Perorale und enterale Ernährungstherapie flüssige Zusatznahrung, Sonde oder PEG? Dr. Matthias Engelmann Oberarzt Gastroenterologie Kantonsspital Luzern
Perorale und enterale Ernährungstherapie Der gesunde Mensch kann aus einem grossen Angebot an Lebensmitteln auswählen Essen und Trinken gehören zu den menschlichen Grundbedürfnissen
Perorale und enterale Ernährungstherapie Im Krankheitsfall Ernährung häufig nur eingeschränkt möglich, z.b. Passage,- Kau- oder Schluckstörung, zusätzlich krankheitsbedingt erhöhter Energieverbrauch Indikation zur Anwendung von oralen Nahrungs- supplementen oder künstlichen Ernährungsformen wie enteraler (Sonden)kost oder parenteraler Infusionstherapie
Perorale und enterale Ernährungstherapie Ernährungsformen Natürliche Ernährung oral ist die Regel und bezeichnet die orale Aufnahme von Normalkost und ggf. Supplemente (kommerzielle Trinklösungen z.b. mit Proteinoder Kohlenhydratschwerpunkt)
Perorale und enterale Ernährungstherapie Ernährungsformen Natürliche Ernährung Künstliche Ernährung oral enteral parenteral Normalkost, Supplemente Enterale Ernährung bezeichnet die Zufuhr von flüssigen Nährsubstraten als Trink- und Sondennahrung unter Einbeziehung des Magen-Darm-Traktes.
Perorale und enterale Ernährungstherapie Ernährungsformen Natürliche Ernährung Künstliche Ernährung oral enteral parenteral per os per Sonde Normalkost, Supplemente Bilanzierte Trinknahrung Formeldiäten Infusionslösungen
Natürliche orale Ernährung Basis der Ernährung, sofern keine Schluck- oder Kauprobleme PEE Enterale Ernährung Oral/Sonde + Supplemente Orale Ernährung
Natürliche orale Ernährung Vorteile: Für den Patienten angenehm Hohe soziale Komponente Nachteile: Aspirationsgefahr Körperliche Ermüdung Häufig nicht ausreichende Kalorienzufuhr Holas, Arch Neurol 1994;51:1051-105
Orale Ernährung + Supplemente Indikation: Patient nimmt zwar noch Nahrung auf, jedoch nicht in ausreichender Menge Ziel: Verbesserung der Qualität und Energiedichte der aufgenommenen Nahrung statt Erhöhung der Quantität der Nahrungsaufnahme Prinzip: Industriell gefertigte Nahrung für bestimmte therapeutische Ziele in definierter Zusammensetzung z.b. eiweißreiche oder hochkalorische Trinknahrung PEE Enterale Ernährung Oral/Sonde + Supplemente Orale Ernährung
Orale Ernährung + Supplemente Vorteile: Natürliche Kostform bleibt solange wie möglich erhalten Erhöhung der Nährstoffdichte ohne Steigerung der Nahrungsvolumina Nachteile: Kalorienzufuhr häufig nicht ausreichend, Geschmacksprobleme
Künstliche Ernährung bilanzierte Trinknahrung Indikation: Applikation bei Malnutrition z.b. bei Dysphagie Prinzip: Pat. nimmt auf oralem Wege vollwertige flüssige Trinknahrung, erhältlich in verschiedenen Aromata zu sich Zur ausschliesslichen und vollwertigen Ernährung geeignet PEE Enterale Ernährung Oral/Sonde + Supplemente Orale Ernährung
Künstliche Ernährung bilanzierte Trinknahrung Vorteile: Bedarfsdeckende Ernährung möglich Nachteile: ausreichende Trinkmengen (1500-2000 ml tgl.) erforderlich Häufig auf längere Dauer wegen Geschmack nicht tolerierbar
Sondennahrung Formeldiäten Indikation: Nahrungsaufnahme auf oralem Wege nicht ausreichend möglich (z.b. Dysphagie, Langzeitintubierte) PEE Enterale Ernährung Oral/Sonde + Supplemente Orale Ernährung
Prinzip: Sondennahrung Formeldiäten Auswahl des Substrats richtet sich nach Verdauungsleistung des Patienten Klassifikation: Nährstoff-definierte Formeldiäten Chemisch-definierte Formeldiäten
Sondennahrung Formeldiäten Nährstoff-definierte Formeldiäten Hochmolekulare (polymere) Sondenkost. Enthalten Nährstoffe (Kohlenhydrate, Eiweisse,, Fette, Spurenelemente, Vitamine) in der für Gesunde empfohlenen Menge und Relation Werden eingesetzt, wenn weder Verdauung noch Resorption eingeschränkt sind (z.b. Fresubin,, Impact)
Sondennahrung Formeldiäten Chemisch-definierte Formeldiäten Niedermolekulare (oligomere( oligomere) ) Sondenkost. Nährstoffe liegen in vorverdauter Form vor (Aminosäuren, Oligopeptide etc.) Werden im oberen Dünndarm resorbiert Einsatz bei eingeschränkter Verdauung und/oder Resorption, zur Ruhigstellung tieferer Darmabschnitte, Ernährung bei jejunaler Sondenlage (z.b. Survimed instant)
Welche Sonde soll gewählt werden.. Vor Applikation einer Sonde zu berücksichtigen: Voraussichtliche Dauer der Ernährungstherapie Grundkrankheit (z.b. HNO-Tumor, akute Pankreatitis, Gastroparese) anatomische Besonderheiten nach Voroperationen (St.n. Gastrektomie,, B-IIB II- Magen)
Sondenzugangswege
Nasogastrale Sonde Indikation: Sondenernährung nur über kurze Zeit geplant (max. 2-42 4 Wochen) Ernährungsdauer noch unklar, definitive Entscheidung weiteres Vorgehen muss noch abgewartet werden Kontraindikation: Unkooperativer Patient Magenausgangsstenose oder Gastroparese
Nasogastrale Sonde Vorteile: Technisch einfache Bed-side side-applikationstechnik Ganzer Verdauungstrakt wird genutzt Nachteile: Lokale Verletzungsgefahr Fremdkörpergefühl im Rachen, Druckulzera Mögliche Behinderung der Schluckfunktion (Schluckrehabilitation) Potentielle Aspirationsgefahr bei Magenatonie Häufige Dislokation gerade bei älteren Patienten Nicht bemerkte Fehllagen Kosmetische Beeinträchtigung
Nasoduodenale/Nasojejunale Nasojejunale Sonden Indikation: kurzzeitige (<( < 4 Wochen) enterale Ernährung Bei Magenausgangsstenosen (maligne/benigne), Gastroparesen (diabetisch/postoperativ), Intensivpatienten (frühe postoperative Ernährung) Prinzip: Endoskopische Einlage, Applikation der Sondenkost erfolgt kontinuierlich direkt in den Dünndarm
Nasoduodenale/Nasojejunale Nasojejunale Sonden Vorteile: Einlage 3-lumiger 3 Sonden: Möglichkeit der intestinalen Ernährung bei gleichzeitiger gastraler Dekompression Nachteile: Okklusiongefahr bei geringem Durchmesser Potentielle Dislokationsgefahr mit konsekutivem Aspirationsrisiko
Indikation: Perkutane Sonden PEG, PEG-J, PEJ Enterale Ernährung über mehr als 2-42 4 Wochen
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Prinzip: Perkutane Sondeneinlage in den Magen in Lokalanästhesie unter endoskopischer Kontrolle PEG = invasives Verfahren! Bedarf grundsätzlich der Einwilligung des informierten Patienten bzw. Vertretungsberechtigten.
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Durchführung:
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Indikationen: Neurogene Dysphagie Schädel-Hirn Hirn-Trauma, Apoplex etc. Tumor- oder Narbenstenosen im Oberen Gastrointestinaltrakt (Ösophagus/Kardia Kardia) HNO-Bereich (Oropharynx( Oropharynx, Larynx) Strahlentherapie Gastropexie bei intermittierendem Magenvolvulus (up-side side-down-stomach)
Perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG) Kontraindikationen: Endoskopie nicht möglich, fehlende Diaphanie Schwere Gerinnungsstörungen (Quick < 50%, PTT > 50 s, Thrombozyten <50.000/µl) Magenausgangsstenose Eingeschränkte Lebenserwartung < 4 Wochen Aktives Ulkusleiden im Bereich der Punktionsstelle an der Magenvorderwand oder im Magenausgang Massiver Aszites Orale Ernährung binnen 14 Tagen wieder möglich
Gauderer, Gastrointest Endosc 1999;50:87 Akutkomplikationen PEG Leicht akuter Wundschmerz, lokale Wundinfektionen Pneumoperitoneum in 50% postinterventionell ohne klinische Bedeutung sofern keine Peritonitiszeichen Schwer Verletzungen der Gefässe und Oberbauchorgane, gastrokolische Fistel, schwerwiegende Infektionen (ausgehend vom Stoma/ / Aspirations- pneumonien) < 1% d.f
Langzeitkomplikationen bei PEG Schwer BuriedBuried bumper syndrome syndrome = Einwachsen der inneren Halteplatte in die Magenwand infolge mangelnder Mobilisation der PEG-Sonde Cave: : Mobilisation der Sonde im Stichkanal in regelmässigen Abständen (im Rahmen der tgl Sondenpflege Sonde einige Zentimeter in den Magen vorschieben und um die eigene Achse drehen)
Button Systeme Button ist ein Austauschsystem zur Zweitplatzierung nach vorheriger Anlage einer PEG Silikonballonbutton besteht aus einem in Hautniveau liegenden Ventilknopfsystem, einem in der Länge variierenden Verbindungskanal und einem Ballon
Button Systeme Vorteile: Bessere Toleranz und senkt das Risiko von Verletzungen Kein störender Schlauch Nachteile: Akzidentelle Sondendislokation Gastrokutaner Reflux durch Defekt der Antirefluxkappe Button darf nur in einem gut ausgebildeten und vollständig ausgeheilten, reizlosen Stomakanal eingesetzt werden, frühestens 4 Wochen nach Anlage der PEG
Methoden Transkutane jejunale Sondenlage Perkutane endoskopische Jejunalsonde (PEG-J) Perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ)
Perkutane endoskopische Jejunalsonde (PEG-J) Prinzip: Verlängerung der PEG mittels Jejunalkatheters Direkte jejunale Ernährung trotz konventionell gelegter PEG
Perkutane endoskopische Jejunalsonde (PEG-J) Indikationen: Jejunale Ernährung mit gleichzeitiger Möglichkeit der gastralen Dekompression z.b. bei Aspirationen, Gastroparese, Magenausgangsstenose medizinische Indikation
Perkutane endoskopische Jejunalsonde (PEG-J) Nachteile: Okklusionsrisiko aufgrund geringen Innendurchmessers Gute Pflege entscheidend: jejunale Medikamentenapplikationen sollten vermieden werden z.t. schwierige jejunale Platzierung, Zurückschlagen der Sonde in den Magen, intragastrale Schlaufenbildungen kontinuierliche Applikation der Sondennahrung
Prinzip: Perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) Einbringen einer PEG Sonde perkutan in das Jejunum Anlage prinzipiell wie bei PEG mittels Fadendurchzugsmethode Diaphanoskopie notwendig
Perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) Indikation: Wenn PEG-Anlage unmöglich infolge magenresezierender Operationen (verbleibender Magenrest zu klein oder gar nicht vorhanden) Technische Indikation
Vorteile: Perkutane endoskopische Jejunostomie (PEJ) Sichere Platzierung der Sonde (meist Ch 15) im Jejunum Nachteile: Kontinuierliche Applikation der Sondennahrung Im Falle erforderlicher gastraler Dekompression zusätzlich nasogastrale Sonde PEG nötig Komplexes Anlageverfahren
Operative Verfahren Nur bei einem kleinen Teil der Patienten indiziert (<( 1%) z.b. Feinnadelkatheterjejunosto- mie (FKJ, Lap-FKJ) = direktes operatives Einbringen einer Jejunalsonde Bleck, Am J Gastroenterol 1998;93:941 Sarr, Br J Surg 1999;86:557-561
Feinnadelkatheterjejunsotomie (FKJ) Indikationen: Grosse abdominalchirurgische Eingriffe am oberen GI-Trakt (z.b. Ösophagusresektion mit Magenhochzug, Whipple-OP)
Feinnadelkatheterjejunsotomie (FKJ) Komplikationen: Ileus, der von der fixierten Dünndarmschlinge ausgeht, Torsion muss vermieden werden Ho, Gastroenterology 95:1206-1210
Enterale Kostzufuhr Zur Applikation von Sondenkost stehen verschiedene Systeme zur Verfügung: Bolusgabe: : per Blasenspritze oder per Ernährungspumpe mit spezieller Ernährungspumpe Schwerkraftapplikation Kontinuierliche Applikation per Ernährungspumpe
Enterale Kostzufuhr Bolusgabe Nur bei gastraler Sondenlage und intakter gastroduodenaler Passage und Magenmotilität möglich Kontraindiziert bei gastralen Entleerungsstörungen und dem damit verbundenen gastroösophagealen Reflux- und Aspirationsrisiko
Enterale Kostzufuhr Kontinuierliche Applikation Immer bei transpylorischer jejunaler Sondenernährung Methode der Wahl beim kritisch Kranken (nahezu regelhaft gestörte antroduodenale Motilität) und anderen gastrointestinalen Motilitätsstörungen
Komplikationen der enteralen Ernährung Diarrhoe (häufigste Komplikation) Therapie: schrittweiser Kostaufbau, z.b. initial mit niedermolekularer Formuladiät Reflux von Sondennahrung mit Gefahr der Aspiration Lage der Sondenspitze korrekt? Cave Gabe motilitätshemmender Medikamente Metabolische Komplikationen Wahl der geeigneten Formelkost
Dtsch Ärztebl 2005;102:A 2153-215 PEG - Ernährung leicht gemacht? Künstliche Ernährung ist keine unverzichtbare Basisversorgung sondern einer Behandlungsmass Behandlungsmass- nahme Die PEG ist keine Terminalmassnahme bei Patienten mit infauster Prognose Das Legen einer PEG bedarf einer klaren medizinischen Indikationsstellung Eine Ernährungssonde darf nicht allein zum Zweck der Reduktion des Pflegeaufwandes gelegt werden. Auch bei liegender PEG sind alle Möglichkeiten einer natürlichen Nahrungszufuhr auszuschöpfen (Nahrungsgenuss, Zuwendung von Pflegenden, Training der Nahrungsaufnahmefunktionen).
Welche Rolle spielt die PEG bei Demenz- oder Tumorkranken im fortgeschrittenen Stadium? Datenlage: Wirksamkeit nicht belegt bzgl. Prävention relevanter Sekundär- komplikationen (z.b. Aspirationspneumonie, Dekubitusprophylaxe, Funktionseinbussen), Beeinflussung längerfristiger Kriterien (Langzeitüberleben, Rehabilitationsfähigkeit) Zusätzlich Belastungen durch Behandlung: gastrointestinale Beschwerden, Ödeme, vermehrte Produktion von Sputum und Urin. Gillick, N Engl J Med 00;342:206-10 Finucane; JAMA 99;282:165-1370 Sullivan, J Gen Intern Med 93;8:220-4 Murphy; Arch Intern Med 2003;163:1351-1353
Sind Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit menschliche Grundbedürfnisse unabhängig von den Umständen? Datenlage: Patienten mit fortgeschrittener Demenz und finalen Tumorerkrankungen leiden nicht, wenn die orale Nahrungszufuhr abnimmt weil Hunger- und Durstgefühl nachlassen, Teil der natürlichen Krankheitsentwicklung. Nicht einmal geistig völlig klare terminal Tumorkranke, die aus freiem Willen die Aufnahme von Wasser und Nahrung einstellen, leiden Hunger und Durst. Gillick, N Engl J Med 00;342:206-10 Finucane; JAMA 99;282:165-1370 Sullivan, J Gen Intern Med 93;8:220-4 Murphy; Arch Intern Med 2003;163:1351-1353
Zusammenfassung Enterale Ernährung der parenteralen Ernährung vorzuziehen, da metabolisch gleichwertig, aber physiologischer, komplikationsärmer und weit kostengünstiger Enterale Ernährung ist neben der vollwertigen oralen Zufuhr mittels nasogastraler, nasointestinaler und perkutaner Sonden möglich. Kenntnisse der verschiedenen Techniken und deren Indikationen sind die Voraussetzung für eine effektive klinische Ernährungstherapie Eine optimale Sondenauswahl kann Risiken minimieren und die Lebensqualität der Patienten verbessern.