zwergwels als invasive Art bewertet (Nehring et al. 2015). Im Rahmen der hier durchgeführten Datenerfassung und Bewertung wurden keine Belege für die Invasivität der Arten festgestellt. Der ökologische Zustand der Berliner Gewässer und ihrer Lebensgemeinschaften wird ganz überwiegend durch die Strukturarmut der Ufer und deren Verbauungsgrad, die Versiegelung der Uferflächen, den hohen Nutzungsgrad der Uferrandstreifen sowie die Wasserqualität beeinflussende Oberflächen-Einträge, z.b. bei Regenereignissen, bestimmt, nicht durch Interaktionen mit nicht einheimischen Arten (Wolter 2008, Weber et al. 2011, Kail & Wolter 2013, Wolter & Schomaker 2013). Darüber hinaus sind in fast allen bekannten Vorkommen die nicht einheimischen Fischarten zwar präsent, aber nicht häufig (Tab. 4). Lediglich im Lichtenrader Dorfteich und ganz aktuell im Roetepfuhl wurden höhere relative Anteile nicht einheimischer Fischarten festgestellt. Bei einer Zugnetzbefischung des Roetepfuhls durch das Fischereiamt Berlin war der Goldfisch die häufigste Art im Fang (Tab. 4). Ungeachtet dessen sind die Anteile und absoluten Fischzahlen viel zu gering, um von Massenentwicklungen zu sprechen, weshalb auch die mit letzteren möglicherweise einhergehenden ökologischen Auswirkungen gegenwärtig nicht zu erwarten sind. Tab. 4: Befischungsergebnisse mit Fängen nicht einheimischer Fischarten (Zugnetz im Roetepfuhl, Rest standardisierte Elektrobefischungen). Gewässer Goldfisch Blaubandbärbling Sonnenbarsch Fische gesamt Anteil Neobiota Bitburger Teiche 05.10.2020 1 247 0,00 Britzer Karpfenpfuhl 29.09.2017 9 76 0,12 Dorfteich Bohnsdorf 01.10.2020 59 42 451 0,23 Eckernpfuhl 13.10.2010 4 330 0,01 Fennsee 25.10.2010 1 115 0,01 Fließgraben 11.07.2007 1 32 0,03 Lichtenrader Dorfteich 29.09.2017 19 40 0,48 Möwensee 12.11.2010 1 583 0,00 Neunhagener Mühlenfließ 18.05.2010 1 223 0,00 Papenpfuhlbecken 2019 12 ka RHB Körnerteich 13.10.2020 1 1 59 0,03 Roetepfuhl 09.12.2020 108 173 0,62 Weiher südöstl. Elsensee / Elsenteich 05.10.2020 6 161 0,04 Weißer See 20.09.2017 1 465 0,00 Wuhle 28.08.2012 2 511 0,00 In den Hauptfließgewässern Berlins haben sich die nichteinheimischen Fischarten ausgebreitet, sind aber auch hier mit Ausnahme der Schwarzmundgrundel nicht häufig. Die Schwarzmundgrundel profitiert vom Ausbaugrad der schiffbaren Gewässer, ist aber nicht ursächlich am Zusammenbruch der 17

Bestände einheimischer Fischarten beteiligt. Die Bestände einheimischer Fischarten, insbesondere typischer Flussfischarten waren bereits lange vor dem Auftreten erster Grundeln stark rückläufig (z.b. Wolter et al. 2000, 2003). Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass ein zunehmender Grundelbestand positiven Effekten von Revitalisierungsmaßnahmen entgegensteht und die Erholung von Beständen einheimischer Fischarten zumindest verzögert. Dagegen zeigen Erfahrungen aus ganz verschiedenen Lebensräumen, wie den Großen Seen Nordamerikas (Crane et al. 2015), der Ostsee (Oesterwind 2017), aus Rhein (Borcherding et al. 2019), Elbe (Hempel 2018) und Oder (Peglow & Wolter, im Druck), dass sich die einheimischen Raubfische auf die neue zahlreiche Beute einstellen, selbst im Bestand zunehmen und dann die Beutefischpopulation auch regulieren, d.h. reduzieren. Gänzlich verschwinden werden die nicht einheimischen etablierten Fischarten aus den Flusssystemen nicht mehr. Analog zu den Fischen werden auch die nicht einheimischen Krebsarten nicht mehr aus den Flussgebieten verschwinden. In den Berliner Gewässern erscheint das insofern nicht tragisch, weil es weder hier noch in den mit diesen in Verbindung stehenden Gewässern im Brandenburger Umland Restpopulationen des einheimischen Edelkrebses gibt. Die Hauptgefahr für einheimische Arten durch die Übertragung der Krebspest ist daher nicht relevant und eine diesbezügliche, von den Beständen nicht einheimischer Krebse ausgehende Invasivität nicht zu erwarten. Wenn jetzt Sumpfkrebs und / oder Marmorkrebs den weitaus länger etablierten Kamberkrebs in den Gewässern verdrängen, wird es kaum Auswirkungen auf die Biodiversität oder das Nahrungsnetz haben; die eine nicht einheimische Zehnfußkrebsart wird funktional durch eine andere nicht einheimische Art ersetzt. Anders zu bewerten sind die Vorkommen des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses in für Amphibien bedeutenden Kleingewässern, wie z.b. im Britzer Garten oder im Roetepfuhl. Sumpfkrebse können als Wirte für den Amphibien-pathogenen Chytrid-Pilz Batrachochytrium dendrobatidis fungieren und Zoosporangien in ihrem Verdauungstrakt haben. Im Laborversuch konnten Sumpfkrebse mit dem Pilz infiziert werden, diese Infektion zwölf Wochen überstehen und dabei den Pilz auf Amphibien übertragen (McMahon et al. 2013). Damit übereinstimmend fanden Oficialdegui et al. (2019) in Gewässern des Doñana Nationalparks (Spanien), dass der Befall von Amphibien mit Batrachochytrium dendrobatidis mit der Präsenz von Sumpfkrebsen korrelierte, wobei durchschnittlich 19% der Sumpfkrebse und 28% der Amphibien infiziert waren. Havel, Spree und die innerstädtischen Kanäle sind als Amphibienlebensraum unbedeutend. Gleiches notierte Felz (2019) für die Gewässer des Tiergartens, wobei sie sich auf eine Mitteilung der Koordinierungsstelle Fauna der Stiftung Naturschutz Berlin bezog. Potenzielle Beeinträchtigungen von Amphibien durch den Roten Amerikanischen Sumpfkrebs als Batrachochytrium dendrobatidis- Überträger sind deshalb aktuell am ehesten in den Gewässern im Britzer Garten und im Roetepfuhl zu erwarten. Neben der möglichen Übertragung eines Amphibien-pathogenen Pilzes, können starke Sumpfkrebs- Bestände erhebliche Rückgänge der untergetauchten Wasserpflanzen bewirken. So wurde das beobachtete völlige Verschwinden der submersen Vegetation im Kopfweidenpfuhl (Britzer Garten) auf die Massenentwicklung des Roten Amerikanischen Sumpfkrebses zurückgeführt (Felz 2019). Aus den übrigen Vorkommensgewässern liegen keine vergleichbaren Beobachtungen vor. 18

Managementempfehlungen Für die Arten der Unionsliste wurden durch Expertenarbeitskreise Invasive Arten des ständigen Ausschusses Arten- und Biotopschutz der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) Muster-Management- und Maßnahmeblätter erarbeitet für Maßnahmen nach Artikel 19 der Verordnung EU 1143/2014. Für die in Berlin etablierten Fisch- und Krebsarten der Unionsliste sind es die Management- und Maßnahmeblätter Invasive Krebsarten, Blaubandbärbling und Sonnenbarsch (Entwurf), die im Folgenden für die Situation der Gewässer im Land Berlin konkretisiert werden. Die Managementziele sind für alle Arten sehr ähnlich: Beim Blaubandbärbling ist es bei flächenhafter Verbreitung die Populationskontrolle und bei den für Berlin zutreffenden vereinzelten Vorkommen die Eindämmung und Verhinderung der Ausbreitung. Beim Sonnenbarsch ist es das primäre Ziel, die weitere Ausbreitung zu verhindern (Eindämmung). Bei flächenhafter Verbreitung ist die Population zu kontrollieren und sind lokale Populationen in kleineren Gewässern und in sehr frühen Invasionsstadien zu beseitigen. Managementziele für die invasiven Krebsarten sind die Beseitigung in kleineren Gewässern und in sehr frühen Invasionsstadien sowie die Verhinderung einer weiteren Ausbreitung (Eindämmung) und Populationskontrolle. Negative Auswirkungen der gebietsfremden Krebsarten auf gebietsheimische Krebsarten und Gewässerökosysteme sollen minimiert werden, wobei einheimische Krebsarten in Berlin fehlen. Für alle Arten muss die Prävention der weiteren Verbreitung im Fokus des Managements stehen, insbesondere in bislang nicht besiedelte, isolierte Kleingewässer. Alle Managementziele stehen unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit: unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, der Auswirkungen auf die Umwelt und der Kosten. Interessanterweise fordert nur das jüngste, im Entwurf vorliegende Management- und Maßnahmenblatt für den Sonnenbarsch, bereits vor Beginn von Maßnahmen verbindliche Festlegungen der angestrebten konkreten Naturschutzzielstellung, zum Monitoring und Nachweis des Maßnahmenerfolgs, zur Dokumentation und zu Abbruchkriterien der Managementmaßnahme (z.b. nachgewiesene Erfolglosigkeit innerhalb eines konkret festgesetzten Zeitrahmens), wie sie für alle Arten und Maßnahmen selbstverständlich sein sollten. Öffentlichkeitsarbeit Alle Management- und Maßnahmeblätter nennen Öffentlichkeitsarbeit als erstes. Damit wird implizit der Einschätzung vorgegriffen, dass andere Maßnahmen zur Kontrolle und Eindämmung oder gar Beseitigung verbreiteter, invasiver Fisch- und Krebsarten in offenen Gewässern weit aufwändiger und weniger erfolgversprechend sind (Nigmann & Nehring 2020). Öffentlichkeitsarbeit dient der Prävention und soll der weiteren Verbreitung invasiver Arten entgegenwirken. Öffentlichkeitsarbeit bezeichnet allgemein die Information der Öffentlichkeit über nicht einheimische bzw. invasive Arten, die Invasivität von Arten, mögliche Auswirkungen auf die Biodiversität, geltende rechtliche Grundlagen u.a.m. Die größten Schwierigkeiten bestehen darin, die Zielgruppen zu identifizieren und geeignete Formate zu finden, diese anzusprechen. Erschwert wird die Umsetzung durch fehlende Kontrollmöglichkeiten der Wirksamkeit von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Grund- 19

sätzlich ist davon auszugehen, dass das Wissen zu nicht einheimischen und invasiven Arten selbst bei interessierten Laien nur gering ist (z.b. Clusa et al. 2018). Zur weiteren Information bieten Schneider et al. (2018) eine ganze Sammlung von Formaten, von Ausstellungen, über Internet und verschiedene Bildungsangebote bis hin zu Zeitungen für die verschiedenen Zielgruppen, von Bürgerinnen und Bürgern, über Schülerinnen und Schüler bis hin zu Akteuren, die hier auch nicht erschöpfend abgehandelt werden können. Anstelle dessen werden ausgewählte Ideen zur Information der Öffentlichkeit dargestellt. Einen Schwerpunkt auf die Öffentlichkeitsarbeit zu legen, ergibt sich aus dem Haupteintragspfad der hier betrachteten nicht einheimischen Arten: illegales Ausbringen von Tieren aus Aquarien oder Gartenteichen durch Privatpersonen (Wiesner et al. 2010, Wolter & Röhr 2010, Maceda-Veiga et al. 2016, Patoka et al. 2017). Diese Zielgruppe ist kaum über die typischen, Gewässer bewirtschaftenden Interessengruppen und deren Informations- und Schulungsforen anzusprechen. Gerade in Städten ist allein aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte auch die Wahrscheinlichkeit des Eintrags von nicht einheimischen Arten in die Gewässer höher (McKinney 2001, Jeschke & Strayer 2006, Chapman et al. 2020). Hinweistafeln Der geringe Anteil von Privatpersonen die es vorziehen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht weiter zu pflegenden Aquarien- oder Gartenteich-Bewohner in offene Gewässer auszusetzen, muss die Tiere an das Gewässer verbringen und dort an zugänglichen Stellen freilassen. Deshalb erscheint es am erfolgversprechendsten, mit der Öffentlichkeitsarbeit an diesen Stellen anzusetzen und Aussichtspunkte, ausgewählte Uferwege und ähnliche gut zugängliche Stellen (z.b. Abb. 10) mit Hinweistafeln zu versehen. Auf professionell gestalteten Hinweistafeln unmittelbar am Gewässer kann z.b. die Öffentlichkeit über mögliche Effekte invasiver Arten und die möglichen Folgen für einheimische Arten und Lebensräume informiert werden und darüber, dass aus diesen Gründen Tiere aus Aquarien und Gartenteichen nicht in die Gewässer gehören. Auch wenn es vielfach gut gemeint ist, ist das Freisetzen von Fischen oder Krebsen in offene Gewässer nicht gestattet auch darüber kann auf Tafeln am Gewässer hingewiesen werden. Hinweisschilder unmittelbar vor Ort bieten die größte Wahrscheinlichkeit, die gesamte Bandbreite der Freizeitnutzer von Gewässern anzusprechen, darunter auch die Zielgruppe, welche aus Tierliebe das nächste Gewässer als neue Heimat für unliebsame Aquarienbewohner wählt. 20

Abb. 10: Aussichtsplattform am Dreipfuhl Internet Welches Format die größte Resonanz erfährt und die größte Wirksamkeit entfaltet fragen sich Werbetreibende wahrscheinlich ständig, aber in jedem Fall gehört heutzutage die Internetpräsenz dazu. Nur bietet das Internet eine solche Fülle von Informationen, dass es sehr zeitaufwändig werden kann, relevante Informationen zu finden und auch an den Mann / die Frau zu bringen. In einem Manuskript, welches sich aktuell in der Begutachtung einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift befindet, haben Magalhães et al. (in Review) Eintragspfade für nicht einheimische Fischarten untersucht und dafür die 20 populärsten Aquarien / Gartenteich YouTube Kanäle in Brasilien mit mehr als 2,3 Mio. Abonnenten ausgewertet. Nicht nur, dass es diese Spezialkanäle gibt, sie erreichen offenbar auch viele Leute, die potenziell zur Zielgruppe zu zählen sind. Die in der Studie ausgewerteten Kanäle waren in portugiesischer Sprache, aber es wird sie sicher auch für deutsch- oder englischsprachige Abonnenten geben. In jedem Fall bieten Aquarien- und Gartenteich Videokanäle, Internetforen oder Blogs die Möglichkeit zur gezielten Ansprache potenzieller Quellen nicht einheimischer Arten. Es wird deshalb empfohlen, vergleichbare Kanäle in deutscher Sprache, vielleicht sogar regional zu eruieren und für diese kurze Videoclips mit der erforderlichen Information und Aufklärung in Bezug auf invasive Arten zu produzieren und dort einzustellen. 21

Radiowerbung und Presse Eine teure, aber ein relativ großes Publikum erreichende Möglichkeit der Öffentlichkeitsarbeit ist die Werbung über lokale Radiosender. Aktuell nutzen gerade die Berliner Stadtreinigungsbetriebe diese Möglichkeit (z.b. auf Spree-Radio), um die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass die Verpackungen von Bio-Produkten nicht in die Bio-Tonne gehören. Es wird aber u.u. schwierig, das relative komplexe Thema der invasiven Arten kurz und prägnant, analog zu Werbespots für das Radio aufzuarbeiten. Alternativ wäre zu versuchen, in den Redaktionen der Radiosender für das Thema zu werben und Interviewminuten für die Information der Öffentlichkeit zu bekommen. Kleine Artikel bieten weitaus umfangreichere Möglichkeiten, das Thema anschaulich darzustellen, als Radio-Spots. In den zahlreichen, kostenfrei zugestellten Berliner Lokalblättern könnten dementsprechende Artikel zur Information der Öffentlichkeit platziert werden. Die Kosten wären weitaus geringer als bei Radiowerbung, aber auch die Reichweite. Wie bereits zum Thema Füttern von Enten und anderen Wasservögeln und seinen Auswirkungen auf die Wasserqualität und Trophie, könnte die Senatsverwaltung auch ein Faltblatt zum Thema nicht einheimische Fische und Krebse erarbeiten lassen und über den gleichen Verteiler publik machen. Sofern bereits Informationen über Reichweite und Wirksamkeit des Entenfüttern-Faltblattes vorliegen, sollten diese bei der Erarbeitung und Verteilung eines Faltblattes zum Nichtaussetzen invasiver Arten berücksichtigt werden. Die anzusprechende Zielgruppe von Personen, die potenziell Fische oder Krebse frei lassen, ist ähnlich unspezifisch wie die der Enten Fütternden. Abschließend sei noch erwähnt, dass Öffentlichkeitsarbeit nicht nur präventiv einzusetzen ist, sondern insbesondere auch bei der Maßnahmenumsetzung, z.b. von Entnahmemaßnahmen, um Akzeptanz zu schaffen. Schulung und Kontrolle der ungewollten Einbringung durch Besatzmaßnahmen Die Management- und Maßnahmeblätter für die beiden Fischarten führen als zweite und dritte Maßnahme Schulungen und Besatzkontrollen an, die sich beide an in Berlin Angelnde und Gewässer Bewirtschaftende richten und deshalb hier zusammen abgehandelt werden. In den Schulungsmaterialien zur Fischerprüfung werden auch Aspekte des Fischbesatzes und nicht einheimischer Arten behandelt. Allerdings tauchen dabei weder die Unionsliste noch Arten der Unionsliste auf, da letztere angelfischereilich nicht relevant sind. Beide gelisteten Fischarten sowie Goldfisch und Schwarzmundgrundel sind fischereilich ohne Bedeutung. Letztere wird bestenfalls als Ärgernis betrachtet, weil sie auf den für andere Fischarten gedachten Köder oft schneller als diese beißt. Es sollte für die Senatsverwaltung kein Problem sein, Schulungsmaterial zum Thema invasive Fischund Krebsarten erarbeiten zu lassen und den Angelvereinen und -verbänden zur Verfügung zu stellen. Diese können es, über die Vorbereitung zur Fischerprüfung hinaus, in den Angelvereinen bei der Schulung der Gewässerwarte und der ehrenamtlichen Fischereiaufseher verwenden. Bei den Schu- 22

lungen und über die Webseiten der Vereine und Verbände ist auch über ein Entnahmegebot für nicht einheimische Arten zu informieren. Über das Entnahmegebot hinaus, wird die Schulung zur Verordnung EU 1143/2014 bei den Angelnden wenig Resonanz finden, weil die betroffenen Arten nicht von anglerischem Interesse sind. Die Maßnahme ist sicher wirkungslos. Misch- und Futterfischbesatz, eine der Hauptquellen für die ungewollte Verbreitung insbesondere des Blaubandbärblings, ist in Berlin nicht üblich. Darüber hinaus führt der Landeverband Berlin im DAV bereits seit 2010 keine Besatzmaßnahmen durch, weil die anglerisch interessanten Fischarten selbst reproduzierende Bestände in Berliner Gewässern bilden oder, im Falle des Karpfens, nicht nachweislich in dem Maße entnommen werden, dass ein Nachbesatz erforderlich sein könnte. Insofern ist die Kontrolle bei Besatzmaßnahmen prinzipiell eine richtige und wichtige Maßnahme, in Berlin besteht hier aber gegenwärtig kein Handlungsbedarf. Umgang mit Beifängen Der Umgang mit Beifängen ist eine weitere, für die Fischarten der Unionsliste vorgesehene Maßnahme, die auch in Berliner Gewässern anwendbar ist. Als Beifänge werden gefangene Exemplare nicht gezielt befischter, oft ungewollter Arten bezeichnet. Handelt es sich dabei um Exemplare nicht einheimischer Arten, was nicht auf die Arten der Unionsliste beschränkt ist, so sollten diese entnommen werden. Allerdings bewirkt die Entnahme von Beifängen keine messbare Bestandsreduzierung der nicht einheimischen Fischarten und hat deshalb eher symbolischen Charakter. Auch wenn die hier betrachteten Fischarten anglerisch und fischereilich ohne Bedeutung sind, ist nicht zu verhindern, dass auch diese Arten den Angelköder schlucken oder in eine Reuse einschwimmen und gefangen werden. Diese Tiere sind dann waidgerecht zu töten und zu entsorgen, bzw. zu verwerten. Die Maßnahmeblätter formulieren ein Entnahmegebot, über welches, wie bereits oben genannt, z.b. auf Schulungen oder Hauptversammlungen in Angelvereinen, auf Seminaren für Gewässerwarte und Fischereiaufseher zu informieren ist. Viel wichtiger ist es jedoch, für Fischer und Angler Rechtssicherheit zu schaffen, dass die Entnahme eines Fisches sowie seine Tötung und Entsorgung, nur weil er nicht einheimisch ist, ein vernünftiger Grund im Sinne der geltenden Fischerei- und Tierschutzgesetzgebung ist. Aus der gesetzlichen Verpflichtung zur Erhaltung, Förderung und Hege eines der Größe und Beschaffenheit des Gewässers entsprechenden heimischen Fischbestandes in naturnaher Artenvielfalt (Berliner Landesfischereigesetz, LFischG, 3 (3)), der sog. Hegepflicht, lässt sich dieser vernünftige Grund für Fischereiberechtigte theoretisch ableiten. Dennoch steht die Anpassung der Berliner Landesfischereiordnung (LFischO) an die Verordnung EU 1143/2014 noch aus. Die LFischO listet in Anlage 1 den Amerikanischen Flusskrebs (= Kamberkrebs) mit einem Mindestmaß von 8 cm Länge auf. Damit ist jeder Fischereiberechtigte verpflichtet, gefangene kleinere Kamberkrebse unverzüglich, schonend in das Gewässer zurückzusetzen. Nicht eindeutig sind auch die Regelungen des 8 LFischO in Verbindung mit den beiden Anlagen 1, der Arten mit Schonzeiten und Mindestmaßen und 2, der Arten ohne Schonbestimmungen. Paragraph 8(1) verbietet den in der Anlage 1 genannten Fisch-, Neunaugen-, Krebs- und Muschelarten (nachfolgend Fische genannt) während der Schonzeiten, oder wenn sie nicht das Mindestmaß erreicht haben, nachzustellen, sie vorsätzlich zu fangen oder zu töten.. Paragraph 8(4) nimmt alle 23

Fischarten der Anlage 2, ohne Schonzeiten und Mindestmaße, von den Bestimmungen des 8(1) aus. In Kombination definieren die beiden Anlagen zur LFischO damit das Gesamtspektrum der in Berlin zu fangenden Fischarten, was die Frage zur rechtlichen Stellung von weder in Anlage 1, noch in Anlage 2 gelisteten Arten in der LFischO aufwirft. Von den hier behandelten nicht einheimischen Arten betrifft dies Blaubandbärbling und Schwarzmundgrundel, weshalb vorgeschlagen wird, beide Arten im Zuge der Anpassung in die Anlage 2 zur LFischO aufzunehmen. Darüber hinaus kamen zahlreiche Nachweise nicht einheimischer Fischarten von Amphibien- Kartiererinnen und Kartierern, die z.t. die Tiere als Beifang in den Molchreusen haben. Wenn diese nicht im Besitz einer Fischereiberechtigung und eines Fischereischeins sind, dürfen sie die Tiere rein rechtlich nicht entnehmen, töten und entsorgen, sollen sie aber auch nicht zurücksetzen. Gerade in wertvollen Amphibienlaichgewässern kann durchaus Interesse bestehen, diese Beifänge zu entnehmen, selbst wenn es für den Bestand der nicht einheimischen Art irrelevant ist. Auch für diese Fälle muss eine rechtlich abgesicherte Verfahrensweise entwickelt und abgestimmt werden. Ablassen oder Verfüllen und Neuanlage von Stillgewässern Als letzter Maßnahmekomplex für den Sonnenbarsch, aber auch für die invasiven Krebse ist das Ablassen oder Verfüllen und Neuanlage von Stillgewässern angeführt. Das Verfüllen eines Gewässers bedeutet den dauerhaften Verlust eines aquatischen Lebensraumtyps und dürfte kaum mit anderen Naturschutzzielen kompatibel sein. Ganz im Gegenteil, die Trockenheit der letzten Jahre hat vor allem in den Kleingewässern zu einem extrem angespannten Wasserhaushalt und dem Austrocknen vieler Gewässer geführt. Die Berliner Bezirke sind um den dauerhaften Erhalt der Gewässer bemüht, wofür u.a. auch das Projekt Blaue Perlen für Berlin Ausdruck ist. Das Verfüllen und dauerhafte Vernichten eines Gewässerlebensraums wird daher nicht als anwendbare Option gesehen. Anders das temporäre Trockenlegen. Es ist gerade in strukturierten Gewässern unmöglich, mit fischereilichen Methoden sämtliche Fische herauszufangen. Selbst mit enormen Fangaufwendungen über lange Zeiträume ist es nicht möglich, ein Gewässer völlig fischfrei zu bekommen. So haben N Guyen et al. (2018) ein dynamisches Populationsmodell und Felduntersuchungen genutzt, um den Aufwand für die Entfernung der Schwarzmundgrundel aus dem Schweizer Hochrhein abzuschätzen. Demnach war eine 95%ige Beseitigung der Art nach 13 bzw. 18 Jahren möglich, je nachdem ob unmittelbar nach dem ersten Auftreten der Schwarzmundgrundel oder später mit den Maßnahmen begonnen wurde. Wenn nicht Eier und Adultfische entfernt wurden, sondern nur die Adultfische, verlängerte sich die Zeit bis zur 95%igen Beseitigung auf 20 bzw. 29 Jahre (N Guyen et al. 2018). Den jährlichen Aufwand für die Beseitigung bezifferten die Autoren auf 5,01 h/m² Gewässerfläche wenn Eier und Adulti entnommen werden und auf 1,76 h/m² wenn nur die Adulti entnommen werden. Darüber hinaus ergaben die Simulationsergebnisse, dass jährlich mindestens 57% des Adultfisch- Bestandes entnommen werden muss, um überhaupt Erfolg zu haben (N Guyen et al. 2018). Da Fische ein sehr hohes Reproduktionspotenzial haben (siehe Zusammenstellung in van Treeck et al. 2020), reichen bereits sehr wenige im Gewässer verbliebene Fische aus, um einen neuen Bestand zu rekrutieren. Dieses Reproduktionspotenzial der Fische stellt grundsätzlich die Wirksamkeit von Bestandsreduktionsmaßnahmen über den unmittelbaren Anwendungszeitraum hinaus, in Frage. 24